Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um Ansprüche nach dem Abbruch einer eBay-Auktion.

Schnäppchenjäger oder Abbruchjäger?
Urteil vom 22. Mai 2019 – VIII ZR 182/17

Mit Schadensersatzansprüchen des Bieters nach einer vom Verkäufer abgebrochenen eBay-Auktion befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Beklagte hatte im Frühjahr 2012 bei eBay einen Pirelli-Radsatz für einen Audi A6 mit einem Startpreis von 1 Euro zum Verkauf angeboten, die Auktion aber vorzeitig beendet. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Gebot von 201 Euro der Höchstbietende. Der Beklagte lehnte die Lieferung ab. Der Kläger bezifferte den Wert der angebotenen Ware mit 1.701 Euro und verlangte Schadensersatz in Höhe von 1.500 Euro. Die Klage hatte in den beiden ersten Instanzen Erfolg.

Die Revision des Beklagten bleibt erfolglos. Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Nach den AGB von eBay bleibt ein Gebot gültig, wenn der Verkäufer die Auktion ohne berechtigten Grund abbricht. Im Streitfall hat das Berufungsgericht der Behauptung des Beklagten, die Ware sei gestohlen worden, keinen Glauben geschenkt. Der BGH hält diese tatrichterliche Würdigung für rechtsfehlerfrei. Er tritt dem LG auch darin bei, dass der Klageforderung nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegensteht. Eine Betätigung als „Schnäppchenjäger“, d.h. das gezielte Bieten auf Waren zu einem weit unter dem Marktwert liegenden Preis, ist für sich genommen nicht missbilligenswert. Der Verkäufer hat es in der Hand, einen Vertragsschluss zu einem ihm nicht genehmen Preis durch Festsetzung eines entsprechend hohen Startgebots zu vermeiden. Als rechtsmissbräuchlich wäre es allerdings anzusehen, wenn sich der Kläger als „Abbruchjäger“ betätigt, also auf einen Abbruch der Auktion abgezielt hätte, um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Die diesbezügliche Behauptung des Beklagten sah das Berufungsgericht indes ebenfalls als nicht bewiesen an. Der BGH sieht auch diese Würdigung als rechtsfehlerfrei an.

Praxistipp: Für die Einordnung eines Bieters als „Abbruchjäger“ kann vor allem der Umstand sprechen, dass er nach erfolgreichen Geboten die Ware nicht abgenommen hat, obwohl der Verkäufer zur Lieferung bereit war.

BGH: Käufer muss bei eBay gesamte Artikelbeschreibung lesen

Um Gebühren bei eBay zu sparen, hat ein Verkäufer sein E-Bike für 100,00 EUR zum Verkauf angeboten, im Beschreibungstext aber deutlich darauf hingewiesen, dass der Kaufpreis 2.600,00 EUR beträgt. Mit diesem Preis war der spätere Käufer nicht einverstanden und klagte auf Erfüllung des Kaufvertrages gegen Zahlung von 100,00 EUR.

Dem BGH zufolge ist der Verkäufer im Recht. Zwar sei grundsätzlich das Angebot durch Auslegung der Marktplatzregeln (= AGB von eBay) zu deuten. Weicht der Verkäufer hiervon aber ab, so hat diese Abweichung als speziellere Ausgestaltung Vorrang, es gilt damit der Kaufpreis von 2.600,00 EUR. Da der Käufer erklärt hatte, nicht an den Preis von 2.600,00 EUR gebunden sein zu wollen, läge hier zudem eine konkludente Anfechtung des geschlossenen Kaufvertrages vor.

Dem Kläger stand der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe und Übereignung des E-Bikes gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB nicht zu. Zwar war – wenn auch zu einem Kaufpreis von 2.600 € – zwischen den Parteien ursprünglich ein Kaufvertrag zustande gekommen, so dass der Kläger – den (Fort-)Bestand dieses Vertrages vorausgesetzt – die Übergabe und Übereignung des gekauften E-Bikes, allerdings nur Zug um Zug gegen Zahlung des zwischen den Parteien gem. § 433 Abs. 2 BGB vereinbarten (Rest-) Kaufpreises i.H.v. 2.500 €, hätte verlangen können. Aus dem Sachverhalt ergab sich aber zugleich, dass der Kläger seine nach dem Empfängerhorizont des Beklagten objektiv auf einen Kaufpreis von 2.600 € lautende Annahmeerklärung anschließend gem. § 119 Abs. 1, § 121 Abs. 1, § 143 Abs. 1, 2 BGB wirksam wegen eines Inhaltsirrtums angefochten hatte, so dass es wegen der dadurch als von Anfang an als nichtig anzusehenden Annahmeerklärung gem. § 142 Abs. 1 BGB letztlich an einem die Klageforderung tragenden Vertragsschluss der Parteien fehlte.

[…]

Die Auslegung des vom Beklagten geschalteten Angebots in seiner
Gesamtheit ergibt, dass das E-Bike nicht für 100 € zum Verkauf gestellt war.
Zwar mag ein Kaufinteressent aufgrund der Gestaltung der Angebotsseite nach
seinem Empfängerhorizont zunächst davon ausgehen, dass der neben der
Schaltfläche „Sofort-Kaufen“ erscheinende und optisch hervorgehobene Festpreis
betragsmäßig dem Angebot des Verkäufers entspricht. Dabei darf er jedoch
nicht stehenbleiben. Vielmehr muss er zur Bestimmung des wirklichen
Erklärungstatbestands stets die insgesamt abgegebenen Erklärungen berücksichtigen
und darf nicht nur einzelne Erklärungsbestandteile als vermeintlich
maßgebend herausgreifen.

[…]

Sind bei Verkaufsaktionen auf der eBay-Internetplattform die Erklärungen der Teilnehmer nicht aus sich heraus verständlich oder lückenhaft und bedürfen sie deshalb der Auslegung, ist grundsätzlich zwar der Aussagegehalt der eBay-AGB ergänzend in die Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen. Rückt jedoch einer der Teilnehmer von den Regelungen der eBay-AGB erkennbar in bestimmter Hinsicht ab, kommt deren Heranziehung insoweit zur Bestimmung des Vertragsinhalts nicht mehr in Betracht. Es ist dann vielmehr das individuell Vereinbarte maßgeblich.

Praxishinweis

Auf Verkäuferseite könnte sich ein wenig aufrichtiges Vorgehen nach Ansicht des BGH offenbar lohnen. Unternehmer, die so handeln, verhandeln sich lauterkeitsrechtlich jedoch rechtswidrig, § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG.

Käufern ist in jedem Fall zur sorgfältigen Durchsicht sämtlicher Angebotsdetails zu raten. Im Falle eines Irrtums sollte unverzüglich eine Anfechtung erklärt werden. Dem Käufer, der dem Verkäufer mitteilt, er habe in Kenntnis der widersprüchlichen Preise den Kauf getätigt, wobei er nunmehr Lieferung begehrt, dürfte die Möglichkeit der Anfechtung mangels Irrtums nicht offen stehen.

Es steht zu befürchten, dass die Grundgedanken dieser Entscheidung auch auf andere Konstellationen ausgeweitet werden. z.B. ist denkbar, dass ein Produkt als „neu“ eingestellt wird, um aber später im Beschreibungstext zu offenbaren, dass der Gegenstand schon mehrere Monate genutzt ist und in einem Zustand „wie neu“ ist. Dies dürfte gegen die Vorgaben eBays verstoßen, zivilrechtlich nach der Entscheidung des BGH aber zu Problemen führen.

BGH Urteil vom 15.02.2017 Az.: VIII ZR 59/16

Montagsblog: Neues vom BGH

Überprüfung des Telefaxgeräts
Beschluss vom 16. November 2016 – VII ZB 35/14

Mit den Folgen einer missglückten Telefaxübermittlung befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wollte eine Berufungsbegründung am letzten Tag der Frist gegen 23:30 Uhr per Telefax an das Gericht übermitteln. Das für den Versand vorgesehene Faxgerät war eine Woche zuvor installiert worden und hatte beim letzten Sendevorgang – vier Tage vor dem gescheiterten Sendeversuch – einwandfrei funktioniert. Das Berufungsgericht wies das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin zurück, weil der Prozessbevollmächtigte die Funktionsfähigkeit des Geräts am Tag des beabsichtigten Versands nicht rechtzeitig überprüft habe.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er bekräftigt seine ständige Rechtsprechung, nach der ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz am letzten Tag der Frist per Telefax übermitteln will, erhöhte Sorgfalt aufzuwenden hat, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Die Sorgfaltspflicht geht aber nicht so weit, das zum Versand vorgesehene Faxgerät täglich einer Funktionsprüfung zu unterwerfen.

Praxistipp: Das nach der Rechtsprechung erforderliche erhöhte Maß an Sorgfalt umfasst unter anderem die Pflicht, einen ausreichenden Zeitpuffer für den Fall einzuplanen, dass der Telefaxanschluss des Gerichts durch andere Sendungen vorübergehend belegt ist.

Eigenes Gebot des Anbieters bei eBay-Versteigerung
Urteil vom 24. August 2016 – VIII ZR 100/15

Mit grundlegenden Voraussetzungen des Vertragsschlusses bei einer Versteigerung auf eBay befasst sich VIII. Zivilsenat.

Der Beklagte bot auf eBay einen gebrauchten VW Golf für einen Startpreis von 1 Euro zum Verkauf an. Zugleich beteiligte er sich unter einer anderen Benutzerkennung an der Versteigerung. Die einzigen Gebote von dritter Seite gab der Kläger ab, und zwar ausgehend von einem Startpreis von 1,50 Euro bis zu einem letzten Gebot in Höhe von 17.000 Euro. Er wurde jeweils vom Beklagten überboten, dem letztendlich auch der Zuschlag erteilt wurde. In einer kurz darauf ebenfalls vom Beklagten initiierten zweiten Auktion bot ein Dritter einen Kaufpreis von 16.500 Euro. Diesen Betrag verlangte der Kläger vom Beklagten als Schadensersatz. Sein Begehren hatte in erster Instanz Erfolg. Das OLG wies die Klage ab.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her. Er knüpft an seine Rechtsprechung an, wonach die Eröffnung einer Auktion auf eBay ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags darstellt und der Vertrag mit demjenigen Bieter zustande kommt, der innerhalb der Auktionsfrist das höchste wirksame Gebot abgibt. Mit dem OLG ist der BGH der Auffassung, dass die vom Beklagten unter einer anderen Benutzerkennung abgegebenen Gebote unwirksam waren, weil eine Willenserklärung gegenüber einer anderen Person abgegeben werden muss. Deshalb ist ein Kaufvertrag mit dem Kläger zustande gekommen, der als einziger wirksame Gebote abgegeben hat. Abweichend vom OLG hält der BGH nicht das letzte Gebot des Klägers (über einen Kaufpreis von 17.000 Euro) für maßgeblich, sondern das erste (über einen Kaufpreis von 1,50 Euro). Ein Kaufvertrag mit diesem Inhalt ist unter den gegebenen Umständen nicht als sittenwidrig anzusehen und die Geltendmachung von Rechten daraus nicht als treuwidrig. Im Hinblick auf das Ergebnis der zweiten Auktion billigt der BGH auch die vom LG angestellte Schätzung, wonach der Wert des Fahrzeugs mindestens 16.501,50 Euro betragen hat.

Praxistipp: Damit ein Bieter von der ihm günstigen Rechtsprechung profitieren kann, muss er beweisen, dass hinter dem anderen Bieter in Wahrheit der Verkäufer steckt. Unter welchen Voraussetzungen eBay diesbezügliche Auskünfte erteilen muss, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.