Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um das Verhältnis zweier Vorkaufsrechte an einer vermieteten Wohnung.

Vorrang des dinglichen Vorkaufsrechts eines Familienangehörigen
BGH, Beschluss vom 27. April 2023 – V ZB 68/22

Der V. Zivilsenat befasst sich mit dem Verhältnis zwischen § 577 Abs. 1 und § 1094 BGB – und gibt zugleich einen Auffrischungskurs im Grundbuchrecht.

Zugunsten der Beschwerdeführerin (nachfolgend: Berechtigte) wurde im Jahr 2016 ein dingliches Vorkaufsrecht an einer Eigentumswohnung eingetragen. Eigentümer der Wohnung war ihr damaliger Ehemann (nachfolgend: Voreigentümer). Die Wohnung war bei Begründung des Wohnungseigentums vermietet.

Im Jahr 2019 verkaufte der Voreigentümer die Wohnung an Dritte. Daraufhin erklärten die Berechtigte und der Mieter jeweils die Ausübung des ihnen zustehenden Vorkaufsrechts. Der Voreigentümer ließ die Wohnung mit Zustimmung des Drittkäufers an den Mieter auf. Die Berechtigte klagte daraufhin gegen den Voreigentümer auf Auflassung der Wohnung. Das LG wies die Klage ab. Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig.

Nach dem Urteil des LG löschte das Grundbuchamt auf Antrag des Mieters das zugunsten der Berechtigten eingetragene Vorkaufsrecht. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb beim Grundbuchamt und beim OLG erfolglos.

Der BGH weist das Grundbuchamt an, gegen die Löschung der Vormerkung einen Widerspruch einzutragen.

Zu Recht ist das (gemäß § 72 GBO für die Entscheidung über die Beschwerde zuständige) OLG davon ausgegangen, dass eine Beschwerde mit dem Ziel der Wiedereintragung des Vorkaufsrechts unzulässig ist. Nach § 71 Abs. 2 GBO darf mit einer Beschwerde nur die Eintragung eines Amtswiderspruchs oder die Löschung einer ihrem Inhalt nach unzulässigen Eintragung verlangt werden. Die von der Berechtigten angefochtene Löschung des Vorkaufsrechts ist ihrem Inhalt nach zulässig. Die Berechtigte darf ihre Beschwerde mithin nur auf die Eintragung eines Widerspruchs nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO richten.

Entgegen der Auffassung des OLG ist die auf Eintragung eines Widerspruchs gerichtete Beschwerde begründet.

Das Vorkaufsrecht ist schon deshalb unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften gelöscht worden, weil das Grundbuchamt die Berechtigte nicht angehört hat.

Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für eine Löschung – Bewilligung (§ 19 GBO) oder Nachweis der Unrichtigkeit (§ 22 GBO) durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden (§ 29 Abs. 1 Satz 1 GBO) – nicht vor. Der beurkundete Veräußerungsvertrag zwischen dem Voreigentümer und dem Mieter vermag das Erlöschen des Vorkaufsrechts nicht zu beweisen, weil die Berechtigte daran nicht beteiligt war. Das Urteil des LG ist zum Nachweis schon deshalb nicht geeignet, weil es nicht rechtskräftig ist. Darüber hinaus wäre ein rechtskräftiges Urteil nur hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Übereignung bindend, nicht aber hinsichtlich der Vorfrage, ob das Vorkaufsrecht noch besteht.

Entgegen der Auffassung des OLG hat die Berechtigte glaubhaft gemacht, dass das Grundbuch durch die Löschung unrichtig geworden ist, weil die Berechtigte ihr dingliches Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt hat und diesem im Streitfall der Vorrang gegenüber dem gesetzlichen Vorkaufsrecht des Mieters zukommt.

Dem Mieter der Wohnung stand nach § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB ebenfalls ein Vorkaufsrecht an der Wohnung zu. In welchem Verhältnis dieses gesetzliche Vorkaufsrecht zu einem dinglichen Vorkaufsrecht im Sinne von § 1094 BGB steht, ist umstritten. Der BGH entscheidet nunmehr, dass ein dingliches Vorkaufsrecht jedenfalls dann Vorrang hat, wenn es zugunsten eines Familien- oder Haushaltsangehörigen im Sinne von § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht. Wenn der Vermieter die Wohnung an einen Erwerber aus diesem Personenkreis verkauft, ist ein Vorkaufsrecht des Mieters gemäß § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Diese Vorschrift schützt das Interesse des Vermieters, die Wohnung an eine bestimmte ihm nahestehende Person verkaufen zu können. Dieser Gesetzeszweck greift auch dann, wenn der Vermieter die Wohnung an einen Dritten verkauft und ein Angehöriger ein dingliches Vorkaufsrecht wirksam ausübt.

Ob die Bestellung des dinglichen Vorkaufsrechts rechtsmissbräuchlich war, weil sie der Vereitelung des Vorkaufsrechts aus § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB diente, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, weil ein eventueller Missbrauch nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist.

Praxistipp: Der Begriff des Familienangehörigen im Sinne von § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB entspricht demjenigen der Regelung über die Eigenbedarfskündigung in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

BGH: Eltern müssen Namen der rechtsverletzenden Kinder nennen

In Filesharingfällen besteht zunächst die Vermutung, dass der Anschlussinhaber zugleich auch Verletzer der fremden Urheberrechte ist. Es ist Aufgabe des Anschlussinhabers im Rahmen de sekundären Darlegungslast, diese Vermutung zu erschüttern.

In einem typischen Filesharingfall hatte der Anschlussinhaber mitgeteilt, dass ein volljähriges Kind die Verletzung begangen habe, ohne aber den Namen zu nennen. Der Beklagte berief sich auf den grundrechtlichen Schutz der Familie, teilte aber zugleich mit, den Verletzer zu kennen.

Das reichte dem BGH nicht aus, der auch die Eigentumsrechte der Rechteinhaber berücksichtigte, sodass es bei der Haftung des Anschlussinhabers verblieb.

Jens Ferner weist zutreffend darauf hin, dass sich aus den Entscheidungsgründen noch weitere wichtige Erkenntnisse ergeben könnten, die zum Stand der Veröffentlichung dieses Beitrages noch nicht vorlagen.

Praxistipp:
Der Praxistipp ergibt sich aus der Quintessenz des Urteils: Kennt der Anschlussinhaber den Täter namentlich, muss dieser auch angegeben werden. Nachforschungen auf fremdem PCs z.B. sind nicht vom Anschlussinhaber geschuldet. Anschlussinhaber sollten möglichst wenig zur Sachverhaltsaufklärung unternehmen. Beckmann und Norda kommentieren den Fall zutreffend: „Leider ist der Anschlussinhaber im vorliegenden Fall bei der Abwehr der Ansprüche nicht sonderlich geschickt vorgegangen.“
Aufgrund der höchstrichterlichen Klärung dieser Fallgestaltung, dürfte es in Zukunft nur noch in wenigen Fällen zu einer identischen Konstellation kommen, da das Aufklärungsinteresse des kundigen Anschlussinhabers gegen null tendieren dürfte.
BGH , Urteil vom 30.03.2017 – I ZR 19/16