Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Hemmung der Verjährung durch eine im EU-Ausland zuzustellende Klage

Demnächst erfolgte EU-Auslandszustellung
Urteil vom 25. Februar 2021 – IX ZR 156/19

Mit den Möglichkeiten der Klagezustellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und deren Auswirkungen auf die Hemmung der Verjährung befasst sich der IX. Zivilsenat.

Der klagende Insolvenzverwalter macht gegen die in Frankreich ansässige Beklagte Ansprüche aus Insolvenzanfechtung geltend. Er reichte die Klage am 15.12.2015 – gut zwei Wochen vor Ablauf der Verjährungsfrist – in deutscher Sprache ein und bat um Übersendung einer Kostenrechnung für die „notwendige Übersetzung“. Den am 29.12.2015 angeforderten Gerichtskostenvorschuss zahlte er am 31.12.2015. Eine Anfrage des LG, ob die Klageschrift übersetzt werden solle, bejahte er umgehend. Den dafür angeforderten Auslagenvorschuss zahlte er innerhalb einer Woche. Die daraufhin vom LG in Auftrag gegebene Übersetzung ging am 24.10.2016 bei Gericht ein. Sie wurde zusammen mit der Klageschrift am 09.12.2016 zugestellt, also knapp ein Jahr nach Einreichung der Klage. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Das OLG wies die Klage wegen Verjährung ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist die Verjährung gemäß § 167 ZPO mit Einreichung der Klageschrift gehemmt worden, weil die Klage demnächst zugestellt wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH stehen Verzögerungen bei der Zustellung der Klageschrift einer Rückwirkung nach § 167 ZPO nur insoweit entgegen, als sie durch nachlässige Prozessführung des Klägers verursacht worden sind.

Im Streitfall war der Kläger nicht gehalten, eine Zustellung ohne Übersetzung zu beantragen. Eine solche Zustellung wäre nach Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 über die Zustellung von Schriftstücken (EuZVO) zwar zulässig gewesen. Sie hätte aber die Gefahr begründet, dass die Beklagte die Annahme gemäß Art. 8 Abs. 1 EuZVO mangels Kenntnis der deutschen Sprache verweigert. Dies hätte zu mindestens ebenso großen Verzögerungen führen können wie die vorherige Anfertigung einer Übersetzung.

Der Kläger war auch nicht gehalten, schon vor der Einreichung der Klage selbst eine Übersetzung in Auftrag zu geben. Eine vom Gericht in Auftrag gegebene Übersetzung bot eine höhere Richtigkeitsgewähr. Deshalb war der Kläger auch dann nicht zu weiteren Maßnahmen verpflichtet, als sich abzeichnete, dass sich die Fertigstellung der vom Gericht angeforderten Übersetzung verzögert. Ihn traf insoweit nicht einmal eine Nachfrageobliegenheit.

Praxistipp: Auch wenn grundsätzlich keine Nachfrageobliegenheit besteht, sollte der Klägeranwalt in solchen Fällen regelmäßig überprüfen und in Zweifelsfällen bei Gericht nachfragen, ob von seiner Seite noch etwas zu veranlassen ist.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um eine selten beachtete, potentiell aber äußerst bedeutsame Frage geht es in dieser Woche.

Anschrift des Klägers bei juristischen Personen
Urteil vom 28. Juni 2018 – I ZR 257/16

Mit einer stets einzuhaltenden, aber selten problematisierten Anforderung an die ordnungsgemäße Klageerhebung befasst sich der I. Zivilsenat.

Die klagende GmbH nahm die Beklagte wegen irreführender Werbung für Matratzen in Anspruch. Das LG wies die Klage als unzulässig ab, weil in der Klageschrift nur die Anschrift eines Dienstleisters angegeben war, der Post für die Klägerin entgegennimmt, nicht aber der tatsächliche Geschäftssitz der Klägerin. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen muss zur Bezeichnung einer klagenden Gesellschaft nicht zwingend deren tatsächlicher Geschäftssitz angegeben werden. Es genügt, wenn die Gesellschaft durch die angegebene Anschrift eindeutig identifiziert wird und unter dieser Anschrift wirksam Zustellungen vorgenommen werden können. Diese Voraussetzungen sind in der Regel bei der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift erfüllt. Dies gilt auch dann, wenn an dieser Anschrift nur ein rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter der Gesellschaft anzutreffen ist, sofern dieser zur Entgegennahme von Zustellungen ermächtigt ist.

Praxistipp: Die Anschriften von Klägern und Beklagten müssen in der Klageschrift auch dann angegeben werden, wenn die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten sind.

BGH: Fristwahrung durch zu knappe Klageschrift?

Der Kläger war Opfer einer rechtswidrigen Durchsuchung geworden. Die von ihm beantragte Entschädigung hatte die Justizverwaltung im Wesentlichen abgelehnt. Die dreimonatige Klagefrist (§ 13 Abs. 1 S. 2 StrEG) wollte der Kläger durch folgende Klageschrift wahren, der keine Anlagen beigefügt waren: „Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 33.280,27 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 7.2.2014 an den Kläger zu bezahlen. – Begründung: Der Vorgang wird bei der Beklagten unter dem Aktenzeichen II B 5 – 4220/E/28/2013 geführt. Eine Begründung des Antrags wird in Kürze in einem gesonderten Schriftsatz erfolgen.“ Später wurde diese „Klageschrift“ nach Fristablauf ergänzt. Der Kläger verlor den Prozess durch alle Instanzen.

Der BGH (Urt. v. 17.3.2016 – III ZR 200/15 = MDR 2016, 541; mit Besprechung Conrad MDR 2016, 572) nutzt diesen Fall, um ausführlich über die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 ZPO sowie die Bezugnahme auf Schriftstücke zu referieren. Erforderlich ist nach dem Gesetzeswortlaut die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs. Dafür ist Schlüssigkeit und Substantiierung nicht erforderlich, vielmehr ist es ausreichend, wenn der Anspruch identifizierbar ist. Grundsätzlich kann diese Indentifizierbarkeit auch durch eine konkrete Bezugnahme auf Anlagen erfolgen, wobei das Gericht aber nicht dazu verpflichtet ist, umfangreiche und ungeordnete Anlagen durchzuarbeiten. Anlagen dienen nur zur Erläuterung und Konkretisierung, nicht aber der Ersetzung von Vortrag. Wenn die Anlagen dazu erforderlich sind, die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 ZPO herbeizuführen, müssen sie von einem Rechtsanwalt stammen, auf Schreiben der Partei selbst darf nicht Bezug genommen werden. Wendet man diese Maßstäbe auf die hier vorliegende Klageschrift an, so ergibt sich, dass sie den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO nicht entspricht. Die Klageschrift enthält keinerlei Ausführungen, woraus sich ein Anspruch auf Zahlung von 33.280,27 € ergeben soll. Die Bezugnahme in der Klageschrift enthält keine Bezugnahme auf konkrete Urkunden, sondern nur einen allgemeinen Bezug auf eine Akte. Dies ist nicht ausreichend, zumal die Akte – oder wenigstens Auszüge daraus – auch nicht beigefügt waren. Damit war die Frist versäumt. Die Nachholung der Angaben entfaltet keine Rückwirkung.

Oftmals gilt der Satz: „Hier wäre weniger mehr gewesen.“ Im hiesigen Fall verhält es sich anders: Hier wäre „mehr“ unbedingt erforderlich gewesen. Im Zeitalter des „Bearbeiten-Kopieren-Einfügens“ dürfte es eigentlich keine Probleme bereiten, eine den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechende Klageschrift vorzulegen, mitunter kann auch ein Scanner helfen. In einer Klageschrift, die zur Fristwahrung erforderlich ist, ist grundsätzlich Vorsicht bei Bezugnahmen angebracht, da eine Heilung wegen der zu wahrenden Frist nicht möglich ist.

 

 

 

Montagsblog: Neues vom BGH

Der BGH stellt seinen Richtern wöchentlich eine Sammlung aller Leitsatzentscheidungen zur Verfügung, die in der vorangegangenen Woche veröffentlicht worden sind. In Anknüpfung an diese sog. Montagspost berichtet der Montagsblog wöchentlich über – ausgewählte – aktuelle Entscheidungen des BGH.

Anscheinsbeweis beim Online-Banking
Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14

Mit den Risiken des Online-Banking, den einschlägigen Vorschriften (insbesondere § 675w BGB) und den hieraus resultierenden Konsequenzen für die Darlegungs- und Beweislast befasst sich eine Entscheidung des XI. Zivilsenats.

Im Ausgangsfall war es bei der klagenden Sparkasse im Rahmen einer Systemumstellung über einige Tage hinweg zu Fehlbuchungen im Online-Banking gekommen. Das Konto der beklagten GmbH wies deshalb über ein Wochenende hinweg einen um 238.000 Euro zu hohen Stand auf. Noch am Freitag, kurz vor Mitternacht, wurde von diesem Konto per Onlineüberweisung mit smsTAN ein Betrag von 235.000 Euro an eine andere Gesellschaft überwiesen. Am darauffolgenden Montag wurden die Fehlbuchungen storniert. Das Konto wies nun einen negativen Schlusssaldo in der Größenordnung des Überweisungsbetrags auf. LG und OLG gaben der Klage auf Zahlung dieses Betrags ohne Beweisaufnahme statt, mit der Begründung, der Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, dass das Online-Banking-System ordnungsgemäß genutzt worden sei.

Der BGH verweist die Sache an das Berufungsgericht zurück. Er hält zwar mit einer in Literatur und Rechtsprechung verbreiteten Auffassung einen Anscheinsbeweis auch vor dem Hintergrund der seit 31.10.2009 geltenden Bestimmungen über Zahlungsdienste (§§ 675c bis 676h BGB) für möglich, knüpft diesen aber an strenge Anforderungen. Nach § 675w Satz 3 BGB, reicht eine ordnungsgemäße technische Aufzeichnung des Zahlungs- und Authentifizierungsvorgangs allein nicht zum Nachweis dafür aus, dass der Berechtigte den Vorgang autorisiert oder aber eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung begangen hat. Der BGH folgert hieraus, dass die ordnungsgemäße Aufzeichnung allein auch keinen Anscheinsbeweis begründet. Ein solcher kommt nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass das eingesetzte Sicherheitssystem allgemein praktisch nicht zu überwinden ist und im konkreten Einzelfall ordnungsgemäß angewendet wurde und konkret funktioniert hat. Hierzu muss der Zahlungsdienstleister vortragen und erforderlichenfalls beweisen, sie das eingesetzte Sicherheitssystem konzipiert ist und dass es im Einzelfall ordnungsgemäß funktioniert hat. Im konkreten Fall gehörte hierzu auch Vortrag, dass die kurz zuvor aufgetretenen Softwareprobleme keine Auswirkungen auf das Sicherheitssystem hatten. Hat der Zahlungsdienstleister die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis bewiesen, kann der Kunde ihn erschüttern, indem er Tatsachen vorträgt und erforderlichenfalls beweist, die die ernsthafte Möglichkeit eines Missbrauchs nahelegen. Im konkreten Fall hat der BGH hierzu den Vortrag als ausreichend angesehen, der Geschäftsführer der Beklagten kenne den Überweisungsempfänger nicht und habe keine schriftliche Zahlung ausgestellt. Ferner sei er zum Zeitpunkt der Überweisung in Urlaub gewesen und das Mobiltelefon, an das die smsTAN übermittelt wurde, habe sich im Gewahrsam eines Mitarbeiters befunden, der die TAN zwar empfangen, aber nicht verwendet habe.

Praxistipp: Vor der gerichtlichen Geltendmachung entsprechender Forderungen muss das Prozesskostenrisiko besonders sorgfältig geprüft werden. Ob die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis vorliegen, kann, wie auch der BGH andeutet, in der Regel nur mit Hilfe eines gerichtlichen Sachverständigen geklärt werden.

Zustellung der Klageschrift
Urteil vom 22. Dezember 2015 – VI ZR 79/15

Eine eher formale, für Anwälte aber gerade deshalb haftungsträchtige Frage im Zusammenhang mit der Zustellung einer Klageschrift behandelt der VI. Zivilsenat.

Der Kläger nahm die Beklagten wegen Erteilung fehlerhafter Informationen bei der Vermittlung einer Kapitalanlage in Anspruch. Seiner kurz vor Ablauf der Verjährung bei Gericht eingereichten Klageschrift lagen Kopien bei, die den Stempel „Beglaubigte Abschrift“, aber keinen vom Rechtsanwalt unterschriebenen Beglaubigungsvermerk aufwiesen. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das OLG wies sie hingegen wegen Verjährung ab.

Der BGH hebt das Berufungsurteil auf und verweist die Sache an das OLG zurück. Mit der Vorinstanz geht der BGH allerdings davon aus, dass die Zustellung einer nicht beglaubigten Abschrift für die ordnungsgemäße Zustellung einer Klageschrift nicht ausreicht. Zwar ist in den die Einzelheiten der Zustellung regelnden §§ 166 ff. ZPO in der seit 01.07.2002 geltenden Fassung nicht mehr ausdrücklich vorgeschrieben, dass eine beglaubigte Abschrift zuzustellen ist. Der BGH hält eine Beglaubigung aber weiterhin für erforderlich, weil der Gesetzgeber den früheren Rechtszustand (§ 170 Abs. 1 ZPO a.F.) nicht habe ändern wollen. Anders als das OLG bejaht der BGH aber eine Heilung des Formmangels gemäß § 189 ZPO, weil die nicht beglaubigte Abschrift dem Beklagten tatsächlich zugegangen ist und nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt keine inhaltlichen Abweichungen vom Original aufweist.

Praxistipp: Trotz der Möglichkeit einer Heilung nach § 189 ZPO sollte jeder Anwalt weiterhin darauf achten, dass die eingereichten Abschriften ordnungsgemäß beglaubigt sind.

Staatenimmunität und Umschuldung von Staatsanleihen
Urteil vom 8. März 2016 – VI ZR 516/14

Dass die Euro-Krise vielfältige Rechtsfragen aufwirft, veranschaulicht eine Entscheidung des VI. Zivilsenats zur Reichweite der prozessualen Staatenimmunität.

Die Kläger hatten in den Jahren 2010 und 2011 griechische Staatsanleihen erworben, die nach den Anleihebedingungen dem griechischen Recht unterfielen. Durch Gesetz vom 23.02.2012 wurde in Griechenland die Möglichkeit eingeführt, Mehrheitsentscheidungen der Anleihegläubiger über eine Änderung der Anleihebedingungen durch Beschluss des Ministerrats für allgemeinverbindlich zu erklären. Am 09.03.2012 erging ein solcher Beschluss für die von den Klägern erworbenen Papiere. Diese wurden gegen andere Anleihen umgetauscht, die einen um mehr als die Hälfte verringerten Nennwert und eine längere Laufzeit aufweisen. Die Kläger nahmen den griechischen Staat deswegen auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klage blieb in allen drei Instanzen erfolglos.

Der BGH schloss sich der Beurteilung der Vorinstanzen an, wonach die deutsche Gerichtsbarkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Staatenimmunität nicht eröffnet ist. Die Begebung von Staatsanleihen ist zwar ein nicht hoheitlicher Akt, der die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in einem anderen Staat nicht ausschließt. Die geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz werden aber nicht auf die Ausgabe der Anleihen gestützt, sondern auf die nachträglich ergangene gesetzliche Regelung und den darauf beruhenden Beschluss des griechischen Ministerrats. Dies sind hoheitliche Handlungen, die der Überprüfung durch die deutschen Gerichte entzogen sind.

Praxistipp: Anleger, die ungeachtet der in der Regel eher geringen Erfolgsaussichten den Rechtsweg beschreiten wollen, müssen bestrebt sein, ihre Ansprüche auf Handlungen des Beklagten zu stützen, die nicht hoheitlicher Natur sind.

Montagsblog: Neues vom BGH

Der BGH stellt seinen Richtern wöchentlich eine Sammlung aller Leitsatzentscheidungen zur Verfügung, die in der vorangegangenen Woche veröffentlicht worden sind. Dieser Beitrag bildet den Auftakt einer Serie, mit der in Anknüpfung an diese sog. Montagspost wöchentlich über – ausgewählte – aktuelle Entscheidungen des BGH berichtet wird.

Anforderungen an die Klageschrift: Bezugnahme auf behördliche Akten
Urteil vom 17. März 2016 – III ZR 200/15

Mit den aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO resultierenden Anforderungen an die bestimmte Angabe von Gegenstand und Grund der Klage befasst sich der III. Zivilsenat in einem nicht alltäglichen Fall.

Eine am letzten Tag der maßgeblichen Frist eingereichte Klageschrift, in der Ansprüche auf Entschädigung für strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen  geltend gemacht wurden, enthielt als Begründung im Wesentlichen einen Verweis auf die Akten des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens.

Der BGH sieht dies ebenso wie die Vorinstanzen als unzureichend an. Zwar darf auch zur Bestimmung von Gegenstand und Grund der Klage auf Unterlagen außerhalb der Klageschrift Bezug genommen werden. Diese Unterlagen müssen aber exakt bezeichnet werden. Soll mit der Einreichung der Klage eine Frist gewahrt werden, müssen sie dem Gericht (und nicht nur dem Beklagten) vor Ablauf der Frist vorliegen. Im Anwaltsprozess darf zudem nur auf Unterlagen Bezug genommen werden, die von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterschrieben sind.

Praxistipp: Auch bei akuter Zeitnot sollten alle nach § 253 Abs. 2 ZPO erforderlichen Angaben in die Klageschrift aufgenommen werden.

Werkmangel und Hinweispflicht
Urteil vom 25. Februar 2016 – VII ZR 210/13

Mit einer grundlegenden Frage des werkvertraglichen Mängelrechts befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Kläger machte Gewährleistungsansprüche wegen nach seiner Auffassung mangelhafter Fliesenarbeiten der Beklagten geltend. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kamen für den als mangelhaft gerügten Zustand der Fugen drei Ursachen in Betracht: die Verwendung nicht geeignete Fugenmaterials, eine unzureichende Bearbeitung durch die Beklagte oder eine unsachgemäße Reinigung durch Dritte nach Fertigstellung und Abnahme des Werks. Das Berufungsgericht ließ offen, welche dieser Umstände tatsächlich kausal geworden war. Es nahm an, der Beklagte habe jedenfalls darauf hinweisen müssen, dass ein geeignetes Reinigungsmittel zu verwenden sei, und bejahte deshalb auch für die dritte in Frage kommende Konstellation einen Werkmangel.

Der BGH hebt das Berufungsurteil auf und verweist die Sache an das OLG zurück. Die Frage, ob ein Werk mangelhaft ist, kann im Einzelfall zwar davon abhängen, ob der Unternehmer eine Prüf- oder Hinweispflicht verletzt hat. Dies gilt aber nur in Konstellationen, in denen das Werk nicht die vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktionalität aufweist. In solchen Konstellationen ist der Unternehmer von der an sich eintretenden Mängelhaftung frei, wenn die Ausführung auf Vorgaben des Bestellers entspricht und der Unternehmer ordnungsgemäß auf bestehende Bedenken hingewiesen hat. Weist das Werk im Zeitpunkt der Abnahme hingegen die geschuldete Funktionalität auf, kann die Verletzung einer Hinweispflicht eine (verschuldensunabhängige) Mängelhaftung nicht begründen. In der hier zu beurteilenden Konstellation könnte ein Mangel allenfalls dann vorliegen, wenn die Fugen nach dem Vertrag so ausgestaltet sein mussten, dass sie mit dem eingesetzten Reinigungsmittel behandelt werden können.

Praxistipp: Wenn nicht auszuschließen ist, dass kein Mangel, sondern nur die Verletzung einer Prüf- oder Aufklärungspflicht vorliegt, sollten die Klageansprüche vorsorglich auch auf § 280 Abs. 1 BGB gestützt werden. Hierzu sind Ausführungen zum Verschulden des Unternehmers unerlässlich.

Darlegungs- und Beweislast für die einschlägige Verjährungsfrist
Urteil vom 24. Februar 2016 – VIII ZR 38/15

Mit einer interessanten Frage zur Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Verjährung befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger nahm die Beklagte wegen behaupteter Mängel von Maschinenbauteilen in Anspruch. Der Kläger verwendete die von der Beklagten gelieferten Teile zur Herstellung von Walzen, die für den Bau einer Trocknungsanlage für Klärschlamm bestimmt waren. Zwischen den Parteien war unter anderem streitig, ob es sich bei der Trocknungsanlage um ein Bauwerk handelte, was gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB eine Verlängerung der Verjährungsfrist von zwei auf fünf Jahre zur Folge hätte. Das Berufungsgericht hatte die Darlegungs- und Beweislast insoweit bei der Klägerin gesehen, weil die zweijährige Frist den Regelfall darstelle.

Der BGH sieht dies anders und verweist die Sache an das OLG zurück. Grundsätzlich trägt für den Eintritt von rechtsvernichtenden oder rechtshindernden Einwendungen derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der daraus eine ihm günstige Rechtsfolge ableiten will, in der Regel also der Gläubiger. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn unterschiedlich lange Verjährungsfristen in Betracht kommen. Der Gläubiger, der sich auf eine kurze Verjährungsfrist beruft, trägt also die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen, unter denen diese Frist zur Anwendung kommt.

Praxistipp: Wer sich auf Verjährung beruft, sollte stets darauf achten, zu allen Tatbestandsvoraussetzungen der einschlägigen Verjährungsvorschrift vorzutragen und Beweis anzubieten.

Realofferte: Lieferung von Strom und Gas
Urteil vom 25. Februar 2016 – IX ZR 146/15

Mit der nicht immer leicht zu beantwortenden Frage, ob und mit wem durch den Bezug von Strom oder Gas ein Liefervertrag zustande kommt, befasst sich der IX. Zivilsenat im Zusammenhang mit einem Verbraucherinsolvenzverfahren.

Der klagende Energieversorger hatte auf der Grundlage eines mit dem Vermieter geschlossenen Sonderkundenvertrags ein Mietgrundstück mit Strom und Gas beliefert. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters teilte die Klägerin diesem mit, sie beliefere das Grundstück nunmehr im Rahmen der Grund- beziehungsweise Ersatzversorgung. Nach Auszug des letzten Mieters verlangte die Klägerin vom Vermieter die Zahlung des tariflichen Entgelts für die nach Insolvenzeröffnung erfolgten Lieferungen.

Der BGH weist die Klage – abweichend von der Vorinstanz – ab, weil durch die weitere Belieferung nach Insolvenzeröffnung zwar ein Vertrag zustande gekommen, der Vermieter aber nicht Partei dieses Vertrags geworden ist. Unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung sieht der Senat in dem Leistungsangebot des Versorgers eine Realofferte. Diese richtet sich nach Insolvenzeröffnung aber nicht (mehr) an den Insolvenzschuldner, sondern entweder an den Insolvenzverwalter oder an die Mieter. Der Mitteilung an den Vermieter über die Belieferung im Wege der Grund- oder Ersatzversorgung kommt keine Bedeutung zu, weil sie lediglich deklaratorischen Charakter hat.

Praxistipp: Die in der konkreten Entscheidung nicht relevante Frage, ob der Vertrag mit dem Insolvenzverwalter oder aber mit Mieter zustande kommt, kann ebenfalls große Schwierigkeiten bereiten. Alle Beteiligten sollten sich deshalb um eine möglichst frühzeitige Klärung bemühen – bevor hohe Rückstände auflaufen, für die niemand geradestehen will.