Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten, die in einem obligatorischen Güteverfahren angefallen sind.

Kosten der anwaltlichen Vertretung in einem obligatorischen Güteverfahren
Beschluss vom 24. Juni 2021 – V ZB 22/20

Mit der Reichweite von § 15a Abs. 4 EGZPO und § 91 Abs. 1 ZPO befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Parteien führten eine nachbarrechtliche Streitigkeit. Ein Einigungsversuch vor der Gütestelle blieb erfolglos, weil nur die Kläger (zusammen mit ihrer späteren Prozessbevollmächtigten) erschienen waren, nicht aber die Beklagten. Im nachfolgenden Rechtsstreit legte das Gericht den Beklagten die Kosten auf. Im Kostenfestsetzungsverfahren machten die Kläger unter anderem die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten (rund 380 Euro) geltend. Der Festsetzungsantrag blieb insoweit in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde der Kläger hat ebenfalls keinen Erfolg.

Nach § 15a Abs. 4 EGZPO gehören die Kosten einer Gütestelle, die durch ein obligatorisches Einigungsverfahren entstanden sind, zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 und 2 ZPO. Diese Vorschrift ist im Streitfall anwendbar, weil ein Güteverfahren nach § 15a Abs. 1 EGZPO und dem einschlägigen Landesrecht zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage war. Zu den danach zu erstattenden Kosten gehören jedoch nur die Gebühren der Gütestelle, nicht die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten.

§ 91 Abs. 3 ZPO, wonach zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 und 2 ZPO auch die Gebühren gehören, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind, wird bei obligatorischen Schlichtungsverfahren durch die Sonderregelung in § 15a Abs. 4 EGZPO verdrängt. Unabhängig davon erfasst auch § 91 Abs. 3 ZPO nur die Kosten der Gütestelle, nicht aber Anwaltskosten (BGH, B. v. 15.1.2019 – II ZB 12/17 Tz. 10 – MDR 2019, 378).

Die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten fallen auch nicht unter die allgemeine Regelung im § 91 Abs. 1 ZPO. Sie sind – entgegen der bislang wohl überwiegenden Auffassung – auch bei einem obligatorischen Güteverfahren nicht als Kosten zur Vorbereitung des Rechtsstreits zu qualifizieren, sondern als Kosten zur Abwendung eines drohenden Rechtsstreits. Dies gilt auch dann, wenn eine Partei bereits in diesem Stadium einen Rechtsanwalt beizieht.

Praxistipp: Hinsichtlich der Kosten eines Anwalts, der erst nach dem erfolglosen Abschluss des Güteverfahrens vorgerichtlich tätig geworden ist, dürfte nach Maßgabe der hierfür allgemein geltenden Grundsätze ein materiellrechtlicher Erstattungsanspruch bestehen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um einen nicht alltäglichen Fall der Kostenerstattung.

Anwaltsbestellung nach Klagerücknahme
Beschluss vom 23. Mai 2019 – V ZB 196/17

Mit der Reichweite des Anspruchs auf Kostenerstattung nach Klagerücknahme befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger hatte mit einer gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Klage einen Beschluss der Eigentümerversammlung angegriffen. Vier Tage nach Zustellung der Klage an den Verwalter der Anlage bestellte sich ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter der Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger gegenüber dem Gericht bereits die Rücknahme der Klage erklärt. Dieser Schriftsatz wurde dem Verwalter erst einen Tag später zugestellt. Der Rechtspfleger beim AG setzte die von den Beklagten geltend gemachten Anwaltskosten antragsgemäß fest. Die Beschwerde des Klägers blieb erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Der BGH stützt sich auf seine Rechtsprechung, wonach ein Rechtsmittelgegner die Kosten eines Anwalts erstattet verlangen kann, den er in nicht vorwerfbarer Unkenntnis von der bereits erfolgten Rücknahme des Rechtsmittels beauftragt hat. Für den Fall einer Klagerücknahme kann nichts anderes gelten. Im Streitfall war den Beklagten die Klagerücknahme nicht bekannt. Es waren auch keine Umstände ersichtlich, die auf eine entsprechende Erklärung des Klägers hindeuteten. Deshalb hat der Kläger die angefallenen Kosten zu erstatten.

Praxistipp: Um unnötige Kosten zu vermeiden, sollte der Anwalt des Klägers in solchen Situationen die Gegenseite auf möglichst schnellem Weg (Telefax, E-Mail, Telefon) direkt von der Klagerücknahme unterrichten.

BGH: Kostenerstattung im Befangenheitsverfahren

Im Rahmen einer Erbstreitigkeit erstattete ein Sachverständiger ein Gutachten zur Testierfähigkeit der Erblasserin. Die Kläger lehnten den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Beklagten nahmen Stellung. Das LG wies den Befangenheitsantrag zurück. Die von den Klägern gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde wies das OLG zurück und legte den Klägern die Kosten des sofortigen Beschwerdeverfahrens auf.

Im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens bezüglich des anschließenden Kostenfestsetzungsverfahrens stellte sich jetzt die Frage, ob die Beklagten von den Klägern die ihnen im sofortigen Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten erstattet verlangen können. Dies ist nach Auffassung des BGH (Beschl. v. 7.11.2018 – IV ZB 13/18, MDR 2019, 189) der Fall.

Das Ablehnungsverfahren bezüglich Richter und Sachverständige gehört für den Rechtsanwalt gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 RVG zur Instanz. Im sofortigen Beschwerdeverfahren entsteht jedoch eine 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG. Dies ist noch klar. Es wird allerdings darüber diskutiert, ob diese Gebühr zu den erstattungsfähigen notwendigen Kosten des Rechtsstreites zählt (§ 97, § 91 ZPO). Teilweise wird dies nur bejaht, wenn sich die Gegenpartei am sofortigen Beschwerdeverfahren auch tatsächlich beteiligt hatte. Der BGH geht hingegen – mit der h. M. – davon aus, dass grundsätzlich ein Erstattungsanspruch besteht. Für die Richterablehnung wurde dies bereits in einer Grundsatzentscheidung bejaht (Beschl. v. 6.4.2005 – V ZB 25/04, MDR 2005, 1016). Diese Entscheidung ist auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragbar. Das Befangenheitsverfahen berührt nicht nur die Interessen der ablehnenden Partei. Vielmehr kann auch der Gegner ein berechtigtes Interesse daran haben, dass die Feststellungen des Sachverständigen bestehen bleiben.

Der Umstand, dass bei einer erfolgreichen sofortigen Beschwerde umgekehrt kein Kostenerstattungsanspruch besteht, ändert daran nichts. Ob ein Rechtsanwalt die von ihm vertretene Partei darauf hinweisen muss, dass bei einer Vertretung im Rechtbeschwerdeverfahren gesonderte Gebühren entstehen (was wohl eher zu verneinen ist), ist eine Frage, die im hiesigen Zusammenhang der Kostenerstattung nicht relevant ist.

Der Anfall der Gebühr setzt im Übrigen lediglich eine Beauftragung für die Beschwerdeinstanz voraus. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Rechtsanwalt die Partei auch im Ausgangsverfahren vertritt. Die Entgegennahme der Beschwerdeschrift ist dabei ausreichend. Es ist nicht erforderlich, dass der Rechtsanwalt auch Stellung nimmt. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Rechtsanwalt nach der Entgegennahme der Beschwerdeschrift prüft, ob nunmehr etwas veranlasst werden muss, insbesondere ob eine Stellungnahme abgegeben werden muss oder nicht.

Für die Praxis ist diese Rechtsfrage nunmehr verbindlich entschieden: Die außergerichtlichen Kosten der Gegenpartei des erfolglosen Beschwerdeführers im Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen gemäß § 406 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen notwendigen Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 1 i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.