Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um ein Thema, das in Zeiten des Klimaschutzes an Bedeutung gewinnen könnte.

Wärmedämmung und Überbau
Urteil vom 14. Juni 2019 – V ZR 144/18

Mit einer Vorschrift des hessischen Nachbarrechts, die es in ähnlicher Form auch in anderen Bundesländern gibt, befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Parteien sind Eigentümer von Reihenhäusern, die versetzt aneinandergebaut sind. Der Kläger ließ sein Haus mit einer außenseitigen Fassadendämmung versehen und wollte in diese Maßnahme auch den frei liegenden Teil der Wand einbeziehen, die an der Grenze zum Grundstück des Beklagten liegt. Hierzu müssten unter anderem ein vom Beklagten an die Hauswand angepasster Holzunterstand für die Mülltonnen verlegt und der Dachanschluss am Haus des Beklagten angepasst werden. Der Beklagte lehnt diese Maßnahmen ab. Das AG verurteilte den Beklagten antragsgemäß, dem Kläger die Vornahme der Maßnahmen auf dessen Kosten zu erlauben. Das LG wies die Klage hingegen ab.

Die Revision des Klägers bleibt erfolglos.

Nach § 10a Abs. 1 des Hessischen Nachbarrechtsgesetzes müssen Eigentümer und Nutzungsberechtigte eines Grundstücks Bauteile einer Grenzwand, die auf ihr Grundstück übergreifen, dulden, wenn es sich um eine den aktuellen Vorschriften für bestehende Gebäude entsprechende Wärmedämmung handelt und diese auf andere Weise mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann. Die Duldungspflicht ist aber auf den Überbau beschränkt und erstreckt sich nicht auf Änderungen am Eigentum des Verpflichteten. Im Streitfall besteht deshalb keine Duldungspflicht, weil die beabsichtigte Maßnahme mit Änderungen am Eigentum des Beklagten einherginge.

Der BGH stellt klar, dass die genannte Vorschrift nur für Grenzwände gilt, also für Wände, die die Grenze zum Nachbargrundstück nicht überschreiten. Bei einer gemeinsamen Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB richtet sich die Zulässigkeit eines Überbaus nach den Regeln der Gemeinschaft, insbesondere nach § 745 Abs. 2 BGB. Zu den danach in Betracht kommenden Verwaltungsmaßnahmen zählen jedoch nur Maßnahmen, die die gemeinsame Einrichtung betreffen, nicht aber Maßnahmen, die das alleinige Eigentum eines Beteiligten betreffen. Für den Streitfall führt dies zum gleichen Ergebnis wie im Fall einer Grenzwand.

Praxistipp: Auch wenn es im konkreten Fall nicht entscheidungserheblich war, sollte vor Klageerhebung sorgfältig geklärt werden, ob es um eine Grenzwand oder um eine gemeinsame Grenzeinrichtung geht.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die entsprechende Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.

Explosion eines Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg
Urteil vom 5. Juli 2019 – V ZR 96/18

Mit den Grenzen des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Beklagte zu 1 betreibt auf einem im Miteigentum der Beklagten zu 2 stehenden Grundstück ein Recyclingunternehmen für Bauschutt. Im Jahr 2014 explodierte auf dem Grundstück eine aus dem Zweiten Weltkrieg stammende Bombe, die in einem Betonteil enthalten war, das zu Recyclingzwecken zerkleinert werden sollte. Dadurch kam es auf mehreren benachbarten Grundstücken zu Schäden, die die Klägerin als Gebäudeversicherin reguliert hat. Die Klage auf Ersatz der Schäden blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg. Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass die Beklagten nicht nach § 823 oder § 831 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sind, weil die Bombe bei einer Sichtprüfung nicht erkennbar war und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorhanden waren, dass der zu verarbeitende Bauschutt Blindgänger enthalten könnte. Eine verschuldensunabhängige Haftung entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB lehnt der BGH im Ergebnis ebenfalls ab. Entgegen der Auffassung des OLG fehlt es zwar nicht an dem erforderlichen Grundstücksbezug. Weitere Haftungsvoraussetzung ist aber ein hinreichender Zusammenhang zwischen der beeinträchtigenden Handlung und dem Risiko, das sich verwirklicht hat. Daran fehlt es im Streitfall, weil es sich um ein ungewöhnliches und fernliegendes Risiko gehandelt hat.

Praxistipp: Wenn nicht sicher ist, ob sich ein Verschulden des Beklagten belegen lässt, sollte die Klage in einschlägigen Fällen von vornherein hilfsweise auf eine entsprechende Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gestützt werden. Eine spätere Geltendmachung dieses Haftungsgrundes stellt eine Klageänderung dar.

Montagsblog: Neues vom BGH

Pünktlich zum Beginn der Wachstumsperiode hat der BGH einen Nachbarstreit entschieden.

Anspruch auf Zurückschneiden herüberragender Äste
Urteil vom 22. Februar 2019 – V ZR 136/18

Mit der Prozessführungsbefugnis auf Seiten des Beklagten und der Verjährung befasst sich der V. Zivilsenat in einem Nachbarstreit.

Der Kläger nahm den Beklagten auf Zurückschneiden von in sein Grundstück hineinragenden Ästen einer Fichte in Anspruch. Die Grundstücke der Parteien stoßen rechtwinklig aufeinander. Der Baum, um den es geht, steht teilweise auf dem Grundstück des Beklagten und teilweise auf dem Grundstück eines weiteren Nachbarn. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Mit dem LG sieht der BGH die Klage allerdings als zulässig an. Die Eigentümer der beiden Grundstücke, auf denen der Baum steht, sind nicht notwendige Streitgenossen im Sinne von § 62 Fall 1 ZPO. Nach § 923 BGB ist jeder Nachbar alleiniger Eigentümer des jeweils auf seinem Grundstück stehenden Teils des Baums. Deshalb darf der Kläger jeden von ihnen gesondert auf Beseitigung derjenigen Störungen in Anspruch nehmen, die von dem im Eigentum des jeweiligen Beklagten stehenden Teil des Baums ausgehen. Ob die herüberragenden Äste die Benutzung des klägerischen Grundstücks beeinträchtigen und ob der Kläger eine solche Beeinträchtigung nach § 1004 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hinnehmen muss, lässt der BGH offen. Er tritt dem LG darin bei, dass der geltend gemachte Anspruch jedenfalls nach § 195 und § 199 BGB verjährt ist. Ein Beseitigungsanspruch unterliegt – anders als Ansprüche auf Unterlassung einer Dauerhandlung – grundsätzlich der Verjährung. Die Sonderregelung in § 26 Abs. 3 des baden-württembergischen Nachbarrechtsgesetzes, wonach Ansprüche auf Beseitigung herüberragender Zweige nicht verjähren, betrifft nur Ansprüche aus diesem Gesetz, nicht aber einen Anspruch, der sich aus § 1004 Abs. 1 BGB ergibt. Eine landesrechtliche Regelung, die die Verjährung eines solchen Anspruchs erleichtern, erschweren oder ausschließen würde, wäre wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz des Landes unwirksam.

Praxistipp: Der Kläger sollte stets klarstellen, ob er seinen Anspruch auf das BGB, die landesrechtlichen Vorschriften über das Nachbarrecht oder beide Regelungen stützen will. Hierzu gehört der Vortrag eines die jeweilige Regelung ausfüllenden Lebenssachverhalts.