Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um eine schenkungsrechtliche Frage mit Bezügen zum Familien- und zum Sozialhilferecht.

Angemessener Unterhalt eines Beschenkten
BGH, Urteil vom 16. April 2024 – X ZR 14/23

Der X. Zivilsenat befasst sich mit den Auswirkungen des Angehörigen-Entlastungsgesetzes auf das Schenkungsrecht.

Der klagende Sozialhilfeträger verlangt wegen erbrachter Sozialleistungen an die Mutter des Beklagten die teilweise Rückzahlung einer Schenkung.

Die inzwischen verstorbene Mutter des Beklagten hatte diesem im Jahr 2003 eine Kontovollmacht für ein Sparkonto erteilt. Im Jahr 2011 wurde das Konto mit einem Guthaben von rund 20.000 Euro schenkweise auf den Beklagten übertragen. Im Jahr 2018 erbrachte der Kläger für die Mutter des Beklagten Pflegewohngeld und andere Sozialleistungen in Höhe von rund 7.000 Euro. Im Jahr 2020 leitete er Ansprüche der Mutter auf Herausgabe der Schenkung wegen Verarmung gemäß § 93 SGB XII auf sich über. Die darauf gestützte Klage auf Rückzahlung der erbrachten Sozialleistungen blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Zu Recht hat das OLG einen Anspruch auf Herausgabe der Schenkung wegen Verarmung gemäß § 528 Abs. 1 BGB dem Grunde nach bejaht. Die in § 529 Abs. 1 BGB normierte Frist von zehn Jahren hat nicht schon mit Erteilung der Kontovollmacht zu laufen begonnen, sondern erst mit der Übertragung des Kontos im Jahr 2011. Sie war deshalb bei Eintritt der Bedürftigkeit im Jahr 2018 noch nicht verstrichen.

Mit der vom OLG gegebenen Begründung kann ein Herausgabeanspruch nicht wegen Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts des Beklagten (§ 529 Abs. 2 BGB) verneint werden.

Für die Frage, welcher Unterhalt angemessen im Sinne von § 529 Abs. 2 BGB ist, sind grundsätzlich die Maßstäbe zur Bemessung der Unterhaltspflicht gegenüber den eigenen Eltern (§ 1603 Abs. 1 und § 1610 Abs. 1 BGB) heranzuziehen. Danach wurde der angemessene Unterhalt bislang anhand eines Sockelbetrags zuzüglich rund der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens bestimmt.

Seit Inkrafttreten des Angehörigen-Entlastungsgesetzes im Jahr 2020 gehen Unterhaltsansprüche des Leistungsberechtigten gegen dessen Kinder gemäß § 94 Abs. 1a SGB XII nur noch dann auf den Träger der Sozialhilfe über, wenn das jährliche Gesamteinkommen des Kindes (d. h. die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts) mehr als 100.000 Euro beträgt.

Der BGH lässt die umstrittene und noch nicht höchstrichterlich geklärte Frage, welche Auswirkungen diese sozialhilferechtliche Regelung auf die Bemessung des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs von Eltern gegen ihre Kinder hat, offen. Entgegen der Auffassung des OLG kommt der Regelung jedenfalls für das Schenkungsrecht keine Bedeutung zu. § 94 Abs. 1a SGB XII betrifft nur den gesetzlichen Übergang von Unterhaltsansprüchen, nicht aber die Möglichkeit zur Überleitung sonstiger Ansprüche gemäß § 93 SGB XII. Deshalb kann der Regelung allenfalls eine Ausstrahlungswirkung auf Unterhaltsansprüche zukommen, nicht aber auf sonstige Ansprüche wie denjenigen aus § 528 Abs. 2 BGB.

Praxistipp: Ein gesetzlicher Übergang von Unterhaltsansprüchen gegen Enkel ist gemäß § 94 Abs. 1 SGB XII unabhängig von einer Einkommensgrenze ausgeschlossen.

BGH: Unpfändbarkeit des Pflegegeldes

In einem Verfahren vor dem BGH (Beschl. v. 20.10.2022 – IX ZB 12/22, MDR 2023, 187) ging es um die Einkommensberechnung einer Schuldnerin im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Der Sohn der Schuldnerin ist pflegebedürftig. Die Schuldnerin selbst übernimmt die Pflege. Das Pflegegeld, das dem Sohn zusteht, wird von diesem an die Schuldnerin weitergeleitet. Die Frage ist nun, ob dieses Geld bei der Schuldnerin als Einkommen zu berücksichtigen ist.

Gemäß § 36 Abs. 1 InsO gehört sonstiges Einkommen des Schuldners, das nicht gepfändet werden darf, nicht zur Insolvenzmasse. Damit wird über § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO auch § 850e ZPO anwendbar, insbesondere die Nrn. 2. und 2a (Arbeitseinkommen wird mit Sozialleistungen zusammengerechnet soweit diese der Pfändbarkeit unterworfen sind).

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass § 54 Abs. 3 Nr. 3 SGB I (Unpfändbarkeit von Geldleistungen, die Körperschaden ausgleichen) nicht einschlägig ist, denn die Schuldnerin selbst ist nicht pflegebedürftig (vgl. auch § 14 SGB XI). Das Pflegegeld ist eine Leistung der Pflegeversicherung an den Pflegebedürftigen. Das Pflegegeld bleibt bei Unterhaltsansprüchen und -verpflichtungen gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB XI unberücksichtigt. Daraus folgt, dass es im Übrigen an sich den allgemeinen Vorschriften der ZPO unterfällt.

Allerdings bejaht der BGH sodann die Voraussetzungen des § 851 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 399 BGB. Das Pflegegeld unterfällt § 399 Abs. 1 BGB. Die Leistung kann nicht ohne Veränderung ihres Inhaltes erfolgen, da hier die Leistung mit der Person so verknüpft ist, dass sie, würde sie ein anderer erbringen, als eine andere Leistung erscheinen wird. Eine andere Sicht der Dinge würde zudem auch den Zielen der Pflege, eine Betreuung in der häuslichen Atmosphäre zu ermöglichen, entgegenlaufen. Hinzu kommt, dass der Pflegebedürftige in seiner Entscheidung über die Verwendung des Pflegegeldes frei ist.

Die zuvor streitige Frage ist daher nunmehr für die Praxis abschließend geklärt. Pflegegeld, das von dem Pflegebedürftigen an einen Pflegenden weitergeleitet wird, die die Pflege erbringt, ist bei diesem Pflegenden unpfändbar. Es ist bei der Einkommensberechnung daher nicht mit anderem Einkommen des Pflegenden zusammenzurechnen.