Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die sukzessive Geltendmachung von Teilforderungen in getrennten Prozessen.

Keine Aussetzung bei getrennter Geltendmachung von Teilforderungen
Beschluss vom 27. Juni 2019 – IX ZB 5/19

Mit dem Anwendungsbereich von § 148 ZPO befasst sich der IX. Zivilsenat.

Der klagende Rechtsanwalt war von den Beklagten beauftragt worden, die Freigabe von zwei Grundschulden zu erwirken. Die Beklagten hatten einen Vorschuss von rund 7.000 Euro gezahlt. Nach Abschluss seiner Tätigkeit stellte der Kläger insgesamt rund 11.000 Euro in Rechnung. Die Beklagten klagten in einem ersten, mittlerweile in der Berufungsinstanz anhängigen Rechtsstreit auf Rückzahlung von rund 4.000 Euro, mit der Begründung, sie hätten mit dem Kläger ein Pauschalhonorar von rund 3.000 Euro vereinbart. Der Kläger trat diesem Begehren entgegen und erklärte die Aufrechnung mit einem Teil seiner Honorarforderung. Gut ein Jahr später klagte er in einem separaten Rechtsstreit den nach seiner Auffassung noch offenen Betrag von rund 4.000 Euro ein. Das AG setzte das Verfahren gemäß § 148 ZPO aus. Das LG wies die dagegen erhobene Beschwerde des Klägers zurück.

Die vom LG zugelassene Rechtsbeschwerde des Klägers hat schon deshalb Erfolg, weil das LG durch den Einzelrichter entschieden hat und dies nach der ständigen Rechtsprechung des BGH das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt, wenn ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vorliegt. In seinen Hinweisen für das weitere Verfahren gibt der BGH zu verstehen, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen auch inhaltlich unzutreffend sind. Eine Aussetzung nach § 148 ZPO kommt nur dann in Betracht, wenn die in dem anderen Rechtsstreit zu treffende Entscheidung für das auszusetzende Verfahren präjudiziell ist, also Rechtskraft-, Gestaltungs- oder Interventionswirkung entfaltet. Eine solche Wirkung kann zwar auch dann entstehen, wenn dieselbe Forderung im einen Verfahren eingeklagt und im anderen Verfahren zur Aufrechnung gestellt wurde. Im Streitfall betreffen die Aufrechnung im ersten Rechtsstreit und die Klage im vorliegenden Rechtsstreit aber unterschiedliche Teile der Honorarforderung. Die Rechtskraft der Entscheidungen ist auf den jeweils betroffenen Teil der Forderung beschränkt. Eine präjudizielle Wirkung kann deshalb nicht eintreten.

Praxistipp: Eine zeitliche Synchronisierung der beiden Prozesse können die Parteien in der gegebenen Konstellation allenfalls durch einen einvernehmlichen Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens erreichen. Eine solche Anordnung führt aber gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB dazu, dass die Verjährung nach sechs Monaten weiterzulaufen beginnt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Bestreiten des Vermietervortrags zur Wohnfläche
Urteil vom 31. Mai 2017 – VIII ZR 181/16

Mit den Anforderungen an ein wirksames Bestreiten von Parteivortrag im Mieterhöhungsverfahren befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin hat an die Beklagte eine aus drei Zimmern bestehende Dachgeschosswohnung vermietet. Vier Jahre nach Mietbeginn begehrte sie eine Mieterhöhung. Die Größe der Wohnung gab sie in dem Erhöhungsschreiben und im nachfolgenden Rechtsstreit mit 92,54 m² an. Die Beklagte wies darauf hin, dass die Fläche in einem Wohnungsinserat mit 90 m² angegeben war, und erklärte, sie bezweifle beide Angaben. Vorsorglich beantragte sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Klägerin bot trotz gerichtlichen Hinweises keinen Beweis für die Wohnungsgröße an. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Anders als die Vorinstanzen sieht er den Vortrag der Klägerin zur Wohnungsgröße nicht als wirksam bestritten an. Wenn der Vermieter eine bestimmte Wohnfläche vorträgt, darf der Mieter dieses Vorbringen nicht pauschal bestreiten. Er muss vielmehr die Wohnung zumindest überschlägig vermessen und konkret darlegen, von welcher Fläche er ausgeht. Dies gilt auch dann, wenn die exakte Berechnung der Fläche aufgrund von Schrägen und Winkeln kompliziert ist.

Praxistipp: Um unnötigen Streit über die ausreichende Substantiierung zu vermeiden, sollte der Mieter nicht nur eine Zahl vortragen, sondern durch Vorlage von Skizzen oder dergleichen aufzeigen, wie er diesen Wert ermittelt hat.

Teilklage und Teilberufung
Beschluss vom 1. Juni 2017 – III ZB 77/16

Dass für die Bestimmtheit einer Berufung nicht dieselben Anforderungen gelten wie für die Bestimmtheit der Klage verdeutlicht der III. Zivilsenat.

Die Klägerin begehrte vom beklagten Land wegen Amtspflichtverletzung unter anderem Erstattung von Verdienstausfall in Höhe von 48.000 Euro und von Aufwendungen für berufliche Umorientierung in Höhe von 7.020 Euro. Das LG wies die Klage ab. In der Berufungsbegründung stellte die Klägerin ohne nähere Zuordnung zu den erstinstanzlichen Anträgen einen Zahlungsantrag in Höhe von 5.100 Euro. Das KG verwarf die Berufung durch Beschluss als unzulässig, weil die Berufungsbegründung nicht erkennen lasse, inwieweit das erstinstanzliche Urteil angefochten werde und welche Abänderungen beantragt würden.

Der BGH verweist die Sache an das KG zurück. Für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung reicht es aus, wenn erkennbar ist, in welchem Umfang das erstinstanzliche Urteil angefochten werden soll und auf welche Gründe das Rechtsmittel gestützt wird. Eine Zuordnung einzelner Teilbeträge zu einzelnen Forderungen ist nicht erforderlich. Ihr Unterbleiben kann zwar zur Abweisung der Klage als unzulässig führen. Für die Zulässigkeit der Berufung ist dieser Mangel aber nicht von Bedeutung. Der Berufungskläger kann ihn auch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist noch beheben.

Praxistipp: Auch wenn nur die Zulässigkeit der Klage und nicht die Zulässigkeit der Berufung davon abhängt, sollte die erforderliche Aufteilung des geltend gemachten Teilbetrags auf die einzelnen Teile des Streitgegenstands möglichst schon in der Berufungsbegründung vorgenommen werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Verjährungshemmung bei Wiederaufnahme von eingeschlafenen Verhandlungen
Urteil vom 15. Dezember 2016 – IX ZR 58/16

Mit zahlreichen Detailfragen zur Auswirkung von Verhandlungen auf den Lauf der Verjährungsfrist befasst sich der IX. Zivilsenat.

Der Kläger war in einem vorangegangenen Rechtsstreit wegen fehlerhafter Architektenleistungen in Anspruch genommen worden. Auf Empfehlung seiner Haftpflichtversicherung hatte er den Beklagten als Prozessbevollmächtigten bestellt. Der Prozess ging für den Kläger verloren. Noch im Laufe des Rechtsstreits hatte die Versicherung dem Kläger den Haftpflichtschutz entzogen, weil der Beklagte sie nicht über den Verlauf des Prozesses informiert hatte. Der Kläger nahm den Beklagten wegen des Verlusts des Versicherungsschutzes auf Schadensersatz in Anspruch. LG und OLG sahen die Ersatzansprüche als verjährt an.

Der BGH weist die vom OLG zugelassene Revision des Klägers zurück. Mit dem Berufungsgericht ist er der Auffassung, dass die Verjährung durch Verhandlungen der Parteien in den Jahren 2010, 2012 und 2014 insgesamt nur für wenige Monate gehemmt wurde und der Ersatzanspruch deshalb bei Klageerhebung bereits verjährt war. Die Verhandlungen waren in allen drei Fällen nach kurzer Zeit wieder eingeschlafen. Die Verjährung begann deshalb jeweils wieder in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem spätestens mit einer Fortsetzung der Verhandlungen zu rechnen war. Mit der erneuten Aufnahme der Verhandlungen wurde die Verjährung zwar jeweils von neuem gehemmt. Diese Rechtsfolge trat aber nicht rückwirkend ein, sondern nur mit dem Zeitpunkt der jeweiligen Verhandlungsaufnahme.

Praxistipp: Bei Verhandlungen mit dem Schuldner sollte durch kurze Wiedervorlagefristen laufend überwacht werden, ob der Schuldner noch zeitnah reagiert. Wenn keine Reaktion mehr erfolgt, muss die Verjährung erforderlichenfalls umgehend durch gerichtliche Geltendmachung gehemmt werden.

Objektiver Umfang der Rechtskraftswirkung
Beschluss vom 22. September 2016 – V ZR 4/16

Mit dem objektiven Umfang der Rechtskraftwirkung befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Kläger verkauften den Beklagten unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung eine gebrauchte Eigentumswohnung. Die Beklagten rügten nach dem Einzug eine Schimmelbelastung und fochten den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an. In einem vorangegangenen Rechtsstreit hatten die Kläger die erste Kaufpreisrate eingeklagt und die Beklagten im Wege der Widerklage Ersatz von Gutachter-, Notar- und Rechtsverfolgungskosten geltend gemacht. Dieser Rechtsstreit ging zugunsten der Kläger aus. Nunmehr verlangten die Kläger Ersatz von Verzugsschäden und die Beklagten im Wege der Widerklage Schadensersatz wegen der Unbewohnbarkeit der Wohnung. Klage und Widerklage blieben in der ersten Instanz erfolglos. Das OLG wies die (nur von den Beklagten eingelegte) Berufung zurück.

Der BGH verweist die Sache durch Beschluss gemäß § 544 Abs. 7 ZPO an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung des OLG steht die Rechtskraft des ersten Urteils der erneuten Widerklage nicht entgegen. Beide Widerklagen sind zwar auf die Behauptung gestützt, die Kläger hätten den behaupteten Schimmelbefall arglistig verschwiegen. Die Rechtskraft des Urteils aus dem früheren Rechtsstreit ergreift aber nur die Entscheidung über die dort geltend gemachten Schadensersatzansprüche, nicht hingegen die Entscheidung über die dafür relevante Vorfrage, ob die Kläger eine arglistige Täuschung begangen haben. Die Beklagten sind deshalb nicht gehindert, anderweitige Schadensersatzansprüche geltend zu machen, auch wenn deren Bestand von derselben Vorfrage abhängt.

Praxistipp: Der (Wider-)Beklagte kann die Geltendmachung von weiteren Ansprüchen aufgrund desselben Sachverhalts verhindern, indem er widerklagend die Feststellung beantragt, dass dem (Wider-)Kläger aufgrund des in Rede stehenden Sachverhalts auch keine weitergehenden Ansprüche zustehen.