Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die rechtzeitige Ausübung eines Vorkaufrechts.

Vertragsaufhebung bei siedlungsrechtlichem Vorkaufsrecht
BGH, Urteil vom 11. April 2025 – V ZR 194/23

Der V. Zivilsenat befasst sich mit der Rückwirkung einer Genehmigung gemäß § 184 BGB.

Die Kläger verkauften im April 2018 zwei landwirtschaftliche Grundstücke an eine Gesellschaft, die dort eine Photovoltaikanlage errichten und betreiben wollte. Der Notar beantragte die Genehmigung des Kaufvertrags nach dem Grundstücksverkehrsgesetz. Die Genehmigungsbehörde teilte mit, dass sie eine Erklärung über die Ausübung eines Vorkaufsrechts gemäß § 4 RSiedlG herbeiführen wird. Am 26. Juni 2018 ließen die Vertragsparteien den Kaufvertrag durch vollmachtlose Vertreter aufheben. Am 28. Juni 2018 ging beiden Vertragsparteien ein Bescheid zu, in dem die Genehmigungsbehörde mitteilte, die Veräußerung sei nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG nicht genehmigungsfähig und das (nunmehr beklagte) Siedlungsunternehmen habe das ihm für diesen Fall gemäß § 4 RSiedlG zustehende Vorkaufsrecht ausgeübt. Einige Tage danach genehmigten beide Vertragsparteien den Aufhebungsvertrag.

Das LG hat antragsgemäß festgestellt, dass das Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt worden ist. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.

Der BGH weist die Klage auf die (auf Nichtzulassungsbeschwerde hin zugelassene) Revision der Beklagten ab.

Wenn die Genehmigungsbehörde zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Grundstücksgeschäft nicht genehmigungsfähig ist, das zuständige Siedlungsunternehmen aber ein Verkaufsrecht gemäß § 4 RSiedlG hat, muss sie den Vertrag gemäß § 12 GrdstVG der Siedlungsbehörde vorlegen. Gemäß § 6 Abs. 1 RSiedlG kann das Vorkaufsrecht ausgeübt werden, sobald die Siedlungsbehörde den Kaufvertrag an das berechtigte Siedlungsunternehmen weitergeleitet hat. Die Erklärung ist über die Siedlungsbehörde der Genehmigungsbehörde zuzuleiten. Es wird ausgeübt, indem die Genehmigungsbehörde diese Erklärung dem Verpflichteten mitteilt. Damit gilt die Veräußerung für das Rechtsverhältnis zwischen Käufer und Vorkaufsberechtigtem als genehmigt.

Wie auch in anderem Zusammenhang können die ursprünglich am Kaufvertrag beteiligten Parteien den Vertrag nicht mehr aufheben, wenn alle zur Wirksamkeit erforderlichen Genehmigungen vorliegen und das Vorkaufsrecht ausgeübt worden ist. In der Konstellation des Streitfalls sind beide Voraussetzungen erfüllt, sobald die Genehmigungsbehörde gemäß § 6 Abs. 1 RSiedlG dem Verkäufer die fehlende Genehmigungsfähigkeit und die Ausübung des Vorkaufsrechts mitteilt, wodurch die bereits erwähnte Genehmigungsfiktion zugunsten des Siedlungsunternehmens eintritt.

Im Streitfall konnten die Vertragsparteien den Vertrag mithin nur bis zum Zugang des Bescheids am 28. Juni 2018 mit Wirkung gegenüber der Beklagten aufheben. Diese Voraussetzung ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht erfüllt.

Der am 26. Juni 2018 geschlossene Aufhebungsvertrag war zunächst unwirksam, weil er von Vertretern ohne Vertretungsmacht geschlossen wurde. Die gemäß § 177 BGB erforderlichen Genehmigungen wurden erst nach dem maßgeblichen Stichtag erteilt.

Die Genehmigung wirkt zwar gemäß § 184 Abs. 1 BGB grundsätzlich auf den Tag des Vertragsschlusses zurück. Entsprechend § 184 Abs. 2 BGB gilt dies aber nicht im Verhältnis zu einem nach § 4 RSiedlG vorkaufsberechtigten Siedlungsunternehmen. Dieses erwirbt mit der Ausübung des Vorkaufsrechts eine schutzwürdige Rechtsstellung. Deren Aufhebung kraft einer Rückwirkung gemäß § 184 Abs. 1 BGB würde dem Gesetzeszweck widersprechen.

Praxistipp: Auch bei vertraglichen Vorkaufsrechten sind gemäß § 465 BGB Vereinbarungen, die die Wirksamkeit des Kaufvertrags von der Nichtausübung des Vorkaufsrechts abhängig machen oder dem Verpflichteten für den Fall der Ausübung den Rücktritt vorbehalten, gegenüber dem Vorkaufsberechtigten unwirksam. Vor diesem Hintergrund erscheint es zumindest zweifelhaft, ob ein Vorkaufsrecht dadurch abgewendet werden kann, dass die Vertragsparteien durch vollmachtlose Vertreter einen Aufhebungsvertrag schließen lassen und sich so die Möglichkeit einer rückwirkende Aufhebung verschaffen.

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Diese Woche geht es um die Möglichkeit einer Erledigungserklärung nach Erfüllung der Forderung im Mahnverfahren.

Erledigungserklärung nach Zahlung im Mahnverfahren
BGH, Urteil vom 17. November 2022 – VII ZR 93/22

Der VII. Zivilsenat befasst sich mit den Möglichkeiten des Gläubigers, eine ihm günstige Kostenentscheidung zu erlangen, nachdem der Schuldner die geltend gemachte Forderung nach Zustellung eines Mahnbescheids erfüllt hat.

Die Klägerin hat für die beiden Beklagten Entwässerungsarbeiten durchgeführt. Die nach Anrechnung von Abschlagszahlungen in Rechnung gestellte restliche Vergütung von rund 2.000 Euro haben die Beklagten trotz mehrfacher Mahnungen nicht bezahlt. Gegen ihr zugestellte Mahnbescheide legten die Beklagten zunächst Widerspruch ein. Zwei Tage später zahlten sie den geltend gemachten Betrag. Eine Woche später gab das Mahngericht das Verfahren an das im Mahnbescheid bezeichnete Prozessgericht ab. Dieses verwies den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an ein anderes AG. Dort beantragte die Klägerin die Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, und hilfsweise die Feststellung, dass die Beklagten die Kosten der Rechtsverfolgung als Gesamtschuldner zu erstatten haben. Die Anträge blieben in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück.

Die Erledigungserklärung der Klägerin ist zulässig, weil die Beklagten die geltend gemachte Forderung nach Rechtshängigkeit erfüllt haben. Gemäß § 696 Abs. 3 ZPO gilt die Streitsache als mit Zustellung des Mahnbescheids rechtshängig geworden, weil sie alsbald nach Erhebung des Widerspruchs abgegeben wurde. Die Zahlung der Beklagten ist nach dem danach maßgeblichen Datum erfolgt.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen bedarf § 696 Abs. 3 ZPO in diesem Zusammenhang keiner einschränkenden Auslegung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die in § 696 Abs. 3 ZPO vorgesehene Rückwirkungsfiktion dazu führt, dass das Prozessgericht gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO auch dann zuständig bleibt, wenn der Streitwert nach Zustellung des Mahnbescheids und vor Abgabe des Verfahrens unter die maßgebliche Schwelle absinkt. Selbst wenn § 696 Abs. 3 ZPO insoweit einschränkend auszulegen wäre, steht dies der Anwendung der Vorschrift im vorliegenden Zusammenhang nicht entgegen.

Praxistipp: Damit die Rückwirkungsfiktion greifen kann, muss der Gläubiger die Gebühr für die Abgabe an das Streitgericht spätestens zwei Wochen nach Anforderung bezahlen. Alternativ dazu kann er in solchen Fällen den Mahnantrag bezüglich der Hauptforderung zurücknehmen und vor dem Prozessgericht eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO beantragen.

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Diese Woche geht es um das Nachreichen einer Prozessvollmacht.

Heilung des Mangels der Prozessvollmacht
Beschluss vom 4. Mai 2022 – VII ZB 18/18

Mit den Anforderungen an die Prozessvollmacht eines Inkassodienstleisters befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil über eine Forderung in Höhe von rund 5.500 Euro zuzüglich Zinsen und Kosten. Sie ist durch eine in das Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Inkassodienstleisterin vertreten. Auf deren Antrag erließ das AG im Januar 2017 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Eine Erinnerung des Schuldners blieb erfolglos. Mit seiner Beschwerde rügte er unter anderem das Fehlen einer Prozessvollmacht. Die Inkassodienstleisterin legte daraufhin eine Inkassovollmacht der Gläubigerin im Original vor. Das LG wies die Beschwerde zurück.

Die Rechtsbeschwerde des Schuldners bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde hätte der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss allerdings nicht ergehen dürfen. Die Ausnahmeregelung in § 88 Abs. 2 ZPO, wonach Mängel der Vollmacht nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, wenn ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter auftritt, ist nach der Rechtsprechung des BGH auf Inkassodienstleister, die nach § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ZPO zur Vertretung befugt sind, nicht entsprechend anwendbar. Die für diesen Personenkreis geltende Ausnahmeregelung in § 753a ZPO gab es im hier relevanten Zeitraum noch nicht.

Dieser Fehler führte jedoch nicht zur Nichtigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, sondern nur zu dessen Anfechtbarkeit. Der Mangel der Vollmacht konnte deshalb bis zur Entscheidung über die Beschwerde geheilt werden. Dies ist im Streitfall durch Vorlage der Inkassovollmacht geschehen. Die Heilung wirkt auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurück.

Praxistipp: Nach der seit 1.1.2021 geltenden Ausnahmeregelung in § 753a ZPO ist die Vorlage einer Vollmacht durch Inkassodienstleister und öffentlich geförderte Verbraucherverbände entbehrlich, wenn diese ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichern.

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Verjährungshemmung bei Wiederaufnahme von eingeschlafenen Verhandlungen
Urteil vom 15. Dezember 2016 – IX ZR 58/16

Mit zahlreichen Detailfragen zur Auswirkung von Verhandlungen auf den Lauf der Verjährungsfrist befasst sich der IX. Zivilsenat.

Der Kläger war in einem vorangegangenen Rechtsstreit wegen fehlerhafter Architektenleistungen in Anspruch genommen worden. Auf Empfehlung seiner Haftpflichtversicherung hatte er den Beklagten als Prozessbevollmächtigten bestellt. Der Prozess ging für den Kläger verloren. Noch im Laufe des Rechtsstreits hatte die Versicherung dem Kläger den Haftpflichtschutz entzogen, weil der Beklagte sie nicht über den Verlauf des Prozesses informiert hatte. Der Kläger nahm den Beklagten wegen des Verlusts des Versicherungsschutzes auf Schadensersatz in Anspruch. LG und OLG sahen die Ersatzansprüche als verjährt an.

Der BGH weist die vom OLG zugelassene Revision des Klägers zurück. Mit dem Berufungsgericht ist er der Auffassung, dass die Verjährung durch Verhandlungen der Parteien in den Jahren 2010, 2012 und 2014 insgesamt nur für wenige Monate gehemmt wurde und der Ersatzanspruch deshalb bei Klageerhebung bereits verjährt war. Die Verhandlungen waren in allen drei Fällen nach kurzer Zeit wieder eingeschlafen. Die Verjährung begann deshalb jeweils wieder in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem spätestens mit einer Fortsetzung der Verhandlungen zu rechnen war. Mit der erneuten Aufnahme der Verhandlungen wurde die Verjährung zwar jeweils von neuem gehemmt. Diese Rechtsfolge trat aber nicht rückwirkend ein, sondern nur mit dem Zeitpunkt der jeweiligen Verhandlungsaufnahme.

Praxistipp: Bei Verhandlungen mit dem Schuldner sollte durch kurze Wiedervorlagefristen laufend überwacht werden, ob der Schuldner noch zeitnah reagiert. Wenn keine Reaktion mehr erfolgt, muss die Verjährung erforderlichenfalls umgehend durch gerichtliche Geltendmachung gehemmt werden.

Objektiver Umfang der Rechtskraftswirkung
Beschluss vom 22. September 2016 – V ZR 4/16

Mit dem objektiven Umfang der Rechtskraftwirkung befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Kläger verkauften den Beklagten unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung eine gebrauchte Eigentumswohnung. Die Beklagten rügten nach dem Einzug eine Schimmelbelastung und fochten den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an. In einem vorangegangenen Rechtsstreit hatten die Kläger die erste Kaufpreisrate eingeklagt und die Beklagten im Wege der Widerklage Ersatz von Gutachter-, Notar- und Rechtsverfolgungskosten geltend gemacht. Dieser Rechtsstreit ging zugunsten der Kläger aus. Nunmehr verlangten die Kläger Ersatz von Verzugsschäden und die Beklagten im Wege der Widerklage Schadensersatz wegen der Unbewohnbarkeit der Wohnung. Klage und Widerklage blieben in der ersten Instanz erfolglos. Das OLG wies die (nur von den Beklagten eingelegte) Berufung zurück.

Der BGH verweist die Sache durch Beschluss gemäß § 544 Abs. 7 ZPO an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung des OLG steht die Rechtskraft des ersten Urteils der erneuten Widerklage nicht entgegen. Beide Widerklagen sind zwar auf die Behauptung gestützt, die Kläger hätten den behaupteten Schimmelbefall arglistig verschwiegen. Die Rechtskraft des Urteils aus dem früheren Rechtsstreit ergreift aber nur die Entscheidung über die dort geltend gemachten Schadensersatzansprüche, nicht hingegen die Entscheidung über die dafür relevante Vorfrage, ob die Kläger eine arglistige Täuschung begangen haben. Die Beklagten sind deshalb nicht gehindert, anderweitige Schadensersatzansprüche geltend zu machen, auch wenn deren Bestand von derselben Vorfrage abhängt.

Praxistipp: Der (Wider-)Beklagte kann die Geltendmachung von weiteren Ansprüchen aufgrund desselben Sachverhalts verhindern, indem er widerklagend die Feststellung beantragt, dass dem (Wider-)Kläger aufgrund des in Rede stehenden Sachverhalts auch keine weitergehenden Ansprüche zustehen.

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Vertrauensschutz gegenüber Rechtsnachfolge in öffentlich-rechtliche Pflichten
Urteil vom 29. September 2016 – I ZR 11/15

Mit grundlegenden Fragen des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots befasst sich der I. Zivilsenat.

Die Klägerin war von der zuständigen Behörde zur Altlastensanierung eines von ihr genutzten Grundstücks verpflichtet worden. Sie verlangte von der beklagten AG, die seit ihrer Gründung im Jahr 1926 bis 1997 Eigentümerin des Grundstücks gewesen war, Gesamtschuldnerausgleich nach § 24 Abs. 2 BBodSchG. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG erklärte den Klageanspruch für dem Grunde nach gerechtfertigt, weil die Beklagte entweder als Gesamtrechtsnachfolgerin der früheren Eigentümerin oder aufgrund eigener Baumaßnahmen im Jahr 1928 hafte.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Nach seiner Auffassung kann die Beklagte nicht als Gesamtrechtsnachfolgerin des Verursachers in Anspruch genommen werden. Die am 01.03.1999 in Kraft getretene Regelung in § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG sieht eine solche Haftung zwar vor. Eine zeitlich unbegrenzte Anwendung dieser Vorschrift würde aber jedenfalls für Fälle, in denen die Gesamtrechtsnachfolge bereits im Jahr 1926 eingetreten ist, zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen „echten“ Rückwirkung führen. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurden öffentlich-rechtliche Verpflichtungen als grundsätzlich höchstpersönlich angesehen und eine Gesamtrechtsnachfolge hinsichtlich solcher Pflichten verneint. In der Literatur wurde dies erst Ende der 1960er Jahre in Frage gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht bejahte eine Gesamtrechtsnachfolge erstmals im Jahr 1971. § 4 Abs. 3 BBodSchG ist deshalb verfassungskonform zu reduzieren.

Praxistipp: Angesichts der in der Entscheidung mitgeteilten Daten dürfte die verfassungskonforme Reduktion grundsätzlich für alle Fälle gelten, in denen die Gesamtrechtsnachfolge vor Ende der 1960er Jahre eingetreten ist.

Klage auf Freistellung nach Abweisung einer denselben Anspruch betreffenden Vollstreckungsgegenklage
Urteil vom 18. Oktober 2016 – XI ZR 145/14

Mit dem Verhältnis zwischen einer Freistellungs- und einer Vollstreckungsgegenklage befasst sich der XI. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte eine Eigentumswohnung als Kapitalanlage erworben. Zur Finanzierung hatte ihr die beklagte Bank ein mit einer sofort vollstreckbaren Grundschuld besichertes Darlehen gewährt. Später machte die Klägerin geltend, die Beklagte habe arglistig verschwiegen, dass der Kaufpreis um ein Mehrfaches über dem Verkehrswert der Wohnung liege. Die Klägerin beantragte unter anderem, die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld für unzulässig zu erklären und die Beklagte zu verurteilen, sie von den Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag freizustellen. Die Vollstreckungsgegenklage wurde im weiteren Prozessverlauf rechtskräftig abgewiesen. Der abgetrennte und an ein anderes Gericht verwiesene Freistellungsanspruch hatte hingegen in zweiter Instanz Erfolg.

Der BGH weist die auf Freistellung gerichtete Klage ab. Der Freistellungsanspruch ist schon deshalb als unbegründet anzusehen, weil er gegen eine Forderung gerichtet ist, deren Bestehen für die Entscheidung über die Vollstreckungsgegenklage relevant war. Zwar betreffen die beiden Klagen nicht denselben Streitgegenstand. Die rechtskräftige Abweisung der Vollstreckungsgegenklage entfaltet aber eine Bindungswirkung, die den Schuldner daran hindert, Einwendungen gegen den Bestand der titulierten Forderung zu erheben, die bereits im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden konnten.

Praxistipp: Angesichts der Bindungswirkung sollte der Schuldner schon vor Prozessbeginn sorgfältig erwägen, ob es nicht sinnvoller ist, sich auf eine Vollstreckungsgegenklage zu konzentrieren und von einer zusätzlichen, denselben Anspruch betreffenden Freistellungs- oder Schadensersatzklage abzusehen.

Versetzung in den Ruhestand
Urteil vom 16. November 2016 – IV ZR 356/15

Um eine juristische Sekunde geht es in einer Entscheidung des IV. Zivilsenats.

Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen. Die Klägerin wurde wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt, was nach den einschlägigen Versicherungsbedingungen als Eintritt des Versicherungsfalls gilt. Die Beklagte verweigerte die Leistung, weil die Versicherungsdauer mit dem 30.11.2012 geendet hatte und die Versetzung in den Ruhestand erst zum Ablauf dieses Tags erfolgt war. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Mit den Vorinstanzen sieht er denjenigen Zeitpunkt als ausschlaggebend an, zu dem die Versetzung in den Ruhestand wirksam geworden ist. Anders als die Vorinstanzen ist er der Auffassung, dass die relevante Wirkung nicht erst mit dem ersten Tag des Ruhestands (also am 01.12.2012 um 0 Uhr) eingetreten ist, sondern schon mit Ablauf des Vortags, also am 30.11.2012 um 24 Uhr – gewissermaßen in letzter Sekunde.

Praxistipp: Die Unterscheidung zwischen dem Ende eines Tages und dem Beginn des Folgetags kann auch für die Einhaltung prozessualer Fristen von Bedeutung sein.