Montagsblog: Neues vom BGH

Darlegung der Wiedereinsetzungsgründe
Beschluss vom 25. April 2017 – VI ZB 45/16

Dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sich als haftungsträchtig erweisen kann, zeigt eine Entscheidung des VI. Zivilsenats.

Die Klägerin nahm den Beklagten nach einem Verkehrsunfall auf Schadensersatz in Höhe von knapp 30.000 Euro in Anspruch. Das LG sprach ihr nur 1.750 Euro zu und wies die Klage im Übrigen ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin war an das LG adressiert und ging erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist beim OLG ein. In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung legte der Anwalt des Klägers dar, er habe bei der Unterzeichnung des Schriftsatzes handschriftlich vermerkt, dass dieser an das OLG versandt und hierzu die erste Seite ausgetauscht werden müsse. Seine Mitarbeiterin habe die erste Seite nochmals ausgedruckt, die Adresse aber nicht geändert. Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde der Klägerin zurück. Mit dem OLG geht er davon aus, dass der Anwalt der Klägerin darauf vertrauen durfte, dass eine zuverlässige Kanzleikraft die handschriftliche Weisung ausführen werde, und dass er deshalb nicht gehalten war, den Schriftsatz nach der Korrektur nochmals zu überprüfen. Dennoch hat das OLG Wiedereinsetzung zu Recht versagt, weil der Anwalt nicht dargelegt hatte, dass und weshalb er die eingesetzte Mitarbeiterin als zuverlässig ansehen durfte.

Praxistipp: Um der Darlegungslast zu genügen, sind detaillierte Ausführungen zur Ausbildung und zur bisherigen Tätigkeit der eingesetzten Kanzleikraft erforderlich; vgl. dazu etwa BGH, B. v. 14.10.2014 – XI ZB 13/13.

Nachweis fristgerechten Eingangs
Beschluss vom 26. April 2017 – XII ZB 33/17

Mit den Anforderungen an die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der Beklagte war vom AG zur Zahlung von 787,50 Euro verurteilt worden. Das LG hatte die Frist zur Begründung der Berufung bis Freitag, 4. November 2016 verlängert. Die eingereichte Berufungsbegründung war auf diesen Tag datiert, trug aber den Eingangsstempel vom darauf folgenden Montag. Der Anwalt des Beklagten legte dar, seine langjährige und stets außerordentlich zuverlässige Kanzleiangestellte habe den Schriftsatz am Tag des Fristablaufs gegen 12:30 Uhr in den Nachtbriefkasten eingelegt. Zur Glaubhaftmachung legte er eine eidesstattliche Versicherung seiner Mitarbeiterin vor. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Eine eidesstattliche Versicherung ist zwar nur in Ausnahmefällen geeignet, die rechtzeitige Einreichung eines Schriftsatzes zu beweisen, weil sie grundsätzlich nur der Glaubhaftmachung dient, die Beweiskraft des Eingangsstempels gemäß § 418 Abs. 2 ZPO aber nur durch einen Vollbeweis entkräftet werden kann. Wenn das LG die eidesstattliche Versicherung nicht als ausreichend ansah, musste es dem Anwalt aber durch einen entsprechenden Hinweis  Gelegenheit geben, ergänzend Zeugenbeweis anzutreten.

Praxistipp: Wenn eidesstattliche oder anwaltliche Versicherungen vorgelegt werden, sollte zur Sicherheit stets auch die Vernehmung der betreffenden Personen als Zeugen angeboten werden.

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Gesonderte Entscheidung über Wiedereinsetzungsgesuch
Beschluss vom 1. März 2017  – XII ZB 448/16

Eine haftungsträchtige prozessuale Situation behandelt der XII. Zivilsenat.

In einem familiengerichtlichen Verfahren über Trennungs- und Kindesunterhalt hatte das AG das Begehren der Antragstellerin teilweise zurückgewiesen. Die Antragstellerin beantragte Verfahrenskostenhilfe für ein Beschwerdeverfahren. Am letzten Tag der Rechtsmittelfrist legte sie zusätzlich Beschwerde ein, allerdings nicht, wie in § 64 Abs. 1 S. 1 FamFG vorgeschrieben, beim AG, sondern beim OLG. Das OLG wies die Anträge auf Verfahrenskostenhilfe und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück. Einige Wochen später verwarf es die Beschwerde als unzulässig.

Der BGH verwirft die (gemäß § 117 Abs. 1 S. 4 FamFG und § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO ohne Zulassung statthafte) Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, weil die Entscheidung des OLG keine grundsätzlichen Fragen aufwirft und inhaltlich nicht zu beanstanden ist. Das OLG hat die Beschwerde gegen die Entscheidung des AG zu Recht als unzulässig angesehen, weil das Rechtsmittel nicht rechtzeitig eingelegt und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen wurde. Einwendungen gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags sind der Antragstellerin versagt, weil sie diesen Beschluss nicht rechtzeitig angefochten hat. Gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG und § 238 Abs. 2 S. 1 ZPO wäre zwar auch dieser Beschluss mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde anfechtbar gewesen. Die Antragstellerin hat diese Möglichkeit aber nicht genutzt. Deshalb ist der Zurückweisungsbeschluss bindend geworden und die Antragstellerin kann sich auf den darin beschiedenen Wiedereinsetzungsgrund nicht mehr berufen.

Praxistipp: Trotz rechtskräftiger Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsgesuchs kann die betroffene Partei weitere Wiedereinsetzungsgründe geltend machen, wenn die hierfür in § 234 ZPO vorgesehene Frist noch nicht abgelaufen ist.