Beschluss des OLG Celle im Geschäftsführungsstreit bei der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA – Carte blanche für den Gesellschafter Hannover 96 e.V.?

Das OLG Celle hat mit Beschluss vom 10.3.2025 – 9 W 22/25 in der Handelsregister-Beschwerdesache wegen Notgeschäftsführerbestellung die Beschwerde der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG gegen den ihren Antrag auf Einsetzung eines Notgeschäftsführers bei der Hannover 96 Management GmbH zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts – Registergericht – Hannover vom 3.3.2025 zurückgewiesen. Beschwerdegegner war der Idealverein Hannover 96 e.V.

Der Hannoversche Sportverein von 1896 e.V. ist Alleingesellschafter der Hannover 96 Management GmbH. Diese GmbH ist Komplementärin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA, die den Profifußball-Bereich und damit die zurzeit am Spielbetrieb der 2. Fußball-Bundesliga teilnehmende Lizenzspielermannschaft Hannover 96 unterhält. Einzige Kommanditaktionärin der KGaA ist die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG. Nach der Satzung der Hannover 96 Management GmbH ist ihr Aufsichtsrat für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer zuständig. Im August 2019 wurde zwischen dem Hannover 96 e.V., der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA und der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG der sog. Hannover-96-Vertrag geschlossen, in dem geregelt ist, dass der zu 100 % an der Komplementär-GmbH der KGaA beteiligte Verein Hannover 96 die Satzung dieser GmbH nicht ohne vorherige Zustimmung der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG ändert, ergänzt oder ersetzt. Dies bezieht sich insbesondere auf den Passus der GmbH-Satzung, die der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG, vermittelt durch den Aufsichtsrat, Mitentscheidungsrechte bei der Bestellung des GmbH-Geschäftsführers einräumt (vgl. dazu OLG Celle v. 4.4.2023 – 9 U 102/22 , GmbHR 2023, 739).

Im aktuellen Beschwerdeverfahren beantragte die Kommanditaktionärin Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG mit Schriftsatz vom 24.2.2025 für die Hannover 96 Management GmbH als Komplementärin der KGaA einen Notgeschäftsführer einzusetzen, und zwar beschränkt auf den Aufgabenbereich der Einreichung und Unterzeichnung von Lizenzierungsunterlagen für die Teilnahme am Spielbetrieb der Profifußballligen in der kommenden Saison 2025/2026. Zum Zwecke der Begründung berief sich die Kommanditaktionärin darauf, dass der Aufsichtsrat der Hannover 96 GmbH nach der – vom BGH mit Urteil vom 16.7.2024 (BGH v. 16.7.2024 – II ZR 71/23, GmbHR 2024, 922 m. Anm. Wertenbruch) bestätigten – Abberufung des bisherigen GmbH-Geschäftsführers durch den Hannover 96 e.V. als Alleingesellschafter nicht in der Lage sei, sich auf die Person eines neuen Geschäftsführers zu verständigen. Daher sei im Hinblick auf die demnächst erforderliche Einreichung von Lizenzierungsunterlagen bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) ein Eilbedürfnis für die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers gegeben.

Das Registergericht Hannover wies den Antrag der Kommanditaktionärin zurück, weil ein dringender Fall für die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers nicht vorliege. Der Aufsichtsrat der Komplementär-GmbH sei besetzt und auch in der Lage, einen Geschäftsführer zu bestellen. Es sei nicht Aufgabe des Registergerichts, Streitigkeiten innerhalb der Gesellschaft zu entscheiden. Der 9. Zivilsenat des OLG Celle wies die zulässige Beschwerde der Kommanditaktionärin zu Recht aus den vom Registergericht dargelegten Gründen zurück. Ergänzend führt das OLG Celle unter Rekurs auf die Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH (BGH v. 16.7.2024 – II ZR 71/23, GmbHR 2024, 922 m. Anm. Wertenbruch) zutreffend aus, dass selbst in dem Fall, in dem im Aufsichtsrat der GmbH eine Einigung in Bezug auf die Bestellung eines neuen Geschäftsführers partout nicht zustande kommt, durch Gesellschafterbeschluss des Alleingesellschafters Hannover 96 e.V. ein neuer Geschäftsführer zum Zwecke der Vermeidung einer Führungslosigkeit der GmbH bestellt werden kann. Der Idealverein Hannover 96 ist also in einer Pattsituation gesellschaftsrechtlich befugt, seine – vom BGH und jetzt auch vom OLG Celle zertifizierte – Carte blanche aus dem Ärmel zu ziehen und den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH im Alleingang zu bestellen.

Ebenfalls richtig ist der Hinweis des OLG Celle, dass die Kommanditaktionärin wegen fehlender Gesellschafterstellung in der Komplementär-GmbH im Wesentlichen darauf beschränkt ist, ihre etwaigen schuldrechtlichen Ansprüche aus dem Hannover-96-Vertrag gegen den Alleingesellschafter Hannover 96 e.V. durchzusetzen. In Bezug auf die Geschäftsführung der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA hat die Kommanditaktionärin gesellschaftsrechtlich nur einen sehr eingeschränkten Schutzstatus. Zudem visualisiert auch die aktuelle Entscheidung des OLG Celle, auf welch tönernen Füßen der Hannover-96-Vertrag steht, mit dem sich der Fußballklub Hannover 96 in die Abhängigkeit von der Kommanditaktionärin begeben hat (vgl. zu den Einzelheiten Wertenbruch, GmbHR 2024, 930, 932 f.). Verbandsrechtlich stellt dieser Vertrag eine Umgehung der 50+1-Regel der DFL und des DFB dar, wonach bei Wahl der Rechtsform der KGaA der Mutter-Idealverein oder eine von ihm zu 100 % beherrschte Tochter die Stellung des Komplementärs und damit die Alleinherrschaft im Geschäftsführungsbereich haben muss (vgl. dazu Wertenbruch, GmbHR 2024, 930, 932 f.).

Bislang hat die DFL zwar – offensichtlich wegen des laufenden Kartellverfahrens in Sachen 50+1-Regel beim Bundeskartellamt – die Erteilung der Saisonlizenz nicht von der Aufhebung der durch den Hannover-96-Vertrag entstandenen verbandswidrigen Bindung an die Kommanditaktionärin abhängig gemacht. Das kann sich aber schnell ändern, wenn das Bundeskartellamt unter Berücksichtigung der aktuellen EuGH-Rechtsprechung in den Rechtssachen European Super League, International Skating Union und Royal Antwerp Football Club, mit der die Voraussetzungen einer Ausnahme vom europäischen Kartellverbot auf Grundlage der früheren Entscheidungen Wouters und Meca-Medina eingeschränkt wurden, die 50+1-Regel als solche kartellrechtlich goutiert und sein Gesamtplazet allerdings von der Beseitigung von Umgehungskonstruktionen und den statutarischen Förderausnahmen für Bayer Leverkusen und den VfL Wolfsburg abhängig macht (vgl. zu den Einzelheiten Wertenbruch, GmbHR 2024, 930, 932 f.).

In Anbetracht des statutarischen Gesellschaftszwecks der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA zielführender wäre aufseiten aller Protagonisten der juristischen Auseinandersetzungen am Rande des 96-Stadions eine dauerhafte Besinnung auf die nach wie vor unumstrittene, aber in Hannover – jedenfalls bis zur Entscheidung des OLG Celle – noch nicht punktende Adi-Preißler-Doktrin: „…, aber entscheidend is’ auf’m Platz.“

Fahrfehler beim „Feuern“ von Vorständen und Geschäftsführern

Geht es um die Trennung von der Führungsebene, wird man in der Praxis gerne diskret und begeht damit einen in den Augen der Rechtsprechung tödlichen Fahrfehler. Statt Ross und Reiter in der Einberufung der Sitzung des Aufsichtsrates (bei der Trennung von Vorständen) bzw. der Gesellschafterversammlung (bei der Trennung von Geschäftsführern) zu benennen, wird der beabsichtigte Widerruf der Bestellung und die Kündigung des Anstellungsvertrages gerne unter Tagesordnungspunkten wie „Vorstandsangelegenheiten“ oder „Verschiedenes“ verborgen. Jedoch kann nur bei ordnungsgemäßer Einberufung wirksam über eine Abberufung bzw. Kündigung beschlossen werden (sofern auf die Beachtung der Formalien nicht wirksam verzichtet wurde). Das hier unverändert bis heute Fehler begangen werden, überrascht, hat der Bundesgerichtshof sich doch hier zunächst für GmbH-Geschäftsführer mit Urteil vom 30.11.1961 – II ZR 136/60 = NJW 1962, 393 f.) und dann für Vorstände (Urteil vom 29.05.2000 – II ZR 47/99 = MDR 2000, 1141) klar positioniert. Gerade die letztgenannte Entscheidung zeigt, dass Aufsichtsräte bzw. Gesellschafter und deren Berater hier allen Anlass zur Sorgfalt haben. Denn in jener Entscheidung war es just der abberufene Vorstand, der den Mangel erfolgreich rügte.

Nicht erforderlich ist hingegen, dass mit der Tagesordnung auch bereits der wichtige Grund genannt wird, der Abberufung bzw. Widerruf bzw. Kündigung tragen soll. Dies wurde jüngst nochmals durch das OLG Wien mit Urteil vom 30. Januar 2017 – 5 R 190/16x = GES 2017/4, 202 mit Anmerkung von Lukas Fantur, S. 205 ff.) ausdrücklich bestätigt. Aber auch der Bundesgerichtshof hatte dies in der vorgenannten Entscheidung bereits in einem Halbsatz klargestellt.