Commercial Courts im Rechtsausschuss

Unter dem Titel „Commercial Courts – Deutsche Elite-Gerichtsbarkeit goes international“ hatte ich in der GmbHR 2023, R52 und hier im Blog über das Eckpunktepapier des BMJ vom 16.1.2023 berichtet. Mein damaliges Fazit: „Nichts spricht dagegen, sie möglichst rasch in ein Gesetz zu gießen und umzusetzen. … Woher sollten ernsthafte, überzeugende Argumente gegen Dialog, gegen moderne Technik oder gegen Richterqualität kommen? Nicht zähe Diskussionen sind jetzt gefragt, sondern zeitnahe Umsetzung. Möge das Eckpunktepapier zügig zum Gesetzentwurf erstarken!“

Inzwischen ist einiges vorangegangen. Am 1.3.2023 fand die Anhörung der Sachverständigen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages statt (hier abzurufen: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a06_recht/anhoerungen/931000-931000). Wie zu erwarten war, stieß der Entwurf auch dort auf einhellige Zustimmung, wobei an mehreren Stellen Verbesserungen angeregt wurden.

Der Bedarf nach mehr sprachlicher Flexibilität wurde allgemein anerkannt. In der Tat ist wenig verständlich, warum es in einem Prozess, der einen Streit mit internationalen Beteiligten betrifft, generell nicht zulässig sein soll, in einer anderen Sprache als Deutsch zu verhandeln. Natürlich darf das nicht dazu führen, dass einzelne Prozessparteien sprachlich „abgehängt“ werden, dafür ist prozessleitend Sorge zu tragen. Aber wenn alle Beteiligten des Englischen hinreichend mächtig sind, sollte man ihnen nicht von Gesetzes wegen verbieten, sich dieser Sprache zu bedienen. Das gilt umso mehr, wo fremdsprachige Dokumente eingereicht werden, über die zu reden ist. Aktuell betrifft die Debatte lediglich die englische Sprache, aus meiner Sicht könnte das aber gesetzlich offen ausgestaltet werden, so dass dann, wenn es der Sache dient und jedermann rechtliches Gehör erhält, auch in anderen Sprachen verhandelt werden könnte. Entsprechende Versuche mit Französisch gibt es in Deutschland bereits.

Die Commercial Courts sollen nach dem derzeitigen Planungsstand zum Teil erst ab bestimmten Streitwertgrenzen zuständig werden. Dagegen richtete sich die Kritik mehrerer Sachverständiger. In der Tat ist nicht einzusehen, warum das Angebot, in fremder Sprache zu verhandeln, nur für betuchte Beteiligte gelten sollte, die dann auch gleich noch – so die Vorschläge des Eckpunktepapiers – von moderner Technik und einer Aufzeichnung des Geschehens im Gerichtssaal profitieren sollen. Das Ziel sollte es hier sein, flächendeckend den Zugang zum Recht zu erleichtern.

Ein Sachverständiger forderte vehement eine parallele Anpassung materieller Rechtsvorschriften. Das deutsche AGB-Recht wirke auf ausländische Beteiligte abschreckend und wenn es nicht im B2B-Geschäft zurückgebaut werde, würden internationale Unternehmen ohnehin von der Wahl eines deutschen Rechtssystems Abstand nehmen.

Mehrere Sachverständige unterstrichen, dass die Commercial Courts nicht als Bastion des Staates im Abwehrkampf gegen ein um sich greifendes Schiedsgerichtswesen verstanden werden sollten. Vielmehr gehe es um eine Stärkung des Justizstandortes Deutschland insgesamt und das komme auch den hiesigen Schiedsgerichten durchaus zugute. Ein Sachverständiger teilte in diesem Zusammenhang seine Erfahrung, dass ausländische Gerichte entgegen einem landläufigen Vorurteil häufig zu deutlich niedrigeren Gebühren ihre Dienste anböten als in Deutschland.

Einige Länder sind schon aufgebrochen, Commercial Courts einzurichten, die mehr oder weniger dem entsprechen, was nun in Deutschland diskutiert wird, Frankreich insbesondere, die Niederlande und – natürlich – Singapur. Die ersten dortigen Erfahrungen zeigen, dass es nicht leicht ist, internationale Streitparteien von der Wahl staatlicher Gerichte zu überzeugen. Die Akzeptanz hält sich bislang in Grenzen. Das sollte dazu führen, auch in Deutschland mit realistischen Erwartungen an die Umsetzung zu gehen. Dass der Weg aber ein richtiger ist, hat sich nach Abschluss der Sachverständigen-Anhörung eindrucksvoll bestätigt.

 

Folgenreiche „Blutgrätsche“ für das UmRUG auf der Zielgeraden

In den Tagen vor Weihnachten endete am 18.12.2022 nicht nur die – durchaus umstrittene – Fußball-WM der Herren in Qatar. Wenige Tage zuvor wurde am 15.12.2022 ein wesentlich weniger umstrittenes Vorhaben ebenso unsanft wie unnötig überraschend mittels einer „Blutgrätsche“ gestoppt: Die Rede ist vom Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG, Regierungsentwurf: BT-Drucksache 20/3822).

Die bevorstehende Reform des Umwandlungsrechts beschäftigte seit Jahren und insbesondere 2022 die Wissenschaft in zahlreichen Teilaspekten (s. etwa J. Schmidt, NZG 2022, 579 u. 635; Baschnagel/Hilser, NZG 2022, 1333; Wollin, ZIP 2022, 989; Hommelhoff, NZG 2022, 683; Brandi/M. K. Schmidt, DB 2022, 1880; Bungert/Strothotte, BB 2022, 1411; Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 501 u. 613; Heckschen/Knaier, ZIP 2022, 2205). Für die Umsetzung der Richtlinie über grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (Umwandlungsrichtlinie – RL [EU] 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen, ABl. EU Nr. L 321/2019, 1) haben die Mitgliedstaaten bis zum 31.1.2023 Zeit (J. Schmidt, ZEuP 2020, 565, 590; J. Schmidt, ZIP 2021, 112). Seit 2019 hatte eine Expertenkommission das Vorhaben vorbereitet (weitere Informationen abrufbar unter: https://www.bmjv.de/DE/Ministerium/ForschungUndWissenschaft/KommissionUmwandlungsrecht/KommissionUmwandlungsrecht.html). Das Umsetzungsverfahren in Deutschland war bereits weit fortgeschritten und nachdem es Gegenstand der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags gewesen ist und die Vorschläge des Bundesrats und der Sachverständigen im Rechtsausschuss von letzterem teilweise in einer ergänzten und abgeänderten Version des Gesetzesentwurfs zum UmRUG umgesetzt wurden, konnte man davon ausgehen, dass das UmRUG pünktlich zum 31.01.2023 in Kraft treten würde (zum Ganzen ausführlich Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, R376).

In der Sitzung des Deutschen Bundestags vom 15.12.2022 kam nun jedoch alles anders als erwartet. Nach einer kurzen Debatte wurde das Gesetz nicht verabschiedet, sondern gem. § 82 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundestags einstimmig an den federführenden Rechtsausschuss zurücküberwiesen und die Abstimmung wurde abgesetzt (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw50-de-umwandlungsrichtlinie-924600). Offiziell hieß es hierzu, dass der zuständige Ausschuss des Bundesrats der Fristverkürzungsbitte des Bundestags nicht zugestimmt hatte und das Gesetz daher nicht vor Februar 2023 im Bundesrat beraten werden kann (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw50-de-umwandlungsrichtlinie-924600). Teilweise wird vermutet, dass die zahlreichen – thematisch nicht zum UmRUG gehörenden – Änderungen weiterer Gesetze, die dem letzten Entwurf angefügt wurden, zur Ablehnung der Fristverkürzung geführt hatten (dazu Wertenbruch, Bundesrat „vertagt“ UmRUG und stimmt Gesellschaftsregister-VO (GesRV) sowie der Änderung der Handelsregisterverordnung (HRV) zu, GmbHR-Blog v. 19.12.2022). Teilweise wird davon ausgegangen, dass der Bundesrat und die Länder allgemein unzufrieden damit sind, dass der Bundestag allzu oft eine Bitte um Fristverkürzung in den Gesetzgebungsverfahren äußert. Unabhängig davon, was letztlich den Ausschlag gegeben hat, kommt man nicht umhin Bundestag und Bundesrat ein Armutszeugnis dafür auszustellen, dass das wichtige UmRUG nun so kurz vor dem Ziel brutal aufgehalten wird (Der Podcast Parlamentsrevue spricht unter https://parlamentsrevue.de/ von „Trojaner[n] in der Umwandlungsrichtlinie“).

Das UmRUG selbst dient der Umsetzung einer EU-Richtlinie und betrifft im Bereich der grenzüberschreitenden Umwandlungen wichtige und wirtschaftlich weitreichende Vorgänge. Angesichts der Terminplanung des Bundesrats erscheint ein Inkrafttreten des UmRUG vor Ende Februar 2023 völlig aussichtslos. Die Folgen der „Blutgrätsche“ reichen jedoch weiter als eine bloße Verzögerung. Das UmRUG wird nun inhaltlich behandelt werden müssen. Es werden Anpassungen erforderlich, die dem verspäteten Inkrafttreten geschuldet sind. Es könnte angesichts der Verknüpfung mit anderen Gesetzgebungsvorhaben zu weiteren Verzögerungen kommen, die sich auf Wochen oder Monate erstrecken könnten.

Besonders hart trifft der unvorhergesehene Ausfall des UmRUG als Schlüsselspieler des grenzüberschreitenden Umwandlungsrechts nun die Praxis. Verschmerzbar wäre zwar das Zwangsgeld, welches der Bundesrepublik für die verspätete Richtlinienumsetzung droht. Weit schwerer wiegt jedoch, dass die Praxis nun auch ohne das UmRUG grenzüberschreitende Umwandlungen durchführen müssen wird. Mit Ablauf des 31.01.2023 droht hier enorme Rechtsunsicherheit. Nach Ablauf der Umsetzungsfrist wird zu prüfen sein, inwiefern und welche Regelungen der Umwandlungsrichtlinie unmittelbare Anwendung finden müssen. Ein Rückgriff auf die EuGH-Rechtsprechung allein wird zur Durchführung grenzüberschreitender Umwandlungen jedenfalls wohl nicht mehr in Betracht kommen. Aus der Rechtsprechung des EuGH folgt, „[…] dass sich der Einzelne in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen kann, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat“ (EuGH v. 5. 10. 2004 – C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I-8835). Für eine unmittelbare Wirkung einer Richtlinienvorschrift müssen demnach drei Voraussetzungen vorliegen (ausführlich Herrmann/Michl, JuS 2009, 1065):
1. ein Verstoß gegen die Umsetzungsverpflichtung, etwa wenn der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht oder nicht rechtzeitig umgesetzt hat,
2. hinreichende inhaltliche Bestimmtheit der fraglichen Vorschrift, diese muss also einen hinsichtlich Tatbestand und Rechtsfolge vollständigen Rechtssatz enthalten, der im Einzelfall von einem Gericht angewendet werden kann und
3. inhaltliche Unbedingtheit der Vorschrift; der Eintritt der Rechtsfolge darf also nicht von einer Entscheidung eines Mitgliedstaats abhängen.
Diese Voraussetzungen wären sodann für jede einzelne Richtlinienvorschrift, die in einem konkreten grenzüberschreitenden Umwandlungsverfahren zur Anwendung kommen könnte, zu prüfen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Ergebnis einer dann evtl. gebotenen unmittelbaren Anwendung der Richtlinie nicht unbedingt im Einklang mit der im UmRUG vorgesehen Umsetzung stehen könnte. Weiterhin könnte der missliche Fall auftreten, dass einer der weiteren an einer grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahme beteiligten Staaten die Richtlinie bereits umgesetzt hat und die Abstimmung mit den dortigen Umsetzungsnormen weitere Komplexität für die Umwandlung schafft. Zuletzt entsteht eine besondere Problemsituation, wenn das UmRUG während eines laufenden Umwandlungsverfahrens in Kraft tritt und unklar sein wird, welche Regelungen nun Geltung beanspruchen. Verschärfend wirkt, dass das Gesetz zur Umsetzung der Bestimmungen der Umwandlungsrichtlinie über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen vom Bundestag bereits am 01.12.2022 angenommen wurde (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw41-de-umwandlungsrichtlinie-912976) und daher schon vor dem UmRUG ausgefertigt werden und in Kraft treten könnte.

Es bleibt daher festzuhalten, dass das Finale des Erlasses des UmRUG nur als Akt schlechter, kurzsichtiger und nicht allgemeinwohlorientierter Gesetzgebung betrachtet werden kann. Die Folgen der nicht fristgerechten Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie könnten der Gestaltungs- und Beratungspraxis, ebenso wie den Gerichten zukünftig noch einige schwerwiegende Probleme bereiten.

Die Nacht geht – MoPeG kommt

Bei der Tour de France markiert schon seit dem Jahr 1906 die flamme rouge den Beginn des letzten Etappenkilometers für das Peloton. Ein Fahrer, der nach der Überwindung von Bergen der hors catégorie diesen aufgeblasenen Bogen vor sich flimmern sieht, hat es geschafft, sofern er auch auf den letzten Metern unnötige Kollisionen vermeidet. Das MoPeG hat, nachdem die vom federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestags in seiner 161. Sitzung am 22.6.2021 unter der Leitung des CDU-Abgeordneten Prof. Dr. Heribert Hirte einstimmig angenommene Beschlussempfehlung vorliegt (BT-Drucks. 19/30942; vgl. dazu den Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 19/31105), gemeinsam mit einer größeren Phalanx anderer Gesetzesvorlagen die flamme rouge der letzten parlamentarischen Sitzungswoche durchfahren und Platz 29 auf der Tagesordnung der am 24.6.2021 um 9.00 Uhr beginnenden 236. Sitzung des Deutschen Bundestages erzielt. Mit der für Freitag (25.6.2021) um 05:00 Uhr vorgesehenen abschließenden Beratung in Form der 2. und 3. Lesung (Live-Übertragung via https://www.bundestag.de/mediathek), die mit einer Rede der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht eröffnet wird, ist das MoPeG zwar zeitlich nicht tête de la course, aber zumindest das gesellschaftsrechtliche Highlight, wenn nach kurzer Nacht über der Spree gerade die Sonne aufgeht.

Die vom Rechtsausschuss für die Verabschiedung im Bundestag empfohlene Fassung des MoPeG weicht nur marginal vom Inhalt des für die 1. Lesung in den Bundestag eingebrachten MoPeG-RegE ab, der im Wesentlichen auf dem Mauracher Entwurf (vgl. Mauracher Entwurf zum MoPeG, 4/2020) beruht. Die größte Abweichung ist darin zu sehen, dass nach Art. 137 MoPeG das Inkrafttreten ganz überwiegend nicht – wie ursprünglich vorgesehen – zum 1.1.2023, sondern erst zum 1.1.2024 erfolgen soll. Dadurch erhalten die Länder zusätzlich Zeit für die technisch-organisatorische Umsetzung des neuen Gesellschaftsregisters für die GbR (vgl. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 19/30942, S. 169; Bericht des Ausschusses, BT-Drucks. 19/31105, S. 11).

Hervorzuheben ist in Bezug auf Änderungen zudem die Einfügung eines Satzes 2 in § 728 Abs. 1 des BGB-RegE sowie jeweils § 176 Abs. 1 und Abs. 2 HGB-E. Die Regelung des § 728 Abs. 1 Satz 2 BGB-E stellt jetzt klar, dass sich die Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters nicht auf Schadensersatzansprüche erstreckt, die auf Pflichtverletzungen beruhen, welche erst nach dem Ausscheiden erfolgen. Der aus einer Anwaltssozietät ausgeschiedene Gesellschafter haftet also nicht, wenn der Beratungsvertrag zwar vor seinem Ausscheiden abgeschlossen, der Beratungsfehler aber erst danach von einem verbliebenen Sozius begangen wurde. Zu § 176 Abs. 1 HGB nimmt der Rechtsausschuss die im RegE enthaltene Verschärfung zurück, das heißt, die unbeschränkte Kommanditistenhaftung ist nach wie vor ausgeschlossen, wenn dem Gläubiger die Beteiligung als Kommanditist bekannt war. Die Neufassung des § 176 Abs. 2 HGB-E stellt mit der Formulierung „weiterer Gesellschafter“ klar, dass der klassische Gesellschafterwechsel kein haftungsbegründender Eintritt im Sinne dieser Vorschrift ist (vgl. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 19/30942, S. 113; Bericht des Ausschusses, BT-Drucks. 19/31105, S. 10).

Die neu errichteten tragenden Säulen des MoPeG wurden vom Rechtsausschuss nach Prüfung ohne Vorbehalt abgenommen: So erhält die GbR neben dem Gesellschaftsregister einschließlich Reglement, das auch den komplexen Statuswechsel umfasst, insbesondere Vorschriften über die Vertretung und persönliche Haftung sowie – in Anlehnung an §§ 145 ff. HGB – ein eigenes Kapitel über die Liquidation, das u.a. die gerichtliche Berufung und Abberufung von Liquidatoren einführt. Das neue Beschlussmängelrecht der OHG/KG implementiert – in Übereinstimmung mit dem Recht der AG/GmbH – die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage (§§ 110 ff. HGB-E), wobei allerdings die Nichtigkeitsgründe präziser und moderner formuliert sind. Bei der GbR gilt dieses Beschlussanfechtungsmodell zwar nicht ex lege, der Gesellschaftsvertrag kann hierfür aber im Rahmen der Vertragsfreiheit optieren. Die Neuregelung des § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB-E öffnet die Rechtsform der OHG/KG und damit auch der GmbH & Co. KG für die gemeinsame Ausübung Freier Berufe, „soweit das anwendbare Berufsrecht die Eintragung zulässt“. Die nicht unerheblichen Schönheitsfehler der PartG mbB – persönliche Gesellschafterhaftung für Verbindlichkeiten aus Miet- und Arbeitsverhältnissen sowie die mit der einkommensteuerrechtlichen Abfärbung bei gewerblichen Einkünften durch Einsatz von Angestellten und Subunternehmern verbundenen Risiken (vgl. dazu Wertenbruch, ZIP 2021, 1094 ff.) – werden durch die Wahl der GmbH & Co. KG abgehängt. Durch die Neuregelung des § 170 Abs. 2 HGB-E, der die dispositive Stimmrechtsausübung durch die Kommanditisten der Einheits-Kapitalgesellschaft & Co. KG in der Komplementär-Kapitalgesellschaft regelt, deren einzige Gesellschafterin die KG selbst ist, gelangt die Einheits-GmbH & Co. KG auf sicheres Terrain und wird dort weiter Furore machen, weil im Falle eines Gesellschafterwechsels nur die Kommanditanteile abgetreten werden müssen, wofür eben keine notarielle Beurkundung erforderlich ist.

Prolog für das MoPeG-Verfahren war die auf Grundlage des Koalitionsvertrages der aktuellen Bundesregierung im Sommer 2018 vorgenommene Einsetzung der von Ministerialrat Dr. Eberhard Schollmeyer LL.M. geleiteten Expertenkommission zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts durch die damalige Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Katarina Barley. Die erste Sitzung der Kommission fand wenig später im Justizministerium unter Mitwirkung der Staatssekretärin a.D. Christiane Wirtz statt. Im April 2020 wurde Bundesministerin Christine Lambrecht der von dieser Kommission erarbeitete Mauracher Entwurf vorgelegt, benannt nach Schloss Maurach am Bodensee, wo im März 2020 die abschließende mehrtägige Revisions- und Redaktionskonferenz durchgeführt wurde (Pressemitteilung des BMJV v. 20.4.2020). Es folgte am 19.11.2020 der Referentenentwurf (RefE MoPeG v. 19.11.2020) und am 20.1.2021 der Gesetzentwurf der Bundesregierung. Am 17.3.2021 erreichte dieser Regierungsentwurf den Bundestag als Etappenziel (Gesetzentwurf Bundesregierung vom 17.3.2021, BT-Drucksache 19/27635).

Beim anschließenden letzten großen Anstieg hat das MoPeG zwar durch das nach der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss am 21.4.2021 (vgl. dazu Wortprotokoll der 144. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz) notwendig gewordene Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur Frage des Fortbestands der verfassungsrechtlichen Legitimität der unterschiedlichen Behandlung von Kapital- und Personengesellschaft bei der Ertragssteuer (vgl. dazu Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages v. 11.5.2021) prima vista den in den letzten drei Jahren herausgefahrenen Vorsprung eingebüßt. À la longue könnte sich aber das Plazet des Wissenschaftlichen Dienstes als gewichtiger Ertrag auf dem Habenkonto des MoPeG erweisen, sofern behauptet wird, allein durch die Aufgabe des Gesamthandsbegriffs seien die sich auch im Steuerrecht auswirkenden Strukturunterschiede zwischen Kapitalgesellschaft und Personengesellschaft gesetzlich eingeebnet worden (vgl. zu dieser Thematik auch Fleischer, DStR 2021, 430 ff.; Bachmann, NZG 2020, 612 ff.; Wertenbruch, GmbHR 2021, 1 ff.). Gleichwohl mussten nach Eintreffen der Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes sämtliche Protagonisten und Domestiken des MoPeG permanent mit maximaler Übersetzung fahren, um den Anschluss an das Gesetzespeloton der letzten Session der 19. Legislaturperiode zu erreichen.