Ordnungsgeld auch gegen juristische Personen?

Im Rahmen eines Landwirtschaftsverfahrens hatte das AG gegen den Geschäftsführer einer GmbH persönlich ein Ordnungsgeld von sagenhaften 200 € verhängt, da dieser zu einem Termin – entgegen einer gerichtlichen Anordnung – nicht erschienen war. Ersatzweise wurden vier Tage Ordnungshaft festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde des Geschäftsführers änderte das OLG den Beschluss dahingehend ab, dass die ersatzweise angeordnete Ordnungshaft entfiel. Auf die Rechtsbeschwerde hebt der BGH – Senat für Landwirtschaftssachen – (Beschl. v. 30.3.2017 – Blw 3/16, MDR 2017, 721) den Beschluss des AG insgesamt auf.

Der BGH folgt hier der herrschenden Meinung, wonach ein Ordnungsgeld gemäß § 141 Abs. 3  ZPO nur gegen die juristische Person selbst festgesetzt werden darf, wenn diese Partei des Rechtsstreites ist. Eine Festsetzung gegen die Organe ist nicht statthaft. Zwar muss ein Organ geladen werden, da die Partei als juristische Person nur durch ihre Organe handeln kann. Das Gesetz verpflichtet aber gleichwohl in einem Zivilprozess ausschließlich die Partei. Zwar dürfen sitzungspolizeiliche Maßnahmen auch gegen ein Organ einer Partei ergriffen werden, dabei geht es aber um eine Missachtung des Gerichts. Beim Nichterscheinen geht es um die Aufklärung des Sachverhalts. Erscheint das Organ nicht, kann die juristische Person bei diesem Regress nehmen. Hat die juristische Person kein Vermögen, läuft zwar das Ordnungsgeld leer, dies ist aber bei natürlichen Personen als Parteien auch nicht anders.

Bereits das OLG hatte die ersatzweise angeordnete Ordnungshaft aufgehoben. Dies geschah zu Recht, da das Gesetz die Anordnung von ersatzweiser Ordnungshaft gegen die nicht erschienene Partei schlichtweg nicht vorsieht. Ordnungshaft kann allerdings gegen Zeugen verhängt werden (§ 380 ZPO). Die weiteren Voraussetzungen sowie das Verfahren richten sich nach Art. 5 ff. EGStGB. Danach darf das Ordnungsgeld zwischen 5 und 1.000 € betragen. Im Verhältnis zu vielen juristischen Personen wirken diese Beträge mehr als lächerlich.

Kommentar: Eigentlich ist all dies nicht mehr zeitgemäß. Der Gesetzgeber sollte vielmehr den Gerichten mehr Möglichkeiten geben, das Erscheinen von Organen juristischer Personen vor Gericht mit Sanktionen zu erzwingen, die diesen Namen auch wirklich verdienen. So besteht die Gefahr, dass gerade diejenigen über die Justiz lachen, die sie auch sonst nicht ernst nehmen, weil sie meinen, sich dies schlichtweg leisten bzw. einkaufen zu können. Aber mit derartigen „Trivialitäten“ wird sich der Gesetzgeber sicherlich nicht befassen wollen.

Vertiefungshinweis: Ausführlich zum Ordnungsgeld zuletzt Zapf MDR 2017, 554.

BGH zum absoluten Revisionsgrund der nicht ordnungsgemäßen Vertretung

Die Parteien gingen gegeneinander mit Klage und Widerklage vor. Das OLG verhandelte über den Rechtsstreit am 23.4.2014. Dabei war unbekannt, dass über das Vermögen der Klägerin, eine juristische Person nach dem Recht des Großherzogtums Luxemburg, bereits am 26.8.2013 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war.

Die Beklagte, die teilweise unterlegen gewesen war, möchte nun die Zulassung der vom OLG nicht zugelassenen Revision erreichen und beruft sich auf § 547 Nr. 4 ZPO, den absoluten Revisionsgrund der nicht gesetzlichen Vertretung einer Partei. Dieser Gedanke hat natürlich einiges für sich: Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahren werden die ursprünglichen Organe der Klägerin sicherlich auch nach dem Recht des Großherzogtums Luxemburg ihre Vertretungsbefugnis verloren haben und ein Verwalter wird das Sagen haben.

Obwohl wegen der Unterbrechungswirkung gar nicht hätte verhandelt und entschieden werden dürfen, ist das Urteil nicht nichtig, sondern mit den üblichen Rechtsmitteln anfechtbar. Demgemäß liegt grundsätzlich ein absoluter Revisionsgrund vor. In einem solchen Fall ist regelmäßig auch eine Zulassung der Revision geboten, schon um eine Wiederaufnahme des Verfahrens in Gestalt einer Nichtigkeitsklage zu verhindern.

All dies gilt aber nur dann, wenn der absolute Revisionsgrund der nicht ordnungsgemäßen Vertretung auch von dem Gegner der betroffenen Partei geltend gemacht werden kann! Dies ist jedoch nicht der Fall. Im Rahmen der Nichtigkeitsklage wegen nicht ordnungsgemäßer Vertretung hat der BGH bereits entschieden, dass die Klage nur von der Partei erhoben werden darf, die nicht ordnungsgemäß vertreten war (BGHZ 63, 78 = BGH MDR 1975, 44). Für den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO gilt dasselbe. Die Vorschrift bezweckt nur den Schutz des Beteiligten, der nicht ordnungsgemäß vertreten war. Nur dieser kann auch die Prozessführung genehmigen. Ansonsten könnte der nicht ordnungsgemäß Vertretene einem Revisionsverfahren des Gegners jederzeit die Grundlage entziehen, indem er die Prozessführung genehmigt.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Missachtung der Unterbrechungswirkung des § 249 ZPO jede Partei geltend machen kann. Dies folgt aber daraus, dass im Rahmen einer zulässigen Revision dieser Gesichtspunkt ohnehin von Amts wegen zu prüfen ist. Diese Prüfung erfolgt aber erst dann, wenn die Revision statthaft, mithin zugelassen ist. Dies war aber hier nicht der Fall. Damit wird die Revision nicht zugelassen.

BGH, Beschl. v. 22.12.2016 – IX ZR 259/15, MDR 2017, 538

BGH zur hinreichend klaren Fassung eines Unterlassungsantrages

Der BGH hat sich in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren (BGH, Beschl. v. 15.12.2016 – I ZR 96/16; Vorinstanz: OLG Hamm, Beschl. v. 15.3.2016 – 4 U 113/15) mit der Formulierung „den Eindruck erweckt“ im Rahmen eines Unterlassungsantrages befasst.

Die Steuerberaterkammer nahm den Beklagten Buchhalter nach wettbewerbsrechtlichen Anspruchsgrundlagen auf Unterlassung in Anspruch. In den Tatsacheninstanzen war der Beklagte schließlich u. a. wie folgt verurteilt worden:

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr bei der Werbung für seine Tätigkeit als selbständiger Buchhalter den Eindruck zu erwecken, er dürfe geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, die über den Kreis der ihm als selbständigen Buchhalter erlaubten Arbeiten hinausgeht, wie geschehen

  1. a)  in der Kleinanzeige im „M. “ vom 25.10.2014 (Anlage K14)
  2. b)  im Internetauftritt des Beklagten www.XXX.de (Anlage K2) in den Werbetexten unter den Menüpunkten „Über das Buchführungsbüro“ (Seite 3 der Anlage K2), „Finanzbuchhaltung / Leistungsumfang“ (Seite 7 der Anlage K2), „Finanzbuchhaltung / Kostenstellen, Kostenträger“ (Seite 16 der Anlage K2) und „DATAC24/Die Zukunft der Buchhaltung“ (Seite 31 der Anlage K2) und durch die Angabe der Unternehmensbezeichnung „DATAC Buchführungsbüro G.“ in der Kopfzeile jeder einzelnen zum Internetauftritt gehörenden Internetseite.“

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde versuchte der Beklagte, diese Verurteilung anzugreifen, und zwar mit der interessanten Begründung, die Urteilsformel sei nicht hinreichend bestimmt. Ansatzpunkt für diesen Angriff war hier die Formulierung „den Eindruck erweckt“. Eine solche Formulierung genügt nämlich regelmäßig nicht dem Bestimmtheitsgebot. Gleichwohl hält der BGH dieses Urteil mit der Begründung, hier lasse sich im Wege der Auslegung ein vollstreckungsfähiger Inhalt „gerade noch ermitteln“. Es lasse sich nämlich aus dem im Urteil wiedergegebenen erstinstanzlichen Anträgen sowie den Gründen der Entscheidung entnehmen, wie der Beklagte den irreführenden Eindruck erweckt habe. Der Beklagte habe durch die Verwendung der Begriffe Buchführungsbüro, Finanzbuchhaltung, Lohn- und Gehaltsbuchhaltung, Buchhaltung und Buchführung den irreführenden Eindruck hervorgehoben, er dürfe auch Tätigkeiten vornehmen, die eigentlich einem Steuerberater vorbehalten seien.

Das war – sozusagen – ziemlich knapp. Der Fall zeigt erneut, das der Formulierung der Anträge sowie der Tenore immer ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, vor allem – aber nicht nur – in Wettbewerbssachen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das gesamte Urteil wertlos ist, weil es nicht die Grundlage für eine Zwangsvollstreckung darstellen kann! Besondere Vorsicht ist bei der Formulierung „den Eindruck erwecken“ geboten. Es muss dann jedenfalls sichergestellt werden, dass aus dem gesamten Urteil eindeutig ermittelt werden kann, was genau verboten ist.

Neuregelung zum Schonvermögen im Rahmen der Prozesskosten-bzw. Verfahrenskostenhilfe

Vermögende Personen erhalten – unabhängig von ihren Einkommensverhältnissen – keine PKH. Vielmehr müssen sie ihren Prozess selbst finanzieren. Die ZPO hat für das einzusetzende Vermögen, welches grundsätzlich das gesamte verwertbare Vermögen darstellt, keine ausführliche Regelung getroffen. Es wird vielmehr in § 115 Abs. 3 ZPO (bei der Verfahrenskostenhilfe in Verbindung mit § 76 Abs. 1 FamFG) auf § 90 SGB XII verwiesen. Gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII bleiben bei dem einzusetzenden Vermögen kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte unberücksichtigt. Darunter sind selbstverständlich auch Bankguthaben zu verstehen. In der bisherigen Fassung der VO zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII war ein Betrag in Höhe von 2.600 Euro für die PKH-Partei und zusätzlich 614 Euro für den Ehegatten bzw. Lebenspartner sowie jeweils 256 Euro für jede weitere Person, die überwiegend unterhalten wird, regelmäßig die Kinder, maßgeblich.

Die erwähnte Verordnung ist nunmehr geändert worden. Der Gesetzgeber ist nun deutlich großzügiger! Mit Wirkung zum 1. 4.2017 bestimmt die nunmehrige Fassung der Verordnung (BGBl. I 2017 S. 519), dass ein Betrag in Höhe von 5.000 Euro für die PKH-Partei maßgeblich ist. Hinzu kommt ein Betrag in Höhe von 500 Euro für jede Person, die überwiegend unterhalten wird. Bei einer „normalen“ Familie mit zwei Elternteilen und zwei Kindern ermittelt sich auf diese Weise ein Betrag in Höhe von 6.500 Euro, der unberücksichtigt bleibt. Mit anderen Worten: 6.500 Euro dürfen bei einer solchen „normalen“ Familie als Notreserve auf einem Sparkonto (oder wo auch immer) liegen und bleiben als Vermögen bei der Prozesskostenhilfe unberücksichtigt. Natürlich müssen die Angaben in dem amtlichen Vordruck vollständig sein, es ist alles anzugeben! Was dann unberücksichtigt bleibt, entscheidet das Gericht an Hand der gesetzlichen Vorgaben.

Erfahrungsgemäß wird es einige Zeit dauern, bis sich diese Neureglung überall herumgesprochen hat. Allerdings ist sie seit dem 1.4.2017 zu berücksichtigen! Der neue Schonvermögensbetrag ist über § 1 Abs. 2 BerHG natürlich auch bei der Beratungshilfe zu berücksichtigen.

Erstattungsfähigkeit von Übersetzungskosten

In einer neueren Entscheidung hat das OLG Koblenz (Beschl. v. 20.1.2017 – 14 W 22/17) daran erinnert, dass die Kosten, die durch eine Übersetzung fremdsprachlicher Urkunden (z. B. Gutachten) entstehen, im Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig sind, wenn deren Kenntnisnahme Teil einer schlüssigen Rechtsverteidigung ist. Dabei ist nicht erforderlich, dass eine gerichtliche Anordnung, eine Übersetzung des fremdsprachigen Schriftstückes vorzulegen (vgl. § 142 Abs. 3 ZPO), ergangen ist. Dies ergibt sich daraus, dass gemäß § 184 GVG die Gerichtssprache Deutsch ist. Demgemäß sind derartige Übersetzungskosten regelmäßig notwendig i. S. d. § 91 Abs. 1 ZPO.

Folgende Grundsätze sind dabei allerdings zu beachten: Ist nicht zu erwarten ist, dass die Urkunde bestritten wird, bedarf es zunächst keiner Übersetzung, wenn derjenige, der die Urkunde vorlegt, sie selbst versteht. Anders verhält es sich, wenn dieser der Urkundssprache nicht mächtig ist. Wenn die Parteien allerdings davon ausgehen können, dass das Gericht der Urkundssprache mächtig ist, sind die Übersetzungskosten gleichfalls nicht erstattungsfähig. Generell kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Übersetzungskosten fremdsprachiger Urkunden erstattungsfähig sind, wenn die Partei sie bei sorgsamer, vernünftiger Überlegung zum Zeitpunkt ihrer Anfertigung als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung für erforderlich halten durfte (So bereits: OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 31.7.1980 – 20 W 397/80, MDR 1981, 58). Das BVerfG hat in einer älteren Entscheidung zu diesem Problemkomplex die Auffassung eines LG, Übersetzungskosten seien dann nicht erstattungsfähig, wenn es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt handele, die schriftliche Übersetzung für das prozessuale Vorgehen der Parteien ohne Bedeutung ist und die Kosten außer Verhältnis zur Klageforderung stehen, für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten (Beschl. v. 30.1.1990 – 2 BvR 1085/98).

Für die Höhe der Entschädigung ist § 11 JVEG maßgeblich. Auch wenn der Rechtsanwalt der Partei die Übersetzung vornimmt, sind derartige Kosten erstattungsfähig (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.7.2009 – 2 W 29/09).

Wahrung der Vollziehungsfrist im einstweiligen Verfügungsverfahren

Die Vorschriften der Absätze 2 und 3 des § 929 ZPO sind für die Praxis des einstweiligen Verfügungsverfahrens sehr bedeutungsvoll und für den Rechtsanwalt, der den Gläubiger/Antragsteller/Verfügungskläger vertritt, sehr regressträchtig.

In einem Verfahren vor dem OLG Dresden (Urt. v. 7.2.2017 – 4 U 1422/16, MDR 2017, 421) berief sich die Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz auf die nicht gewahrte Vollziehungsfrist. Dieser Einwand darf auch im Berufungsverfahren geltend gemacht werden.

Die angefochtene einstweilige Verfügung war hier durch Urteil ergangen, das lediglich von Amts wegen zugestellt wurde. Einige Tage später stellte der Kläger einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln, darüber hinaus leitete er der Beklagten ein formloses Aufforderungsschreiben zu. Diese Maßnahmen alleine waren allerdings nicht ausreichend, um den Anforderungen des § 929 Abs. 2 und Abs. 3 zu genügen! Es wäre hier vielmehr nach h. M. erforderlich gewesen, die einstweilige Verfügung, auch wenn sie durch ein von Amts wegen zuzustellendes Urteil ergangen ist, erneut im Parteibetrieb zuzustellen, um den Willen, von der einstweiligen Verfügung Gebrauch zu machen, ausreichend kund zu tun. Das formlose Aufforderungsschreiben reicht als Vollziehung selbstredend nicht aus.

Der Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln kann zwar als Vollziehung nach § 929 Abs. 3 S. 1 ZPO angesehen werden, bleibt aber gemäß § 929 Abs. 3 S. 2 ZPO ohne Wirkung, wenn nicht die einstweilige Verfügung in der dort genannten Frist zugestellt wird, was hier – wie bereits erwähnt – nicht geschehen ist.

Besonders zu beurteilen, sind allerdings Fälle, in denen eine Erledigung der Hauptsache eintritt. Dann muss natürlich nicht mehr zugestellt bzw. vollzogen werden. Eine solche Erledigung der Hauptsache konnte aber im konkreten Fall nicht festgestellt werden. Denn: Da weder die einstweilige Verfügung zugestellt noch die Vollziehungsfrist eingehalten wurde, war der Antrag auf Feststellung der Erledigung zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses (hier: ein Verzicht auf die Ansprüche!) nicht zulässig und begründet gewesen.

BGH stellt praktisch kaum noch Anforderungen an die Unterschrift unter einem Schriftsatz

Wann ist eine (angebliche) Unterschrift tatsächlich als solche anzuerkennen? Zwischen den Tatsacheninstanzen und dem BGH kommt es bei dieser Frage immer wieder zu Streitigkeiten. Dabei stellen die Tatsacheninstanzen auch hier in aller Regel strengere Anforderungen als der BGH.

In dem Verfahren VI ZB 16/16, MDR 2017, 227 ging es – wieder einmal – um die Zulässigkeit einer Berufung. Die Unterschrift des Rechtsanwaltes bestand aus einem in die Länge gezogenen, nach oben offenen Halbkreis mit nach innen weisenden kurzen Schnörkeln. Selbst der BGH konstatiert in seinem Beschluss vom 29.11.2016, dass diese „Unterschrift“ sehr einfach strukturiert ist und offenbar – wie sich aus anderen im Laufe des Verfahrens geleisteten Unterschriften ergab – einem starken Abschleifungsprozess unterlegen war. Gleichwohl sei sie ausreichend individuell und ließe sich als Wiedergabe eines Namen erkennen. Ein solcher vereinfachter und eigentlich nicht lesbarer Namenszug kann als Unterschrift ausreichen, wenn der Unterzeichner auch sonst gleich oder ähnlich unterzeichnet. Für entscheidend hält der BGH in diesem Zusammenhang, dass keine Zweifel an der Urheberschaft des Unterzeichners bestanden, und zwar weil unter der Unterschrift die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens nebst der Berufsbezeichnung Rechtsanwalt stand und weil der Rechtsanwalt eben schon zuvor in der nunmehr beanstandeten Weise unterschrieben hatte. Dies bedeutet also in letzter Konsequenz: Der Unterzeichner bestimmt selbst, welche Anforderungen für seine Unterschrift ausreichend sind – ein doch etwas merkwürdiges Ergebnis.

Als Nebenaspekt der Entscheidung ist noch erwähnenswert: Die Frage, ob die Unterschrift in der Berufungsschrift ausreichend ist, wird von dem Revisionsgericht von Amts wegen unabhängig von der Auffassung des Berufungsgerichts in eigener Verantwortung geprüft, da die Zulässigkeit der Berufung Zulässigkeitsvoraussetzung für das weitere Verfahren und damit auch die Revision ist. Der Beschluss des Berufungsgerichts, worin ein vorsichtshalber gestellter Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen worden war, wird durch die Aufhebung des die Berufung verwerfenden Beschlusses gegenstandslos, so dass darüber gar nicht mehr zu entscheiden ist.

Unabhängig davon, drängen sich folgende Überlegungen auf: Entscheidungen zur Frage, welche Anforderungen an eine Unterschrift zu stellen sind, werden seit Jahren ständig veröffentlicht. Es ist daher eigentlich kaum zu glauben, dass es noch Rechtsanwälte gibt, die das Risiko eingehen, hier wegen einer „Nicht-Unterschrift“ einen Prozess zu verlieren, was nicht nur gegenüber der Mandantschaft mehr als peinlich ist. Jeder Rechtsanwalt tut daher gut daran, sich von vornherein eine Unterschrift zuzulegen, die gar nicht erst irgendwelche Zweifel aufkommen lässt und Nebenkriegsschauplätze eröffnet, auf die man getrost verzichten kann.

Dies gilt übrigens genauso für Richter! Fehlt es bei einem Urteil an der wirksamen Unterschrift, fangen z.B. Fristen aller Art (z.B. die Berufungs- und die Einspruchsfrist) gar nicht an zu laufen. Auch als Richter kann man daher viel Ärger bekommen, wenn die eigene Unterschrift nicht als ausreichend angesehen wird.

Daher spricht  wohl nichts gegen eine deutliche, gut lesbare Unterschrift, die aus Sicherheitsgründen allerdings nicht derjenigen entsprechen sollte, die bei eigenen Bankgeschäften benutzt wird.

 

 

 

 

Warnfunktion der Fristsetzung (Vom Zer-schneiden von Gesetzen, 2. Folge)

Während in meinem letzten Blog-Beitrag vom „Zer-entscheiden“ im Verfahrensrecht (Thema: Wann muss das Berufungsgericht eine erstinstanzliche Beweisaufnahme wiederholen?) die Rede war, geht es nunmehr um das materielle Recht. Bekanntlich muss der Gläubiger dem Schuldner, wenn er Schadensersatz verlangen will, erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmen (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB). Bereits die unbefangene Lektüre des einschlägigen Gesetzestextes legt es hier doch eigentlich nahe, dass es erforderlich ist, dem Vertragspartner aufzuzeigen, worum es einem geht und ihm alsdann eine Frist zu setzen, innerhalb derer dieser im Sinne einer Beseitigung der geschilderten Beanstandungen reagieren soll.

Also etwa wie folgt: „Sie haben das Getriebe meines Autos repariert. Nunmehr lässt sich plötzlich der dritte Gang nicht mehr einlegen! Bitte bringen Sie das innerhalb von spätestens einer Woche wieder in Ordnung.“

Aber was bleibt von einer solchen Regelung übrig, wenn sich der BGH ihr annimmt: „Für eine Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen – hier ein Verlangen nach schneller Behebung gerügter Mängel – deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End)Termins bedarf es nicht (Fortführung von BGH, Urt. v. 12.8. 2009 -VIII ZR 254/08, MDR 2009, 1329; v. 18.3.2015 – VIII ZR 176/14, MDR 2015, 576). Ergibt sich dabei aus den Gesamtumständen, dass ein ernsthaftes Nacherfüllungsverlangen vorliegt, schadet es nicht, dass dieses in der höflichen Form einer „Bitte“ gekleidet ist.“ (BGH, Urt. v. 13.7.2016 – VIII ZR 49/15, MDR 2016, 1075)

Im konkreten Fall (es ging um eine recht mangelbehaftete Einbauküche) hatte die Klägerin in einer Mail auf fünf Seiten die zahlreichen Mängel bezeichnet und sodann erklärt: „Ich bitte – sicherlich verständlich – schon jetzt um eine schnelle Behebung der Mängel, damit ich die Küche in ihrer geplanten einwandfreien Funktionsweise auch vollständig in Betrieb nehmen kann.“ Diese Formulierung hat dem BGH ausgereicht, um die Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 S.1 BGB zu erfüllen!

Wer hätte das gedacht? Eigentlich erübrigt sich hier jeder Kommentar! Gleichwohl wurde in den führenden Fachzeitschriften diese Entscheidung offenbar für erörterungswürdig angesehen. Clemens Höpfner kritisiert in der NJW (2016, 3633 ff.) zu Recht diese Entscheidung und wendet u. a. ein: „Er (sc. der BGH) schränkt die Warnfunktion des Fristsetzungserfordernisses so umfassend ein, dass die Unterschiede zwischen Fristsetzung und Mahnung weitgehend nivelliert werden. Das widerspricht der ratio legis und schafft für beide Parteien unnötige Rechtsunsicherheit, ohne dass damit die Situation des Gläubigers effektiv verbessert wird.“ Wolf Müller, MDR 2017, 10 ff., verweist auf diese Kritik.

Fazit: Der BGH hätte es sich vorher lieber anders überlegen sollen, jetzt dürfte es zu spät sein; so auch Höpfner und Müller. Und erneut wurde – wie schon so oft – eine Chance vertan, etwas einmal nicht bis zur Konturenlosigkeit zu „zer-entscheiden“.

Vom „Zer-entscheiden“ von neuen Gesetzen

Im Rahmen eines Rechtsstreites wegen Schadensersatzes aufgrund eines angeblich nur vorgeschobenen Eigenbedarfs hat der BGH (Beschl. v. 11.10.2016 – VIII ZR 300/15, MDR 2017, 21) – obwohl im Rahmen dieser Entscheidung eigentlich gar nicht unbedingt veranlasst (!) – folgende Ausführungen vorgelegt:

„Für das weitere Berufungsverfahren sieht der Senat Anlass zu folgenden Hinweisen im Hinblick auf die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts und auf die Darlegungslast des Vermieters bei einem im Anschluss an den Auszug des Mieters nicht verwirklichten Eigenbedarf:

  1. Die bisherigen Ausführungen des Berufungsgerichts zum Umfang seiner Prüfungskompetenz lassen besorgen, dass es verkannt hat, dass diese nicht – wie die revisionsrechtliche Prüfung – auf eine reine Rechtskontrolle beschränkt ist. Bei der Berufungsinstanz handelt es sich auch nach Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes um eine zweite – wenn auch eingeschränkte – Tatsacheninstanz, deren Aufgabe in der Gewinnung einer „fehlerfreien und überzeugenden“ und damit „richtigen“ Entscheidung des Einzelfalles besteht (…). Daher hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Überzeugungsbildung nicht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen. Vielmehr können sich Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, anders als das Berufungsgericht offenbar gemeint hat, auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Bewertungen der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ergeben (…). Besteht aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, ist es somit zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichtet (…). Hält es das Berufungsgericht – wie hier – für denkbar, dass die von der Berufung aufgeworfenen Fragen zu einer anderen Würdigung führen können, besteht Anlass für die Überlegung, ob für die andere Würdigung zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht und deshalb Anlass zu einer Wiederholung der Beweisaufnahme besteht.“

Mit diesem Begründungsmuster lässt sich praktisch jede Entscheidung eines Berufungsgerichts – entsprechenden Vortrag durch den Revisionsanwalt unterstellt – unproblematisch aufheben. Jede Beweisaufnahme ist notwendig immer nur eine Momentaufnahme. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei einer Wiederholung etwas anderes herauskommt, besteht immer. Dies liegt – wie es so schön heißt – in der Natur der Sache.

Diese Sichtweise ist ein gutes Beispiel dafür, wie es der höchstrichterlichen Rechtsprechung immer wieder gelingt, echte Reformen im Sande verlaufen zu lassen. Mit der einschränkenden Prüfungskompetenz durch die Berufungsgerichte wird es in einigen Jahre voraussichtlich genauso ergehen, wie mit der Zurückweisung des verspäteten Vorbringens heute: Der Gesetzgeber hatte diese Vorschriften seinerzeit vor Jahrzehnten mit Bedacht eingeführt, um die Prozesse zu beschleunigen. Das Ergebnis nach mehreren Jahren und unzähligen Entscheidungen des BGH sowie des BVerfG: Eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens ist faktisch nicht mehr möglich. Eine Zurückweisung findet in der Praxis demgemäß überwiegend auch gar nicht mehr statt. Die Prognose: In spätestens zehn Jahren werden die Berufungsgerichte vom BGH, vor allem von dem Mietsenat, dazu verpflichtet werden, alle Beweisaufnahmen erster Instanz zu wiederholen. Man weiß ja schließlich nie …

So werden sinnvolle Reformversuche durch die höchstrichterliche Rechtsprechung immer wieder aufs Neue „zer-entschieden“. Der Gesetzgeber kann machen, was er will. Es bleibt im Laufe der Zeit alles beim Alten.

Keine Gebührenermäßigung für Vergleich bei gerichtlich vorbehaltener Kostenentscheidung

Die Beklagten schlossen in der Berufungsinstanz einen Vergleich, konnten sich aber offenbar über die Kostenverteilung nicht einig werden. Sie überließen daher die Kostenentscheidung dem Gericht, verzichteten aber auf eine Begründung der zu treffenden Entscheidung. Das Gericht erließ demgemäß einen entsprechenden Kostenbeschluss.

Nach Abschluss der Instanz wurden vom Kostenbeamten alle vorgesehenen Gebühren (in der Berufungsinstanz vier) in Rechnung gestellt. Der Kostenschuldner wollte aber nur zwei Gebühren zahlen. Bekanntlich ermäßigen sich die vier Gebühren auf zwei wenn ein Vergleich geschlossen wird, der allerdings das gesamte Verfahren erledigen muss. Dies war hier nicht der Fall, da die Kostenregelung offen blieb. Gemäß Nr. 1223 KV GKG fallen allerdings nur drei Gebühren an, wenn das gesamte Verfahren durch ein Urteil beendet wird, das wegen eines Verzichtes der Parteien nach § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO keine schriftliche Begründung enthält. Die Voraussetzungen des Wortlautes dieser Vorschrift waren hier ersichtlich nicht erfüllt, da kein Urteil, sondern ein Beschluss ergangen war. Der enttäuschte Kostenschuldner warf aber im Erinnerungsverfahren nach § 66 GKG die Frage auf, ob nicht eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Sachverhalt geboten sei.

Das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 16.8.2016 – I-10 W 229/16) greift diese Frage auf, verneint sie aber. Es fehlt an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Im Gesetzgebungsverfahren wurden verschiedene Fallkonstellationen von Gebührenermäßigungen erörtert. Alsdann wurde ausdrücklich von einer Ermäßigung nur ausgegangen, wenn das gesamte Verfahren durch den Ermäßigungstatbestand erledigt wird. In der hier vorliegenden Konstellation war das gesamte Verfahren gerade nicht durch den Vergleich erledigt worden. Für derartige Fälle wollte der Gesetzgeber eben keine Ermäßigung anerkennen.

Das OLG Celle (Beschl. v. 19.4.2011 – 2 W 89/11) hatte dies übrigens noch anders gesehen und eine analoge Anwendung befürwortet! Dem OLG Düsseldorf war vor kurzer Zeit das OLG Braunschweig gefolgt (Beschl. v. 2.6.2015 – 2 W 19/15). Interessant ist, dass das OLG Düsseldorf beide Entscheidungen gar nicht erwähnt.

Praxistipp: Damit bleibt hier die Erinnerung des Kostenschuldners erfolglos. Wer auf eine Gebührenermäßigung wert legt, sollte daher auf eine Gesamterledigung des Verfahrens durch einen Vergleich oder ein Urteil nach § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO achten und sich damit erst gar nicht auf diese Kontroverse einlassen.

Erwähnenswert ist noch ein kleiner Nebenaspekt der Entscheidung: Da sich der Kostenschuldner auch noch über in Rechnung gestellte Sachverständigenkosten beschwert hatte, sah sich das OLG Düsseldorf zu folgenden Anmerkungen veranlasst: „Soweit die Einwendungen des Kostenschuldners sich auf die Qualität der Sachverständigenleistung beziehen, hat diese auf die Höhe der zu gewährenden Vergütung keinen Einfluss. Der vom Gericht bestellte Sachverständige handelt nicht im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags. Seine Vergütung bezieht sich nicht auf das Werk des Sachverständigen, sondern auf seine Tätigkeit als Gehilfe des Gerichts, die er in Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht erbringt (…). Deshalb sind sachliche Richtigkeit und Überzeugungskraft eines Sachverständigengutachtens kein Maßstab für die Höhe der dem Sachverständigen zu gewährenden Vergütung; es kommt lediglich darauf an, dass diese Leistung überhaupt erbracht wurde, nicht etwa auch darauf, wie das Gericht oder die Parteien das Gutachten inhaltlich beurteilen (…).“ Kann man das schöner sagen?