Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog wöchentlich über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Arglistiges Verschweigen eines Mangels durch einen von mehreren Verkäufern
Urteil vom 8. April 2016 – V ZR 150/15

Eine Streitfrage, die mit der Schuldrechtsmodernisierung aufgekommen war, hat der V. Zivilsenat entschieden.

Die Kläger hatten von den Beklagten, die damals die Scheidung ihrer Ehe betrieben, ein mit einem Wohnhaus bebautes Hanggrundstück unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung erworben. Später stellte sich heraus, dass eine Stützmauer nicht hinreichend standfest ist. Der beklagte Ehemann hatte dies gewusst, die beklagte Ehefrau nicht. Die auf Ersatz der Sanierungskosten gerichtete Klage hatte in der ersten Instanz gegenüber beiden Beklagten Erfolg. Das OLG wies die gegen die Ehefrau gerichtete Klage hingegen ab.

Der BGH verurteilt auch die Ehefrau zur Zahlung von Schadensersatz. Anspruchsgrundlage ist § 437 Nr. 3 i.V.m. § 280 BGB. Die Ehefrau hat fahrlässig gehandelt, weil sich das Anwesen ohne nähere Nachforschung übergeben hat. Entscheidend ist deshalb, ob sich die Ehefrau auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen kann oder ob sie daran gemäß § 444 Fall 1 BGB gehindert ist, weil der Ehemann den Mangel arglistig verschwiegen hat. Nach dem bis Ende 2001 geltenden Recht führte das arglistige Verschweigen eines Mangels durch einen von mehreren Verkäufern nach der Rechtsprechung des BGH dazu, dass alle Verkäufer gem. § 476 BGB aF gehindert waren, sich auf einen vereinbarten Haftungsausschluss zu berufen. Dies hatte jedoch nur zur Folge, dass alle Verkäufer Wandlung und Minderung schuldeten. Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 463 BGB aF – der das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft oder das arglistige Verschweigen eines Mangels voraussetzte – stand dem Käufer hingegen nur gegenüber dem arglistig handelnden Verkäufer zu. Diese Differenzierungsmöglichkeit ist mit der Schuldrechtsmodernisierung entfallen, weil jeder Verkäufer schon bei Fahrlässigkeit auf Schadensersatz haftet. Deshalb war in Literatur und Rechtsprechung Streit darüber entstanden, ob § 444 Fall 1 BGB in gleicher Weise auszulegen ist wie §476 BGB aF – mit der Folge, dass auch der nur fahrlässig handelnde Verkäufer trotz des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses zum Schadensersatz verpflichtet ist – oder ob ein solcher Verkäufer insgesamt von Gewährleistungsansprüchen verschont bleibt. Der BGH entscheidet diesen Streit zugunsten der zuerst genannten Auffassung. Die Gegenauffassung würde nach seiner Ansicht zu einer zu weitgehenden Beschränkung der Rechte des Käufers führen.

Praxistipp: Ein Käufer, der trotz eines wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschlusses Rechte wegen eines Mangels der Kaufsache geltend machen will, kann sich darauf beschränken, einem der Verkäufer das arglistige Verschweigen eines Mangels nachzuweisen.

Umkehr der Beweislast bei grobem Behandlungsfehler eines Tierarzts
Beschluss vom 10. Mai 2016 – VI ZR 247/15

Eine höchstrichterlich bislang noch nicht abschließend geklärte Frage zur Haftung von Tierärzten hat der XII. Zivilsenat entschieden.

Die Klägerin nahm den Beklagten wegen fehlerhafter tierärztlicher Behandlung eines Pferdes auf Schadensersatz in Höhe von rund 100.000 Euro in Anspruch. LG und OLG bejahten die Haftung des Beklagten dem Grunde nach. Zwar sei nicht aufzuklären, ob die fehlerhafte Behandlung durch den Beklagten kausal für die aufgetretenen, zum Tod des Pferdes führenden Komplikationen gewesen sei. Die Beweislast dafür liege aber beim Beklagten, weil diesem ein Befunderhebungsfehler unterlaufen sei.

Der BGH weist die Revision des beklagten Tierarztes zurück. Anders als das OLG hält er die für den Bereich der Humanmedizin entwickelten Grundsätze zur Beweislastumkehr im Falle von groben Behandlungsfehlern sowie bestimmten Befunderhebungsfehlern nicht nur in Einzelfällen, sondern generell auch im Bereich der Tiermedizin für anwendbar. Dass der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (nur) für den Bereich der Humanmedizin in §§ 630a ff. BGB kodifiziert hat, steht ausweislich der Gesetzesmaterialien ihrer Übertragung auf den Tierarzt nicht entgegen.

Praxistipp: Frühere Entscheidungen von Instanzgerichten, die eine Beweislastumkehr im Bereich der Tiermedizin verneint oder an strengere Voraussetzungen geknüpft haben, sind mit der Entscheidung des BGH obsolet.

Zulässigkeit von Amalganfüllungen

Das OLG Hamm hat in einem Urteil vom 4.3.2016 – 26 U 16/15 festgestellt, dass die Versorgung von Patienten mit Amalgamfüllungen grundsätzlich unbedenklich ist. Dies gelte zum einen für die Verwendung von Amalgam bei Zahnfüllungen, zum anderen sei auch der Verbleib von Amalgamresten bei dem Aufbau von neuen Goldkronen unbedenklich. Denkbar sei zwar ausnahmsweise eine Amalgamallergie bei einem Patienten. Eine derartige allergische Reaktion zeige sich aber sofort und nicht – wie im vorliegenden Fall geltend gemacht – nach Jahr und Tag. Das Urteil stimmt im Ergebnis überein mit einem Urteil des OLG Köln aus dem Jahre 2013 (21.10.2013 – 5 U 155/12, MedR 2015, 110), in dem detailliert auf die vorliegenden wissenschaftlichen Aussagen eingegangen wird. Danach stehen sowohl der Verwendung als auch der nachträglichen Entfernung von Amalgamfüllungen keinerlei Bedenken entgegen. Ferner hat auch der wissenschaftliche Beratungsausschuss für Gesundheits- und Umweltrisiken der Europäischen Kommission im Jahre 2014 bekannt gegeben, dass die Gesundheits- und Umweltgefährdung durch das in zahnärztlichem Amalgam enthaltene Quecksilber vergleichsweise gering sei.

Es erscheint danach angebracht, die teilweise reichlich hysterisch geführte Diskussion in Deutschland um die Schädlichkeit von Amalgam zu beenden.

Das Gefühl von Freiheit und Abenteuer – aber immer gut geschützt ?!

Alle Jahre wieder … beginnt nach Ostern die Motorradsaison. Motorradfahren macht Spaß. Doch es ist nicht ungefährlich. Aber im Rausch von „Freiheit und Abenteuer“ denkt keiner an einen Unfall und die möglichen Folgen. Den Wind um die Nasen wehen lassen kann man sich am besten noch ohne Helm – jedenfalls aber nicht mit dicker Jacke, Motorradhosen mit Protektoren und Motorradstiefeln. Aber welches Maß an Selbstschutz rechtlich notwendig ist, ist auch umstritten:

Das OLG Saarbrücken (Beschl. v. 12.03.2015 – 4 U 187/13, MDR 2015, 647) hat im Falle einer verunglückten Motorradfahrerin entschieden, dass es keine Auswirkungen auf einen Schadensersatzanspruch hat, wenn ein Geschädigter nur einen Schutzhelm trägt. Da nur dieser gesetzlich vorgeschrieben sei (§ 21a Abs. 2 StVO), sei (weitere) Schutzkleidung unnötig. Das ist jedoch nicht unbestritten. Ein großer Teil der Rechtsprechung geht davon aus, dass Führer von “großen“ Motorrädern Schutzkleidung (Helm, Motorradhose, Motorradjacke) tragen müssen. Hier wird z. T. eine Verkehrssitte bejaht. Umstritten ist die Lage bei Motorradstiefeln. Für Kleinkrafträder und Leichtkrafträder wird überwiegend eine in der Bevölkerung verbreitete Übung, Schutzkleidung zu tragen, nicht gesehen. (Übersicht bei Rebler, MDR 2014, 1187). Unabhängig von der rechtlichen Situation sollte sich aber jeder selbst gut überlegen, welches Maß an Schutz die eigene Gesundheit wert ist.

Abschleppen vom Privatparkplatz und neue Geschäftsmodelle der Parkplatzbewirtschaftung

Nachdem die zahlreichen Streitigkeiten über das Zuparken von Einfahrten, falsche Belegung von angebotenen Parkplätzen usw. früher die OLG und den BGH nicht erreichen konnten, kommt es in den letzten Jahren durch Zulassungsberufungen und ebensolche Revisionen doch vereinzelt zu Entscheidungen des BGH. Regelmäßig wird sich der Fahrer des störenden Fahrzeugs nicht ermitteln lassen, schon gar nicht mit einem vertretbaren Aufwand. Deswegen war es sachgerecht, dass der BGH schon im Jahre 2012 (Urt. v. 21.9.2012 – V ZR 230/11, MDR 2012, 1407) die Möglichkeit eröffnet hat, den Halter als zivilrechtlichen Störer in Anspruch zu nehmen. Das unbefugte Abstellen eines PKW auf einem Grundstück stellt verbotene Eigenmacht dar (§ 861 BGB). Selbst das einmalige Abstellen eines PKW begründet letztlich bereits eine Wiederholungsgefahr, dies hat der BGH mit der neuen, hier anzuzeigenden Entscheidung (Urt. v. 18.12.2015 – V ZR 160/14, MDR 2016, 267) wiederum bestätigt. Ausgeräumt werden kann die Wiederholungsgefahr nicht durch eine „normale“, sondern nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. Bereits entschieden hatte der BGH auch, dass die Anwaltskosten für die Aufforderung zur Abgabe der Unterlassungserklärung regelmäßig zu erstatten sind (§§ 683, 677, 670 BGB).

In der Entscheidung aus dem Jahre 2012 hatte der BGH allerdings noch einen Anspruch aus denselben Vorschriften auf Erstattung der Kosten für die Halteranfrage (im konkreten Fall 5,94 Euro) bejaht. Von dieser Entscheidung distanziert sich derselbe (V.) Senat nunmehr. Eine Anspruchsgrundlage für die Kosten der Halteranfrage sei nicht ersichtlich. Es entspräche nicht dem mutmaßlichen Willen des „Halters, als Adressat einer Unterlassungsaufforderung ermittelt zu werden“. Wenn es sich um einen privaten Parkplatz handelt, sei § 679 BGB nicht einschlägig.

Hinzuweisen ist natürlich darauf, dass es vorliegend nur um Ansprüche gegen den Halter geht. Ist der Fahrer ermittelt oder steht fest, dass der Halter auch gefahren ist, kommen natürlich weitergehende Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB oder natürlich auch den §§ 281, 280 BGB in Betracht.

Die neue Entscheidung betraf übrigens einen Fall zur „neueren Parkplatzbewirtschaftung“: Man muss bei Einfahrt in den (privaten) Parkplatz einen Parkschein lösen und denselben in das Fahrzeug legen. Überschreitet man die Parkzeit um mehr als 15 Minuten oder legt keinen Parkschein aus, verpflichtet sich man zur Zahlung von 20 € erhöhtem Nutzungsentgelt. Regelmäßig erhält der Halter dann eine Zahlungsaufforderung mit der Anregung, ggfls. den Fahrer namhaft zu machen. Erfolgt weder eine Zahlung noch eine Namhaftmachung kommt vom Parkplatzbetreiber regelmäßig die Aufforderung an den Halter, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bezüglich der Benutzung abzugeben. Offenbar greift eine solche Art der Parkplatzbewirtschaftung um sich. Der BGH hat mit seiner Entscheidung dieses Geschäftsmodell letztlich genehmigt. Dem ist auch zuzustimmen. Die Inanspruchnahme jeglicher Leistung kostet auf dem Markt Geld. Warum sollte das Parken auf privaten Flächen umsonst sein? Ob der Parkplatzbetreiber mit einer solchen Taktik Kunden anlockt oder vertreibt, muss er als Unternehmer letztlich selbst entscheiden.