Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Folgen eines erstinstanzlichen Verfahrensfehlers.

Keine Zurückverweisung trotz verfahrensfehlerhafter Entscheidung über Ablehnungsgesuch
Urteil vom 14. Mai 2019 – VI ZR 393/18

Mit der Reichweite von § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO befasst sich der VI. Zivilsenat.

Die klagende Bundesrepublik Deutschland begehrte von den Beklagten Ersatz der Kosten für die Reinigung eines Regenrückhaltebeckens. Zu der Verunreinigung war es infolge eines Verkehrsunfalls gekommen, für dessen Folgen die Beklagten dem Grunde nach voll einzustehen haben. Der vom LG beauftragte Sachverständige sah die Kosten als nicht notwendig an, weil die Arbeiten ohne Mehrkosten im Rahmen der nächsten turnusgemäßen Reinigung hätten ausgeführt werden können. Die Klägerin lehnte den Sachverständigen vor der mündlichen Verhandlung wegen Befangenheit ab. Das LG entschied über dieses Gesuch erst in seinem Urteil, mit dem es die Klage abwies. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Die Revision der Klägerin führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG. Der BGH tritt dem OLG allerdings darin bei, dass die Sache nicht an die erste Instanz zurückzuverweisen ist. Die Verfahrensweise des LG war zwar fehlerhaft, weil es über das Ablehnungsgesuch – ebenso wie über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter – durch gesonderten Beschluss hätte entscheiden müssen und sein Urteil erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses hätte erlassen dürfen. Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur zum Teil vertretenen Auffassung sind die Folgen eines solchen Verfahrensfehlers aber nach § 538 ZPO zu beurteilen. Eine Zurückverweisung ist danach jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn das Berufungsgericht das Ablehnungsgesuch ebenfalls als unbegründet ansieht. Selbst wenn es die Ablehnung für begründet hält, darf das Berufungsgericht die Sache nur in Ausnahmefällen zurückverweisen, etwa wenn eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist, deren Durchführung in der Berufungsinstanz zu noch größeren Nachteilen führen würde als eine Zurückverweisung. Im Streitfall hatte das OLG die Ablehnung des Sachverständigen als unbegründet angesehen. Der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung gebilligt. Dennoch hat er die Sache an das OLG zurückverwiesen, weil dieses von einer Beweisaufnahme über den durch ein Privatgutachten unterlegten Vortrag der Klägerin abgesehen hat, wonach ein Zuwarten bis zur nächsten turnusmäßigen Reinigung zur Freisetzung wassergefährdender Stoffe geführt hätte.

Praxistipp: Das Gericht ist stets zu einer weiteren Sachaufklärung verpflichtet, wenn zwei Sachverständige zu einander widersprechenden fachlichen Beurteilungen gelangen. Dies gilt auch bei einem Widerspruch zwischen einem gerichtlichen Sachverständigen und einem Privatgutachter.

KG: Bindungswirkung einer Verweisung an eine Kammer mit spezieller funktioneller Zuständigkeit

In einer Streitigkeit aus einem Bauvertrag gemäß § 72 S. 1 Nr. 2 GVG war ein Mahnbescheid im Februar 2017 ergangen. Nach dem Widerspruch wurde die Sache im Juni 2017 an das LG abgegeben. Am 28.12.2018 ging die Anspruchsbegründung ein. Im Januar 2019 erklärt sich die Zivilkammer für unzuständig und gab die Sache in entsprechender Anwendung des § 281 ZPO an die „Baukammer“ ab. Die Baukammer erklärt sich gleichfalls für unzuständig und legte den Rechtsstreit dem KG vor.

Das KG (Beschl. v. 14.3.2019 – 2 AR 6/19) hält sich für zuständig, diesen Konflikt zu entscheiden, zumal beide Entscheidungen des LG den Parteien bekannt gemacht wurden. Gemäß § 40a EGGVG sind § 72a GVG (und auch die „parallele“ Vorschrift des § 119a GVG!) allerdings nicht auf Verfahren anzuwenden, die vor dem 1.1.2018 anhängig geworden sind. Dabei ist „anhängig“ hier tatsächlich im engen rechtstechnischen Sinne zu verstehen. Alle schon eingegangenen Verfahren sollten von der Neuregelung ausgenommen werden, um ein Umtragen derselben und den damit eintretenden Aufwand zu verhindern. Selbst wenn man aber darüber hinaus die Rechtshängigkeit eines Verfahrens fordern würde, wäre diese vorliegend gegeben: Bei einem vorausgegangenen Mahnverfahren tritt nämlich die Rechtshängigkeit mit dem Eingang der Akten bei dem Streitgericht ein! Dies war hier bereits im Jahre 2017.

Freilich könnte man nunmehr die Auffassung vertreten, dass aufgrund eines erlassenen Verweisungsbeschlusses die Baukammer gemäß § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO an diesen gebunden sei. Dies ist aber deswegen nicht der Fall, weil es vorliegend um die funktionale Zuständigkeit geht und nach ständiger Rechtsprechung § 281 ZPO auf Abgaben oder Verweisungen unter Abteilungen, Kammern oder Senaten desselben Gerichts generell nicht anzuwenden ist. Eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, da aus dem Fehlen einer dem § 102 GVG entsprechenden Vorschrift (Zivilkammer/Kammer für Handelssachen) zu schließen ist, dass eine Bindungswirkung insoweit vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt war. Letztlich hat dieser Rechtsstreit daher an der Zivilkammer zu verbleiben und ist dort seiner Entscheidung zuzuführen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es erneut um die Anforderungen an elektronisch eingereichte Schriftsätze.

Unzulässigkeit einer sog. Container-Signatur
Beschluss vom 15. Mai 2019 – XII ZB 573/18

Mit einer bereits von drei anderen Obersten Gerichtshöfen des Bundes behandelten Frage befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Beklagte war in erster Instanz zur Zahlung rückständiger Miete in Höhe von rund 48.000 Euro verurteilt worden. Am letzten Tag der Frist legte ihr Anwalt über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) Berufung ein. Die Berufungsschrift und eine Kopie des angefochtenen Urteils waren der EGVP-Nachricht als Anhang in Form von zwei PDF-Dateien beigefügt. Die Nachricht war – wie bei EGVP üblich – insgesamt mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Die einzelnen PDF-Dateien waren nicht qualifiziert signiert. Das OLG wies einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass eine Container-Signatur den seit 1.1.2018 geltenden, in § 130a ZPO n.F. normierten Anforderungen an ein elektronisches Dokument nicht genügt. In gleichem Sinne hatten bereits das BSG, das BVerwG und das BAG entschieden. Nach § 4 Abs. 2 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs (ERVV) dürfen mehrere elektronische Dokumente nicht mit einer gemeinsamen qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt werden. Eine Container-Signatur fällt unter dieses Verbot, weil sie sich nicht nur auf eine einzelne PDF-Datei bezieht, sondern auf den Text der EGVP-Nachricht und alle daran angefügten Anhänge. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet, weil der Anwalt der Beklagten die maßgebliche Rechtslage hätte kennen müssen.

Praxistipp: Einer qualifizierten elektronischen Signatur bedarf es seit 1.1.2018 nicht mehr, wenn ein Anwalt ein von ihm verantwortetes Dokument über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einreicht. Zur Sicherheit empfiehlt es sich dennoch, an jedem PDF-Dokument eine Signatur anzubringen. Dies kann auch mit Hilfe der beA-Software erfolgen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Abgrenzung zwischen schriftlichen und elektronischen Dokumenten.

Übersendung eines Schriftsatzes per E-Mail
Beschluss vom 8. Mai 2019 – XI ZB 8/19

Mit dem Grenzbereich zwischen § 130 und § 130a ZPO befasst sich der XII. Zivilsenat.

In einer Familiensache hatte der Anwalt des in erster Instanz unterlegenen Antragsgegners am letzten Tag der Frist gegen 19 Uhr mehrfach erfolglos versucht, die Beschwerdebegründung per Telefax an das OLG zu übermitteln. Schließlich scannte er das unterschriebene Original in eine PDF-Datei ein und sandte diese per E-Mail an das Gericht. Dort wurde sie erst einige Tage später ausgedruckt und zu den Akten genommen. Das OLG verwarf die Beschwerde als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass die Einreichung der PDF-Datei per E-Mail den in § 130a ZPO Abs. 3 normierten (gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG auch in Familiensachen maßgeblichen) Anforderungen an einen elektronischen Schriftsatz nicht genügt, weil die Datei keine qualifizierte elektronische Signatur enthielt und der Versand per E-Mail keinen sicheren Übertragungsweg im Sinne von § 130a Abs. 4 ZPO darstellt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein auf diesem Weg eingereichter Schriftsatz zwar als schriftliches Dokument im Sinne von § 130 ZPO zu behandeln, wenn die PDF-Datei im Gericht ausgedruckt wird. Im Streitfall erfolgte der Ausdruck aber erst nach Ablauf der Begründungsfrist. Der für Telefax-Einreichungen geltende Grundsatz, dass der Schriftsatz bereits dann bei Gericht eingegangen ist, wenn ihn das Empfangsgerät des Gerichts gespeichert hat, ist auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar. Telefax-Sendungen werden vom Gesetz von vornherein wie schriftliche Dokumente behandelt. Eine per E-Mail übersandte PDF-Datei erlangt diese rechtliche Qualität hingegen erst im Moment des Ausdrucks.

Praxistipp: Eine fristgerechte Einreichung kann in solchen (und allen anderen) Situationen mit Hilfe des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs bewirkt werden.

OLG Frankfurt: Spezialzuständigkeit der „Ärztekammer“ beim LG

Gemäß § 72a S. 1 Nr. 3. GVG werden bei den Landgerichten  für Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlungen „Spezialkammern“gebildet. Eine entsprechende Regelung enthält die Geschäftsverteilung des LG D. Dort ging eine Klage gegen einen Tierarzt wegen angeblicher Falschbehandlung eines Hundes ein, die bei einer allgemeinen Zivilkammer eingetragen wurde. Der Vorsitzende vertrat die Auffassung, es handele sich um eine Streitigkeit für die Spezialkammer und verfügte entsprechend. Der Vorsitzende der Spezialkammer sah dies anders und legte die Akte dem Präsidium vor. Das Präsidium sah den Eingang als allgemeine Zivilsache. Der Vorsitzende der allgemeinen Zivilkammer erklärte sich daraufhin für unzuständig und legte die Sache dem OLG zur Bestimmung der Zuständigkeit vor.

Das OLG Frankfurt (Beschl. v. 23.4.2018 – 13 SV 6/18) lehnte die Bestimmung der Zuständigkeit allerdings ab. Zwar ist § 36 Nr. 6 ZPO auf diese Fallgestaltung grundsätzlich anwendbar. Die bloße Anhängigkeit eines Rechtsstreites reicht dafür aber noch nicht aus. Darüber hinaus fehlt es an einer rechtskräftigen Unzuständigkeitserklärung, da bisher die entsprechenden Verfügungen keiner Partei bekannt gemacht wurden.

Interessant sind jedoch die weiteren Ausführungen des OLG, die vorsorglich erfolgten: Danach betrifft § 72a S. 1 Nr. 3 GVG ausweislich der Gesetzesmaterialien lediglich Ansprüche aus Heilbehandlungen von Ärzten, Zahnärzten, Psychologen, Psychotherapeuten und Physiotherapeuten. Dies sind ausschließlich Berufsbilder der Humanmedizin. Veterinärmedizinische Behandlungsverträge werden auch von den §§ 630a ff. BGB nicht erfasst. Entscheidender Unterschied zwischen Veterinär- und Humanmedizin ist, dass in der ersteren das Selbstbestimmungsrecht des Patienten eine entscheidende Rolle spielt. Letztlich sind Human- und Veterinärmedizin damit nicht ohne weiteres vergleichbar. Eine erweiternde Auslegung oder gar analoge Anwendung der erwähnten Zuständigkeitsregel auf die Veterinärmedizin kommt damit nicht in Betracht.

Der Rechtsstreit ist daher als allgemeine Zivilsache zu behandeln und zu entscheiden. Tierärzte sind keine Mediziner im Sinne des § 72 S. 1 Nr. 3. GVG.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Auswirkungen einer Verfahrenstrennung auf die Statthaftigkeit einer Berufung.

Wert des Beschwerdegegenstands nach Verfahrenstrennung
Beschluss vom 4. April 2019 – V ZB 108/18

Mit der Statthaftigkeit einer Berufung nach einer nach Auffassung des Rechtsmittelführers unzulässigen Verfahrenstrennung befasst sich der V. Zivilsenat.

Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft nahm den Beklagten auf Zahlung rückständigen Wohngelds in Höhe von 466,72 Euro in Anspruch. Der Beklagte machte mit zwei nacheinander erhobenen Widerklagen Gegenansprüche geltend. Das AG trennte die Verfahren über die Widerklagen jeweils ab und verurteilte den Beklagten entsprechend dem Klageantrag. Das LG verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem LG darin bei, dass der für eine Berufung erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands von 600 Euro (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht überschritten ist. Anders als das LG lässt er offen, ob das AG die Verfahren über die Widerklagen zu Recht abgetrennt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH kann zwar der Wert des Beschwerdegegenstands aus mehreren Verfahren zu addieren sein, wenn die Vorinstanz diese zu Unrecht getrennt hat. Voraussetzung dafür ist aber, dass alle von der Trennung betroffenen Verfahren in die Rechtsmittelinstanz gelangt sind. Im Streitfall waren die Verfahren über die beiden Widerklagen noch beim AG anhängig. Deshalb ist die Berufung gegen die Entscheidung über die Klageforderung nicht statthaft.

Praxistipp: Ein Berufungskläger, der eine fehlerhafte Verfahrenstrennung rügen will, sollte beantragen, das erste Berufungsverfahren auszusetzen, bis auch die weiteren von der Teilung betroffenen Verfahren in die Berufungsinstanz gelangt sind.

BFH: Auch Abmahnungen im Urheberrecht umsatzsteuerpflichtig

Es kam, wie es kommen musste: Nachdem der Bundesfinanzhof schon viel Kritik für die Ansicht erntete, dass Abmahnungen im Wettbewerbsrecht eine umsatzsteuerbare Leistung des Abmahnenden gegenüber dem Abgemahnten sind, hat er diese Rechtsprechung auch für Abmahnungen im Urheberrecht bestätigt. Kernaussage:

„Die Klägerin hat nach den Grundsätzen der vorliegenden Rechtsprechung mit den Abmahnungen den Rechtsverletzern einen Weg gewiesen, sie als Gläubigerin eines Unterlassungsanspruchs ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen, und ihnen hiermit einen konkreten Vorteil verschafft, der zu einem Verbrauch i.S. des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt.“

Dass diese Ansicht nunmehr auch auf Abmahnungen in Bezug auf andere absolute Rechte, insbesondere im Marken- Patent- und Designrecht übertragbar ist, dürfte nun auch nicht mehr zweifelhaft sein:

„Zwar handelt es sich beim verletzten Urheberrecht um ein absolutes und individuelles Recht, bei dem –aufgrund der konkreten Rechtsverletzung– die Ermittlung des Verletzers, der nicht immer der Anschlussinhaber ist, aufwändiger sein mag. Allerdings unterscheiden sich Abmahnschreiben bei einem Wettbewerbsverstoß und bei einer Urheberrechtsverletzung in ihrem wesentlichen Inhalt nicht. Die Abmahnung dient in beiden Fällen insofern den gleichen Zwecken, als mit der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung die Möglichkeit eröffnet wird, einen Prozess zu vermeiden, und der Kostenerstattungsanspruch auf einer (spezialgesetzlich kodifizierten) Geschäftsführung ohne Auftrag gründet (Landgericht Düsseldorf, Beschluss vom 23. Oktober 2017 2a O 135/17, juris, Rz 5; Friedrich-Vache in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 1 Rz 163.2; Omsels, juris PraxisReport Wettbewerbsrecht 6/2017 Anm. 1; Pörksen, juris PraxisReport IT-Recht 13/2017 Anm. 5; a.A. Streit/Rust, DStR 2018, 1321, 1322; Pull/Streit, Mehrwertsteuerrecht 2018, 108, 114).“

Diese Ansicht zieht einen ganzen Rattenschwanz von Probleme und Fallstricken für Abmahnende nach sich. Außerdem dürfte nun wieder in Verjährungshinsicht ein Blick in alte Akten lohnen. Abmahnende dürften nun nachträglich einen Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteueranteils haben, soweit nicht die 10-jährige Frist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB abgelaufen ist.

 

BFH, Urt. v. 13.02.2019, XI R 1/17

OLG Brandenburg: Einwände im Kostenfestsetzungsverfahren

Gegen den Antragsteller war in einer Familiensache ein rechtskräftig gewordener Versäumnisbeschluss ergangen. Alsdann wurden gegen ihn aufgrund der in dem Beschluss enthaltenen Kostenentscheidung Kosten festgesetzt. Dagegen wendete sich der Antragsgegner mit der Beschwerde, der das AG nicht abhalf. Er machte geltend, die Kostenentscheidung sei falsch, die Entscheidung inhaltlich zu hinterfragen und er könne ohnehin keine Kosten bezahlen.

Das OLG Brandenburg (Beschl. v. 4.1.2019 – 13 WF 1/19) weist ihn unzweideutig darauf hin, dass diese Einwände im Kostenfestsetzungsverfahren alle nicht relevant sind. Im Kostenfestsetzungsverfahren kann die Kostengrundentscheidung nicht mehr in Frage gestellt werden. Auch kann gegen die Entscheidung, die die Kostengrundentscheidung enthält, nicht mehr vorgegangen werden, wenn diese rechtskräftig ist. Und schließlich ist auch die mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit kein Gesichtspunkt, der im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens berücksichtigt werden könnte.

Selbst weitergehende materiell-rechtliche Einwände können im Kostenfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden, mit einer wichtigen Ausnahme: Sie sind unstreitig. Dies wird freilich nur selten der Fall sein, vorliegend ist dafür nichts ersichtlich. Das Kostenfestsetzungsverfahren muss von derartigen Einwänden entlastet werden. Gibt es einmal tatsächlich solche Einwände, so bleibt der betroffenen Partei die Möglichkeit, eine Vollstreckungsgegenklage gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zu erheben.

Die amtlichen Leitsätze der Entscheidung lauten wie folgt: Das Kostenfestsetzungsverfahren hat nur den Zweck, auf der Grundlage eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels die Kostengrundentscheidung der Höhe nach zu beziffern, und hierzu hat der Rechtspfleger lediglich die Entstehung, Notwendigkeit und Zugehörigkeit der geltend gemachten Kosten zum Verfahren zu prüfen. Die Kostengrundentscheidung ist über die gegebenenfalls zulässige und gebotene Auslegung hinaus im Festsetzungsverfahren unkorrigierbar bindend. Entsprechend seiner Zwecksetzung sind im Kostenfestsetzungsverfahren auch materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, es sei denn, sie sind zwischen den Parteien unstreitig.

Manchmal schadet es nicht, auch einmal Basiswissen in Leitsätze zu gießen, um an die Grundsätze zu erinnern, die im Laufe der Jahre durchaus einmal vergessen werden können. Dies getreu der alten Devise: Manche halten das für gängige Praxis, was sie 30 Jahre lang falsch gemacht haben.

 

 

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um eine bislang ungeklärte Frage im Zusammenhang mit Wohnungseigentümergemeinschaften.

Prozesskostenhilfe für Wohnungseigentümergemeinschaften
Beschluss vom 21. März 2019 – V ZB 111/18

Mit einer in Literatur und Rechtsprechung bislang umstrittenen Frage befasst sich der V. Zivilsenat.

Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft beantragte Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz. Das LG wies den Antrag zurück, ließ aber die Rechtsbeschwerde zu.

Das Rechtsmittel der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Der BGH bestätigt die von der Vorinstanz zugrunde gelegte Auffassung, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO nur dann ein Recht auf Prozesskostenhilfe hat, wenn weder sie noch die ihr angehörenden Wohnungseigentümer in der Lage sind, die Kosten aufzubringen. Verfügt die Gemeinschaft nicht über die erforderlichen Mittel, muss sie die Finanzierungslücke durch eine Umlage auf die Eigentümer oder durch eine Kreditaufnahme schließen. Können einzelne Eigentümer den auf sie entfallenden Anteil der Kosten nicht erbringen, muss dies durch eine ergänzende Umlage bei den übrigen Eigentümern ausgeglichen werden. Hierbei ist unerheblich, ob die Kostentragung für die Eigentümer zumutbar ist.

Praxistipp: Um die Voraussetzungen darzulegen, muss sowohl für die Eigentümergemeinschaft als auch für jeden einzelnen Eigentümer eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt werden. Darüber hinaus muss dargelegt werden, weshalb die Aufnahme eines Kredits nicht in Betracht kommt.

BGH: … einmal wieder zur Wiedereinsetzung

Dem Anwalt der Antragstellerin war in einer Familiensache ein Beschluss am 25.7. zugestellt worden, das Empfangsbekenntnis wurde versehentlich auf den 25.6. datiert. Er legte am 27.7. sofortige Beschwerde ein. Das OLG wies zunächst darauf hin, dass die Beschwerde verspätet sei und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. In einem von einem Kanzleiangestellten mit „i. A.“ unterzeichneten Schriftsatz wurde darauf hingewiesen, dass der Beschluss erst am 25.7. zugestellt wurde, was sich auch aus dem Verfahrensablauf ergab. Gleichzeitig wurde beantragt, die Stellungnahmefrist um drei Wochen, mithin bis zum 20.9. zu verlängern. Das OLG bestätigte daraufhin, dass die Beschwerde rechtzeitig eingelegt worden sei und verlängerte die Beschwerdebegründungsfrist antragsgemäß. Die Beschwerdebegründung ging am 13.10. ein. Die Antragstellerin beantragte Wiedereinsetzung und begründete dies wie folgt: Sie habe den Kanzleiangestellten angewiesen (was leider unerledigt geblieben sei), einen weiteren Verlängerungsantrag zu stellen und anschließend auch noch von der Geschäftsstelle des OLG die Auskunft erhalten, die Frist liefe bis zum 16.10.

Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und das Rechtsmittel verworfen. Der BGH (Beschl. v. 19.12.2018 – XII ZB 53/18, MDR 2019, 302) billigt dies. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdebegründungsfrist ohnehin bis zum 25.9. lief. Die vom Gericht ausgesprochene Verlängerung bis zum 20.9. ging damit in jedem Fall ins Leere. Abgesehen davon bezog sich der Verlängerungsbeschluss, da eine antragsgemäße Verlängerung erfolgte, nur auf den von der Antragstellerin gestellten Verlängerungsantrag. Dieser Verlängerungsantrag war jedoch kein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist, sondern lediglich ein Antrag auf Verlängerung der Stellungnahmefrist zu dem Beschluss.

Eine Wiedereinsetzung scheidet vorliegend aus, da die Frist schuldhaft versäumt wurde. Dem Kanzleiangestellten hätte der Anwalt nicht die Fristverlängerung überlassen dürfen, denn dieser konnte eine solche gar nicht wirksam beantragen. Dieser Antrag unterliegt nämlich nach § 114 Abs. 1 FamFG dem Anwaltszwang. Das hätte der Anwalt wissen müssen. Die angeblich falsche Auskunft der Geschäftsstelle vermag den Anwalt schließlich auch nicht zu entlasten. Nachdem der gestellte Antrag selbst bei großzügigster Auslegung sich lediglich auf den 20.9. bezogen hatte, durfte der Anwalt sich keinesfalls auf die Auskunft der Geschäftsstelle verlassen, sondern hätte selbst den Lauf der Frist gewissenhaft prüfen müssen.

Zwei Dinge sind hier einer Erinnerung wert: Zum einen darf nicht vergessen werden, dass auch der Fristverlängerungsantrag regelmäßig dem Anwaltszwang unterliegt. Zum anderen ist für den Umfang einer gerichtlichen Fristverlängerung grundsätzlich der objektive Inhalt der Mitteilung maßgeblich. Da hier aber die Mitteilung des Gerichts sich auf den Antrag bezog, wird dieser sozusagen einbezogen und damit zum Maßstab der ausgesprochenen Fristverlängerung. In diesem Fall wäre mithin mehr anwaltliche Sorgfalt angezeigt gewesen. Im Übrigen kann nicht oft genug vor der Unsitte gewarnt werden, anwaltliche Schriftsätze mit „i. A.“ von Kanzleiangestellten unterzeichnen zu lassen.