Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Formbedürftigkeit von Änderungen eines langfristigen Grundstücksmietvertrags

Änderung eines langfristigen Grundstücksmietvertrags
Beschluss vom 15. September 2021 – XII ZR 60/20

Mit dem Anwendungsbereich von § 550 Satz 1 BGB befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Räumung eines vermieteten Grundstücks. Der zwischen der früheren Eigentümerin des Grundstücks und der Beklagten abgeschlossene Mietvertrag war bis 31.08.2020 befristet und sieht zugunsten der Beklagten die Option vor, die Laufzeit zweimal um je fünf Jahre zu verlängern. Die Klägerin hält die Befristung für unwirksam, weil die frühere Eigentümerin mit der Beklagten bei zwei Gelegenheiten mündlich vereinbart hatte, dass die Miete für einige Monate gemindert werden darf. In der Revisionsinstanz haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der BGH legt die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auf, weil diese den Prozess ohne die Erledigungserklärung verloren hätte.

Das Formerfordernis des § 550 Satz 1 BGB, wonach die Vereinbarung einer Laufzeit von mehr als einem Jahr der Schriftform bedarf, gilt auch für eine Vereinbarung, mit der ein wirksam abgeschlossener Vertrag in wesentlichen Punkten geändert wird. Nach der Rechtsprechung des BGH unterliegen Änderungsvereinbarungen aber nur dann dem Formerfordernis, wenn sie ihrerseits einen Zeitraum von mehr als einem Jahr betreffen. Die im Streitfall getroffenen Abreden über eine Mietminderung erfüllen diese Voraussetzung nicht. Dass sie zusammengenommen einen Zeitraum von rund 15 Monaten betreffen, ist unerheblich. Maßgeblich ist jeweils die Laufzeit der einzelnen Vereinbarung.

Praxistipp: Um Zweifelsfragen zu vermeiden, sollte jede Änderung eines längerfristigen Grundstücksvertrags schriftlich vereinbart werden. Die Änderungsvereinbarung muss eine eindeutige Bezugnahme auf den ursprünglichen Vertrag und eventuelle Nachträge enthalten.

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Diese Woche geht es um einen Mietvertrag mit besonderem Gegenstand.

Vertrag über die Aufstellung eines Geldautomaten als Mietvertrag
Urteil vom 4. November 2020 – XII ZR 104/19

Mit unterschiedlichen Arten von Automatenaufstellverträgen befasst sich der XII. Zivilsenat.

Der Betreiber einer Pizzeria hatte im Juni 2015 eine Teilfläche seines Lokals gegen eine monatliche Miete von 350 Euro zum Betrieb eines Geldautomaten an die Beklagte vermietet. Die Vertragslaufzeit beträgt fünf Jahre mit Verlängerungsmöglichkeit. Im August 2017 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis zum Jahresende. Die Beklagte wies die vorzeitige Kündigung zurück und bestätigte eine fristgerechte Kündigung zum 31.03.2020. Die Klägerin, die die Fläche für die Aufstellung eines eigenen Geldautomaten nutzen will, begehrt aus abgetretenem Recht des Vermieters die Räumung. Das LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Das OLG wies die Klage ab.

Die Revision der Klägerin führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Räumungsurteils – allerdings nur deshalb, weil die fünfjährige Laufzeit des Vertrags mittlerweile beendet ist.

Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass der Vertrag über die Aufstellung des Geldautomaten als Raummietvertrag zu qualifizieren ist. Anders als bei Verträgen über die Aufstellung von Spielautomaten – bei denen die Eingliederung des Automaten in den Betrieb der Gaststätte im Vordergrund steht und die deshalb als Gestattungsvertrag eigener Art anzusehen sind – geht es bei Geldautomaten im Wesentlichen um die Überlassung der benötigten Fläche.

Der BGH tritt dem OLG auch darin bei, dass die Vereinbarung über die Mindestlaufzeit von fünf Jahren formwirksam ist. Beim Abschluss des Vertrags haben die Vertragsparteien die in § 550 Satz 1 BGB vorgeschriebene Form zwar nicht gewahrt, weil sie nur die Vorderseite des beidseitig bedruckten Vertragsformulars unterschrieben haben. Ein wenige Monate später vereinbarter Nachtrag, der inhaltlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt, ist aber ordnungsgemäß unterschrieben. Dies reicht für die Einhaltung der – weniger strengen Anforderungen als nach § 126 BGB – unterliegenden Schriftform nach § 550 Satz 1 BGB aus.

Die Revision bleibt im Ergebnis dennoch erfolglos, weil die vereinbarte Laufzeit mittlerweile beendet ist. Dieser Umstand ist zwar erst während des Revisionsverfahrens eingetreten. Der BGH darf ihn aber berücksichtigen, weil er unstreitig ist und schützenswerte Belange einer Partei nicht entgegenstehen. Das Vorbringen der Beklagten, sie habe während des Revisionsverfahrens mit dem Vermieter einen neuen Vertrag geschlossen und sei deshalb wieder zum Besitz berechtigt, lässt der BGH demgegenüber unberücksichtigt, weil es streitig geblieben ist.

Praxistipp: Will der Beklagte in der gegebenen Konstellation ein allein aufgrund des Zeitablaufs ergehendes Räumungsurteil vermeiden, muss er den neuen Mietvertrag vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz abschließen und den Abschluss des Vertrags spätestens in dieser Verhandlung vortragen.

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Mit den Anforderungen an die Form eines längerfristigen Grundstücksmietvertrags befasst sich der XII. Zivilsenat.

Formwirksamer Mietvertrag in zwei Urkunden mit je einer Unterschrift
Urteil vom 7. März 2018 – XII ZR 129/16

Der XII. Zivilsenat baut seine Rechtsprechung zur zweckorientierten Auslegung des Formerfordernisses in § 550 BGB aus.

Die Parteien stritten über den Fortbestand eines Vertrags über Errichtung und Betrieb einer Photovoltaikanlage. Der Vertrag sah eine Laufzeit von dreißig Jahren und ein einmaliges Nutzungsentgelt von einem Euro vor. Er wurde in zwei Ausfertigungen niedergelegt, von denen jede Vertragspartei nur diejenige unterschrieb, die in ihrem Besitz verblieb. Sieben Monate nach Abschluss kündigte der Vermieter den Vertrag. Kurz darauf veräußerte er das Grundstück an die Beklagte. Diese verweigerte dem Mieter den weiteren Zutritt. Die unter anderem auf Feststellung des Fortbestands des Vertrags gerichtete Klage des Mieters blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er billigt zwar die von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte abweichende Auffassung der Vorinstanz, dass es sich nicht um einen Pacht- sondern um einen Mietvertrag handelt. Anders als das OLG kommt er jedoch zu dem Ergebnis, dass die für die Vereinbarung der Laufzeit erforderliche Form des § 550 BGB eingehalten ist. Wenn ein Vertrag in zwei Ausfertigungen erstellt wird, von denen jede Partei nur eine unterschreibt, genügt dies zwar der gesetzlichen Schriftform nach § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB nur dann, wenn jeder Partei die vom jeweils anderen Teil unterschriebene Ausfertigung zugegangen ist. Die besondere Formvorschrift in § 550 BGB dient aber anderen Zwecken, im Wesentlichen der Dokumentation des Mietverhältnisses für den Fall einer Veräußerung des Grundstücks. Hierfür reicht es nach Auffassung des BGH aus, wenn jede Partei die von ihr unterschriebene Ausfertigung behält.

Praxistipp: Wegen des unterschiedlichen Zwecks von § 126 und § 550 BGB darf Rechtsprechung zur einen Vorschrift nie unbesehen auf die anderen übertragen werden – weder in die eine Richtung noch in die andere.

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Schriftform, Heilungsklausel, Treu und Glauben
Urteil vom 27. September 2017 – XII ZR 114/16

Mit der Kündigung eines langfristigen Mietvertrags über Gewerberäume befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Parteien hatten im Jahr 1998 einen langfristigen Mietvertrag über Ladenräume geschlossen. Ende 2009 hatten sie in einem schriftlichen Nachtrag die Verlängerung der Mietzeit bis Ende Mai 2020 vereinbart. Anfang 2011 bat die Klägerin schriftlich darum, die im Vertrag enthaltene Wertsicherungsklausel zu ihren Gunsten zu ändern. Der Beklagte schickte dieses Schreiben mit dem unterschriebenen Vermerk „einverstanden“ zurück. Mitte 2014 kündigte die Klägerin den Vertrag zum 31.12.2014. Ihr Räumungsbegehren blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Der Vertrag gilt zwar gemäß § 550 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen, weil die im Jahr 2011 getroffene Vereinbarung über die Änderung der Wertsicherungsklausel nicht die erforderliche Bezugnahme auf den Ausgangsvertrag enthält und deshalb dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB nicht genügt. Abweichend vom OLG hält der BGH die Kündigung nicht deshalb für treuwidrig, weil der ursprüngliche Vertrag eine so genannte Schriftformheilungsklausel enthält, die die Pflicht vorsieht, alle Erklärungen abzugeben, die zur Einhaltung der gesetzlichen Schriftform erforderlich ist. Eine solche Klausel ist nach Auffassung des BGH mit dem Schutzzweck des § 550 ZPO nicht vereinbar. Im Streitfall hält der BGH die Kündigung aber dennoch für treuwidrig, weil die Vereinbarung, die zur Formunwirksamkeit geführt hat, allein der Klägerin vorteilhaft ist.

Praxistipp: Um nicht auf die Grundsätze von Treu und Glauben angewiesen zu sein, sollte bei jeder nachträglichen Änderung eines langfristigen Mietvertrags sorgfältig darauf geachtet werden, dass die Anforderungen an die Einhaltung der in § 550 BGB vorgeschriebenen Form gewahrt sind. Dafür ist unerlässlich, dass der Nachtrag eine Bezugnahme auf alle für den Vertragsinhalt relevanten früheren Vereinbarungen enthält.