Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Zuweisungsgehalt eines Wohnungsrechts.

Kein Wertersatz für Nutzung einer Wohnung unter Verletzung eines Wohnungsrechts
BGH, Urteil vom 23. März 2023 – V ZR 113/22

Der V. Zivilsenat befasst sich mit dem Rechtsverhältnis zwischen dem Inhaber eines Wohnungsrechts und dem Grundstückseigentümer.

Die Parteien sind Geschwister. Ihre im Jahr 2003 verstorbene Mutter hatte dem Beklagten im Jahr 1976 ein Grundstück übertragen und sich an der Wohnung im Untergeschoss ein im Grundbuch eingetragenes Wohnungsrecht zugunsten ihrer selbst und der Klägerin vorbehalten. Die Klägerin und ihre Mutter haben dieses Recht nie ausgeübt. Ab den 90er Jahren vermietete der Beklagte die Wohnung an Dritte. Im Jahr 2011 bezog er sie selbst. Im Jahr 2020 wurde er auf Antrag der Klägerin zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Nunmehr verlangt die Klägerin Nutzungsersatz für den Zeitraum von Januar 2017 bis zum Auszug. Die Klage hatte in erster Instanz teilweise Erfolg. Das OLG wies sie in vollem Umfang ab.

Die Revision der Klägerin bleibt erfolglos.

Der Beklagte war und ist zur Nutzung der Wohnung allerdings nicht berechtigt. Aus dem Grundbuch geht zwar nicht hervor, dass das eingetragene Recht zur Nutzung unter Ausschluss des Eigentümers berechtigt, wie dies § 1093 BGB für ein Wohnungsrecht vorsieht. Aus der Bezeichnung als Wohnungsrecht ergibt sich im Zweifel aber auch ohne ausdrückliche Bestimmung, dass nur der Inhaber des Rechts zur Nutzung berechtigt ist. Anhaltspunkte dafür, dass im Streitfall abweichend hiervon nur ein Recht zur Mitnutzung (ein so genanntes Wohnnutzungsrecht als besondere Ausprägung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit) bestellt worden ist, sind nicht ersichtlich.

Dennoch stehen der Klägerin wegen der Nutzung der Wohnung durch den Beklagten keine Bereicherungsansprüche zu. Der Beklagte hat die Wohnung zwar ohne rechtlichen Grund genutzt. Er hat diesen Vorteil aber nicht auf Kosten der Klägerin erlangt. Der der Inhaber eines Wohnungsrechts ist nicht berechtigt, die Wohnung zur Nutzung an Dritte zu überlassen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Eigentümer, der die Wohnung unbefugt vermietet, aus diesem Grund nicht zur Herausgabe der erlangten Miete verpflichtet. Aus demselben Grund scheidet auch ein Anspruch auf Herausgabe erlangter Vorteile durch eigene Nutzung aus.

Ein Herausgabeanspruch kann auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 987 ff. BGB hergeleitet werden. Diese Vorschriften sind auf das Verhältnis zwischen dem Inhaber eines Wohnungsrecht und dem Eigentümer des Grundstücks nicht anwendbar, weil dem Wohnungsberechtigten die Nutzung der Wohnung nicht uneingeschränkt zusteht.

Praxistipp: Die unbefugte Nutzung begründet einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB. Ein ersatzfähiger Schaden kann insbesondere vorliegen, wenn der Wohnungsberechtigte aufgrund des schädigenden Verhaltens Mehraufwendungen tätigen musste, um seinen Wohnbedarf zu decken.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um grundlegende Pflichten eines Rechtsanwalts geht es in dieser Woche.

Kein Anspruch auf Anwaltshonorar bei Vertretung widerstreitender Interessen
Beschluss vom 10. Januar 2019 – IX ZR 89/18

Mit dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und den Auswirkungen eines Verstoßes auf den Vergütungsanspruch befasst sich der IX. Zivilsenat.

Im Zusammenhang mit dem Bau eines Fernbahntunnels hatten die Bauherrn gegen das mit der Bauausführung beauftragte Unternehmen ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet und drei Planungsgemeinschaften, die mit der Entwurfsplanung, der Objektüberwachung und der Überprüfung der Entwurfsplanung betraut waren, den Streit verkündet. Die drei Planungsgemeinschaften beauftragten gemeinsam den Kläger mit ihrer rechtlichen Vertretung in dem Verfahren. Die Beklagte, bei der die mit der Objektüberwachung und die mit der Überprüfung betraute Planungsgemeinschaft gegen Haftpflicht versichert waren, stimmte der Mandatierung zu und beglich zwei Vorschussrechnungen. Weitere Zahlungen lehnte sie ab. Die Klage auf Zahlung restlichen Honorars in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Honoraransprüche unmittelbar gegen die Beklagte bestehen schon deshalb nicht, weil das Mandat nicht von dieser, sondern von den Planungsgemeinschaften erteilt worden war. Dass die Beklagte gegenüber zwei Mandanten aufgrund des Versicherungsvertrags zur Abwehr von unbegründeten Ansprüchen verpflichtet war, begründet für sich gesehen keine vertraglichen Beziehungen zum Kläger. Erstattungsansprüche aus abgetretenem Recht bestehen ebenfalls nicht, weil der Kläger von den Planungsgemeinschaften keine Vergütung verlangen kann. Zwischen den drei Mandanten bestand ein Interessenkonflikt, weil sie gegenüber den Bauherrn unterschiedliche Aufgaben übernommen hatten und jede von ihnen bestrebt sein musste, die Feststellung von Fehlerursachen aus ihrem jeweils eigenen Verantwortungsbereich zu vermeiden. Dass zwei Mandanten denselben Haftpflichtversicherer hatten, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Dem Kläger war es deshalb gemäß § 43a Abs. 4 BRAO verboten, mehr als eine der drei Planungsgemeinschaften zu vertreten. Der Verstoß gegen diese Vorschrift führt gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit des Anwaltvertrags. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil der Interessenwiderstreit für den Kläger auf der Hand lag.

Praxistipp: Von der Vertretung mehrerer potentieller Gesamtschuldner sollte abgesehen werden, wenn sich der Kreis der möglicherweise verletzten Pflichten nicht vollständig deckt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Reichweite der Kondiktionssperre bei Steuerverkürzung
Urteil vom 14. Dezember 2016 – IV ZR 7/15

Mit der Frage, in welchem Umfang den Parteien eines wegen versuchter Steuerverkürzung nichtigen Vertrags Bereicherungsansprüche zustehen können, befasst sich der IV. Zivilsenat.

Der Kläger hatte im März 2008 zum Zweck der Steuerersparnis Beteiligungen an mehreren vom Beklagten gegründeten Kommanditgesellschaften erworben. Weil der Kläger die aus dem Erwerb resultierenden steuerlichen Vorteile bereits für das Jahr 2007 geltend machen wollte, wurde der Vertrag auf dieses Jahr rückdatiert. In einem ergänzenden, ebenfalls rückdatierten Vertrag wurde vereinbart, dass der Beklagte dem Kläger ein Darlehen in Höhe des Kaufpreises gewähre, das bis Ende März 2008 zurückzuzahlen sei. Nachdem die Kommanditgesellschaften einige Zeit später in Insolvenz gefallen waren, verlangte der Kläger vom Beklagten die Rückzahlung der auf den Darlehensvertrag erbrachten Zahlungen. Seine Klage blieb in den beiden ersten Instanzen im Wesentlichen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er teilt die Auffassung des OLG, dass die geschlossenen Verträge nach § 134 BGB nichtig sind, weil die Rückdatierung dem gesetzeswidrigen Zweck diente, einen Beteiligungserwerb bereits im Jahr 2007 vorzutäuschen, und der Kläger die Verträge ohne diese Abrede nicht geschlossen hätte. Entgegen der Auffassung des OLG steht dies einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des Vertrags jedoch nicht vollständig entgegen. Gemäß § 817 Satz 2 BGB ist eine Rückforderung zwar ausgeschlossen, wenn der Leistende gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat. Dieses Rückforderungsverbot bezieht sich aber grundsätzlich nur auf diejenigen Leistungen, die aus den vom Gesetz missbilligten Vorgängen geschuldet sind. Dies wäre im Streitfall nur ein (zusätzliches) Entgelt gerade dafür, dass die Verträge rückdatiert wurden, nicht aber der gesamte als Darlehen ausgewiesene und der Sache nach als Kaufpreis fungierende Betrag. Die weiterreichende Rechtsprechung des VII. Zivilsenats zu Verstößen gegen das Verbot der Schwarzarbeit beruht auf den Besonderheiten des betreffenden Gesetzes und kann nicht ohne weiteres auf andere Gesetzesverstöße übertragen werden.

Praxistipp: Auch wenn § 817 Satz 2 BGB nicht entgegensteht, bleibt ein auf § 134 BGB gestütztes Rückforderungsbegehren ein zweischneidiges Schwert. Zumindest der Steuerschuldner setzt sich mit der Offenlegung des steuerlichen Verstoßes der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aus.

Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens bei Nichtzahlung des Auslagenvorschusses
Beschluss vom 14. Dezember 2016 – VII ZB 29/16

Der VII. Zivilsenat ergänzt die Rechtsprechung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen dem Antragsteller die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen sind.

Das AG hatte antragsgemäß die Einholung eines Gutachtens im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens angeordnet. Die Antragstellerin zahlte den festgesetzten Auslagenvorschuss nicht ein. Das AG stellte nach vorheriger Ankündigung fest, dass das Beweisverfahren beendet sei. Ein vom Gegner gestellter Antrag, die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen, hatte in der Beschwerdeinstanz Erfolg.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin zurück. Er knüpft an seine Rechtsprechung an, wonach im selbständigen Beweisverfahren ausnahmsweise eine Kostenentscheidung zu ergehen hat, wenn der Antragsteller seinen Antrag zurückgenommen oder für erledigt erklärt hat und ein Hauptsacheverfahren nicht anhängig ist. Dieselbe Rechtsfolge hat in entsprechender Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO auch dann einzutreten, wenn der Antragsteller den angeforderten Auslagenvorschuss trotz Erinnerung nicht einzahlt und eine Beweiserhebung deshalb unterbleibt. Ein solches Verhalten kann zwar nicht ohne weiteres als konkludente Antragsrücknahme angesehen werden. Die Interessenlage ist aber vergleichbar. Ob der Antragsteller finanziell in der Lage war, den Vorschuss zu erbringen, ist hierbei grundsätzlich unerheblich.

Praxistipp: Wenn Zweifel bestehen, ob der Antragsteller einen angeforderten Vorschuss aufbringen kann, sollte schon vor Antragstellung geklärt werden, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen.