Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Anspruch des Inhabers einer Grunddienstbarkeit auf Übernahme einer deckungsgleichen Baulast.

Anspruch auf Übernahme einer Baulast
BGH, Urteil vom 30. Juni 2023 – V ZR 165/22

Der V. Zivilsenat bildet seine Rechtsprechung fort.

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, die durch mehrfache Teilungen entstanden sind. Das Grundstück des Beklagten ist seit dem Jahr 1928 mit einer Grunddienstbarkeit in Form eines Geh- und Fahrrechts zugunsten der Grundstücke des Klägers belastet. Die betroffenen Flächen bilden den einzigen Zugang der herrschenden Grundstücke zu einer öffentlichen Straße.

Die Klägerin möchte eines ihrer Grundstücke, das bislang unbebaut war und für das kein Bebauungsplan besteht, mit einem Wohnhaus bebauen. Sie begehrt deshalb vom Beklagten die Abgabe einer Baulasterklärung zugunsten ihrer drei Grundstücke.

Die Klage ist in den beiden ersten Instanzen erfolglos geblieben.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Das OLG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Eigentümer eines herrschenden Grundstücks aufgrund des zusammen mit der Grunddienstbarkeit entstandenen Begleitschuldverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen die Übernahme einer Baulast verlangen kann. Ebenfalls zu Recht hat das OLG angenommen, dass die Voraussetzungen, die der BGH bislang hierfür aufgestellt hat, im Streitfall nicht vollständig erfüllt sind. Der BGH modifiziert seine Rechtsprechung nunmehr dahin, dass es der nach Auffassung des OLG fehlenden Voraussetzung nicht bedarf.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH besteht ein Anspruch auf Übernahme einer Baulast, wenn

  • die Grunddienstbarkeit zu dem Zweck bestellt worden ist, das Grundstück des Berechtigten baulich zu nutzen;
  • die Übernahme der Baulast zwingende Voraussetzung für die Bebauung ist;
  • eine Befreiung vom Baulastzwang nicht in Betracht kommt;
  • bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit noch kein Anlass bestand, die Übernahme einer Baulast zu erwägen;
  • Inhalt und Umfang der geforderten Baulast der Dienstbarkeit entsprechen.

Im Streitfall ist das OLG zutreffend davon ausgegangen, dass die zuletzt genannte Voraussetzung erfüllt ist. Das Wegerecht ist nicht auf eine bestimmte Nutzungsart der herrschenden Grundstücke beschränkt. Deshalb ist grundsätzlich jede zulässige Nutzung des herrschenden Grundstücks zu dulden, sofern keine willkürliche Benutzungsänderung vorliegt.

Die vorletzte Voraussetzung ist ebenfalls erfüllt. Im Jahr 1928 bestand noch kein Anlass, die Übernahme einer Baulast zu erwägen, weil derartige Anforderungen für die Bebauung damals nicht vorgesehen waren.

Dass das Wegerecht nicht zu dem Zweck bestellt worden ist, die Bebauung des herrschenden Grundstücks zu ermöglichen, steht dem geltend gemachten Anspruch entgegen der Auffassung des OLG nicht entgegen. Der BGH hält an diesem Kriterium nicht mehr fest und weist darauf hin, dass es in bisherigen Entscheidungen nie eine entscheidende Rolle gespielt hat. Nach der jetzigen Auffassung des BGH dürfen die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten bei der Auslegung von Grundbucheintragungen nicht herangezogen werden, weil die Auslegung nach objektiven Kriterien zu erfolgen hat.

Nach Zurückverweisung wird das OLG zu prüfen haben, ob die Baulast für die vorgesehene Bebauung zwingend erforderlich ist.

Praxistipp: Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auch dann in Betracht kommt, wenn schon bei Begründung der Dienstbarkeit Anlass bestand, eine Baulast in Erwägung zu ziehen, hat der BGH bislang nicht abschließend entschieden.

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Diese Woche geht es um die rechtliche Zuordnung eines Gebäudes zu einem Grundstück.

Tiefgarage als rechtmäßiger Überbau
BGH, Beschluss vom 15. Juni 2023 – V ZB 12/22

Der V. Zivilsenat befasst sich mit materiellen und formellen Voraussetzungen für die Begründung von Teileigentum.

Die Beteiligte möchte ein ihr gehörendes, mit einer Tiefgarage bebautes Grundstück in Teileigentum aufteilen. Der weitaus größte Teil des Gebäudekörpers erstreckt sich auf drei Nachbargrundstücke. Diese Grundstücke sind mit Grunddienstbarkeiten belastet, die den Überbau gestatten. Zu Lasten des Grundstücks der Beteiligten sind Grunddienstbarkeiten eingetragen, die dem jeweiligen Eigentümer der Nachbargrundstücke das Recht zum Aufbau eines Wohngebäudes auf der Decke der Tiefgarage einräumen.

Das Grundbuchamt hat die Teilung abgelehnt, unter anderem mit der Begründung, die Bildung von Teileigentum an mehreren Grundstücken sei nicht möglich. Die Beschwerde der Beteiligten ist erfolglos geblieben.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass die beantragte Begründung von Teileigentum nur dann zulässig ist, wenn die Tiefgarage einen wesentlichen Bestandteil des Grundstücks der Beteiligten bildet. Bei einem nach § 912 Abs. 1 BGB zu duldenden oder einem vom Nachbarn gestatteten Überbau sind diese Voraussetzungen grundsätzlich auch hinsichtlich der überbauten Gebäudeteile erfüllt.

Dies gilt jedoch nur, wenn es sich bei dem Bauwerk um ein einheitliches Gebäude handelt. Hierfür ist bei einem Überbau grundsätzlich die Verkehrsanschauung maßgeblich. Die bautechnische Beschaffenheit kann die Verkehrsanschauung beeinflussen. Sie stellt aber nicht das allein entscheidende Kriterium dar.

Eine Tiefgarage mit rechtmäßig überbauten Gebäudeteilen ist danach grundsätzlich als einheitliches Gebäude anzusehen, wenn sie als Ganzes über eine Zufahrt von dem Stammgrundstück aus erreichbar ist. Sofern diese Voraussetzung vorliegt, ist es unschädlich, ob Gebäude auf den Nachbargrundstücken baustatisch von der Tiefgarage abhängen, ob solche Gebäude mit der Tiefgarage durch Treppenhäuser, Aufzugsschächte, Fluchtwege oder Versorgungseinrichtungen verbunden sind und ob auf den anderen Grundstücken weitere Zufahrten zur Tiefgarage angelegt sind.

Für den nach § 29 Abs. 1 GBO erforderlichen Nachweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden reicht es demnach aus, wenn die Rechtmäßigkeit des Überbaus durch Grunddienstbarkeiten belegt wird und wenn aus einer formgerechten Teilungserklärung nebst Aufteilungsplan hervorgeht, dass die Tiefgarage in ihrer Gänze über eine auf dem Stammgrundstück gelegene, zum Baukörper gehörende Zufahrt erreichbar ist.

Praxistipp: Als auf dem Stammgrundstück befindlicher Gebäudeteil reicht in der Regel eine befestigte Rampe aus, die in die Tiefgarage hinunterführt.

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Diese Woche geht es um die Folgen eines lange zurück liegenden Verstoßes gegen ein im Grundbuch eingetragenes Bauverbot.

Erlöschen einer Grunddienstbarkeit durch Verjährung des Beseitigungsanspruchs
BGH, Urteil vom 20. Januar 2023 – V ZR 65/22

Der V. Zivilsenat befasst sich mit der Reichweite des § 1028 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der Beklagten ist im Grundbuch des Grundstücks der Klägerin seit über hundert Jahren ein Bauverbot als Grunddienstbarkeit eingetragen. Auf dem Grundstück der Klägerin wurde 1963 ein als Autohaus errichteter Gebäudekomplex mit Erd- und Obergeschoss errichtet. Die Klägerin ließ das Gebäude im Jahr 2019 abreißen. Sie möchte auf dem Grundstück ein Wohnhaus mit Keller, Erdgeschoss und fünf Obergeschossen errichten.

Das LG hat die Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, die Löschung der Grunddienstbarkeit zu bewilligen, soweit diese einer Bebauung mit der Grundfläche und Höhe des inzwischen abgerissenen Gebäudes entgegensteht. Das OLG hat die Beklagten verurteilt, die vollständige Löschung der Grunddienstbarkeit zu bewilligen.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Entgegen der Auffassung des OLG ist die Grunddienstbarkeit nicht vollständig erloschen.

Der Anspruch auf Beseitigung des im Jahr 1963 errichteten Gebäudes unterlag allerdings gemäß § 1028 Abs. 1 Satz 1 BGB der Verjährung. Die Verjährungsfrist von dreißig Jahren ist vor dem Abriss des Gebäudes abgelaufen. Dies hatte gemäß § 1028 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Folge, dass die Grunddienstbarkeit erloschen ist, soweit der Bestand der Anlage mit ihr in Widerspruch stand. Hieran hat sich durch den Abriss des Gebäudes nichts geändert.

Die Grunddienstbarkeit ist aber nur in dem Umfang erloschen, in dem sie beeinträchtigt war. Im Streitfall können die Beklagten mithin eine Bebauung mit der Grundfläche und Höhe des im Jahr 1963 errichteten Gebäudes nicht mehr verbieten. Eine weitergehende Bebauung ist der Klägerin aber weiterhin verwehrt.

Praxistipp: Wenn das herrschende Grundstück in Wohnungseigentum aufgeteilt ist, steht das Eigentum daran und damit auch eine Grunddienstbarkeit nicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu, sondern den einzelnen Wohnungseigentümern als Mitberechtigten. Die Löschungsklage ist mithin gegen die einzelnen Eigentümer zu richten.

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Diese Woche geht es um die Voraussetzungen für die wirksame Eintragung eines Rechts zum Verweilen auf einem Grundstück

Grunddienstbarkeit für Verweilrecht
Urteil vom 14. Januar 2022 – V ZR 245/20

Mit den Anforderungen aus § 873 Abs. 1 und den Grenzen des § 874 Satz 1 BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Kläger sind Eigentümer eines mit einem Reihenhaus bebauten Grundstücks, das zu einer im Rechteck angeordneten Wohnsiedlung gehört. Der Beklagten gehört das in der Mitte der Anlage gelegene Grundstück, das mit einem Blockheizkraftwerk bebaut ist und im Übrigen als Grünfläche genutzt wird. Zugunsten der jeweiligen Eigentümer der umliegenden Grundstücke ist im Grundbuch ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht eingetragen. In der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung ist vorgesehen, dass die Berechtigten das belastete Grundstück zum Verweilen, zum Gehen und Befahren mit Zweirädern und Handkarren und zum Verlegen, Haben und Unterhalten von Ver- und Entsorgungsleitungen mitbenutzen dürfen. Die Beklagte beabsichtigt, das belastete Grundstück mit vier Reihenhäusern zu bebauen. Dagegen wenden sich die Kläger im Wege der Unterlassungsklage.

Die Klage war in den beiden ersten Instanzen erfolgreich.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Das Recht zum Verweilen, d.h. zum Aufenthalt und zum beliebigen Hin- und Hergehen auf dem dienenden Grundstück kann gemäß § 1018 BGB zulässiger Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein. Der Inhalt eines solchen Rechts bleibt hinter dem Inhalt eines Nießbrauchs zurück, weil es keine umfassende Nutzung erlaubt.

Damit das Recht wirksam entsteht, muss die Berechtigung zum Verweilen gemäß § 873 Abs. 1 BGB aus der Eintragung im Grundbuch hervorgehen. Eine Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung gemäß § 874 Satz 1 BGB reicht nur aus, soweit es um nähere Einzelheiten geht. Der wesentliche Inhalt des Benutzungsrechts muss hingegen zumindest schlagwortartig aus dem Grundbuch selbst hervorgehen.

Im Streitfall reichen die im Grundbuch eingetragenen Schlagwörter (Geh-, Fahr- und Leitungsrecht) zur Charakterisierung als Verweilrecht nicht aus. Ein Geh- und Fahrrecht begründet lediglich die Berechtigung, das Grundstück zu überqueren, nicht aber, darauf zu verweilen oder beliebig hin- und herzugehen. Ein Verweilrecht ist deshalb nicht wirksam entstanden.

Das OLG muss nach der Zurückverweisung prüfen, ob die geplante Bebauung die Grunddienstbarkeit in ihrem wirksam gewordenen Umfang beeinträchtigt.

Praxistipp: Wenn sich die Eintragung als unzureichend erweist, ist derjenige, der sich vertraglich zur Einräumung der Grunddienstbarkeit verpflichtet hat, grundsätzlich zur Mitwirkung an einer ordnungsgemäßen Eintragung verpflichtet. Ein späterer Erwerber des belasteten Grundstücks ist an eine solche Vereinbarung grundsätzlich nicht gebunden.