Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Befugnis des Insolvenzverwalters zur Verwertung eines Wohnungsrechts.

Pfändbarkeit eines Wohnungsrechts am eigenen Grundstück
BGH, Beschluss vom 2. März 2023 – V ZB 64/21

Der V. Zivilsenat stellt klar, dass ein zugunsten des Insolvenzschuldners eingetragenes Wohnungsrecht am eigenen Grundstück stets in die Insolvenzmasse fällt.

Der spätere Insolvenzschuldner übertrug im Jahr 2006 ein ihm gehörendes Grundstück an eine GbR, die er zusammen mit einer weiteren Gesellschafterin gegründet hatte. Vor der Übertragung bewilligte er zu seinen Gunsten ein Wohnungsrecht. Dieses wurde zusammen mit der Eigentumsumschreibung im Grundbuch eingetragen.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2009 nahm der Insolvenzverwalter die GbR im Wege der Insolvenzanfechtung erfolgreich auf Rückgewähr des Grundstücks in Anspruch. Auf seinen Antrag wurde der Insolvenzschuldner wieder als Eigentümer eingetragen und das Wohnungsrecht gelöscht. Die gegen die Löschung des Wohnungsrechts gerichtete Beschwerde des Insolvenzschuldners blieb ohne Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde des Insolvenzschuldners hat ebenfalls keinen Erfolg.

Der BGH bestätigt alte Rechtsprechung, dass die Bestellung eines Wohnungsrechts zugunsten des Eigentümers des betroffenen Grundstücks zulässig ist, obwohl dies nicht dem gesetzlichen Leitbild entspricht, und dass die Wirksamkeit der Bestellung nicht davon abhängt, ob im Einzelfall ein berechtigtes Interesse an einer solchen Gestaltung besteht.

Die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild hat allerdings zur Folge, dass der Eigentümer die Pfändbarkeit des Wohnungsrechts nicht ausschließen kann. Ein Wohnungsrecht ist wie jede persönliche Dienstbarkeit gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht übertragbar. Gemäß § 857 Abs. 3 ZPO sind solche Rechte nur insoweit pfändbar, als ihre Ausübung einem anderen überlassen werden kann. Letzteres ist bei Dienstbarkeiten gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB nur zulässig, wenn der Eigentümer dies gestattet. Dieses Gestattungserfordernis dient dem Schutz des Eigentümers bei einer Dienstbarkeit zugunsten eines anderen. Wenn der Eigentümer selbst der Berechtigte der Dienstbarkeit ist, muss er sich stets so behandeln lassen, als habe er die Gestattung erteilt – selbst dann, wenn er die Überlassung der Ausübung an Dritte in der Bestellungsurkunde ausdrücklich ausgeschlossen hat.

Folge der Pfändbarkeit ist, dass das Wohnungsrecht gemäß § 35 Abs. 1 InsO zu Insolvenzmasse gehört und vom Insolvenzverwalter verwertet werden darf. Die Verwertung darf zwar nicht durch Veräußerung des Rechts erfolgen, wohl aber durch dessen Löschung, etwa zu dem Zweck, das von der Belastung frei gewordene Grundstück zu veräußern.

Die Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters besteht unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Vereinigung von Eigentum und Wohnungsrecht in einer Person eingetreten ist. Deshalb steht der Verwertungsbefugnis im Streitfall nicht entgegen, dass bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch keine Personenidentität bestanden hat.

Praxistipp: Ein Insolvenzverwalter, der die Übertragung eines Grundstücks erfolgreich im Wege der Insolvenzanfechtung angreift, kann vom Gegner die Rückübertragung des Grundstücks an den Schuldner verlangen und das Grundstück sodann als Teil der Insolvenzmasse verwerten (BGH, Urteil vom 9. Juni 2016 – IX ZR 153/15, MDR 2016, 1230 Rn. 24; Urteil vom 22. März 1982 – VIII ZR 42/81, WM 1982, 674, juris Rn. 8).

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Folgen der Erstattung einer Lastschrift.

Erfüllungsanspruch nach Erstattung einer SEPA-Basislastschrift
Urteil vom 12. Mai 2022 – IX ZR 71/21

Dass die Erstattung einer Lastschrift gravierende Folgen für den Zahlenden haben kann, zeigt eine Entscheidung des IX. Zivilsenats.

Die Beklagte bezog von einer Lieferantin aufgrund eines Rahmenvertrags Waren. Die Bezahlung erfolgte per SEPA-Lastschrift. Nachdem die Lieferantin Insolvenzantrag gestellt hatte, verlangte die Beklagte von Ihrer Bank die Erstattung der in den acht Wochen zuvor erfolgten Lastschrifteinzüge. Ihr wurden daraufhin rund 135.000 Euro wieder gutgeschrieben. Derselbe Betrag wurde dem Konto der Lieferantin bei einer Sparkasse belastet, das schon zuvor einen debitorischen Saldo aufgewiesen hatte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete die Sparkasse Forderungen in Höhe von rund 400.000 Euro zur Tabelle an. Aus der Verwertung von Sicherheiten erhielt sie rund 65.000 Euro. Sie nahm daraufhin die Beklagte wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auf Zahlung der erstatteten Beträge in Anspruch. Die Beklagte zahlte aufgrund eines Vergleichs rund 100.000 Euro. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Insolvenzverwalter Zahlung des Kaufpreises für die betroffenen Lieferungen. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das OLG wies sie hingegen ab.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Die geltend gemachten Kaufpreisansprüche sind zwar durch den erfolgreichen Lastschrifteinzug und die daraufhin erfolgte Gutschrift auf dem Konto der Lieferantin erloschen. Aus der konkludenten Erfüllungsvereinbarung, die die Beteiligten bei Nutzung des SEPA-Basislastschriftverfahrens schließen, ergibt sich aber, dass der Anspruch wieder auflebt, wenn der Zahlende von dem in § 675x Abs. 2 und 4 BGB vorgesehenen Recht Gebrauch macht, innerhalb von acht Wochen nach Belastung die Erstattung des abgebuchten Betrags zu verlangen.

Entgegen der Auffassung des OLG hängt das Recht zur Geltendmachung des Anspruchs nicht davon ab, ob der Lieferantin durch die Erstattung ein Schaden entstanden ist. Im Insolvenzverfahren ist zwischen dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen und den Insolvenzforderungen der einzelnen Gläubiger zu trennen. Die Beklagte kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass sich die Erstattung wirtschaftlich im Wesentlichen zu Lasten der Sparkasse ausgewirkt hat, die den in Rede stehenden Betrag nur noch als Insolvenzforderung gegen die Lieferantin geltend machen kann. Ungeachtet dieser Wirkungen bleibt die Beklagte als Kaufpreisschuldnerin verpflichtet, den Kaufpreis zu erbringen und damit die zur Verteilung stehende Insolvenzmasse zu vergrößern.

Nach diesen Grundsätzen ist der Anspruch auch nicht insoweit entfallen, als die Beklagte der Sparkasse den erstatteten Betrag zurückbezahlt hat. Diese Zahlung betrifft lediglich das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und der Sparkasse. Als Ausgleich kann die Beklagte von der Sparkasse gemäß § 255 BGB die Abtretung der Insolvenzforderung verlangen. Ihre Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises an den Insolvenzverwalter bleibt hiervon unberührt.

Praxistipp: Der ursprüngliche Erfüllungsanspruch lebt auch dann wieder auf, wenn der Zahlende den gezahlten Betrag aufgrund der Käuferschutzregeln beim Amazon oder PayPal zurückerhält. Dogmatisch wird dieses Ergebnis auf eine bereits bei Vertragsschluss (und nicht erst bei der Zahlung) getroffene konkludente Vereinbarung gestützt. Trotz dieses Unterschieds kann eine Erstattung zu vergleichbaren Konsequenzen führen, wenn der Käufer das Geld ohne zureichenden Grund zurückverlangt hat.