Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Reichweite der Kostenregelung in einem Prozessvergleich

Prozessvergleich im Hauptsacheverfahren nach Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren
Beschluss vom 27. Oktober 2021 – VII ZB 7/21

Mit dem Verhältnis zwischen § 494a Abs. 2 und § 98 Satz 2 ZPO befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Antragsteller hatte in einem selbständigen Beweisverfahren die Begutachtung eines Bauwerks im Hinblick auf geltend gemachte Planungsfehler des Antragsgegners beantragt. Nach Einholung des Gutachtens forderte das LG den Antragsteller auf, innerhalb von sechs Wochen Klage zu erheben. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist legte es dem Antragsteller gemäß § 494a Abs. 2 ZPO die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auf. Kurz darauf beantragte der Antragsgegner Kostenfestsetzung. Rund einen Monat später erhob der Antragsteller Klage auf Zahlung von Schadensersatz wegen der im Beweisverfahren geltend gemachten Mängel. Dieser Rechtsstreit endete durch einen gerichtlichen Vergleich, der unter anderem vorsieht, dass der Antragssteller die Kosten des Rechtsstreits zu 9/10 trägt. Nach Abschluss des Vergleichs setzte das LG die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens antragsgemäß gegen den Antragsteller fest. Dieser focht die Entscheidung nicht an. Etwas mehr als sechs Monate später hob das LG den Kostenfestsetzungsbeschluss von Amts wegen auf, weil der Beschluss die im Hauptsacheverfahren getroffene Kostenregelung nicht berücksichtige. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Aufhebungsbeschluss blieb erfolglos.

Der BGH stellt den aufgehobenen Kostenfestsetzungsbeschluss wieder her.

Der BGH lässt offen, ob ein Beschluss über die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens gegenstandslos wird oder von Amts wegen aufzuheben ist, wenn in einem nachfolgende Hauptsacheverfahren eine von der Kostengrundentscheidung im Beweisverfahren abweichende Kostenregelung ergeht. Dem im Streitfall geschlossenen Prozessvergleich ist eine solche Regelung abweichend von der Auffassung der Vorinstanzen jedenfalls nicht zu entnehmen.

Aus der Regelung in § 98 Satz 2 Halbsatz ZPO ergibt sich, dass eine rechtskräftige Kostenentscheidung durch einen Vergleich nur dann abgeändert wird, wenn die Parteien dies ausdrücklich vorsehen. Im Streitfall bezieht sich der Wortlaut des Vergleichs nur auf die Kosten des Rechtsstreits. Ob hierzu die Kosten eines vorangegangenen selbständigen Beweisverfahrens gehören, obwohl in diesem Verfahren bereits eine rechtskräftige Kostengrundentscheidung ergangen ist, war in Literatur und Rechtsprechung nicht geklärt. Deshalb kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die Parteien diese Kosten mit der verwendeten Formulierung in die getroffene Regelung einbeziehen wollten. Besondere Anhaltspunkte, die eine andere Auslegung stützen könnten, sind nicht ersichtlich.

Praxistipp: Um Unsicherheiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens im Vergleich ausdrücklich anzusprechen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um eine allgemeine Frage, die bislang nicht höchstrichterlich entschieden war, geht es in dieser Woche.

Bindung des Rechtsnachfolgers an einen nach Rechtsübergang geschlossenen Vergleich
Urteil vom 14. September 2018 – V ZR 267/17

Mit den Wirkungen eines vom früheren Rechtsinhaber geschlossenen Prozessvergleichs befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Beklagte hatte in einem Vorprozess seinen Nachbarn wegen der Blendwirkung einer Photovoltaikanlage in Anspruch genommen. Der Rechtsstreit endete mit einem Vergleich, in dem sich der Nachbar verpflichtete, bestimmte Teile der Anlage zu entfernen. Nachdem der Beklagte die Vollstreckung eingeleitet hatte, erhob die Ehefrau des Nachbarn Vollstreckungsgegenklage. Sie legte (erstmals) offen, dass ihr Ehemann das Eigentum an dem betroffenen Grundstück schon während des Vorprozesses im Wege der Schenkung auf sie übertragen hatte, und machte geltend, sie sei an den von ihrem Ehemann nach der Übereignung geschlossenen Vergleich nicht gebunden. Die Vollstreckungsgegenklage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH bestätigt die Entscheidung der Vorinstanzen. Er verweist auf frühere Rechtsprechung, wonach eine Rechtsnachfolge nach Rechtshängigkeit in entsprechender Anwendung von § 265 ZPO auch dann keinen Einfluss auf den Rechtsstreit hat, wenn ein Grundstückseigentümer, der nach § 906 und § 1004 BGB wegen Einwirkungen auf ein Nachbargrundstück in Anspruch genommen wird, das Eigentum nach Rechtshängigkeit auf einen Dritten überträgt. Aus § 265 ZPO ergibt sich nach Auffassung des Senats, dass der Rechtsnachfolger auch an einen vom früheren Rechtsinhaber geschlossenen Vergleich gebunden ist, soweit dieser eine Rechtsfolge vorsieht, die auch das Ergebnis eines Urteils in dem anhängigen Rechtsstreit sein könnte. Eine in der Literatur (auch vom Montagsblogger) vertretene Gegenauffassung, wonach § 265 ZPO keine materiell-rechtlichen Wirkungen entfalten kann, lehnt er ab, weil ein Prozessvergleich eine Einheit bilde und das Gesetz dem Veräußerer eine umfassende gesetzliche Prozessstandschaft einräume. Den in § 325 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Vorbehalt zugunsten eines gutgläubigen Erwerbers hält der Senat nicht für einschlägig, weil dieser nur einen (doppelt gutgläubigen) Erwerb von einem Nichtberechtigten betreffe.

Praxistipp: Um unliebsame Überraschungen zu vermeiden, sollte sich der Erwerber eines Grundstücks vergewissern, dass keine das Anwesen betreffenden Rechtsstreitigkeiten anhängig sind. Im Falle einer unrichtigen Auskunft ist er allerdings auch dann nicht vor einem Rechtsverlust geschützt; immerhin stehen ihm aber Ersatzansprüche gegen den Veräußerer zu.

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Um den Widerruf eines Prozessvergleichs geht es in dieser Woche.

Nachträgliche Vereinbarung eines Rechts zum Widerruf eines Prozessvergleichs
Urteil vom 19. April 2018 – IX ZR 222/17

Der IX. Zivilsenat befasst sich mit den Voraussetzungen für den wirksamen Widerruf eines Prozessvergleichs.

Der klagende Insolvenzverwalter nahm die Beklagte im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückzahlung erhaltenen Werklohns in Anspruch. Vor dem LG schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich die Beklagte zur Zahlung der Hälfte des Klagebetrags verpflichtete. Der Kläger erhielt das Recht, den Vergleich innerhalb von zwei Wochen durch Schriftsatz an das Gericht zu widerrufen. Nach dem Verhandlungstermin vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte den Vergleich innerhalb eines Monats widerrufen könne. Die Beklagte erklärte innerhalb dieser Frist den Widerruf. Das LG setzte den Rechtsstreit fort und verurteilte die Beklagte zur Zahlung der vollen Klagesumme. Das OLG stellte hingegen fest, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist.

Die Revision des Klägers bleibt erfolglos. Mit dem OLG hält der BGH die nachträgliche Vereinbarung eines Widerrufsrechts zugunsten der Beklagten für nicht wirksam. Die Parteien können einen Prozessvergleich zwar auch nach dessen Wirksamwerden ändern. Auf die prozessbeendigende Wirkung des Vergleichs hat eine solche Vereinbarung aber keinen Einfluss. Eine bei Abschluss vereinbarte Widerrufsfrist kann allerdings vor deren Ablauf einvernehmlich und ohne Mitwirkung des Gerichts verlängert werden. Durch nachträgliche Vereinbarung zusätzlicher Wirksamkeitserfordernisse kann die prozessbeendigende Wirkung hingegen nur dann abgewendet werden, wenn der Vergleich noch nicht wirksam geworden ist und wenn die Änderungsvereinbarung den formellen Voraussetzungen für einen Prozessvergleich genügt. Im Streitfall konnten die Parteien ohne Mitwirkung des Gerichts deshalb nur die zugunsten des Klägers vereinbarte Widerrufsfrist verlängern, nicht aber ein zusätzliches Widerrufsrecht für die Beklagte begründen.

Praxistipp: Um die aufgezeigten Probleme zu vermeiden, sollte von der Vereinbarung eines nur einseitigen Widerrufsrechts abgesehen werden, wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die betroffene Partei es sich anders überlegen könnte.

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Reichweite einer Kostenvereinbarung in einem Prozessvergleich
Beschluss vom 14. Februar 2017  – VI ZB 24/16

Dass eine Vereinbarung über „die Kosten des Rechtsstreits“ unter Umständen nicht für alle erstattungsfähigen Kosten gilt, zeigt eine Entscheidung des VI. Zivilsenats.

Die Klägerinnen hatten die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch genommen Das LG hatte den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Dagegen hatten sich die Beklagten erfolglos mit Berufung und Revision zur Wehr gesetzt. Im Betragsverfahren schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, in dem die Klägerinnen ein Viertel und die Beklagten drei Viertel der „Kosten des Rechtsstreits“ übernahmen. Das LG setzte die Kosten der Berufungs- und der Revisionsinstanz dennoch in voller Höhe gegen die Beklagten fest. Die dagegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde der Beklagten zurück. Er tritt den Vorinstanzen darin bei, dass die Kostenvereinbarung der Parteien die im Berufungs- und Revisionsrechtzug entstandenen Kosten nicht erfasst, weil diese Kosten schon vor Abschluss des Vergleichs gemäß § 97 Abs. 1 ZPO in vollem Umfang den Beklagten auferlegt worden und diese Entscheidungen rechtskräftig waren. Er stützt dies auf den Rechtsgedanken des § 97 Abs. 1 ZPO, auf den Umstand, dass die Auslegungsregel in § 98 Satz 2 ZPO, wonach im Falle eines Vergleichs im Zweifel von einer Kostenaufhebung auszugehen ist, nicht für Kosten gilt, über die bereits rechtskräftig entschieden wurde, und auf den Grundsatz, wonach der Wille, auf einen bereits entstandenen Anspruch zu verzichten, unmissverständlich zum Ausdruck kommen muss.

Praxistipp: Um Zweifel über eine Einbeziehung der Kosten aus abgeschlossenen Rechtsmittelverfahren auszuschließen, müssen diese  in der Kostenvereinbarung ausdrücklich erwähnt werden.

Reichweite einer Kostengrundentscheidung
Beschluss vom 7. Februar 2017  – VI ZB 43/16

In einem kurze Zeit zuvor ergangenen Beschluss befasst sich der VI. Zivilsenat mit der Frage, in welchem Umfang eine Anwaltsgebühr, die durch eine auf Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung entstanden ist, im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigungsfähig ist.

Das LG hatte gegen den Antragsgegner im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung erlassen und ihm 91% der Kosten des Verfügungsverfahrens auferlegt. Nach Zustellung des Beschlusses führten die Verfahrensbevollmächtigten der Parteien zwei Telefongespräche, in deren Gefolge der Antragsgegner eine Abschlusserklärung abgab. Im Kostenfestsetzungsverfahren machte die Antragstellerin unter anderem eine Terminsgebühr für die telefonischen Besprechungen geltend. Das LG setzte die Kosten antragsgemäß fest. Das OLG reduzierte die festgesetzten Kosten um die anteilige Terminsgebühr.

Der BGH weist Rechtsbeschwerde zurück. Mit dem OLG sieht er die Terminsgebühr als nicht von der Kostengrundentscheidung gedeckt an. Dabei lässt er offen, ob die Telefongespräche nur auf die Vermeidung eines Hauptsacheverfahren oder – zumindest auch – auf eine Erledigung des Verfügungsverfahrens gerichtet waren. Der Einbeziehung steht jedenfalls entgegen, dass eine Kostengrundentscheidung nur solche Kosten erfasst, die zum Zeitpunkt ihres Erlasses bereits entstanden sind. Daran fehlt es im Streitfall, weil die Telefongespräche erst nach Erlass der einstweiligen Verfügung geführt wurden und danach keine weitere Kostengrundentscheidung ergangen ist.

Praxistipp: Wenn der Antragsgegner wegen der beanstandeten Handlung zum Schadensersatz verpflichtet ist, können die Kosten zum erstattungsfähigen Schaden gehören.