Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um das arglistige Verschweigen eines Gebäudemangels.

Undichtes Terrassendach als Sachmangel
BGH, Urteil vom 27. Oktober 2023 – V ZR 43/23

Der V. Zivilsenat befasst sich mit § 434 und § 444 BGB. 

Die Kläger erwarben im Jahr 2016 von den Beklagten ein Einfamilienhaus. Im Jahr 2017 beanstandeten die Kläger Wassereintritte im Bereich des Terrassendachs. Ein in einem selbständigen Beweisverfahren beauftragter Sachverständiger kam zu dem Ergebnis, die Abdichtung des Terrassendachs zur Hauswand hin sei mangelhaft ausgeführt und die Dichtungsfolie des angrenzenden Hausdachs weise im Anschluss zum Traufbereich Risse auf. 

Die Kläger begehren Zahlung der vom Sachverständigen mit rund 32.000 Euro bezifferten Kosten für die Beseitigung der Schäden am Terrassendach und am Hausdach. Das LG sprach ihnen nur rund 10.000 Euro für die Reparatur des Terrassendachs zu und wies die Klage wegen der Kosten für die Reparatur des Hausdachs ab. Die Berufung der Kläger blieb im Wesentlichen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache auf die Revision der Kläger an das OLG zurück.

Wie das OLG zutreffend angenommen hat, stehen den Klägern aufgrund eines im Kaufvertrag vereinbarten Gewährleistungsverzichts gemäß § 444 BGB Ansprüche nur wegen solcher Sachmängel zu, die die Beklagten vor dem Abschluss des Kaufvertrags arglistig verschwiegen haben. 

Entgegen der Auffassung des OLG ist im Streitfall unerheblich, ob den Beklagten bei Abschluss des Kaufvertrags bekannt war, dass die Dichtungsfolie des Hausdachs Risse aufweist. 

Ein Sachmangel besteht im Streitfall schon darin, dass es im Bereich des Terrassendachs wiederholt zu Wassereintritten kommt. Angesichts dessen haben die Beklagten schon deshalb arglistig gehandelt, weil es bereits zuvor zu Wassereintritten gekommen war (deren Ursache sie vergeblich zu ermitteln versucht hatten) und sie diese gegenüber den Klägern nicht offengelegt haben. Zu einer Offenlegung waren die Beklagten jedenfalls deshalb verpflichtet, wie die Terrassenüberdachung während der Kaufverhandlungen thematisiert worden war.

Nach der Zurückverweisung wird das OLG noch Feststellungen zur Schadenshöhe zu treffen haben.

Praxistipp: Ob das Auftreten von Wasser in einem Gebäude einen Mangel oder nur ein auf einen möglichen Mangel hindeutendes Symptom darstellt, hängt vom Einzelfall ab.

Montagsblog: Neues vom BGH

Im 250. Montagsblog geht es um die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Kenntnis eines Kaufmangels zum Ausschluss der Gewährleistungsrechte führt.

Kenntnis eines Mangels bei Genehmigung eines ohne Vollmacht geschlossenen Kaufvertrags
Urteil vom 6. Mai 2022 – V ZR 282/20

Mit dem nach § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB maßgeblichen Zeitpunkt befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Beklagte kaufte von der Drittwiderbeklagten ein bislang als Bürogebäude genutztes Objekt. Der Kläger wirkte an der Veräußerung als Makler mit. In einem vor Vertragsschluss übersandten Exposé hieß es, eine Umnutzung in Wohnraum sei problemlos möglich; so könnten zum Beispiel auf einer vermietbaren Fläche von ca. 1703,57 m² Studentenwohnungen entstehen.

Beim Abschluss des notariellen Kaufvertrags am 3. April 2019 traten für beide Vertragsparteien vollmachtlose Vertreter auf. Die Drittwiderbeklagte genehmigte den Vertragsschluss kurz danach. Am 15. April ließ die Beklagte ihre Genehmigungserklärung notariell beglaubigen. Spätestens am 6. Mai erfuhr sie, dass die Wohnfläche nur 1412,41 m² beträgt. Am 29. Mai übersandte sie dem beurkundenden Notar die Genehmigungserklärung. Dabei behielt sie sich die Geltendmachung von Rechten wegen unzutreffender Angaben zum Kaufgegenstand vor.

Der Kläger begehrt die Zahlung von Maklerprovision in Höhe von rund 95.000 Euro. Die Beklagte verlangt vom Kläger und von der Drittwiderbeklagten wegen der zu geringen Fläche Schadensersatz in Höhe von rund 400.000 Euro. Das LG gab dem Kläger und der Drittwiderbeklagten recht. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Die Revision der Beklagten hat ebenfalls keinen Erfolg.

Das OLG ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kaufvertrag wirksam zustande gekommen ist, der Beklagten aber keine Gewährleistungsansprüche zustehen, weil sie die Flächenabweichung bei Abgabe ihrer Genehmigungserklärung gekannt hat.

Nach § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Gewährleistungsrechte wegen eines Mangels ausgeschlossen, wenn der Käufer diesen Mangel bei Vertragsschluss kennt. Maßgeblich hierfür ist nicht der Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags, sondern der Zeitpunkt, zu dem der Käufer die Erklärung abgegeben hat, die ihn an den Vertrag bindet. § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB beruht auf der Wertung, dass ein Käufer nicht sehenden Auges einen mangelhaften Gegenstand kaufen darf, um anschließend Ansprüche aus Sachmängelhaftung geltend zu machen. Im Streitfall hat sich die Beklagte nicht schon durch die Beglaubigung ihrer Genehmigungserklärung an den Vertrag gebunden, sondern erst mit der Abgabe dieser Erklärung durch Übersendung an den beurkundenden Notar. Ihr stehen folglich keine Gewährleistungsansprüche zu, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits von der Flächenabweichung wusste.

Praxistipp: Ein Käufer, der von dem Mangel erst erfahren hat, nachdem er ein bindendes Vertragsangebot abgegeben hatte, verliert seine Gewährleistungsansprüche auch dann nicht, wenn der Verkäufer das Angebot erst nach Erlangung der Kenntnis annimmt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Wissenszurechnung bei Rechtsgeschäften eines Testamentsvollstreckers

Denkmaleigenschaft als Sachmangel
Urteil vom 19. März 2021 – V ZR 158/19

Mit der Haftung für die denkmalrechtliche Einordnung eines verkauften Hauses befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger verkaufte dem Beklagten im Jahr 2009 als Testamentsvollstrecker über den Nachlass seines Vaters ein Wohnhaus in Hamburg für fünf Millionen Euro. Der Vertrag sieht den Ausschluss der Haftung für Sachmängel vor. Er enthält ferner den Hinweis, das Objekt sei nach Kenntnis des Verkäufers nicht auf der Denkmalschutzliste verzeichnet, weise aus Sicht des Denkmalpflegers jedoch erhaltenswerte Bauelemente auf. Im Februar 2012 erhielt der Kläger eine Baugenehmigung zur Sanierung des Gebäudes. Anfang 2013 wurde das Haus in die Denkmalliste eingetragen. Der Kläger musste seine Planung daraufhin ändern. Er begehrt vom Beklagten Ersatz des Minderwerts und vergeblicher Aufwendungen in Höhe von rund 2,8 Millionen Euro. Das LG wies die Klage ab. Das OLG erklärte sie dem Grunde nach für gerechtfertigt.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Mit dem OLG geht der BGH davon aus, dass die Denkmaleigenschaft eines verkauften Gebäudes grundsätzlich einen Sachmangel darstellt. Im Streitfall stand das Gebäude im Zeitpunkt des Gefahrübergangs im Jahr 2009 aber noch nicht unter Denkmalschutz. Dieser wurde nach den damals geltenden Bestimmungen erst durch Eintragung in die Denkmalliste begründet, also Anfang 2013.

Der Beklagte musste den Kläger vor Vertragsschluss allerdings darauf hinweisen, dass das Gebäude schon seit 2006 in ein Verzeichnis erkannter Denkmäler eingetragen war. Der BGH lässt offen, ob diese Eintragung ebenfalls einen Sachmangel begründete. Eine Hinweispflicht bestand jedenfalls gemäß § 311 Abs. 2 BGB, weil es sich um einen für die Entschließung des Käufers wesentlichen Umstand handelte.

Entgegen der Auffassung des OLG fehlt es jedoch an der nach § 444 BGB erforderlichen Arglist. Der Kläger, dem die Eintragung in das Verzeichnis nicht bekannt war, muss sich die Kenntnis seiner Geschwister und Miterben nicht zurechnen lassen. Diese waren nicht mit Aufgaben in Bezug auf das Grundstück betraut. Testamentsvollstrecker und Erben bilden auch keine arbeitsteilige Organisation, innerhalb derer relevante Kenntnisse an die entscheidenden Personen weitergeleitet werden müssen. Die Kenntnis der Hausverwaltung muss sich der Kläger ebenfalls nicht zurechnen lassen. Diese war in die Veräußerung des Anwesens nicht einbezogen.

Praxistipp: Wenn Hinweise auf Denkmalschutz bestehen, sollte der Käufer sich vor Vertragsschluss selbst an das Denkmalamt wenden, um den rechtlichen Status des Gebäudes abzuklären.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um Hinweispflichten beim Verkauf einer Sozialwohnung geht es in dieser Woche.

Sozialbindung einer Wohnung als anzeigepflichtiger Rechtsmangel
Urteil vom 14. September 2018 – V ZR 165/17

Mit den Pflichten des Verkäufers einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger hatte von der Beklagten eine Eigentumswohnung gekauft. Der Kaufvertrag enthielt einen umfassenden Haftungsausschluss für Sachmängel. Im Rechtsstreit verlangte der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrags, weil ihn die Beklagte nicht darüber aufgeklärt habe, dass es sich um öffentlich geförderten Wohnraum handle und Mieter einen Berechtigungsschein benötigten. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er verweist auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Sozialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung einen Rechtsmangel darstellt, und stellt klar, dass die Schuldrechtsmodernisierung hieran nichts geändert hat. Ob der im Kaufvertrag vereinbarte Haftungsausschluss für Sachmängel auch den im Streitfall vorliegenden Rechtsmangel umfasst, lässt der BGH mangels einschlägiger tatrichterlicher Feststellungen offen. Nach § 444 BGB kann sich die Beklagte auf den Haftungsausschluss jedenfalls nicht berufen, wenn sie die Sozialbindung arglistig verschwiegen hat. Entgegen der Auffassung des OLG ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Käufer den Kaufvertrag auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung geschlossen hätte.

Praxistipp: Die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche unter Berufung auf die Unwirksamkeit eines Gewährleistungsausschlusses gemäß § 444 BGB unterliegt weniger strengen Voraussetzungen als die Anfechtung des Vertrags gemäß § 123 BGB. Deshalb sollten auch im Falle einer Anfechtung zumindest hilfsweise die vertraglichen Rechtsbehelfe geltend gemacht werden.

BGH: Fehlende Herstellergarantie kann zum Rücktritt berechtigender Sachmangel beim PKW sein

Der BGH hat in seiner heutigen Entscheidung festgestellt, dass das Vorhandensein einer Herstellergarantie beim Gebrauchtwagenkauf ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache nach allen Tatbestandsvarianten des § 434 Abs. 1 BGB darstellt und somit zum mangelbedingten Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigen kann.

Noch in beiden Vorinstanzen (u.a. OLG München, Beschluss vom 13.05.2015 Az.: 21 U 4559/14) gingen die Gerichte abweichend davon aus, dass es sich nicht um ein Beschaffenheitsmerkmal des Fahrzeuges handele, es sich bei der Zusage einer Herstellergarantie lediglich um eine Angabe zur rechtlichen Beziehung außerhalb der Kaufsache zwischen Fahrzeughalter und Hersteller handele.

Das Berufungsgericht hat die Sache zurückverwiesen erhalten und wird hierüber unter Würdigung der Ansicht des BGH zu entscheiden haben.

Ausblick / Praxisrelevanz: Bei dem Fehlen einer Herstellergarantie dürfte es sich, so ist zu vermuten, auch um einen nicht unerheblichen Mangel halten, sodass der Rücktritt vom Kaufvertrag möglich sein dürfte. In der Praxis zeigen sich bei Gebrauchtwagenangeboten eine Vielzahl von Hinweisen auf eine (Hersteller-)Garantie. Abgesehen davon, dass unvollständige Garantieangaben einen Wettbewerbsverstoß begründen (BGH, Urt. v. 5. 12. 2012 – I ZR 146/11 MDR 2013, 1300), ist Gebrauchtwagenhändlern umso mehr zu raten, die Konditionen einer Garantie offenzulegen. Oft werden Anschlussgarantien oder Gebrauchtwagengarantien angeboten, die deutlich hinter den Leistungen von Werksgarantien z.B. im Hinblick auf abgedeckte Teile oder Selbstbeteiligungen ab gewissen Laufleistungen zurück bleiben.

BGH Urteil vom 15. Juni 2016 – VIII ZR 134/15, Pressemitteilung

Update vom 28.06.2016: Die Entscheidung ist nun im Volltext veröffentlicht