Anwaltsblog 40/2024: Rechtsanwälte müssen die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen!

Ob es einen – zur Wiedereinsetzung führenden – unvermeidbaren Rechtsirrtum darstellt, wenn ein Rechtsanwalt die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zur Ersatzeinreichung von Rechtsmittelschriften (§ 130d Satz 2 ZPO) nicht kennt, hatte der BGH zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 4. September 2024 – IV ZB 31/23):

 

Die Klägerin beansprucht über ihre nicht in Rede stehende mindestens hälftige Erbenstellung hinaus, Alleinerbin eines Nachlasses in Höhe von 5.000.000 € zu sein. Gegen das die Klage abweisende und der Widerklage stattgebende Urteil des Landgerichts – zugestellt am 3. Juli 2023 – hat ihre Prozessbevollmächtigte durch einen Originalschriftsatz Berufung eingelegt, der am 1. August 2023 in den Nachtbriefkasten des OLG eingeworfen wurde. Am 2. August 2023 wurde die Prozessbevollmächtigte durch das Berufungsgericht auf § 130d ZPO hingewiesen. Am 3. August 2023 übermittelte sie die Berufungsschrift über das beA ihres Ehemannes und teilte mit am 4. August 2023 eingegangenen Schriftsatz mit, sie habe „seit einigen Tagen bis einschließlich heute, den 04.08.2023, ca. 12 Uhr aufgrund von technischen Schwierigkeiten keinen Zugang“ zu ihrem beA-Postfach gehabt. Nachdem das Berufungsgericht angekündigt hatte, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Das OLG hat den Antrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Bis zum Ablauf der am 3. August 2023 endenden Frist ist keine ordnungsgemäße Berufungsschrift beim Berufungsgericht eingegangen. Die Einlegung der Berufung mittels des am 1. August 2023 eingegangenen Originalschriftsatzes ist unwirksam, weil die Klägerin bei Einreichung der Berufung in Schriftform nicht gemäß § 130d Satz 3 Halbsatz 1 ZPO zu den Voraussetzungen des § 130d Satz 2 ZPO vorgetragen und diese glaubhaft gemacht hat, obwohl ihr zu diesem Zeitpunkt die Hinderungsgründe für eine Einreichung auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg bekannt waren und ihr zugleich eine sofortige Glaubhaftmachung dieser Gründe möglich war. Zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung in Schriftform war der Ausfall ihres beA der Prozessbevollmächtigen seit einigen Tagen bekannt. In einem solchen Fall ist es ohne rechtliche Wirkung, wenn erst nachträglich die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Die Voraussetzungen der anerkannten Ausnahmen von dem Grundsatz, dass die Einlegung der Berufung ohne eine gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgte Glaubhaftmachung unwirksam ist, liegen hier nicht vor. Weder hat die Klägerin die Darlegung der Hinderungsgründe am Tag der Ersatzeinreichung nachgeholt, noch hatte ihre Prozessbevollmächtigte das technische Defizit erst kurz vor Fristablauf bemerkt, so dass ihr keine Zeit blieb, die Hinderungsgründe glaubhaft zu machen. Letzteres ergibt sich daraus, dass die Frist zur Einlegung der Berufung erst mit Ablauf des übernächsten Tages endete.

Auch die Übermittlung der Berufungsschrift am 3. August 2023 in der Form eines von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin einfach signierten Schriftsatzes über das beA ihres Ehemannes stellt keine wirksame Einlegung des Rechtsmittels dar. Die Einreichung eines elektronischen Dokuments bei Gericht ist nur dann formgerecht, wenn es entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist oder von der verantwortenden Person selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird (§ 130a Abs. 3 und 4 ZPO). Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt die Übersendung mit lediglich einer einfachen Signatur ihrer Prozessbevollmächtigen über das beA eines anderen Rechtsanwalts keine wirksame Einlegung des Rechtsmittels dar. Zwar ist das beA grundsätzlich ein sicherer Übermittlungsweg (§ 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Allerdings soll durch die Regelungen des § 130a Abs. 3 und 4 ZPO sichergestellt werden, dass die Identität des Signierenden von einem Dritten geprüft und bestätigt wurde. Bei der Übermittlung mittels des beA erfolgt die Überprüfung der Identität des Absenders bei der Prüfung des Zulassungsantrags durch die Rechtsanwaltskammern und der nachfolgenden Zuteilung eines beA an den Rechtsanwalt. Der sichere Übermittlungsweg über das beA gewährleistet die Identität des Absenders deshalb nur dann, wenn die verantwortende Person – also der Rechtsanwalt als Inhaber des beA (hier der Ehemann der Prozessbevollmächtigten der Klägerin) – den Versand selbst vornimmt. Diese Voraussetzungen waren hier aber nicht erfüllt. Vielmehr hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin dargelegt, sie habe das Versenden der Berufungsschrift über das beA selbst vorgenommen, nachdem ihr Ehemann – unter Verstoß gegen § 23 Abs. 3 Satz 5 RAVPV – den Zugang zu seinem beA zur Verfügung gestellt hatte. In diesem Zusammenhang kommt es gerade nicht auf die Identität zwischen demjenigen, der das elektronische Dokument einfach signiert, und demjenigen, der die Absendung tatsächlich vornimmt, an.

Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes verneint. Die Klägerin war nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist zur Einlegung der Berufung einzuhalten; sie muss sich insoweit das Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Ohne Erfolg macht sie geltend, der ihrer Prozessbevollmächtigten unterlaufene Fehler bei der Einreichung der Berufung durch einen Originalschriftsatz ohne gleichzeitige Glaubhaftmachung der Hinderungsgründe sei ein unvermeidbarer Rechtsirrtum gewesen. Der Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts über gesetzliche Erfordernisse ist regelmäßig nicht unverschuldet. Ein Rechtsanwalt muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Verfahrensbevollmächtigte die volle von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, denn der Beteiligte, der dem Anwalt die Verfahrensführung überträgt, darf darauf vertrauen, dass er dieser als Fachmann gewachsen ist. Selbst wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt. Ein Rechtsirrtum ist nur ausnahmsweise als entschuldigt anzusehen, wenn er auch unter Anwendung der erforderlichen Sorgfaltsanforderungen nicht vermeidbar war. Hieran gemessen erweist sich der Rechtsirrtum der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht als unvermeidbar. Die Rechtsfrage, ob im Falle einer Ersatzeinreichung eines Schriftsatzes nach § 130d Satz 2 ZPO die Glaubhaftmachung der Hinderungsgründe im Regelfall gleichzeitig zu erfolgen hat, ist höchstrichterlich geklärt, so dass sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hieran hätte orientieren müssen. Es ergeben sich auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass hinsichtlich der unwirksamen Übermittlung der Berufung als elektronisches Dokument über das beA ihres Ehemannes ein unvermeidbarer Rechtsirrtum der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorliegt. Auch insoweit war die Rechtslage geraume Zeit vor der hier in Rede stehenden Nutzung eines fremden beA mit einfacher Signatur am 3. August 2023 geklärt; an dieser Rechtsprechung hätte sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin orientieren müssen.

 

Fazit: Von einem Rechtsanwalt kann erwartet werden, dass er (selbst) die Voraussetzungen für die wirksame Einlegung eines Rechtsmittels kennt (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2023 – VIII ZB 41/22 –, MDR 2023, 383).

Anwaltsblog 27/2024: Auch Gerichtssachverständige müssen ein elektronisches Postfach haben!

Mit der Frage, ob auch Gerichtssachverständige zu den „sonstige(n) in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte(n) Personen“ des § 173 Abs. 2 ZPO gehören, die einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eines elektronischen Dokuments zu eröffnen haben, hat sich erstmalig ein Oberlandesgericht befasst (OLG Hamm, Beschluss vom 1. Juli 2024 – 22 U 15/24):

 

Die vom Senat beauftragte Sachverständige ist öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken. Sie verfügt nicht über ein elektronisches Postfach, das die Zustellung von elektronischen Dokumenten auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 173 ZPO durch die Justiz gestattet. Der Senat gibt ihr durch Beschluss auf, ein elektronisches Postfach einzurichten, das für die elektronische Zustellung von Dokumenten auf einem sicheren Übermittlungsweg iSv. § 130a Abs. 4 ZPO geeignet ist. Die Anordnung des Senats beruht auf § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Danach haben u.a. sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eines elektronischen Dokuments zu eröffnen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann. Öffentlich bestellte und vereidigte (öbuv) Sachverständige gehören zu diesem Personenkreis.

Der Gesetzgeber hat die Beurteilung, ob Sachverständige zu dem Personenkreis der in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligten Personen zählen, den Gerichten überlassen. Denn wie sich aus der Gesetzesbegründung zu § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ergibt, hat er in dieser nur beispielhaft („nicht abschließend“) Personen, Vereinigungen und Organisationen angeführt, die unter dem Tatbestandsmerkmal zu fassen sind. Bei öbuv. Sachverständigen ist bei der gebotenen typisierenden Betrachtung von einer erhöhten Zuverlässigkeit auszugehen. Wie sich aus § 36 Abs. 1 GewO ergibt, bestehen besonders hohe Anforderungen an die persönliche und fachliche Eignung von Personen, die als Sachverständige öffentlich bestellt werden dürfen. Mit der öffentlichen Bestellung wird einem Sachverständigen u.a. die persönliche Integrität bestätigt. Zudem gewährleistet die Aufsicht der Bestellungskörperschaften, dass bei öffentlich bestellten Sachverständigen – wie bei anderen berufsständisch gebundenen Personen auch – fortwährend die notwendige Zuverlässigkeit für die Zustellung von gerichtlichen Dokumenten gesichert ist.

Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige sind zudem in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligt. Aus den gesetzlichen Vorschriften ergibt sich unzweifelhaft, dass es zu einem wesentlichen Aufgabengebiet, also zum essentiellen Teil ihrer Profession zählt, an Gerichtsverfahren mitzuwirken. Es entspricht weiter auch Sinn und Zweck von § 173 Abs. 2 ZPO, öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige in die Verpflichtung einzubeziehen, einen sicheren Übermittlungsweg zu eröffnen. Die Regelung zielt darauf ab, Personen, Vereinigungen und Organisationen, die aufgrund und im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit regelmäßig mit dem Gericht kommunizieren, in den elektronischen Rechtsverkehr einzubinden. Das trifft auf öbuv. Sachverständige unzweifelhaft zu. Es gibt schließlich keine sonstigen Gründe, die durchgreifend gegen die Einbeziehung der öbuv. Sachverständigen in die unter § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO genannten Personengruppen sprechen. Den Sachverständigen stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung, um ein elektronisches Postfach einzurichten. Sie können das kostenlose „Mein Justizpostfach“ (MJP) nach dem OZG nutzen, das einen sicheren Übermittlungsweg gem. § 130a Abs. 4 Nr. 5 ZPO eröffnet. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit, das kostenpflichtige, aber dafür gegenüber dem MJP leistungsfähigere und nutzerfreundlichere besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) einzurichten, welches einen sicheren Übermittlungsweg gem. § 130a Abs. 4 Nr. 4 ZPO begründet. Die mit der Einrichtung und dem Betrieb der vorgenannten Postfächer zusammenhängenden Aufwände sind mit der Ausübung der Sachverständigentätigkeit für Gerichte verbunden und stellen – wie für andere Berufsgruppen auch – keinen der Anwendung des § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entgegenstehenden Grund dar. Sie sind verursacht durch eine Veränderung der technischen Umwelt und daraus resultierenden gesetzgeberischen Vorgaben, die eine hinzunehmende Rahmenbedingung für die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) darstellen.

 

Fazit: Auch wenn die Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung an die Sachverständige, ein elektronisches Postfach einzurichten, fraglich ist, geht der Beschluss in die richtige Richtung. Rechtsanwälte sind längst gewohnt, Akten elektronisch zu führen. Ihnen in Papierform übersandte Gutachten stellen in diesem System einen Fremdkörper dar. Wünschenswert wäre ferner, wenn die Justiz selbst die Anforderungen elektronischer Kommunikation erfüllen würde, die sie an Rechtsanwälte und nun auch an Sachverständige stellt.

Anwaltsblog 23/2024: Voraussetzungen wirksamer Einreichung elektronischer Gerichtsschriftsätze durch Rechtsanwälte

Zum wiederholten Male innerhalb kurzer Zeit musste sich der BGH mit den sich aus § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO ergebenden Anforderungen an die Übermittlung eines elektronischen Dokuments befassen (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2024 – VI ZB 22/23):

Ein die Klage teilweise abweisendes Urteil des Landgerichts ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, RA L., am 8. November 2022 zugestellt worden. Am 24. November 2022 ist aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) des RA L. Berufung beim OLG eingelegt und diese mit am 14. Dezember 2022 wiederum vom beA des RA L. aus versandtem Schriftsatz begründet worden. Beide Schriftsätze waren nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, sondern lediglich mit einer einfachen Signatur (maschinenschriftliche Namensangabe und grafische Wiedergabe der handschriftlichen Unterschrift) von RAin W. versehen, die nach den Angaben im Briefkopf angestellte Rechtsanwältin in der Kanzlei des RA L. ist. Das OLG hat die Berufung als unzulässig verworfen. Die innerhalb der Berufungsfrist elektronisch eingegangene Berufung sei nicht formwirksam eingelegt, da sie nicht den Anforderungen des § 130a ZPO entsprochen habe. Denn die Berufungsschrift sei weder qualifiziert elektronisch signiert noch von dem elektronischen Anwaltspostfach der verantwortenden Person versandt worden. Das gelte auch für die Berufungsbegründung vom 14. Dezember 2022.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die elektronische Einreichung der Berufungsschrift am 24. November 2022 nicht den Anforderungen des § 130a ZPO entsprach, so dass die Klägerin die am 8. Dezember 2022 abgelaufene einmonatige Berufungsfrist versäumt hat. Gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Die Bestimmung stellt damit zwei Wege zur rechtswirksamen Übermittlung von elektronischen Dokumenten zur Verfügung. Zum einen kann der Rechtsanwalt den Schriftsatz mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zum anderen kann er auch nur einfach signieren, muss den Schriftsatz aber sodann selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO, etwa über ein beA nach den §§ 31a und 31b BRAO (§ 130 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO), einreichen. Die einfache Signatur hat in dem zuletzt genannten Fall die Funktion zu dokumentieren, dass die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person mit der die Verantwortung für das elektronische Dokument übernehmenden Person identisch ist; ist diese Identität nicht feststellbar, ist das Dokument nicht wirksam eingereicht. Ein elektronisches Dokument, das – wie hier die Berufungsschrift – aus einem persönlich zugeordnetem beA (vgl. § 31a BRAO) versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt.

Nach diesen Grundsätzen ist die elektronisch übermittelte Berufungsschrift nicht formgerecht eingereicht worden. RAin W. hat das Dokument nicht mit einer qualifizierten, sondern nur mit einer einfachen elektronischen Signatur versehen. Dies genügte trotz der Übermittlung des Dokuments über ein beA den Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO nicht, weil als Absender des Dokuments der Inhaber des beA – RA L. – und nicht die ausweislich der einfachen Signatur das Dokument verantwortende Person – RAin W. – ausgewiesen war. Allein aufgrund der Tatsache, dass das Dokument über das beA von RA L. übermittelt wurde, kann nach der Regelungssystematik des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht davon ausgegangen werden, dass er das Dokument nicht nur übermitteln, sondern auch die Verantwortung für seinen Inhalt übernehmen wollte, auch wenn er zur Vertretung der Klägerin berechtigt war. Von der auch bei einfacher Signatur durch einen anderen Rechtsanwalt bestehenden Möglichkeit, die Übernahme der Verantwortung für den Inhalt des über sein beA übermittelten elektronischen Dokuments durch Anbringung seiner eigenen elektronischen Signatur zum Ausdruck zu bringen, hat RA L. keinen Gebrauch gemacht.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann auf die Erfüllung der nach § 130a ZPO bestehenden Anforderungen an die Übermittlung eines elektronischen Dokuments nicht deshalb verzichtet werden, weil sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschriftsleistung vergleichbare Gewähr für die Identifizierung des Urhebers der Verfahrenshandlung und dessen unbedingten Willen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Dokuments zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen, ergeben würde. Entsprechende Umstände liegen hier nicht vor. Soweit die Klägerin darauf verweist, aus dem bisherigen Prozessverlauf sei klar zu erkennen, dass RAin W. die Verantwortung für die Berufungsschrift übernehmen wollte, mag RAin W. zwar durchgehend als alleinige Sachbearbeiterin in Erscheinung getreten sein. Damit steht hinsichtlich der Berufungsschrift angesichts deren Übermittlung über das beA von RA L. aber nicht zweifelsfrei fest, dass die Einreichung dieses Dokuments ihrem unbedingten Willen entsprach. Im Hinblick auf RA L. bietet der Umstand, dass er im Briefkopf der Berufungsschrift als Kanzleiinhaber und RAin W. als seine Angestellte ausgewiesen ist, keine der Unterschrift bzw. der sie gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO ersetzenden elektronischen Signatur vergleichbare Gewähr dafür, dass er die volle Verantwortung für den Inhalt des Dokuments übernehmen wollte.

 

Fazit: Nur wenn ein Mitglied einer mandatierten Anwaltssozietät einen Schriftsatz, den ein anderes Mitglied der Anwaltssozietät verfasst und einfach elektronisch signiert hat, in qualifiziert elektronischer Form signiert und diesen Schriftsatz über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach bei Gericht einreicht, ist dies wirksam. Eines klarstellenden Zusatzes („für“) bei der einfachen Signatur des Schriftsatzverfassers bedarf es nicht (BGH Beschl. v. 28.2.2024 – IX ZB 30/23, MDR 2024, 590).

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Sorgfaltspflichten beim elektronischen Versand fristgebundener Schriftsätze.

beA-Versand erfordert keinen Papierausdruck
BGH, Beschluss vom 30. November 2023 – III ZB 4/23

Der III. Zivilsenat befasst sich mit den Anforderungen an die Begründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Der Kläger begehrt Ersatz materieller und immaterieller Schäden aufgrund einer Gesundheitsverletzung. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Der Kläger legte Berufung ein. Die elektronisch eingereichte Begründung des Rechtsmittels ging erst einen Tag nach Ablauf der maßgeblichen Frist beim Berufungsgericht ein. Dieses lehnte die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und verwarf die Berufung als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger nicht aufzeigt, dass die angefochtene Entscheidung auf Rechtssätzen beruht, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichen.

Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zu Recht als unzureichend angesehen, weil er keine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung enthält, weshalb die Frist nicht eingehalten werden konnte.

Die detaillierte Schilderung von Druckerproblemen, die am Tag des Fristablaufs gegen 22:30 Uhr aufgetreten und ein rechtzeitiges Ausdrucken des Schriftsatzes unmöglich gemacht haben sollen, lässt nicht erkennen, was einem rechtzeitigen Versand per beA entgegenstand. Dieser erfordert es nicht, den Schriftsatz auszudrucken, auf Papier zu unterschreiben und wieder einzuscannen. Die beim beA-Versand ohne qualifizierte Signatur gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO erforderliche einfache Signatur erfordert lediglich eine maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens.

Praxistipp: Anwälte, die Schriftsätze vor dem beA-Versand auf Papier durchlesen, unterschreiben und wieder einscannen, sollten organisatorische Vorkehrungen dafür treffen, dass der Versand in dringenden Fällen auch ohne vorherigen Ausdruck erfolgen kann.