KG: Beschwerde im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens

In einem selbständigen Beweisverfahren hatte das LG einen Antrag der Antragsgegnerinnen und Streithelferinnen auf Einholung eines „Obergutachtens“ sowie auf ergänzende Begutachtung durch den bereits bestellten Sachverständigen zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wurde von den Betroffenen sofortige Beschwerde eingelegt.

Das KG (Beschl. v. 2.1.2025 – 2 W 18/24) verwarf die sofortigen Beschwerden als unzulässig. Eine gesetzliche Zulassung der sofortigen Beschwerden gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist nicht gegeben. Die gestellten Anträge sind solche nach den §§ 492 Abs. 1, 412 ZPO. Es ist in diesen Vorschriften keine Zulassung einer sofortigen Beschwerde gegen einen entsprechenden ablehnenden Beschluss ausgesprochen worden.

Nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (Ablehnung eines das Verfahren betreffenden Gesuchs) ist eine sofortige Beschwerde auch nicht möglich. Der Rechtsschutz im selbständigen Beweisverfahren kann nicht weitergehen als im Hauptsacheverfahren. Hier kann die Unterlassung einer weiteren Begutachtung jedoch nur im Rechtsmittelverfahren gegen die Hauptsache gerügt werden. Eine Pflicht zur Einholung eines „Obergutachtens“ oder zur erneuten Begutachtung besteht im Übrigen auch nur ausnahmsweise und setzt, wie es sich aus den §§ 412, 411 Abs. 3, 144 ZPO ergibt, eine Würdigung der bisher erhobenen Beweise voraus. Eine solche Würdigung findet jedoch im selbständigen Beweisverfahren noch gar nicht statt.

Die hier entschiedene Frage war früher streitig, wurde aber vom BGH bereits in dieser Art und Weise entschieden (BGH, Beschl. v. 9.2.2010 – VI ZB 59/09, MDR 2010, 767). Das KG ruft dies in Erinnerung und bestätigt diese Entscheidung: Anträge nach § 412 ZPO, denen das Gericht nicht nachgeht, können daher erst im anschließenden Hauptsacheverfahren (so es überhaupt dazu kommt!) einer weiteren Sachbehandlung zugeführt werden. Allerdings gilt auch hier: Eine sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrages nach § 412 ZPO ist nicht gegeben. Die Nichteinholung kann nur in einem Rechtsmittelverfahren im Rahmen der Hauptsacheentscheidung gerügt werden.

BGH: Zulässigkeit und Prüfungsumfang bei Rechtsmitteln

Nicht nur die unteren Instanzen werden beständig mit mehr oder weniger nicht zielführenden Eingaben beschäftigt, manche davon erreichen auch den BGH. Im hier zu berichtenden Fall führte ein solcher Fall sogar zu zwei Entscheidungen des BGH (Beschl. v. 13.3.2024 und 4.12.2024 – II ZB 17/23)!

Das LG hatte einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die von dem Antragsteller gegen den Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde wurde von dem OLG zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wurde von dem OLG nicht zugelassen, jedoch vom Antragsteller gleichwohl eingelegt.

Der BGH verwarf zunächst die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Der Beschluss des OLG ist unanfechtbar (§ 577 Abs. 1 S. 2, § 574 Abs. 1 S. 1, § 127 Abs. 2 ZPO). Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist gleichfalls unanfechtbar, da es im Beschwerdeverfahren an einer dem § 544 ZPO (Nichtzulassungsbeschwerde) entsprechenden Vorschrift fehlt. Der Gesetzgeber hatte von einer solchen Möglichkeit im Beschwerdeverfahren bewusst abgesehen. Die Zulassung einer außerordentlichen Beschwerde ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Antragsteller muss den Beschluss des OLG mithin hinnehmen.

Die Konsequenz dieser Entscheidung war: Der Kostenbeamte des BGH musste dem Antragsteller eine Festgebühr in Höhe von 132 € in Rechnung stellen (GKG Anlage 1 Nr. 1826), und zwar ohne Rücksicht darauf, dass der vorstehend geschilderte Beschluss keine Kostenentscheidung erhielt. Die erwähnte Gebühr entsteht kraft Gesetzes (§ 22 Abs. 1 S. 1 GKG). Zwar ist das Verfahren für die Beantragung von Prozesskostenhilfe, einschließlich des diesbezüglichen Beschwerdeverfahrens, grundsätzlich kostenfrei; dies gilt jedoch nicht für eine unzulässige Rechtsbeschwerde. Gegen die Kostenanforderung legte der Antragssteller Erinnerung ein und verwies darauf, dass die vorherige Entscheidung unrichtig sei.

Damit konnte er keinen Erfolg haben. Die Erinnerung ist allerdings gemäß § 66 Abs. 1 GKG zulässig. Auch bei dem BGH ist der Einzelrichter zur Entscheidung berufen. Die Erinnerung ist jedoch unbegründet. Im Rahmen eines Erinnerungsverfahrens können nur noch die Entscheidungen im Kostenansatzverfahren auf ihre Richtigkeit geprüft werden. Eine erneute Überprüfung der Richtigkeit der Entscheidung, auf der die Kostenrechnung beruht, ist nicht möglich. Die Erinnerung wurde daher zurückgewiesen. Diese Entscheidung erging zum Glück für den Antragsteller kostenfrei und auch ohne Kostenerstattungspflicht (§ 66 Abs. 8 ZPO).

Fazit: Beim Einlegen unzulässiger Rechtsmittel muss stets an die Kostenkonsequenz gedacht werden. Dies muss der Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten immer deutlich kommunizieren. Hier ging es nur um eine recht niedrige Festgebühr. Wenn sich jedoch die Gebühren nach dem Streitwert richten, können sehr unliebsame Überraschungen drohen!

BAG: Notwendige Verkündung eines Urteils

Leider ereignen sich in der hektischen Alltagspraxis in den Tatsacheninstanzen immer wieder Versäumnisse, die Zeit und Geld kosten und eigentlich vermieden werden sollten. Im hier zu berichtenden Fall erließ das ArbG nach mündlicher Verhandlung in einem Verkündungstermin ein Teilurteil. Dieses Urteil wurde auch schriftlich verfasst und war von allen Richtern unterzeichnet. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hatte darauf einen Verkündungsvermerk angebracht. Weiterhin wurde das Urteil aufgrund einer Verfügung der Urkundsbeamtin an die Parteien zugestellt. Ein Verkündungsprotokoll existierte allerdings nicht.

Die Beklagte legte gegen das Urteil Berufung ein, die vom LAG zurückgewiesen wurde. Auf die Revision der Beklagten wurde der Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zurückverwiesen!

Das BAG (Beschl. v. 24.10.2024 – 3 AZR 260/23) sieht hier einen nicht mehr behebbaren Verfahrensfehler, da es an einer Verkündung des erstinstanzlichen Urteils fehlte. Damit ist die erste Instanz noch nicht abgeschlossen. Das Urteil war nur ein Urteilsentwurf. Folglich war auch nichts in der zweiten Instanz angefallen und das LAG hätte das Scheinurteil, wogegen eine Berufung zweifellos zulässig ist, aufheben und die Sache an das ArbG zurückverweisen müssen. Dies hat das BAG nunmehr nachgeholt.

Im Einzelnen gilt: Ein Urteil muss in öffentlicher Sitzung verkündet werden (§§ 60, 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 311 Abs. 2 S. 1 ZPO, 173 Abs. 1 GVG). Erst dadurch wird das Urteil existent. Davor liegt nur ein Entwurf vor. Der Nachweis der Förmlichkeit kann nur durch das Protokoll bewiesen werden (§ 165 S. 1 ZPO). Allerdings führen Verkündungsmängel nur dann zur Unwirksamkeit des Urteils, wenn gegen elementare Formerfordernisse verstoßen wurde. Dabei muss allerdings die Verlautbarung vom Gericht wenigstens beabsichtigt worden sein. Ausreichend ist es, wenn beispielsweise der Vorsitzende die Zustellung an die Parteien verfügt, da damit der Wille, die Entscheidung zu erlassen, klar zu Tage getreten ist. Daran fehlte es vorliegend jedoch gleichfalls: Die Zustellung des Urteils wurde von der Urkundsbeamtin verfügt, diese kann den Vorsitzenden diesbezüglich nicht ersetzen, da sie das Urteil nicht verfasst hat.

Die Parteien waren durch diese Entscheidung überrascht worden, da sie diese Umstände nicht gerügt haben. Dies ist jedoch unerheblich, da derartige Mängel von Amts wegen zu beachten sind. In einer solchen Fallkonstellation steht auch § 68 ArbGG der Zurückverweisung an das ArbG nicht entgegen. Die Gerichtskosten für das Revisionsverfahren wurden gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 GKG nicht erhoben. Die Kosten für die Berufungsinstanz darf die Revisionsinstanz nicht niederschlagen.

Fazit: Für die Gerichte ist es im Regelfall unerlässlich, ein Verkündungsprotokoll anzufertigen. Dies gilt auch und gerade nach der Einführung der elektronischen Akte. Natürlich darf auch die Signatur nicht vergessen werden! In diesem Zusammenhang können sich kleinere Versäumnisse durch überlastete Richter leider bitter rächen.

OLG Frankfurt a. M.: Rechtsmittel bei Entscheidungen nach § 769 ZPO

In einem Verfahren vor dem OLG Frankfurt a. M. (Beschl. v. 23.10.2024 – 3 W 28/24) hatte der Kläger vor dem LG eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO erhoben und damit einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 ZPO verbunden. Das LG lehnte diesen Antrag ab. Gegen diesen Beschluss legte der Kläger sofortige Beschwerde ein. Das OLG Frankfurt hat die Beschwerde verworfen.  Es folgt der ganz h. M.: Entscheidungen, die im Rahmen des § 769 ZPO erfolgen, sind nicht beschwerdefähig (BGH v. 21.4.2004 – XII ZB 279/03, MDR 2004, 1137). Dies ergibt sich daraus, dass § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO entsprechend anzuwenden ist. Diese Vorschrift regelt, dass ein Beschluss über die Einstellung der Zwangsvollstreckung in verschiedenen Fallkonstellationen nicht anfechtbar ist.

Das erstinstanzliche Gericht hat jedoch die Möglichkeit, die getroffene Entscheidung jederzeit zu ändern und kann damit einer Änderung der Prozesslage sofort Rechnung tragen. Dies ist ausreichend, denn dieses Gericht kann die Prozessaussichten am besten beurteilen. Das Beschwerdegericht soll dort nicht hineinreden können. Diesem Erfordernis war das LG vorliegend auch nachgekommen.

Interessant sind hier außerdem die Nebenentscheidungen. Das OLG legt dem Kläger als Unterlegenem zunächst die Kosten des Verfahrens auf (§ 97 Abs. 1  ZPO). Dies ist klar. Auf die Festsetzung eines Gegenstandswertes wurde verzichtet, da vorliegend keine Wertgebühr, sondern eine Festgebühr anfällt (Nr. 1812 Anl. 1 GKG). Für die Festsetzung des Wertes für die anwaltliche Tätigkeit war der notwendige (§ 33 Abs. 1 RVG) Antrag nicht gestellt worden. Im Übrigen dürfte diese Tätigkeit für den Rechtsanwalt allerdings nicht mehr zu dem Rechtszug gehören. § 19 Abs. 1 Nr. 11 RVG ist, da Beschwerde eingelegt wurde, nicht (mehr) einschlägig. Maßgeblich müsste dementsprechend Nr. 3500 VV RVG sein (0,5-Gebühr).

Wichtig ist: Im Rahmen von Entscheidungen nach § 769 ZPO kann man sich ein Rechtsmittel sparen. Man muss jedoch daran denken, dass die Entscheidung vom Gericht jederzeit geändert werden kann. Bei einem günstigen Prozessverlauf kann sich also ein entsprechender Antrag lohnen! Wenn in einer Beschwerdeinstanz separate Gebühren anfallen, lohnt sich stets ein Antrag auf Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren!

BGH: Weitere Behandlung offenbar unsinniger Eingaben

Auch der BGH muss sich häufiger mit offenbar unsinnigen Eingaben und Rechtsmitteln befassen. Im hier entschiedenen Fall (BGH, Beschl. v. 28.11.2024 – III ZB 90/24) hatten mehrere Kläger einen Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld vor einem LG in Anspruch genommen. Die Kläger waren allerdings nicht anwaltlich vertreten. Sie zahlten auch den angeforderten Vorschuss nicht. Nachdem das LG sich dann geweigert hat, die Klage zuzustellen, haben die Kläger dagegen sofortige Beschwerde eingelegt. Diese wurde zurückgewiesen.

Daraufhin wendeten sich die Kläger an den BGH. Dieser legte die Eingabe als Rechtsbeschwerde aus, da ein anderes Rechtsmittel ersichtlich nicht in Betracht gekommen wäre. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht statthaft, da sie weder zugelassen wurde noch deren Zulässigkeit im Gesetz positiv geregelt ist. Darüber hinaus ist die Rechtsbeschwerde unzulässig, da sie nicht durch einen bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt wurde. Der BGH hat die Rechtsbeschwerde daher kostenpflichtig verworfen. Dies alles ist relativ klar.

Interessant ist die Entscheidung aber aus zwei Aspekten heraus: Zum einen hat der BGH darauf hingewiesen, dass mit der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht werden kann, das Beschwerdegericht habe dieselbe zulassen müssen. Zum anderen hat der BGH am Ende des Beschlusses geschrieben: „Mit einer Bescheidung weiterer Eingaben in dieser Sache können die Kläger nicht mehr rechnen.

Diesen Satz sollte man sich merken und in geeigneten Fällen am Ende einer Entscheidung anbringen! Weitere Eingaben, die offenbar unsinnig sind, werden dann anschließend schlichtweg nicht mehr beantwortet. Dies ist eine zielführende Möglichkeit, anzudeuten, dass diese Sache von dem jeweiligen Gericht als beendet angesehen wird.

OLG Celle: Präklusion im Eilrechtsschutzverfahren

Das OLG Celle (Urt. v. 4.10.2024 – 5 U 228/24) hat sich zu einer interessanten Streitfrage geäußert, die sich bei Berufungsverfahren im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes stellt. Insoweit ist schon lange umstritten, ob § 531 Abs. 2 ZPO (Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel) auch im Eilrechtsschutz gilt.

Teilweise wird die Frage verneint. Mit der wohl h. M. geht das OLG Celle allerdings davon aus, dass § 531 Abs. 2 ZPO auch im Eilrechtsschutzverfahren anzuwenden ist. Dafür spricht der Wortlaut des Gesetzes, der insoweit keine Einschränkungen enthält. Es muss allerdings stets geprüft werden, ob ein fehlender Vortrag unter Umständen auf die Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes zurückzuführen ist. Wenn dies der Fall ist, kommt eine Zulassung entgegen § 531 Abs. 2 ausnahmsweise in Betracht.

In der Sache selbst ging es um die Deaktivierung eines „F.-Nutzerkontos“ (wohl Facebook). Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang noch die Ausführungen des OLG Celle zum Streitwert. Hiervon hängt die Zuständigkeit des Gerichts ab (§§ 23, 71 GVG: AG oder LG). Maßgeblich für die Zuständigkeit ist dabei der Streitwert der Hauptsache (nicht derjenige des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens!). Das OLG geht davon aus, dass der Streitwert der Hauptsache 5.000 € beträgt. Der Antragsteller hatte mitgeteilt, dass er das Konto nur noch ergänzend und sporadisch nutzen werde. In einem solchen Fall ist der „Hilfsauffangswert“ in Höhe von 5.000 € ausreichend.

BGH: Aufhebung und Zurückverweisung (einmal wieder!)

Bekanntlich darf ein Berufungsgericht ein Urteil eines erstinstanzlichen Gerichts nicht nur abändern, sondern das Urteil auch aufheben und den Rechtsstreit dann an das erstinstanzliche Gericht zurückverweisen (§ 538 Abs. 2 ZPO). Diese Vorschrift wird von zahlreichen Berufungsgerichten in einer Weise angewendet, die der höchstrichterlichen Rechtsprechung und auch der Absicht des Gesetzgebers diametral widerspricht.

Gerade die Landgerichte als Berufungsgerichte, deren Urteile in aller Regel einer Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde nicht unterliegen, machen sehr häufig von dieser Möglichkeit Gebrauch. Wenn – anders als in der ersten Instanz geschehen – z.B. ein Sachverständigengutachten für notwendig erachtet wird, wird sogleich eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme unterstellt und der Rechtsstreit zurückverwiesen. Dies ist allerdings grob gesetzeswidrig, da die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach ständiger Rechtsprechung des BGH natürlich noch keine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme darstellt, genauso wenig die Vernehmung von wenigen Zeugen.

In seiner neuen Entscheidung zum „LKW-Kartell“, auf deren Einzelheiten hier nicht eingegangen werden kann, hat der BGH (Urt. v. 1.10.2024 – KZR 60/23, WM 2024, 2258) auch Ausführungen zu diesem Problemkomplex vorgelegt. Folgendes ist – einmal wieder – in aller Deutlichkeit festzuhalten (Rn. 47 ff.):

Die Möglichkeit einer Aufhebung und Zurückverweisung wurde durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2001 gegenüber der damaligen Gesetzeslage deutlich eingeschränkt. Zurückverweisungen sollten eine unverzichtbare Ausnahme sein und eine eigene Entscheidung des Berufungsgerichts die Regel werden. Die in § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO angesprochene umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme muss daher sicher zu erwarten sein. Es ist gerade nicht ausreichend, wenn sie im weiteren Verlaufe des Verfahrens unter bestimmten Voraussetzungen erforderlich werden könnte. Im konkreten Fall war eine Gesamtschau aller Umstände durchzuführen und gegebenenfalls eine Schätzung nach § 287 ZPO vorzunehmen. Auch hatten die Parteien bereits Gutachten vorgelegt. In einer solchen Konstellation ist die Durchführung einer umfangreichen und aufwändigen Beweisaufnahme durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens gerade nicht zu erwarten. An diesem Ergebnis ändert sich auch dadurch nichts, dass alle Parteien die Aufhebung und Zurückverweisung beantragt hatten. § 295 ZPO gilt hier gerade nicht, da es sich um einen Fehler bei der Urteilsfällung handelt.

Fazit: Die wenigsten Aufhebungen und Zurückverweisungen durch Berufungsgerichte halten einer Kontrolle durch die Revisionsgerichte stand! Von einer Aufhebung und Zurückverweisung sollte nur in klaren Fällen und nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht werden.

OLG Zweibrücken: Eilrechtsschutz bei einem laufenden Schiedsgerichtsverfahren

Ein ausländisches Unternehmen (Mieterin) stritt mit einer inländischen Maschinenvermieterin um Ansprüche aus einem Mietvertrag. Die Vermieterin hatte den Vertrag gekündigt und verlangte die Herausgabe der Maschinen, die Mieterin berief sich demgegenüber auf eine Kaufoption. Seit September 2023 führen die Parteien ein Verfahren vor einem Schiedsgericht. Gleichwohl beantragte die Mieterin während des laufenden Schiedsgerichtsverfahrens, gegen die Vermieterin eine einstweilige Verfügung zu erlassen.

Das OLG Zweibrücken (Beschl. v. 1.10.2024 – 4 U 74/24) wies im Einvernehmen mit dem LG Frankenthal den Antrag zurück, und zwar weil der Mieter mit dem Antrag fünf Monate gewartet habe. Deswegen fehle es an der Dringlichkeit. Im Übrigen hatte der Mieter selbst ausgeführt, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts abzuwarten sei.

In diesem Rahmen führt das OLG Zweibrücken jedoch aus, dass es das Schiedsgerichtsverfahren nicht ausschließt, vor einem staatlichen Gericht Eilrechtsschutz zu suchen, selbst wenn die ergehende Entscheidung Einfluss auf das Schiedsgerichtsverfahren hat, obwohl nur eine vorläufige Regelung getroffen wird. Es besteht in einem solchen Fall vielmehr eine konkurrierende Zuständigkeit. Nur von staatlichen Gerichten erlassene Beschlüsse bzw. Urteile sind im Übrigen direkt vollstreckbar.

Fazit: Grundsätzlich ist es möglich, staatlichen Eilrechtsschutz zu suchen, auch wenn bereits ein Schiedsgerichtsverfahren läuft. Dasselbe gilt vor dem Beginn eines Schiedsgerichtsverfahrens. Wer einstweiligen Rechtsschutz begehrt, darf sich jedoch nicht zu lange Zeit lassen, sonst wird durch den Zeitablauf die Dringlichkeit widerlegt. Die letztere Erkenntnis ist natürlich allgemeingültig  und nicht auf einstweilige Verfügungen im Rahmen von Schiedsgerichtsverfahren beschränkt.

OLG Hamm: Mahnung per SMS

In der Sache ging es um einen Prozess nach dem UKlaG. Der Kläger war ein qualifizierter Verbraucherverband und die Beklagte ein Inkassounternehmen. In diesem Rahmen hat das OLG Hamm in einer erst vor Kurzem zugänglich veröffentlichten Entscheidung (Urt. v. 7.5.2024 – 4 U 252/22, MDR 2024, 1394) recht interessante Ausführungen zu der Frage vorgelegt, ob grundsätzlich per SMS gemahnt werden darf!

Das OLG Hamm beschäftigte sich zunächst mit § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG (Belästigung). Grundsätzlich kommt eine solche auch bei der Durchsetzung von bestehenden Ansprüchen in Betracht. Eine bloße Mahnung unter Zuhilfenahme von Fernkommunikationsmitteln stellt jedoch noch keine Belästigung dar. Es müssen für die Belästigung weitere Umstände hinzukommen (z. B. beständige Anrufe oder solche zur Nachtzeit). Da eine solche Ausnahme im konkreten Fall nicht vorlag, stellte sich die Frage, ob allein die „Mahn-SMS“ als solche schon eine Belästigung darstellt. In diesem Zusammenhang stelle das OLG Hamm auf die „aktuelle gesellschaftliche Informationswirklichkeit“ ab und verneint angesichts der Üblichkeit dieser Kommunikation sowie der Möglichkeit des Selbstschutzes durch Einstellungen im Mobilfunkgerät eine Belästigung, zumal der Gemahnte in aller Regel auch seine Mobilfunknummer aus eigenem Antrieb dem Mahnenden zur Verfügung gestellt haben wird.

Auch eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 1 S. 1 UWG liegt nicht vor, denn die Beklagte hatte zunächst zwei Mahnungen per Brief versandt. Darauf hatte der Gemahnte nicht reagiert. Ein unzumutbarer Eingriff in die Privatsphäre liegt nicht vor.

Im konkreten Fall wurde jedoch – teilweise – ein Unterlassungsanspruch bejaht. Dies geschah allerdings lediglich deswegen, weil eine nicht bestehende Forderung geltend gemacht wurde. Letztlich will das OLG Hamm die SMS damit genauso behandeln wie eine E-Mail.

Aus dieser Entscheidung wird man insgesamt den Schluss ziehen können, dass grundsätzlich per SMS gemahnt werden darf. Allerdings sind verschiedene Einschränkungen zu beachten: U. a. muss der Mahnende die Mobilfunknummer des Gemahnten rechtmäßig erhalten haben, die Mahnung darf nicht zur „Unzeit“ eingehen und auch nicht ständig wiederholt werden. Im Einzelfall können auch noch weitere Anforderungen hinzukommen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass eine Mahnung per SMS in geeigneten Fällen durchaus sinnvoll sein kann und – insbesondere für das Inkasso – weitere Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet.

Hinweis: Die vorstehenden Ausführungen dürften auf andere Mitteilungssysteme, wie z. B. WhatsApp, Signal etc. zu übertragen sein.

OLG Dresden: Verschiedene Mittel der Glaubhaftmachung

Im Rahmen einer Entscheidung über den Bericht über Äußerungen eines AfD-Politikers aus einem Gespräch mit einem Geistlichen hat das OLG Dresden (Beschl. v. 28.5.2024 – 4 U 676/24) einige interessante Ausführungen zu Mitteln der Glaubhaftmachung, z. B. im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, vorgelegt.

In der Sache ging es um einen Landtagsabgeordneten, der im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahren verbieten lassen wollte, in einem Medienhaus bestimmte Behauptungen zu verbreiten. In diesem Rahmen kommt es bekanntlich auf die Glaubhaftmachung an (§§ 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO). In einem solchen Verfahren gelten nicht die förmlichen Beweisverfahren der ZPO, sondern der Freibeweis. Allerdings können auch präsente Zeugen vernommen werden (§ 294 Abs. 2 ZPO). Es kann jedoch auch die Gegenpartei benannt werden, ohne dass die Voraussetzungen des § 445 ZPO vorliegen müssen. Weiterhin ist die Vorlage unbeglaubigter Kopien von Schriftstücken sowie von Privatgutachten möglich. Darüber hinaus können ebenso anwaltliche Versicherungen eingebracht werden, schriftliche Zeugenaussagen und sogar einfache Parteierklärungen. Das OLG hält auch Zeugen vom Hörensagen für geeignet, eine Grundlage für eine Glaubhaftmachung zu legen. Dabei ist zu beachten, dass der Beweiswert derartiger Aussagen häufig geringer sein wird als derjenige von Zeugen, die von unmittelbar Erlebtem berichten. Es kommt dann immer auf die Gesamtwürdigung aller Beweistatsachen im Einzelfall an.

Auch der BGH (Beschl. v. 6.10.2016 – VII ZR 185/13 Rn. 26) hat bereits entschieden, dass ein Zeuge vom Hörensagen ein zu vernehmender Zeuge ist und daher als Beweismittel nicht ohne weiteres als ungeeignet angesehen werden kann. Im konkreten Fall war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht erfolgreich, da das OLG – dem LG folgend – einer Zeugin vom Hörensagen letztlich mehr Glauben schenkte als den Angaben des Antragstellers selbst.

Man sieht also: Bei der Glaubhaftmachung hat man zahlreiche Möglichkeiten, ans Ziel zu kommen.