BGH: Zuständigkeit für die Kostenentscheidung nach Rücknahme einer nicht statthaften Beschwerde

Der BGH  hat sich mit der Zuständigkeit für eine Kostenentscheidung in einer besonderen Fallkonstellation befasst. Seiner Entscheidung (Beschl. v. 15.03.2022 –  X ZR 16/22) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger gewann vor dem AG einen Prozess gegen die Beklagte. Der Streitwert betrug 883 Euro. Auf die Berufung der Beklagten änderte das LG jedoch das Urteil ab. Die Klage wurde abgewiesen. Der Kläger legte bei dem Berufungsgericht nach dem Erlass des Urteils Beschwerde ein, und zwar mit dem Antrag, die Revision zuzulassen. Das Gericht wies darauf hin, dass ein solcher Antrag nicht möglich sei. Daraufhin nahm der Kläger den Antrag wieder zurück. Die Beklagte beantragte sodann, dem Kläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Das LG war der Auffassung, dafür sei der BGH zuständig und legte die Akten dort vor.

Der BGH gab die Angelegenheit dem LG zurück, um die Kostenentscheidung in eigener Zuständigkeit zu treffen. Eine ausdrückliche Regelung für eine Kostenentscheidung in einer derartigen Fallkonstellation existiert zwar nicht, nach ständiger Rechtsprechung ist aber die Vorschrift des § 516 Abs. 3 ZPO (wonach derjenige, der die Berufung zurücknimmt, die Kosten zu tragen hat) auf praktisch alle Rechtsmittelrücknahmen anzuwenden.

Damit war allerdings noch nicht die Frage beantwortet, welches Gericht für die in einem solchen Fall sogar von Amts wegen zu treffende Kostenentscheidung zuständig ist. Der BGH begnügt sich insoweit damit, auf eine recht alte Entscheidung (Beschl. v. 18.6.1953 – IV ZB 51/53) zu verweisen. Darin wurde ausgesprochen, dass das Gericht, bei dem die unzulässige Beschwerde eingelegt wurde, jedenfalls dann für die Kostenentscheidung zuständig ist, wenn das Rechtsmittel zurückgenommen wird, bevor die Sache überhaupt an den BGH abgegeben wurde. Genauso lagen die Dinge hier.

Hier waren dem Rechtsanwalt des Klägers doch einige Missverständnisse unterlaufen: Die Nichtzulassungsbeschwerde wäre nicht bei dem LG, sondern bei dem BGH einzulegen gewesen (§ 544 Abs. 3 ZPO). Sie wäre aber auch dort offensichtlich unzulässig gewesen, da das LG nicht die Berufung verworfen, sondern in der Sache entschieden hat und – angesichts des Streitwertes – die Beschwer des Klägers 20.000 Euro nicht überstieg (§ 544 Abs. 2 ZPO). Schließlich hätte mit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde natürlich auch ein bei dem BGH zugelassener Rechtsanwalt beauftragt werden müssen (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO).

Fazit: Die Entscheidung ist sachgerecht und erspart eine unnötige Aktenversendung, zumal der Inhalt der zu treffenden Entscheidung ohnehin vom Gesetz vorgegeben ist.

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Diese Woche geht es um die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten, die in einem obligatorischen Güteverfahren angefallen sind.

Kosten der anwaltlichen Vertretung in einem obligatorischen Güteverfahren
Beschluss vom 24. Juni 2021 – V ZB 22/20

Mit der Reichweite von § 15a Abs. 4 EGZPO und § 91 Abs. 1 ZPO befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Parteien führten eine nachbarrechtliche Streitigkeit. Ein Einigungsversuch vor der Gütestelle blieb erfolglos, weil nur die Kläger (zusammen mit ihrer späteren Prozessbevollmächtigten) erschienen waren, nicht aber die Beklagten. Im nachfolgenden Rechtsstreit legte das Gericht den Beklagten die Kosten auf. Im Kostenfestsetzungsverfahren machten die Kläger unter anderem die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten (rund 380 Euro) geltend. Der Festsetzungsantrag blieb insoweit in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde der Kläger hat ebenfalls keinen Erfolg.

Nach § 15a Abs. 4 EGZPO gehören die Kosten einer Gütestelle, die durch ein obligatorisches Einigungsverfahren entstanden sind, zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 und 2 ZPO. Diese Vorschrift ist im Streitfall anwendbar, weil ein Güteverfahren nach § 15a Abs. 1 EGZPO und dem einschlägigen Landesrecht zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage war. Zu den danach zu erstattenden Kosten gehören jedoch nur die Gebühren der Gütestelle, nicht die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten.

§ 91 Abs. 3 ZPO, wonach zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 und 2 ZPO auch die Gebühren gehören, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind, wird bei obligatorischen Schlichtungsverfahren durch die Sonderregelung in § 15a Abs. 4 EGZPO verdrängt. Unabhängig davon erfasst auch § 91 Abs. 3 ZPO nur die Kosten der Gütestelle, nicht aber Anwaltskosten (BGH, B. v. 15.1.2019 – II ZB 12/17 Tz. 10 – MDR 2019, 378).

Die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten fallen auch nicht unter die allgemeine Regelung im § 91 Abs. 1 ZPO. Sie sind – entgegen der bislang wohl überwiegenden Auffassung – auch bei einem obligatorischen Güteverfahren nicht als Kosten zur Vorbereitung des Rechtsstreits zu qualifizieren, sondern als Kosten zur Abwendung eines drohenden Rechtsstreits. Dies gilt auch dann, wenn eine Partei bereits in diesem Stadium einen Rechtsanwalt beizieht.

Praxistipp: Hinsichtlich der Kosten eines Anwalts, der erst nach dem erfolglosen Abschluss des Güteverfahrens vorgerichtlich tätig geworden ist, dürfte nach Maßgabe der hierfür allgemein geltenden Grundsätze ein materiellrechtlicher Erstattungsanspruch bestehen.

BGH: Kosten für die Vor- und Nachbereitung von Ortsterminen

Der BGH (Beschl. v. 24.2.2021 – VII ZB 55/18, MDR 2021, 647) hatte über die Kosten einer Partei zur Beauftragung von Handwerkern zwecks Vor- und Nachbereitung von Ortsterminen mit dem gerichtlichen Sachverständigen zu entscheiden:

Die Parteien führten einen Bauprozess der durch einen Vergleich mit Kostenaufhebung beendet wurde. Die Beklagte meldete im Rahmen der Kostenausgleichung Handwerkerkosten an. Diese waren dadurch entstanden, dass für die Beweisaufnahme bei einem Ortstermin mit einem Sachverständigen Vorbereitungs- und Nachbereitungsarbeiten erforderlich waren. Das LG hatte die Berücksichtigung dieser Kosten im Rahmen der Kostenfestsetzung abgelehnt. Es handele sich um außergerichtliche Kosten, die eben gegeneinander aufgehoben seien. Das OLG hielt diese Argumentation für zu formal und hatte diese Kosten berücksichtigt. Die Kosten seien wie Sachverständigenkosten zu behandeln. Der BGH stellt die Entscheidung des LG wieder her!

Der BGH weist einmal mehr darauf hin, dass es sich bei dem Kostenfestsetzungsverfahren um ein einfaches Verfahren handelt, worin keine komplexe materiell-rechtlichen Fragen erörtert werden sollen und können. Demgemäß sind kostenrechtliche Vereinbarungen entsprechend dem Wortlaut der Vereinbarung auszulegen. Ein Parteiwille muss zumindest andeutungsweise im Wortlaut zum Ausdruck kommen. Zwar zählen Kosten eines Sachverständigen zu den Gerichtskosten, die gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO hälftig zu teilen sind, wobei zu den Sachverständigenkosten auch die Kosten seiner Hilfskräfte gehören. Es besteht aber im Wesentlichen Einigkeit in der Rechtsprechung darüber, dass die Kosten, die einer Partei in diesem Zusammenhang entstehen, eben außergerichtliche Kosten darstellen. Sie sind bei der Partei entstanden und nicht bei dem Sachverständigen. Der Wortlaut der zwischen den Parteien vereinbarten Kostenentscheidung ergibt keinen Anhaltspunkt, dies anders zu sehen. Im Übrigen hätten es die Parteien selbst in der Hand gehabt, diese Kosten im Rahmen des Vergleiches zu berücksichtigen.

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Diese Woche geht es um die Kostenentscheidung bei Rücknahme einer von Beginn an unbegründeten Klage.

Anlass zur Einreichung der Klage
Beschluss vom 17. Dezember 2020 – I ZB 38/20

Mit den Voraussetzungen des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO befasst sich der I. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte die Beklagte wegen Urheberrechtsverletzung abgemahnt, weil über den Internetanschluss der Beklagten an einem bestimmten Tag zwei Folgen einer Fernsehserie öffentlich zum Download angeboten worden waren. Die Beklagte gab ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Angaben zur Nutzung ihres Internetanschlusses eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Die Klägerin klagte daraufhin auf Schadensersatz und Erstattung von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von insgesamt 1.107,50 Euro. In ihrer Klageerwiderung teilte die Beklagte mit, sie habe ihre Wohnung im betreffenden Zeitraum über Airbnb vermietet und sich andernorts aufgehalten. Die Mieterin habe mitgeteilt, dass vermutlich einer ihrer Brüder die Rechtsverletzung begangen habe. Die Klägerin nahm die Klage zurück und beantragte, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Das AG hob die Kosten gegeneinander auf. Die Beschwerde der Beklagten blieb erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten führt zu einer Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen können die Kosten nicht gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ganz oder teilweise der Beklagten auferlegt werden. Es fehlt schon an einem Anlass zur Klage im Sinne dieser Vorschrift. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung reicht es zwar aus, wenn die Klage zumindest vor Rechtshängigkeit zu irgendeinem Zeitpunkt zulässig und begründet gewesen wäre und der Kläger bei Einreichung der Klage weder wusste noch wissen musste, dass sich eine Änderung ergeben hat. Nicht ausreichend ist aber, wenn der Kläger nur subjektiv davon ausging, dass seine Klage Erfolg haben würde. Darüber hinaus ist eine Kostenentscheidung zugunsten der Klägerin im Streitfall auch deshalb nicht möglich, weil das Ereignis, das den Anlass zur Klage entfallen ließ, erst nach Rechtshängigkeit eingetreten ist. § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist nur dann anwendbar, wenn das ändernde Ereignis vor Rechtshängigkeit stattgefunden hat. Eine Umdeutung der Klagerücknahme in eine Erledigungserklärung oder einen Antrag auf Feststellung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nicht möglich.

Praxistipp: Wegen der fehlenden Möglichkeit der Umdeutung sollte der Kläger in solchen Fällen vor der Rücknahme sorgfältig prüfen, ob nicht eine Erledigungserklärung oder ein Antrag auf Feststellung der materiell-rechtlichen Pflicht zur Kostentragung zweckmäßiger ist.

AG Leipzig: Anrechnung von Kosten eines Inkassobüros

In einem Verfahren vor dem AG Leipzig (Beschl. v. 7.1.2020 – 108 C 2014/19) hatte der Kläger  ein Inkassobüro (vgl. § 10 Abs. 1 RDG) mit der außergerichtlichen Beitreibung seiner Forderung gegen den Beklagten beauftragt. Die Bemühungen des Inkassobüros waren nicht erfolgreich. Es fielen jedoch Inkassokosten ungefähr in Höhe einer 1,3-Geschäftsgebühr eines Rechtsanwalts an (vgl. auch § 4 EGRDG). Daraufhin klagte ein Rechtsanwalt die Forderung nebst der Inkassokosten ein. Der Kläger gewann den Prozess. Im Kostenfestsetzungsverfahren meldete der Klägervertreter eine 1,3-Geschäftsgebühr zur Festsetzung an.

Der Beklagte widersprach und meinte, es habe eine Anrechnung nach Vorb. 3 IV VV-RVG zu erfolgen. Hätte der Kläger nämlich sogleich einen Rechtsanwalt beauftragt, der vorgerichtlich tätig geworden wäre, wäre anzurechnen gewesen.

Mit diesem Einwand hatte der Beklagte jedoch keinen Erfolg. Die Voraussetzungen einer Anrechnung liegen schon ihrem Wortlaut nach nicht vor. Anzurechnen ist nur dann, wenn derselbe Anwalt außergerichtlich und alsdann gerichtlich tätig geworden ist. Findet hingegen zwischendurch ein Anwaltswechsel statt, kommt eine Anrechnung nicht in Betracht. Dies hat der BGH bereits ausdrücklich entschieden (Beschl. v. 10.12.2009 – VII ZB 41/09, MDR 2010, 293). Die Anrechnungsvorschrift dient nicht dem Schutz des Prozessgegners. Nichts anderes kann für den Fall gelten, dass außergerichtlich ein Inkassobüro tätig geworden war, zumal dieser Fall noch nicht einmal von dem Wortlaut der Vorschrift überhaupt erfasst wird. Eine fiktive Anrechnung findet eben nicht statt.

Letztlich bedeutet dies: Der Beklagte hat bei der Einschaltung eines Inkassobüros sowohl die Inkassokosten zu erstatten als auch die anwaltliche Geschäftsgebühr in voller Höhe. Eine fiktive Anrechnung kommt nicht in Betracht.

 

 

 

OLG Frankfurt: Beschwer der Partei bei Festsetzung eines zu niedrigen Streitwerts

In einem Zivilprozess hatte das LG den Streitwert auf 25.000 EUR festgesetzt. Die Beklagtenvertreter legten ausdrücklich „namens des Beklagten“ gegen den entsprechenden Beschluss Beschwerde ein und beantragten die Festsetzung des Streitwertes auf über 22 Millionen EUR. Das LG half der Beschwerde teilweise ab, indem es den Streitwert auf etwas über 4 Millionen EUR festsetzte. Im Übrigen half das LG der Beschwerde nicht ab, sondern legte die Sache dem OLG zur Entscheidung vor.

Das OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.8.2019 – 8 W 36/19, verwarf die Beschwerde – soweit ihr von dem LG nicht abgeholfen wurde – als unzulässig. Dieses vielleicht auf den ersten Blick überraschende Ergebnis ist bei näheren Hinsehen klar: Die Partei selbst kann durch eine zu niedrige Festsetzung des Streitwertes regelmäßig nicht beschwert sein, denn sie müsste bei einem höheren Streitwert mehr an ihren Rechtsanwalt zahlen, was einen Nachteil darstellt und keinen zu erstrebenden Vorteil. Es gibt von diesem Grundsatz zwar Ausnahmen (z.B., wenn eine Honorarvereinbarung bei einem höheren Streitwert zu einem niedrigeren Gesamthonorar führen könnte), eine solche liegt jedoch hier nicht vor. Die Partei kann auch eine Streitwertbeschwerde nicht dazu nützen, das finanzielle Prozessrisiko der Gegenpartei zu steigern. Ein solches Begehren begründet gerade keine Beschwer.

Nachdem vorliegend die Beschwerde ausdrücklich „namens des Beklagten“ erhoben wurde, und auch weiterhin im Rahmen der Beschwerde erklärt wurde, der Beklagte halte an dem Rechtsmittel ausdrücklich fest, kommt eine Umdeutung oder andere Auslegung des Rechtsmittels nicht in Betracht.

Beschwert ist durch eine zu niedrige Streitwertfestsetzung hingegen der Rechtsanwalt. Deswegen darf er gegen eine zu niedrige Festsetzung des Streitwertes Beschwerde einlegen (§ 32 Abs. 2 RVG).

Zwar ist die Rechtsprechung der Beschwerdegerichte in Zweifelsfällen oftmals durch eine großzügige Auslegung von Rechtsmitteln behilflich (das Rechtsmittel wird im Zweifel so ausgelegt, dass es wirksam ist), darauf sollte man sich allerdings nicht unbedingt verlassen. Der Rechtsanwalt sollte vielmehr vor dem Einlegen einer Streitwertbeschwerde genau überlegen, ob er sie im Namen der von ihm vertretenen Partei oder im eigenen Namen einlegt. Da die Beschwerde nicht so schnell verfristet (§§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG), wird es auch noch häufiger möglich sein, nach Verwerfung einer Beschwerde noch eine weitere, zulässige Beschwerde einzulegen.

 

 

 

BVerwG: Erstattungsfähige Reisekosten bei Bahnreisen

Eine interessante Entscheidung hat das BVerwG (Beschl. v. 27.6.2019 – 2 KSt 1.19) zur Frage der Reisekosten bei Bahnfahrten getroffen. Die Entscheidung erging auf eine Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss.

Nachdem der Kläger den Prozess letztinstanzlich verloren hatte, beantragte die beklagte Behörde, die Kosten für die Bahnreise eines Behördenvertreters zum Termin der mündlichen Verhandlung vor dem BVerwG zu Lasten des Klägers festzusetzen.

Zwar muss jede Partei die Kosten möglichst niedrig halten, jedoch sind die Kosten für die Teilnahme an einem Termin zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich erstattungsfähig, selbst wenn ein persönliches Erscheinen nicht angeordnet war. Gemäß § 5 Abs. 1 JVEG sind Kosten für Bahnfahrten ohne weiteres erstattungsfähig. Dem Grunde nach bestehen gegen den Anspruch somit keine Bedenken.

Fraglich war hier deswegen vor allem die Höhe. Die Beklagte wollte die Kosten für einen eingekauften „Flexpreis“-Tarif erstattet haben, der Kläger wollte nur den „Super-Sparpreis“ bezahlen. Das BVerwG gibt der Behörde Recht. Insoweit sind aus mehreren Gründen berechtigte Interessen des zum Termin Anreisenden (bzw. der von ihm vertretenen Partei) anzuerkennen. Der Anreisende muss in gewissem Sinne flexibel sein und bleiben. Für den Abreisezeitpunkt ergibt sich dies bereits daraus, dass die Dauer eines Termins nicht immer zuverlässig voraussehbar ist. Aber auch bei der Anreise kann es Probleme geben, die eine frühere oder spätere Anreise erforderlich machen können. Darüber hinaus sind die „Super-Sparpreise“ regelmäßig nicht erstattungsfähig. Wenn also – was durchaus nicht selten vorkommt – der Termin ausfällt bzw. verschoben werden muss, z.B. wegen einer Erkrankung eines Beteiligten, sind die Kosten für die „Super-Sparpreis“-Fahrkarte verloren. Bei einem Flexpreis-Tarif hingegen ist regelmäßig wenigstens eine Erstattung zu einem überwiegenden Teil möglich. Zu einer „Jagd auf Fahrpreis-Schnäppchen“ ist der Anreisende nicht verpflichtet. Eine solche Pflicht zu statuieren, würde zu weit gehen.

Fazit: Reisekosten eines Verfahrensbeteiligten in Gestalt von Fahrkarten der Deutschen Bahn im sog. „Flexpreis“-Tarif sind stets erstattungsfähig. Eine lebensnahe Entscheidung, die Zustimmung verdient und Schule machen sollte.

 

 

 

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Diese Woche geht es um die Kostenentscheidung im Falle eines Anerkenntnisurteils.

Keine Schlüssigkeitsprüfung nach Anerkenntnis
Beschluss vom 16. Januar 2020 – V ZB 93/18

Mit den Voraussetzungen des § 93 ZPO befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger ist seit 1994 alleiniger Erbe eines landwirtschaftlichen Hofs. Rund zwanzig Jahre nach dem Erbfall verlangte er vom Beklagten, der als Testamentsvollstrecker bestellt ist, außergerichtlich die Freigabe einiger zum Hof gehörender Grundstücke. Der Beklagte reagierte darauf nicht. Nach Klageerhebung zeigte der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft an und behielt sich ein Anerkenntnis vor. Eine Klageerwiderung reichte er nicht ein. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erkannte er den Klageanspruch unter Verwahrung gegen die Kostenlast an. Das LG erließ Anerkenntnisurteil und legte die Kosten dem Beklagten auf. Die gegen die Kostenentscheidung gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Der Beklagte hat Veranlassung zur Klage gegeben, weil er auf die außergerichtliche Aufforderung nicht reagiert hat. Als Testamentsvollstrecker war er gehalten, auf das Verlange des Erben zu reagieren und zu erklären, weshalb er die Freigabe verweigert. Der Beklagte hat den Anspruch auch nicht sofort anerkannt, weil er das Anerkenntnis nicht innerhalb der Frist zur Klageerwiderung abgegeben hat.

Ob die Klage schlüssig und begründet war, ist unerheblich. Ein nach Ablauf der Klageerwiderungsfrist abgegebenes Anerkenntnis ist nach der Rechtsprechung des BGH allerdings als rechtzeitig anzusehen, wenn die Klage zunächst nicht schlüssig war, der Kläger später nachbessert und der Beklagte den Anspruch daraufhin sofort anerkennt. Diese Grundsätze gelten indes nicht, wenn sich das Klagevorbringen im Zeitraum zwischen Klageerhebung und Anerkenntnis nicht ändert.

Praxistipp: Die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft im schriftlichen Vorverfahren steht einem sofortigen Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO grundsätzlich nicht entgegen. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Beklagte schon in diesem Stadium einen Antrag auf Klageabweisung ankündigt oder dem Klagebegehren in sonstiger Weise inhaltlich entgegentritt.

OLG Frankfurt: Kostenhaftung des Antragsgegners im Streitverfahren

In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass Verfahren „versanden“. Sie kommen irgendwie aus den verschiedensten Gründen (z. B.: Mandant unerreichbar oder verstorben, Anwälte reagieren nicht mehr, Gericht entfaltet keine Tätigkeiten mehr, allseitige Unlust usw.) zum Erliegen. Das Gericht legt die Akte dann gemäß der Aktenordnung nach sechs Monaten weg. Sehr häufig passiert dies im Anschluss an ein Mahnverfahren. Regelmäßig ereignet sich in der Praxis die folgende Konstellation, wie in einem Verfahren vor dem OLG Frankfurt (Beschl. v. 18.7.2019 – 18 W 107/19): Es ergeht ein Mahnbescheid, diesem wird in vollem Umfang widersprochen. Der Streitantrag von Antragsteller war gestellt, der erforderliche weitere Kostenvorschuss wird von diesem jedoch nicht mehr gezahlt.

In einer solchen Konstellation hat der Antragsgegner oftmals ein eigenes Interesse daran, das Verfahren zu Ende zu bringen; und sei es nur, um einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Antragsteller zu erlangen. Da der Antragsteller – wie im Zivilprozess üblich – zu nichts gezwungen werden kann, muss dann der Antragsgegner selbst aktiv werden. Er kann seinerseits einen Streitantrag stellen, dann wird das Verfahren vom Mahngericht an das Streitgericht abgegeben. Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 3 GKG darf die Abgabe in diesem Fall allerdings nicht von der Zahlung des Gerichtskostenvorschusses abhängig gemacht werden. Reagiert dann der Antragsteller nicht mehr, kommt es oft letztlich zu einem klageabweisenden Versäumnisurteil gegen den früheren Antragsteller und nunmehrigen Kläger. Meistenteils geben die Kläger aber vorher auf und nehmen die Klage zurück, weil dies viel billiger ist. Es fallen dann nämlich nur 1/3 der Gerichtskosten und keine weiteren Anwaltskosten an, insbesondere keine Termingebühren.

Es ist allerdings zu beachten, dass der Antragsgegner durch den Streitantrag zum Kostenschuldner wird (§ 22 Abs. 1 GKG)! Mahn- und Streitverfahren sind kostenrechtlich zwei Rechtszüge. Hatte der Antragsteller – ohne den Kostenvorschuss gezahlt zu haben – schon den Streitantrag gestellt, so haften beide Parteien als Gesamtschuldner; eine Enthaftung des Antragsgegners folgt daraus nicht. Dies begründet das OLG Frankfurt ausführlich.

Dieses Kostenrisiko muss bei Streitanträgen von Antragsgegnerseite unbedingt beachtet werden. Wenn z. B. – was sich in der Praxis durchaus ereignet (!) – ein Antragsteller ohne zureichende finanzielle Mittel im Mahnverfahren – lediglich aus sachfremden Motiven heraus – einen Mahnbescheid über eine sehr hohe, angebliche Forderung beantragt, so sollte man als Antragsgegner von einem eigenen Streitantrag Abstand nehmen, sonst erreicht der Antragsteller genau das, was er eigentlich will: Die Belastung des Antragsgegners mit Kosten. Auf dieses Risiko muss der Rechtsanwalt, der den Antragsgegner vertritt, diesen unbedingt hinweisen, sonst könnte er sich schadensersatzpflichtig machen!

Das OLG Frankfurt wurde im Erinnerungsverfahren mit dieser Sache befasst. Es hat bei dieser Gelegenheit daran erinnert, dass  dieses Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren kosten- und kostenerstattungsfrei ist (§ 66 Abs. 8 GKG).

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Diese Woche geht es um die Vergütung des Rechtsanwalts im Falle einer Zurückverweisung vom Rechtsmittelgericht an ein erstinstanzliches Gericht, das mit der Sache bislang noch nicht befasst war.

Anwaltsvergütung bei Diagonalverweisung
Beschluss vom 20. November 2019 – XII ZB 63/19

Der XII. Zivilsenat entscheidet eine in Literatur und Instanzrechtsprechung umstrittene Frage.

Der Antragsteller hatte seine frühere Ehefrau kurz nach der Scheidung beim LG auf Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch genommen. Das LG wies die Klage als unzulässig ab. Der Zivilsenat des OLG verwies die Sache an das zuständige Familiengericht. Dieses wies das Zahlungsbegehren als unbegründet ab. Der Familiensenat des OLG entschied teilweise zugunsten des Ehemanns, legte ihm aber die Mehrkosten auf, die durch die Klage beim LG entstanden sind. Das AG setzte zugunsten der Ehefrau für das Verfahren vor dem LG und vor dem Zivilsenat des OLG jeweils eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr fest. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Ehemanns blieb erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde des Ehemanns hat ebenfalls keinen Erfolg. Der BGH tritt der vom Beschwerdegericht vertretenen Auffassung bei, dass die beim Landgericht entstandenen Gebühren in vollem Umfang Mehrkosten darstellen, weil nach der Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht sowohl die Verfahrensgebühr als auch die Terminsgebühr von neuem entstanden sind. Bei einer Verweisung oder Abgabe an ein anderes Gericht bilden die Verfahren vor dem verweisenden und dem übernehmenden Gericht nach § 20 Satz 1 RVG einen einheitlichen Rechtszug. Nach § 20 Abs. 2 RVG entsteht hingegen ein neuer Rechtszug, wenn die Verweisung oder Abgabe an ein Gericht einer niedrigeren Instanz erfolgt. Diese Vorschrift greift unabhängig davon, ob sich das zuerst angerufene Gericht als zuständig angesehen hat oder nicht. Entgegen einer verbreiteten Auffassung gilt sie darüber hinaus nicht nur im Verhältnis zwischen dem verweisenden und dem übernehmenden Gericht, sondern auch im Verhältnis zwischen dem übernehmenden und dem zuerst angerufenen Gericht. Im Streitfall sind damit gesonderte Gebühren für insgesamt vier Instanzen angefallen (LG – OLG Zivilsenat – AG – OLG Familiensenat). Die Gebühren für die beiden ersten Rechtszüge gehören zu den vom Ehemann zu tragenden Mehrkosten.

Praxistipp:  Bei einer Zurückverweisung an ein Gericht, das mit der Sache bereits befasst war, entsteht nach § 21 Abs. 1 RVG ebenfalls ein neuer Rechtszug. In diesem Fall ist die im ersten Durchgang entstandene Verfahrensgebühr aber gemäß Vorbem. 3 Abs. 6 VV-RVG auf die Verfahrensgebühr für das erneute Verfahren anzurechnen.