Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Abgrenzung zwischen Mangelschäden und sonstigen Schäden beim Werkvertrag.

Schadensersatz nach Kündigung eines Reinigungsvertrags
Urteil vom 10. Oktober 2019 – VII ZR 1/19

Dass die vor der Schuldrechtsmodernisierung häufig umstrittene Abgrenzung zwischen Mangelschäden und sonstigen Schäden auch nach neuem Recht relevant sein kann, belegt eine Entscheidung des VII. Zivilsenats.

Das klagende Land Berlin hatte mit der Beklagten einen Vertrag über Reinigungsleistungen mit einer Laufzeit von zweieinhalb Jahren geschlossen. Nach rund fünf Monaten erklärte es die außerordentliche Kündigung des Vertrags wegen schwerwiegender und systematischer Reinigungsmängel. In der Folgezeit beauftragte es andere Unternehmen mit den betreffenden Leistungen. Nach Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Vertragslaufzeit – rund drei Jahre nach der Kündigung – klagte es die entstandenen Mehrkosten in Höhe von rund 160.000 Euro ein. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das Kammergericht zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sind die Klageansprüche nicht verjährt. § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB, der für Ansprüche auf Schadensersatz wegen eines Werkmangels eine Verjährungsfrist von zwei Jahren vorsieht, ist nicht anwendbar. Zwar ist der zwischen den Parteien geschlossene Reinigungsvertrag als Werkvertrag zu qualifizieren. Die geltend gemachten Mehraufwendungen beruhen aber nicht auf einem Mangel der von der Beklagten erbrachten Reinigungsleistungen, sondern darauf, dass die Beklagte die geschuldeten Leistungen im Zeitraum nach der Kündigung nicht mehr erbracht hat. Für diesbezügliche Schadensersatzansprüche gilt auch dann die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 und § 199 BGB, wenn die Kündigung auf Mängel der zuvor erbrachten Reinigungsleistungen gestützt war.

Praxistipp: Wenn auch nur entfernte Zweifel bestehen, ob § 634a oder § 195 BGB maßgeblich ist, sollte die Klage sicherheitshalber innerhalb der kürzeren Frist erhoben werden – sofern dies noch möglich ist.

EuGH: Beschränkung der SEPA-Lastschrift auf Inländer unwirksam

Die SEPA-Lastschrift ist weiterhin ein sehr gängiges, da einfaches und kostengünstiges Zahlungsmittel. Die Deutsche Bahn hatte beim Onlineverkauf von Tickets die Nutzbarkeit dieses Zahlungsmittels jedoch auf Buchende mit Wohnsitz in Deutschland beschränkt. Hier gegen klagte der äußerst rührige Verein für Konsumenteninformation (VKI) aus Österreich. Er hielt einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 260/12 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro für gegeben.

Darin heißt es

Ein Zahlungsempfänger, der eine Überweisung annimmt oder eine Lastschrift verwendet, um Geldbeträge von einem Zahler einzuziehen, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Union ist, gibt nicht vor, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist, sofern das Zahlungskonto gemäß Artikel 3 erreichbar ist.

Das Problem: Die Bahn knüpft gar nicht an das Land des Zahlungskontos an, sondern an das Land, in dem der Kunde seinen Wohnsitz hat.

Der EuGH hält das Vorgehen der Bahn dennoch für rechtswidrig, da ein Bürger in der Regel in seinem Wohnsitzland über ein Bankkonto verfügt und somit faktisch eine Anknüpfung an das Wohnsitzland besteht:

Durch eine solche Klausel wird somit indirekt der Mitgliedstaat bestimmt, in dem das Zahlungskonto zu führen ist. Sie entfaltet daher vergleichbare Wirkungen wie die Bestimmung eines konkreten Mitgliedstaats.

In den meisten Fällen beschränkt dieses Wohnsitzerfordernis nämlich den Zugang für die Zahlung per SEPA-Lastschrift auf Zahler mit einem Zahlungskonto in dem Mitgliedstaat, in dem der Zahlungsempfänger seinen Sitz hat, und schließt damit Zahler mit einem Zahlungskonto in einem anderen Mitgliedstaat von dieser Zahlungsart aus.

Auf diese Weise bewirkt die Klausel, dass diese Zahlungsart im Wesentlichen auf Inlandszahlungen im Sinne von Art. 2 Nr. 27 der Verordnung Nr. 260/2012 beschränkt wird, d. h. auf Zahlungsvorgänge zwischen einem Zahler und einem Zahlungsempfänger, die ein Zahlungskonto bei Zahlungsdienstleistern haben, die jeweils im selben Mitgliedstaat ansässig sind. Dies führt zum Ausschluss der meisten grenzüberschreitenden Zahlungen, an denen gemäß Art. 2 Nr. 26 dieser Verordnung Zahlungsdienstleister beteiligt sind, die in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässig sind.

Folglich kann eine Klausel wie die im Ausgangsverfahren fragliche die praktische Wirksamkeit von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 260/2012 beeinträchtigen, da sie den Zahlern die Möglichkeit nimmt, einen Lastschrifteinzug von einem in einem Mitgliedstaat ihrer Wahl geführten Konto vornehmen zu lassen. Diese Klausel steht somit dem Ziel dieser Bestimmung entgegen, das – wie in Rn. 28 des vorliegenden Urteils ausgeführt – darin besteht, zu verhindern, dass durch Geschäftsregeln die Schaffung eines integrierten Marktes für elektronische Zahlungen in Euro im Sinne des ersten Erwägungsgrundes dieser Verordnung beeinträchtigt wird.

SEPA-Diskriminierung ist unzulässig – und nun?

Das Interesse von Zahlungsempfängern ist klar: Eine „geplatzte“ SEPA-Lastschrift verursacht einigen Ärger und Aufwand. Die Bonitätsprüfung vor Vertragsschluss, insbesondere aber auch die Geltendmachung des Anspruchs beim Zahlenden im Falle des Fehlschlagens der Zahlung ist dabei auf nationaler Ebene deutlich handlicher, als bei einer Nutzung im gesamten Euro-Raum. Durch diese Entscheidung des EuGH wird Zahlungsempfängern derzeit aber nur die Möglichkeit zur Seite zu stehen, entweder einen Dienstleister für diesen Vorgang mit einzubeziehen, der eine Zahlungsgarantie abgibt (wie z.B. PayPal) oder das SEPA-Verfahren aus den möglichen Zahlungsoptionen zu entfernen, sofern man keine unkalkulierbaren Risiken eingehen möchte.

EuGH, Urt. v. 05.09.2019, C-28/18

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Berechtigung an dem Guthaben auf einem Sparbuch, das Eltern für ihr Kind angelegt haben.

Berechtigung an einem Sparguthaben
Urteil vom 17. Juli 2019 – XII ZB 425/18

Mit den Rechtsverhältnissen zwischen Bank, Kind und Eltern befasst sich der XII. Zivilsenat.

Der Antragsgegner und seine damalige Ehefrau hatten im Jahr 1997 für ihr im Jahr zuvor geborenes Kind – die jetzige Antragstellerin – ein Sparkonto eingerichtet. In den Jahren 2010 und 2011 hob der Antragsgegner ohne Rücksprache mit seiner Ehefrau 17.300 Euro von dem Sparkonto ab. Im Jahr 2015 übergab er das Sparbuch, das ein Restguthaben von 242 Euro auswies, an die Antragstellerin, die bei dieser Gelegenheit erstmals von der Existenz des Sparkontos erfuhr. Das Begehren der Antragstellerin, den Antragsgegner zur Zahlung von 17.300 Euro zu verurteilen, hatte vor dem AG Erfolg. Das OLG wies den Antrag auf die Beschwerde des Antragsgegners hin ab.

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Abweichend vom Beschwerdegericht misst der BGH der Frage, wer Besitzer des Sparbuchs war, für das Rechtsverhältnis mit der Bank keine Bedeutung zu. Er grenzt sich damit von früherer, überwiegend das Verhältnis zwischen Großeltern und Enkel betreffender Rechtsprechung ab und begründet dies damit, dass Eltern jedenfalls bis zum Grundschulalter schon aufgrund ihrer Obliegenheit zum Schutz des Kindesvermögens gehalten sind, den Besitz am Sparbuch auszuüben. Für das Verhältnis zur Bank sind in dieser Konstellation vor allem die mit dieser getroffenen Vereinbarungen über Kontoinhaberschaft und Verfügungsbefugnis von Bedeutung. Diese sprechen im Streitfall dafür, dass die Antragstellerin Inhaberin des Kontos war, weil die Vertragsbestimmungen die Eltern nur als Vertreter ausweisen und sogar ausdrücklich vorsahen, dass die Antragstellerin auch deren Zustimmung zu Verfügungen über das Konto berechtigt ist.

Auch wenn das Kind Kontoinhaber ist, können die Eltern im Innenverhältnis aber zur Verfügungen über das Guthaben berechtigt sein. Für eine solche Berechtigung kann der Umstand sprechen, dass die Eltern den Besitz an dem Sparbuch auch nach dem Erreichen des Grundschulalters behalten haben. Ob dieses Indiz im Streitfall ausreicht, muss das OLG in der von neuem eröffneten Beschwerdeinstanz tatrichterlich beurteilen.

Praxistipp: Wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Eltern im Innenverhältnis Berechtigte des Sparguthabens verblieben sind, kann dies steuerliche Konsequenzen haben – jedenfalls für Zeiträume, in denen Sparkonten noch nennenswerte Zinserträge generiert haben.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um Ansprüche nach dem Abbruch einer eBay-Auktion.

Schnäppchenjäger oder Abbruchjäger?
Urteil vom 22. Mai 2019 – VIII ZR 182/17

Mit Schadensersatzansprüchen des Bieters nach einer vom Verkäufer abgebrochenen eBay-Auktion befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Beklagte hatte im Frühjahr 2012 bei eBay einen Pirelli-Radsatz für einen Audi A6 mit einem Startpreis von 1 Euro zum Verkauf angeboten, die Auktion aber vorzeitig beendet. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Gebot von 201 Euro der Höchstbietende. Der Beklagte lehnte die Lieferung ab. Der Kläger bezifferte den Wert der angebotenen Ware mit 1.701 Euro und verlangte Schadensersatz in Höhe von 1.500 Euro. Die Klage hatte in den beiden ersten Instanzen Erfolg.

Die Revision des Beklagten bleibt erfolglos. Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Nach den AGB von eBay bleibt ein Gebot gültig, wenn der Verkäufer die Auktion ohne berechtigten Grund abbricht. Im Streitfall hat das Berufungsgericht der Behauptung des Beklagten, die Ware sei gestohlen worden, keinen Glauben geschenkt. Der BGH hält diese tatrichterliche Würdigung für rechtsfehlerfrei. Er tritt dem LG auch darin bei, dass der Klageforderung nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegensteht. Eine Betätigung als „Schnäppchenjäger“, d.h. das gezielte Bieten auf Waren zu einem weit unter dem Marktwert liegenden Preis, ist für sich genommen nicht missbilligenswert. Der Verkäufer hat es in der Hand, einen Vertragsschluss zu einem ihm nicht genehmen Preis durch Festsetzung eines entsprechend hohen Startgebots zu vermeiden. Als rechtsmissbräuchlich wäre es allerdings anzusehen, wenn sich der Kläger als „Abbruchjäger“ betätigt, also auf einen Abbruch der Auktion abgezielt hätte, um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Die diesbezügliche Behauptung des Beklagten sah das Berufungsgericht indes ebenfalls als nicht bewiesen an. Der BGH sieht auch diese Würdigung als rechtsfehlerfrei an.

Praxistipp: Für die Einordnung eines Bieters als „Abbruchjäger“ kann vor allem der Umstand sprechen, dass er nach erfolgreichen Geboten die Ware nicht abgenommen hat, obwohl der Verkäufer zur Lieferung bereit war.

Montagsblog: Neues vom BGH

Im Montagsblog nach Ostern geht es um eine grundlegende Frage aus dem Kaufrecht.

Nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung der Kaufsache
Urteil vom 10. März 2019 – VIII ZR 213/18

Mit der Frage, welche Eigenschaften einer Kaufsache als vereinbart oder als vorausgesetzt anzusehen sind, befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Maschine zum Verpacken von Vogelfutter in Plastikbeutel gekauft. Kurz nach Inbetriebnahme rügte sie, die Maschine arbeite zu langsam und erzeuge keine hinreichend stabilen Nähte. In einem selbständigen Beweisverfahren kam der gerichtliche Sachverständige zu einem der Klägerin im Wesentlichen günstigen Ergebnis. Ihre Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises hatte in den ersten beiden Instanzen Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme eines Mangels. Eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB darf nach dem seit 2002 geltenden Kaufrecht nur noch in eindeutigen Fällen bejaht werden. Dass die Klägerin in einer dem Vertragsschluss vorangegangenen E-Mail eine Taktzahl von zwanzig Beuteln pro Minute gefordert und die Beklagte in der Auftragsbestätigung sogar eine Taktzahl von bis zu vierzig Beuteln pro Minute angegeben hat, reicht nicht aus, um eine bestimmte Taktzahl als vereinbart anzusehen. An der Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB fehlt es nur dann, wenn der vom Käufer angestrebte und für den Verkäufer erkennbare Einsatzzweck bestimmte Eigenschaften zwingend erfordert und die Kaufsache diese nicht aufweist. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich nicht, dass für den im Streitfall vorausgesetzten Einsatzzweck – das Verpacken von Vogelfutter in Plastikbeutel – eine Taktzahl von zwanzig Beuteln pro Minute zwingend erforderlich oder zumindest üblich ist. Ob die Maschine deshalb an einem Mangel leidet, weil sie keine hinreichend stabilen Nähte erstellen kann, hat das OLG offengelassen. Nach der Zurückverweisung wird es sich mit beiden Aspekten nochmals zu befassen haben.

Praxistipp: Für den Fall, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht bewiesen werden kann, sollte möglichst umfassend dargelegt und unter Beweis gestellt werden, welche Eigenschaften für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder die übliche Verwendung der Kaufsache objektiv erforderlich sind.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um den Begriff des Bauwerks geht es in dieser Woche.

Verjährungsfrist bei Mängeln einer Photovoltaikanlage
Urteil vom 10. Januar 2019 – VII ZR 184/17

Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Einbau einer Photovoltaikanlage als Bauwerk anzusehen ist, befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin ließ ein Gebäude zu einem Studentenwohnheim umbauen. Zu den Baumaßnahmen gehörte die Integration einer Photovoltaikanlage in die Fassade des Gebäudes. Die Beklagten waren mit der Planung, Bauüberwachung und Ausführung dieser Teilmaßnahme betraut. Nach Abnahme stellte sich heraus, dass die Anlage nicht den prognostizierten Ertrag erbrachte. Rund ein Jahr nach der Abnahme leitete die Klägerin ein selbständiges Beweisverfahren ein. Rund drei Jahre nach Abschluss dieses Verfahrens klagte sie auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund 130.000 Euro. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen unterliegen die Ansprüche nicht der zweijährigen Verjährungsfrist für die Herstellung oder Veränderung einer Sache, sondern der fünfjährigen Frist für Bauwerke. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Arbeiten einen Teil der umfassenden Umbaumaßnahmen an dem Gebäude darstellten und die Photovoltaikanlage in dessen Fassade integriert wurde. Wenn ein Gebäude grundlegend erneuert wird, betreffen alle zu diesem Zweck vorgenommenen Baumaßnahmen ein Bauwerk im Sinne von § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB, unabhängig davon, ob sie für Bestand oder Funktion des Gebäudes zwingend notwendig sind.

Praxistipp: Die Errichtung einer Photovoltaikanlage ist auch dann als Bauwerk anzusehen, wenn sie mit einem bestehenden Gebäude zur dauerhaften Nutzung fest verbunden wird und das Gebäude als Trägerobjekt dient oder wenn sie zur dauerhaften Nutzung fest mit dem Erdboden verbunden wird.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um grundlegende Pflichten eines Rechtsanwalts geht es in dieser Woche.

Kein Anspruch auf Anwaltshonorar bei Vertretung widerstreitender Interessen
Beschluss vom 10. Januar 2019 – IX ZR 89/18

Mit dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und den Auswirkungen eines Verstoßes auf den Vergütungsanspruch befasst sich der IX. Zivilsenat.

Im Zusammenhang mit dem Bau eines Fernbahntunnels hatten die Bauherrn gegen das mit der Bauausführung beauftragte Unternehmen ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet und drei Planungsgemeinschaften, die mit der Entwurfsplanung, der Objektüberwachung und der Überprüfung der Entwurfsplanung betraut waren, den Streit verkündet. Die drei Planungsgemeinschaften beauftragten gemeinsam den Kläger mit ihrer rechtlichen Vertretung in dem Verfahren. Die Beklagte, bei der die mit der Objektüberwachung und die mit der Überprüfung betraute Planungsgemeinschaft gegen Haftpflicht versichert waren, stimmte der Mandatierung zu und beglich zwei Vorschussrechnungen. Weitere Zahlungen lehnte sie ab. Die Klage auf Zahlung restlichen Honorars in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Honoraransprüche unmittelbar gegen die Beklagte bestehen schon deshalb nicht, weil das Mandat nicht von dieser, sondern von den Planungsgemeinschaften erteilt worden war. Dass die Beklagte gegenüber zwei Mandanten aufgrund des Versicherungsvertrags zur Abwehr von unbegründeten Ansprüchen verpflichtet war, begründet für sich gesehen keine vertraglichen Beziehungen zum Kläger. Erstattungsansprüche aus abgetretenem Recht bestehen ebenfalls nicht, weil der Kläger von den Planungsgemeinschaften keine Vergütung verlangen kann. Zwischen den drei Mandanten bestand ein Interessenkonflikt, weil sie gegenüber den Bauherrn unterschiedliche Aufgaben übernommen hatten und jede von ihnen bestrebt sein musste, die Feststellung von Fehlerursachen aus ihrem jeweils eigenen Verantwortungsbereich zu vermeiden. Dass zwei Mandanten denselben Haftpflichtversicherer hatten, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Dem Kläger war es deshalb gemäß § 43a Abs. 4 BRAO verboten, mehr als eine der drei Planungsgemeinschaften zu vertreten. Der Verstoß gegen diese Vorschrift führt gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit des Anwaltvertrags. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil der Interessenwiderstreit für den Kläger auf der Hand lag.

Praxistipp: Von der Vertretung mehrerer potentieller Gesamtschuldner sollte abgesehen werden, wenn sich der Kreis der möglicherweise verletzten Pflichten nicht vollständig deckt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um die rechtliche Einordnung eines durchaus verbreiteten Vertragstyps geht es im ersten Blog des Jahres 2019.

Vertrag über Anbringung von Werbung auf einem Kraftfahrzeug
Urteil vom 7. November 2018 – XII ZR 109/17

Mit der Abgrenzung zwischen Werk- und Mietvertrag befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Klägerin überlässt sozialen Institutionen unentgeltlich Kraftfahrzeuge zur Nutzung. Die Fahrzeuge sind mit Werbeflächen versehen, die die Klägerin interessierten Dritten gegen Entgelt zur Verfügung stellt. Der Beklagte hatte sich vertraglich verpflichtet, für die Überlassung einer solchen Werbefläche für fünf Jahre insgesamt 1.760 Euro netto zu zahlen. Die auf Zahlung dieser Vergütung gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Abweichend von den Vorinstanzen sieht er den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht als Werkvertrag an, sondern als Mietvertrag. Die wesentliche Verpflichtung der Klägerin erschöpft sich darin, dem Beklagten die Möglichkeit zu eröffnen, durch die Nutzung der Werbefläche im laufenden Geschäftsbetrieb der sozialen Institution für sich zu werben. Ein besonderer Erfolg, der zur Einordnung als Werkvertrag führen könnte, ist demgegenüber nicht vorgesehen.

Praxistipp: Verlängerungsklauseln in solchen Verträgen sind aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung in der Vergangenheit schon häufiger als unwirksam angesehen worden, vgl. etwa BGH, Urt. v. 28.3.2018 – XII ZR 18/17.

BGH: Das Fotografieren gemeinfreier Werke kann untersagt werden (Museumsfotos) – und wie es trotzdem funktionieren könnte

Der BGH ist der Ansicht, dass Museen gegen die Veröffentlichung von Fotos einen Unterlassungsanspruch haben, die entgegen ihrer Vertragsbedingungen in Ausstellungen fotografiert wurden. Dies gelte selbst dann, wenn die Werke selbst gemeinfrei seien. Die „Krücke“ die der BGH wählt, ist denkbar einfach:

Die Klägerin kann als Schadensersatz wegen der Vertragsverletzung des Beklagten gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB verlangen, dass der Beklagte es unterlässt, die Bildaufnahmen durch Hochladen im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Dieses Verhalten stellt ein äquivalent und adäquat kausales Schadensgeschehen dar, das einen hinreichenden inneren Zusammenhang mit der Vertragsverletzung aufweist.

Diesem Blogbeitrag das Schlagwort „Urheberrecht“ zuzuordnen, wäre also eigentlich verfehlt.

Während nun bei Wikipedia, wo die Bilder auftauchten, helle Aufregung und schlechte Stimmung herrscht, hat mein Kollege Christian Franz die einfache Lösung gefunden. Begibt man sich, wie der BGH, in rechtlicher Hinsicht weg von eigentumsähnlichen Rechten, die grundsätzlich dinglich gegenüber jedermann wirken, reisst man durch schuldrechtliche Lösungen Lücken auf, die zwar ein wenig Umgewöhnung erfordern, aber künftige Veröffentlichungen auf sichere Füße stellen dürften.

Praxistipp

Auf Seiten von Museen und sonstigen Ausstellern sollte unbedingt wirksam ein Fotografierverbot mit Besuchern vereinbart werden. Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, sollte die Mitnahme von Geräten zur Anfertigung von Fotos untersagen, was selbstverständlich mit einigem Aufwand einhergeht.

Auf Seiten der Veröffentlichenden sollte Wert darauf gelegt werden, dass keine Vertragsverletzung entstehen kann, wofür Ansätze ja schon erdacht sind.

BGH Urt. v. 20.12.2018, Az. I ZR 104/17 – Museumsfotos

Montagsblog: Neues vom BGH

Um eine Frage, die sich durchaus häufig stellen kann, geht es in dieser Woche

Keine steuerliche Beratungspflicht des Grundstücksmaklers
Urteil vom 12. Juli 2018 – I ZR 152/17

Mit den Beratungspflichten eines Grundstücksmaklers befasst sich der I. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte Anfang 2004 für 170.000 Euro ein Grundstück mit acht vermieteten Wohnungen erworben. Im Juli 2013 verkaufte sie es auf Vermittlung des Beklagten, dem sie einen Makleralleinauftrag erteilt hatte, für 295.000 Euro. Weil zwischen Erwerb und Veräußerung weniger als zehn Jahre lagen, fielen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt rund 48.000 Euro an. Die Klägerin warf dem Beklagten vor, sie nicht auf die steuerrechtliche Spekulationsfrist hingewiesen zu haben. Ihre auf Ersatz der angefallenen Steuern gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg. Einen Makler können zwar Aufklärungs- und Beratungspflichten treffen. Zur Prüfung und Beratung im Hinblick auf steuerliche Fragen ist er aber nur verpflichtet, wenn er sich als Fachmann in solchen Fragen geriert, wenn aufgrund besonderer Umstände ein Beratungsbedarf des Auftraggebers erkennbar ist oder wenn er den Auftraggeber zu einem riskanten Vorgehen oder einem unvorteilhaften oder überstürzten Vertragsabschluss verleitet. Im Streitfall hatte der Beklagte zwar mit allgemein gehaltenen Anpreisungen für sich geworben, aber keine besondere steuerliche Sachkunde in Anspruch genommen. Mangels besonderer Anhaltspunkte war er nicht verpflichtet, anhand des Grundbuchs oder durch Nachfrage bei der Klägerin in Erfahrung zu bringen, wann diese das Anwesen erworben hat und ob die sonstigen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorgelegen haben. Der von ihm erteilte Hinweis, Interessenten könnten bei längerem Zuwarten abspringen, rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, er habe die Klägerin zu einem riskanten oder überstürzten Vertragsschluss verleitet.

Praxistipp: Um Umstände, aus denen sich eine Beratungspflicht ergeben kann, mit Aussicht auf Erfolg darlegen zu können, empfiehlt es sich, Werbeunterlagen und Angebotsschreiben des Maklers möglichst umfassend zusammenzutragen und zu sichten.