Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um Ansprüche nach dem Abbruch einer eBay-Auktion.

Schnäppchenjäger oder Abbruchjäger?
Urteil vom 22. Mai 2019 – VIII ZR 182/17

Mit Schadensersatzansprüchen des Bieters nach einer vom Verkäufer abgebrochenen eBay-Auktion befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Beklagte hatte im Frühjahr 2012 bei eBay einen Pirelli-Radsatz für einen Audi A6 mit einem Startpreis von 1 Euro zum Verkauf angeboten, die Auktion aber vorzeitig beendet. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Gebot von 201 Euro der Höchstbietende. Der Beklagte lehnte die Lieferung ab. Der Kläger bezifferte den Wert der angebotenen Ware mit 1.701 Euro und verlangte Schadensersatz in Höhe von 1.500 Euro. Die Klage hatte in den beiden ersten Instanzen Erfolg.

Die Revision des Beklagten bleibt erfolglos. Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen. Nach den AGB von eBay bleibt ein Gebot gültig, wenn der Verkäufer die Auktion ohne berechtigten Grund abbricht. Im Streitfall hat das Berufungsgericht der Behauptung des Beklagten, die Ware sei gestohlen worden, keinen Glauben geschenkt. Der BGH hält diese tatrichterliche Würdigung für rechtsfehlerfrei. Er tritt dem LG auch darin bei, dass der Klageforderung nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegensteht. Eine Betätigung als „Schnäppchenjäger“, d.h. das gezielte Bieten auf Waren zu einem weit unter dem Marktwert liegenden Preis, ist für sich genommen nicht missbilligenswert. Der Verkäufer hat es in der Hand, einen Vertragsschluss zu einem ihm nicht genehmen Preis durch Festsetzung eines entsprechend hohen Startgebots zu vermeiden. Als rechtsmissbräuchlich wäre es allerdings anzusehen, wenn sich der Kläger als „Abbruchjäger“ betätigt, also auf einen Abbruch der Auktion abgezielt hätte, um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Die diesbezügliche Behauptung des Beklagten sah das Berufungsgericht indes ebenfalls als nicht bewiesen an. Der BGH sieht auch diese Würdigung als rechtsfehlerfrei an.

Praxistipp: Für die Einordnung eines Bieters als „Abbruchjäger“ kann vor allem der Umstand sprechen, dass er nach erfolgreichen Geboten die Ware nicht abgenommen hat, obwohl der Verkäufer zur Lieferung bereit war.

Montagsblog: Neues vom BGH

Im Montagsblog nach Ostern geht es um eine grundlegende Frage aus dem Kaufrecht.

Nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung der Kaufsache
Urteil vom 10. März 2019 – VIII ZR 213/18

Mit der Frage, welche Eigenschaften einer Kaufsache als vereinbart oder als vorausgesetzt anzusehen sind, befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Maschine zum Verpacken von Vogelfutter in Plastikbeutel gekauft. Kurz nach Inbetriebnahme rügte sie, die Maschine arbeite zu langsam und erzeuge keine hinreichend stabilen Nähte. In einem selbständigen Beweisverfahren kam der gerichtliche Sachverständige zu einem der Klägerin im Wesentlichen günstigen Ergebnis. Ihre Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises hatte in den ersten beiden Instanzen Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme eines Mangels. Eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB darf nach dem seit 2002 geltenden Kaufrecht nur noch in eindeutigen Fällen bejaht werden. Dass die Klägerin in einer dem Vertragsschluss vorangegangenen E-Mail eine Taktzahl von zwanzig Beuteln pro Minute gefordert und die Beklagte in der Auftragsbestätigung sogar eine Taktzahl von bis zu vierzig Beuteln pro Minute angegeben hat, reicht nicht aus, um eine bestimmte Taktzahl als vereinbart anzusehen. An der Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB fehlt es nur dann, wenn der vom Käufer angestrebte und für den Verkäufer erkennbare Einsatzzweck bestimmte Eigenschaften zwingend erfordert und die Kaufsache diese nicht aufweist. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich nicht, dass für den im Streitfall vorausgesetzten Einsatzzweck – das Verpacken von Vogelfutter in Plastikbeutel – eine Taktzahl von zwanzig Beuteln pro Minute zwingend erforderlich oder zumindest üblich ist. Ob die Maschine deshalb an einem Mangel leidet, weil sie keine hinreichend stabilen Nähte erstellen kann, hat das OLG offengelassen. Nach der Zurückverweisung wird es sich mit beiden Aspekten nochmals zu befassen haben.

Praxistipp: Für den Fall, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht bewiesen werden kann, sollte möglichst umfassend dargelegt und unter Beweis gestellt werden, welche Eigenschaften für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder die übliche Verwendung der Kaufsache objektiv erforderlich sind.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um den Begriff des Bauwerks geht es in dieser Woche.

Verjährungsfrist bei Mängeln einer Photovoltaikanlage
Urteil vom 10. Januar 2019 – VII ZR 184/17

Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Einbau einer Photovoltaikanlage als Bauwerk anzusehen ist, befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin ließ ein Gebäude zu einem Studentenwohnheim umbauen. Zu den Baumaßnahmen gehörte die Integration einer Photovoltaikanlage in die Fassade des Gebäudes. Die Beklagten waren mit der Planung, Bauüberwachung und Ausführung dieser Teilmaßnahme betraut. Nach Abnahme stellte sich heraus, dass die Anlage nicht den prognostizierten Ertrag erbrachte. Rund ein Jahr nach der Abnahme leitete die Klägerin ein selbständiges Beweisverfahren ein. Rund drei Jahre nach Abschluss dieses Verfahrens klagte sie auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund 130.000 Euro. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen unterliegen die Ansprüche nicht der zweijährigen Verjährungsfrist für die Herstellung oder Veränderung einer Sache, sondern der fünfjährigen Frist für Bauwerke. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Arbeiten einen Teil der umfassenden Umbaumaßnahmen an dem Gebäude darstellten und die Photovoltaikanlage in dessen Fassade integriert wurde. Wenn ein Gebäude grundlegend erneuert wird, betreffen alle zu diesem Zweck vorgenommenen Baumaßnahmen ein Bauwerk im Sinne von § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB, unabhängig davon, ob sie für Bestand oder Funktion des Gebäudes zwingend notwendig sind.

Praxistipp: Die Errichtung einer Photovoltaikanlage ist auch dann als Bauwerk anzusehen, wenn sie mit einem bestehenden Gebäude zur dauerhaften Nutzung fest verbunden wird und das Gebäude als Trägerobjekt dient oder wenn sie zur dauerhaften Nutzung fest mit dem Erdboden verbunden wird.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um grundlegende Pflichten eines Rechtsanwalts geht es in dieser Woche.

Kein Anspruch auf Anwaltshonorar bei Vertretung widerstreitender Interessen
Beschluss vom 10. Januar 2019 – IX ZR 89/18

Mit dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und den Auswirkungen eines Verstoßes auf den Vergütungsanspruch befasst sich der IX. Zivilsenat.

Im Zusammenhang mit dem Bau eines Fernbahntunnels hatten die Bauherrn gegen das mit der Bauausführung beauftragte Unternehmen ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet und drei Planungsgemeinschaften, die mit der Entwurfsplanung, der Objektüberwachung und der Überprüfung der Entwurfsplanung betraut waren, den Streit verkündet. Die drei Planungsgemeinschaften beauftragten gemeinsam den Kläger mit ihrer rechtlichen Vertretung in dem Verfahren. Die Beklagte, bei der die mit der Objektüberwachung und die mit der Überprüfung betraute Planungsgemeinschaft gegen Haftpflicht versichert waren, stimmte der Mandatierung zu und beglich zwei Vorschussrechnungen. Weitere Zahlungen lehnte sie ab. Die Klage auf Zahlung restlichen Honorars in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg. Honoraransprüche unmittelbar gegen die Beklagte bestehen schon deshalb nicht, weil das Mandat nicht von dieser, sondern von den Planungsgemeinschaften erteilt worden war. Dass die Beklagte gegenüber zwei Mandanten aufgrund des Versicherungsvertrags zur Abwehr von unbegründeten Ansprüchen verpflichtet war, begründet für sich gesehen keine vertraglichen Beziehungen zum Kläger. Erstattungsansprüche aus abgetretenem Recht bestehen ebenfalls nicht, weil der Kläger von den Planungsgemeinschaften keine Vergütung verlangen kann. Zwischen den drei Mandanten bestand ein Interessenkonflikt, weil sie gegenüber den Bauherrn unterschiedliche Aufgaben übernommen hatten und jede von ihnen bestrebt sein musste, die Feststellung von Fehlerursachen aus ihrem jeweils eigenen Verantwortungsbereich zu vermeiden. Dass zwei Mandanten denselben Haftpflichtversicherer hatten, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Dem Kläger war es deshalb gemäß § 43a Abs. 4 BRAO verboten, mehr als eine der drei Planungsgemeinschaften zu vertreten. Der Verstoß gegen diese Vorschrift führt gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit des Anwaltvertrags. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil der Interessenwiderstreit für den Kläger auf der Hand lag.

Praxistipp: Von der Vertretung mehrerer potentieller Gesamtschuldner sollte abgesehen werden, wenn sich der Kreis der möglicherweise verletzten Pflichten nicht vollständig deckt.

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Um die rechtliche Einordnung eines durchaus verbreiteten Vertragstyps geht es im ersten Blog des Jahres 2019.

Vertrag über Anbringung von Werbung auf einem Kraftfahrzeug
Urteil vom 7. November 2018 – XII ZR 109/17

Mit der Abgrenzung zwischen Werk- und Mietvertrag befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Klägerin überlässt sozialen Institutionen unentgeltlich Kraftfahrzeuge zur Nutzung. Die Fahrzeuge sind mit Werbeflächen versehen, die die Klägerin interessierten Dritten gegen Entgelt zur Verfügung stellt. Der Beklagte hatte sich vertraglich verpflichtet, für die Überlassung einer solchen Werbefläche für fünf Jahre insgesamt 1.760 Euro netto zu zahlen. Die auf Zahlung dieser Vergütung gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Abweichend von den Vorinstanzen sieht er den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht als Werkvertrag an, sondern als Mietvertrag. Die wesentliche Verpflichtung der Klägerin erschöpft sich darin, dem Beklagten die Möglichkeit zu eröffnen, durch die Nutzung der Werbefläche im laufenden Geschäftsbetrieb der sozialen Institution für sich zu werben. Ein besonderer Erfolg, der zur Einordnung als Werkvertrag führen könnte, ist demgegenüber nicht vorgesehen.

Praxistipp: Verlängerungsklauseln in solchen Verträgen sind aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung in der Vergangenheit schon häufiger als unwirksam angesehen worden, vgl. etwa BGH, Urt. v. 28.3.2018 – XII ZR 18/17.

BGH: Das Fotografieren gemeinfreier Werke kann untersagt werden (Museumsfotos) – und wie es trotzdem funktionieren könnte

Der BGH ist der Ansicht, dass Museen gegen die Veröffentlichung von Fotos einen Unterlassungsanspruch haben, die entgegen ihrer Vertragsbedingungen in Ausstellungen fotografiert wurden. Dies gelte selbst dann, wenn die Werke selbst gemeinfrei seien. Die „Krücke“ die der BGH wählt, ist denkbar einfach:

Die Klägerin kann als Schadensersatz wegen der Vertragsverletzung des Beklagten gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB verlangen, dass der Beklagte es unterlässt, die Bildaufnahmen durch Hochladen im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Dieses Verhalten stellt ein äquivalent und adäquat kausales Schadensgeschehen dar, das einen hinreichenden inneren Zusammenhang mit der Vertragsverletzung aufweist.

Diesem Blogbeitrag das Schlagwort „Urheberrecht“ zuzuordnen, wäre also eigentlich verfehlt.

Während nun bei Wikipedia, wo die Bilder auftauchten, helle Aufregung und schlechte Stimmung herrscht, hat mein Kollege Christian Franz die einfache Lösung gefunden. Begibt man sich, wie der BGH, in rechtlicher Hinsicht weg von eigentumsähnlichen Rechten, die grundsätzlich dinglich gegenüber jedermann wirken, reisst man durch schuldrechtliche Lösungen Lücken auf, die zwar ein wenig Umgewöhnung erfordern, aber künftige Veröffentlichungen auf sichere Füße stellen dürften.

Praxistipp

Auf Seiten von Museen und sonstigen Ausstellern sollte unbedingt wirksam ein Fotografierverbot mit Besuchern vereinbart werden. Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, sollte die Mitnahme von Geräten zur Anfertigung von Fotos untersagen, was selbstverständlich mit einigem Aufwand einhergeht.

Auf Seiten der Veröffentlichenden sollte Wert darauf gelegt werden, dass keine Vertragsverletzung entstehen kann, wofür Ansätze ja schon erdacht sind.

BGH Urt. v. 20.12.2018, Az. I ZR 104/17 – Museumsfotos

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Um eine Frage, die sich durchaus häufig stellen kann, geht es in dieser Woche

Keine steuerliche Beratungspflicht des Grundstücksmaklers
Urteil vom 12. Juli 2018 – I ZR 152/17

Mit den Beratungspflichten eines Grundstücksmaklers befasst sich der I. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte Anfang 2004 für 170.000 Euro ein Grundstück mit acht vermieteten Wohnungen erworben. Im Juli 2013 verkaufte sie es auf Vermittlung des Beklagten, dem sie einen Makleralleinauftrag erteilt hatte, für 295.000 Euro. Weil zwischen Erwerb und Veräußerung weniger als zehn Jahre lagen, fielen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt rund 48.000 Euro an. Die Klägerin warf dem Beklagten vor, sie nicht auf die steuerrechtliche Spekulationsfrist hingewiesen zu haben. Ihre auf Ersatz der angefallenen Steuern gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg. Einen Makler können zwar Aufklärungs- und Beratungspflichten treffen. Zur Prüfung und Beratung im Hinblick auf steuerliche Fragen ist er aber nur verpflichtet, wenn er sich als Fachmann in solchen Fragen geriert, wenn aufgrund besonderer Umstände ein Beratungsbedarf des Auftraggebers erkennbar ist oder wenn er den Auftraggeber zu einem riskanten Vorgehen oder einem unvorteilhaften oder überstürzten Vertragsabschluss verleitet. Im Streitfall hatte der Beklagte zwar mit allgemein gehaltenen Anpreisungen für sich geworben, aber keine besondere steuerliche Sachkunde in Anspruch genommen. Mangels besonderer Anhaltspunkte war er nicht verpflichtet, anhand des Grundbuchs oder durch Nachfrage bei der Klägerin in Erfahrung zu bringen, wann diese das Anwesen erworben hat und ob die sonstigen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG vorgelegen haben. Der von ihm erteilte Hinweis, Interessenten könnten bei längerem Zuwarten abspringen, rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, er habe die Klägerin zu einem riskanten oder überstürzten Vertragsschluss verleitet.

Praxistipp: Um Umstände, aus denen sich eine Beratungspflicht ergeben kann, mit Aussicht auf Erfolg darlegen zu können, empfiehlt es sich, Werbeunterlagen und Angebotsschreiben des Maklers möglichst umfassend zusammenzutragen und zu sichten.

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Um Hinweispflichten beim Verkauf einer Sozialwohnung geht es in dieser Woche.

Sozialbindung einer Wohnung als anzeigepflichtiger Rechtsmangel
Urteil vom 14. September 2018 – V ZR 165/17

Mit den Pflichten des Verkäufers einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung befasst sich der V. Zivilsenat.

Der Kläger hatte von der Beklagten eine Eigentumswohnung gekauft. Der Kaufvertrag enthielt einen umfassenden Haftungsausschluss für Sachmängel. Im Rechtsstreit verlangte der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrags, weil ihn die Beklagte nicht darüber aufgeklärt habe, dass es sich um öffentlich geförderten Wohnraum handle und Mieter einen Berechtigungsschein benötigten. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er verweist auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Sozialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung einen Rechtsmangel darstellt, und stellt klar, dass die Schuldrechtsmodernisierung hieran nichts geändert hat. Ob der im Kaufvertrag vereinbarte Haftungsausschluss für Sachmängel auch den im Streitfall vorliegenden Rechtsmangel umfasst, lässt der BGH mangels einschlägiger tatrichterlicher Feststellungen offen. Nach § 444 BGB kann sich die Beklagte auf den Haftungsausschluss jedenfalls nicht berufen, wenn sie die Sozialbindung arglistig verschwiegen hat. Entgegen der Auffassung des OLG ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Käufer den Kaufvertrag auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung geschlossen hätte.

Praxistipp: Die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche unter Berufung auf die Unwirksamkeit eines Gewährleistungsausschlusses gemäß § 444 BGB unterliegt weniger strengen Voraussetzungen als die Anfechtung des Vertrags gemäß § 123 BGB. Deshalb sollten auch im Falle einer Anfechtung zumindest hilfsweise die vertraglichen Rechtsbehelfe geltend gemacht werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um einen seit langem etablierten, in neuerer Zeit aber zunehmend in die Kritik geratenen Grundsatz geht es in dieser Woche.

Formlose Änderung eines Grundstückskaufvertrags nach bindender Auflassung
Urteil vom 14. September 2018 – V ZR 213/17

Mit den Grenzen des Formerfordernisses aus § 311b BGB befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Beklagte hatte von der klagenden Bauträgerin drei noch zu sanierende Eigentumswohnungen gekauft. Der notarielle Kaufvertrag enthielt zugleich die Auflassungserklärung beider Parteien und den Umschreibungsantrag der Beklagten. Der Notar war angewiesen, eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der Auflassungserklärung nur nach Nachweis der vollständigen Zahlung des Kaufpreises zu erteilen. Die Beklagte behielt in der Folgezeit rund 9 % des Kaufpreises ein. Die auf Zahlung dieses Betrags gerichtete Klage blieb in erster Instanz ohne Erfolg. Das OLG sprach dem Kläger hingegen rund die Hälfte der Klagesumme zu.

Der BGH verweist die Sache auf die Revision der Beklagten an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz bedurfte die von der Beklagten behauptete Vereinbarung über eine Minderung des Kaufpreises nicht der notariellen Beurkundung. Nach § 311b BGB bedarf zwar auch die Änderung eines Grundstückskaufvertrags grundsätzlich der notariellen Form. Dies gilt nach etablierter, schon auf das Reichsgericht zurückgehender Rechtsprechung aber nicht, wenn die Auflassung bereits erklärt ist. Die in der Literatur geäußerte Kritik, dass diese Rechtsprechung den modernen Gegebenheiten eines Bauträgervertrags nicht gerecht werde, hält der BGH für unbegründet. Er hält es für einen Wegfall des Formerfordernisses weiterhin für ausreichend, dass die Vertragsparteien die zur Übertragung des Eigentums erforderlichen Leistungshandlungen vorgenommen haben; auf den Eintritt des Leistungserfolgs – also den Übergang des Eigentums – komme es in diesem Zusammenhang nicht an.

Praxistipp: Angesichts der Ungewissheit, die aus der Möglichkeit einer formfreien Änderung resultieren kann, dürfte es in der Regel vorzugswürdig sein, von einer sofortigen Auflassung abzusehen, wenn nicht absehbar ist, wann die Voraussetzungen für die Eigentumsumschreibung erfüllt sein werden. Dafür anfallende Mehrkosten könnten sich als gute Investition erweisen.

EuGH: Nicht immer Widerrufsrecht bei Kauf auf einer Messe

Das Widerrufsrecht des Verbrauchers soll diesen entweder vor den Nachteilen schützen, die Ware nicht ausgiebig vor dem Kauf geprüft zu haben (Fernabsatz) oder vor Vertragsabschluss nicht gründlich die Tragweite des Geschäfts überschaut zu haben („Haustürgeschäfte“, Versicherungen, Finanzdienstleistungen).

Haustürgeschäfte heißen seit Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie im Jahr 2014 außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, § 312b BGB.

Dem EuGH wurde eine Vorabentscheidungsersuchen des BGH vorgelegt, in dem es darum ging, ob ein – nur auf Messen tätiger – Händler bei dem Verkauf eines Dampfreinigers auf einer Messe den kaufenden Verbraucher über sein Widerrufsrecht hätte belehren müssen. Entscheidende Frage war hier, ob die Voraussetzungen des § 312b Abs. 2 S. 1 BGB vorliegen:

„Geschäftsräume im Sinne des Absatzes 1 sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. „

Rechtlicher Knackpunkt ist hier das „für gewöhnliche Ausüben seiner Tätigkeit“.

Der EuGH hält es für möglich, dass ein Messestand ein beweglicher Gewerberaum ist, in dem der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt, sodass kein Widerrufsrecht des Verbrauchers bestünde.

Der EuGH stellt klar auf den Sinn und Zweck der Regelung ab:

„Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass ein Messestand eines Unternehmers wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, an dem der Unternehmer seine Tätigkeiten an wenigen Tagen im Jahr ausübt, unter den Begriff „Geschäftsräume“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn in Anbetracht aller tatsächlichen Umstände rund um diese Tätigkeiten und insbesondere des Erscheinungsbilds des Messestandes sowie der vor Ort auf der Messe selbst verbreiteten Informationen ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen konnte, dass der betreffende Unternehmer dort seine Tätigkeiten ausübt und ihn anspricht, um einen Vertrag zu schließen, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist.“

Die Frage, welchen Eindruck der Messestand hier vermittelte, ist dann wieder vom nationalen Gericht zu klären.

Hier werden vermutlich Kriterien wie

  • eine deutlich erkennbare Beschriftung des Messestands,
  • das (großvolumige) Verteilen von Rabattgutscheinen auf der Messe,
  • die gewöhnliche Art des Vertriebes von Produkten des Unternehmens (z.B. allgemein bekannt kein stationärer Handel).

Praxistipp

Für Messeverkäufer dürfte es daher attraktiv sein, möglichst deutlich nach Außen hin zu zeigen: Hier werden Verträge abgeschlossen. So haben sie die Möglichkeit, dem Widerrufsrecht des Verbrauchers zu entgehen. Dies sollte auch z.B. durch Fotos des Messestands dokumentiert werden.

Messekäufer werden genauer hinsehen müssen, ob ein Widerrufsrecht eingeräumt wird. Ist dies nicht der Fall, kann ein solches – auch unabhängig von der gesetzlichen Situation – vertraglich vereinbart werden. Seriöse Messeverkäufer werden sich vermutlich auf eine solche Regelung in vielen Fällen einlassen.

EuGH Urt. v. 07.08.2018, C-485/17, Verbraucherzentrale Berlin e.V. / Unimatic Vertriebs GmbH