BGH: Das Fotografieren gemeinfreier Werke kann untersagt werden (Museumsfotos) – und wie es trotzdem funktionieren könnte

Der BGH ist der Ansicht, dass Museen gegen die Veröffentlichung von Fotos einen Unterlassungsanspruch haben, die entgegen ihrer Vertragsbedingungen in Ausstellungen fotografiert wurden. Dies gelte selbst dann, wenn die Werke selbst gemeinfrei seien. Die „Krücke“ die der BGH wählt, ist denkbar einfach:

Die Klägerin kann als Schadensersatz wegen der Vertragsverletzung des Beklagten gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB verlangen, dass der Beklagte es unterlässt, die Bildaufnahmen durch Hochladen im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Dieses Verhalten stellt ein äquivalent und adäquat kausales Schadensgeschehen dar, das einen hinreichenden inneren Zusammenhang mit der Vertragsverletzung aufweist.

Diesem Blogbeitrag das Schlagwort „Urheberrecht“ zuzuordnen, wäre also eigentlich verfehlt.

Während nun bei Wikipedia, wo die Bilder auftauchten, helle Aufregung und schlechte Stimmung herrscht, hat mein Kollege Christian Franz die einfache Lösung gefunden. Begibt man sich, wie der BGH, in rechtlicher Hinsicht weg von eigentumsähnlichen Rechten, die grundsätzlich dinglich gegenüber jedermann wirken, reisst man durch schuldrechtliche Lösungen Lücken auf, die zwar ein wenig Umgewöhnung erfordern, aber künftige Veröffentlichungen auf sichere Füße stellen dürften.

Praxistipp

Auf Seiten von Museen und sonstigen Ausstellern sollte unbedingt wirksam ein Fotografierverbot mit Besuchern vereinbart werden. Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, sollte die Mitnahme von Geräten zur Anfertigung von Fotos untersagen, was selbstverständlich mit einigem Aufwand einhergeht.

Auf Seiten der Veröffentlichenden sollte Wert darauf gelegt werden, dass keine Vertragsverletzung entstehen kann, wofür Ansätze ja schon erdacht sind.

BGH Urt. v. 20.12.2018, Az. I ZR 104/17 – Museumsfotos

LG München I zu Zahlungsgebühren bei Paypalzahlungen

Nach § 270a BGB ist bei bargeldlosen Zahlungen zusammen mit der EU-Verordnung 2015/751 in vielen Fällen ein Zahlungsentgelt untersagt. Das betrifft insbesondere SEPA-Lastschriften, SEPA-Überweisungen und Kartenzahlungen im Vier-Partner-System im gegenüber Verbrauchern. Diese Regelung hat bei Onlineshops, Onlinereiebüros und auch Airlines vieles geändert: Egal wie man zahlt, der Preis ist identisch. Ausgenommen von der Regelung sind insbesondere Zahlungen im Drei-Parteien-Kartenzahlverfahren, das sind insbesondere Zahlungen mit American Express und Diners Club.

Wie sieht es nun aus, wenn ein Zahlungsdiensteanbieter wie zum Beispiel Paypal zwischengeschaltet ist? Als reiner technischer Dienstleister dürfte man meinen, dass es sich auch dann um eine SEPA-Lastschrift oder Kartenzahlung im Sinne dieser rechtlichen Vorgaben handelt, die somit unentgeltlich erfolgen muss. Zahlungsvorgängen bei bei Paypal kann aber auch eine American Express Karte (Drei-Partner-System) oder Guthaben auf dem Paypalkonto zugrunde liegen, was keine SEPA-Zahlung wäre. Die Wettbewerbszentrale hat nun vor dem Landgericht München I erfolgreich einen Unterlassungsanspruch im Hinblick auf Zusatzgebühren bei Paypalzahlungen durchgesetzt.

Praxistipp

Paypalzahlungen spätestens jetzt nur unentgeltlich angeboten werden.

LG München, Datum der Urteilsverkündung noch unbekannt, Az.: 17 HK O 7439/18

EuGH: Nicht immer Widerrufsrecht bei Kauf auf einer Messe

Das Widerrufsrecht des Verbrauchers soll diesen entweder vor den Nachteilen schützen, die Ware nicht ausgiebig vor dem Kauf geprüft zu haben (Fernabsatz) oder vor Vertragsabschluss nicht gründlich die Tragweite des Geschäfts überschaut zu haben („Haustürgeschäfte“, Versicherungen, Finanzdienstleistungen).

Haustürgeschäfte heißen seit Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie im Jahr 2014 außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, § 312b BGB.

Dem EuGH wurde eine Vorabentscheidungsersuchen des BGH vorgelegt, in dem es darum ging, ob ein – nur auf Messen tätiger – Händler bei dem Verkauf eines Dampfreinigers auf einer Messe den kaufenden Verbraucher über sein Widerrufsrecht hätte belehren müssen. Entscheidende Frage war hier, ob die Voraussetzungen des § 312b Abs. 2 S. 1 BGB vorliegen:

„Geschäftsräume im Sinne des Absatzes 1 sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. „

Rechtlicher Knackpunkt ist hier das „für gewöhnliche Ausüben seiner Tätigkeit“.

Der EuGH hält es für möglich, dass ein Messestand ein beweglicher Gewerberaum ist, in dem der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt, sodass kein Widerrufsrecht des Verbrauchers bestünde.

Der EuGH stellt klar auf den Sinn und Zweck der Regelung ab:

„Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass ein Messestand eines Unternehmers wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, an dem der Unternehmer seine Tätigkeiten an wenigen Tagen im Jahr ausübt, unter den Begriff „Geschäftsräume“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn in Anbetracht aller tatsächlichen Umstände rund um diese Tätigkeiten und insbesondere des Erscheinungsbilds des Messestandes sowie der vor Ort auf der Messe selbst verbreiteten Informationen ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen konnte, dass der betreffende Unternehmer dort seine Tätigkeiten ausübt und ihn anspricht, um einen Vertrag zu schließen, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist.“

Die Frage, welchen Eindruck der Messestand hier vermittelte, ist dann wieder vom nationalen Gericht zu klären.

Hier werden vermutlich Kriterien wie

  • eine deutlich erkennbare Beschriftung des Messestands,
  • das (großvolumige) Verteilen von Rabattgutscheinen auf der Messe,
  • die gewöhnliche Art des Vertriebes von Produkten des Unternehmens (z.B. allgemein bekannt kein stationärer Handel).

Praxistipp

Für Messeverkäufer dürfte es daher attraktiv sein, möglichst deutlich nach Außen hin zu zeigen: Hier werden Verträge abgeschlossen. So haben sie die Möglichkeit, dem Widerrufsrecht des Verbrauchers zu entgehen. Dies sollte auch z.B. durch Fotos des Messestands dokumentiert werden.

Messekäufer werden genauer hinsehen müssen, ob ein Widerrufsrecht eingeräumt wird. Ist dies nicht der Fall, kann ein solches – auch unabhängig von der gesetzlichen Situation – vertraglich vereinbart werden. Seriöse Messeverkäufer werden sich vermutlich auf eine solche Regelung in vielen Fällen einlassen.

EuGH Urt. v. 07.08.2018, C-485/17, Verbraucherzentrale Berlin e.V. / Unimatic Vertriebs GmbH

EuGH zu Cordoba: Urheber sind doch nicht vogelfrei!

Urheber haben das Recht zu entscheiden, wie mit ihren Werken verfahren werden können. Die Verwertungsrechte ergeben sich aus den §§ 15 ff UrhG. Dazu gehört auch das Recht, ein Werk öffentlich zugänglich zu machen gem. § 19a UrhG, der wohl heute bedeutendsten Nutzungsart durch die Bereitstellung im Internet.

Eine Vielzahl von Entscheidungen hat sich mit dem auseinandersetzen müssen, was durch die heutige Technik alles möglich geworden ist, sich dabei stets fragen müssen: Ist das ein öffentliches Zugänglichmachen? Der EuGH hat dabei eine Vielzahl von Kriterien geschaffen, anhand derer eine Beurteilung stattfindet. Der eigentlich auf den ersten Blick einleuchtende Begriff wurde damit massiv verkompliziert und vielen Wertungsfragen (= Raum für Sonderfälle) verknüpft.
Die bisherigen Erkenntnisse:

  • Das Verlinken auf eine fremde Website ist außer in Ausnahmefällen kein (neues) öffentliches Zugänglichmachen, denn es wird keine neue Öffentlichkeit erreicht. Es war bereits vorher im Netz öffentlich zugänglich (EuGH Beschl. v. 21.10.2014 – C-348/13 – „BestWater“).
  • Das Einbinden fremder Inhalte durch Einbetten (wie z.B. ein iFrame) ist (außer in Sonderfällen der Umgehung von Zugangssperren) kein öffentliches Zugänglichmachen (EuGH Urteil vom 21.10.2014 – C-348/13).

Wie sieht es aber aus, wenn ein irgendwo (!) im Netz frei zugängliches Bild auf einem anderen Server neu hochgeladen wird? Grundlage des Falles war eine Veröffentlichung eines Referates auf einer Schulwebsite. Der Schüler hatte die Fotos aber schlicht im Internet „gemopst“.  Der BGH war sich ob der vorausgehenden Rechtsprechung des EuGH nicht sicher, ob dieser Fall eine Urheberrechtsverletzung darstellt oder nicht und legte dies dem EuGH vor. Grund hierfür war, dass das Foto dem (vermeintlich) gleichen Publikum (Internetnutzer) auf die gleiche technische Art und Weise bereits zugänglich war, nämlich auf der Website des Urhebers.

Hätte der EuGH hier ein öffentliches Zugänglichmachen abgelehnt, wäre das der Anfang vom Ende des Urheberrechtsschutzes gewesen. Es träte quasi mit der ersten Veröffentlichung eines Werkes im Internet die digitale Erschöpfung ein, ohne dass der Urheber – anders als in den Link- und Einbettungsfällen – noch Einfluss auf die Nutzung des Werkes hätte.

Der EuGH hat folglich heute, wie erwartet, hier ein öffentliches Zugänglichmachen mit gewichtigen Argumenten bejaht.

31      Im Ergebnis wäre somit das Werk des Urheberrechtsinhabers, selbst wenn er beschlösse, es nicht mehr auf der Website wiederzugeben, auf der es ursprünglich mit seiner Zustimmung wiedergegeben worden ist, weiterhin auf der Website zugänglich, auf der die neue Einstellung erfolgt ist. Der Gerichtshof hat aber bereits betont, dass der Urheber eines Werks die Möglichkeit haben muss, die Ausübung seiner Rechte zu dessen Nutzung in digitaler Form durch einen Dritten zu beenden und dem Dritten dadurch jede künftige Nutzung dieses Werks in digitaler Form zu untersagen, ohne zuvor andere Förmlichkeiten beachten zu müssen (vgl. entsprechend Urteil vom 16. November 2016, Soulier und Doke, C‑301/15, EU:C:2016:878, Rn. 51).

32      Zweitens sieht Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 ausdrücklich vor, dass sich das Recht der öffentlichen Wiedergabe nach Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht mit den in dieser Vorschrift genannten Handlungen der öffentlichen Wiedergabe oder der Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit erschöpft.

33      Ginge man aber davon aus, dass, wenn auf einer Website ein Werk eingestellt wird, das zuvor auf einer anderen Website mit der Zustimmung des Urheberrechtsinhabers wiedergegeben worden ist, dieses Werk keinem neuen Publikum zugänglich gemacht wird, liefe dies darauf hinaus, eine Regel über die Erschöpfung des Rechts der Wiedergabe aufzustellen.

34      Eine solche Regel widerspräche nicht nur dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29, sondern nähme dem Urheberrechtsinhaber die im zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie genannte Möglichkeit, eine angemessene Vergütung für die Nutzung seines Werkes zu verlangen, obwohl, wie der Gerichtshof ausgeführt hat, der spezifische Gegenstand des geistigen Eigentums insbesondere den Inhabern der betreffenden Rechte den Schutz der Befugnis gewährleisten soll, das Inverkehrbringen oder die Zugänglichmachung der Schutzgegenstände dadurch kommerziell zu nutzen, dass gegen Zahlung einer Vergütung Lizenzen erteilt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 107 und 108).

35      Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist in Anbetracht der in Rn. 24 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung davon auszugehen, dass die Einstellung eines urheberrechtlich geschützten Werks auf eine andere Website als die, auf der die ursprüngliche Wiedergabe mit der Zustimmung des Urheberrechtsinhabers erfolgt ist, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens als Zugänglichmachung eines solchen Werks für ein neues Publikum einzustufen ist. Denn unter solchen Umständen besteht das Publikum, an das der Urheberrechtsinhaber gedacht hatte, als er der Wiedergabe seines Werks auf der Website zugestimmt hatte, auf der es ursprünglich veröffentlicht wurde, nur aus den Nutzern dieser Website und nicht aus den Nutzern der Website, auf der das Werk später ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers eingestellt worden ist, oder sonstigen Internetnutzern.

Diese Entscheidung entspricht wohl dem gesunden Menschenverstand und – ausweislich der Formulierung des Vorlagebeschlusses des BGH – auch der dortigen Vermutung.

(EuGH Urt. v. 07.08.2018, C‑161/17)

BGH zur Erstattungfähigkeit von anwaltlichen Reisekosten oder: Kennen Sie die Insel Neuwerk?

Kennen Sie die Insel Neuwerk? Ein beschauliches Stückchen Land in der Elbe- und Wesermündung, ca. 12 Kilometer vor der Küste Cuxhavens und auch zu Fuß über das Watt zu erreichen. War sie einst Zufluchtsort für einen großen Viehdieb, was 1535 zu einer Erstürmung der Insel führte (mehr zur Geschichte der Insel), könnte Sie nun ganz anderen Personen Unterschlupf gewähren: Rechtsanwälten im Rahmen der Reisekostenabrechnung oder genauer gesagt: Den von Ihnen vertretenen Parteien.

Grundsätzlich (mit Ausnahmen) gilt: der Gegner muss nur die Reisekosten des eigenen Anwalts im Obsiegensfalle erstatten, wenn dieser entweder am Gerichtsort oder am Wohnsitz der eigenen Partei ansässig ist.  Eine weitere Ausnahme gilt bei Wettbewerbsverbänden. Hier seien Besprechungen zwischen Verband und Rechtsanwalt regelmäßig nicht erforderlich, lediglich ein im Gerichtsbezirk ansässiger Rechtsanwalt sei ersatzfähig.

Neu ist nun, dass fiktiv eine Prüfung erfolgt, welche Reisekosten im Gerichtsbezirk maximal hätten anfallen können, bis zu dieser Höhe könne eine Erstattung verlangt werden:

Tatsächlich angefallene Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts sind insoweit notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO und damit erstattungsfähig, als sie auch dann entstanden wären, wenn die obsiegende Partei eine Rechtsanwältin mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte.

Aus der Hüfte geschossen dürfte eine längere Recherche zur größtmöglichen Entfernung am Amtsgericht Berlin-Mitte eher wenig lohnenswert sein. Eine Spezialität dürfte sich aber für die Gerichte ergeben, die in Hamburg-Mitte angesiedelt sind. Zum Bezirk Hamburg-Mitte gehört nämlich auch die Insel Neuwerk. Je nach Verkehrslage ist die kürzeste Entfernung nach Cuxhaven-Sahlenburg 127 – 220 km, dazu kommen dann noch 10 km Wattweg zur Insel Neuwerk.

Dieses ziemlich schräge Bild passt auch in die ansonsten an der Entscheidung des BGH geübte Kritik z.B. vom Kollegen Christian Franz

Das Landgericht Pinneberg ist übrigens für die Insel Helgoland zuständig, wobei eine Anreise ohne Boot oder Flugzeug schwierig erscheint.

BGH, Beschl. v. 9.5.2018 – I ZB 62/17
Update: Die Lösung ist da! https://gerichtsbezirke.de/

 

LG Braunschweig / LG Bochum: Zur Verjährung bei Nachforderung der Umsatzsteuer auf Abmahnkosten

Der BFH hat die Praxis geschüttelt: Die Kosten einer Abmahnung seien umsatzsteuerrechtlich eine Entgeltforderung und damit umsatzsteuerbar. Seitdem gibt es viele unterhaltsame Problemchen, die in der Praxis für Freude sorgen, gerade auch auf Passivseite.

Für Altfälle hat die Veröffentlichung der Entscheidung des BFH im April 2017 noch einmal für Aufregung gesorgt, da man davon ausging, dass ab dem Zeitpunkt die (bei Wettbewerbssachen sehr kurze 6-monatige) Verjährungsfrist für die Nachforderung der Umsatzsteuer läuft.

Nein, sagt das LG Braunschweig. Alle Tatsachen waren bekannt, aufgrund einer Entscheidung des bereits im Jahr 2003 habe der BFH aber ähnlich entschieden, diese Entscheidung wurde mit der jüngst veröffentlichten Entscheidung unverändert „bestätigt“. Die Verjährungsfrist konnte also frühestens im Jahr 2003 beginnen, spätestens aber mit dem Entstehen des Anspruchs.

Update: Doch, sagt das LG Bochum. Die bis zur Veröffentlichung herrschende Meinung (wohl unter Außerachtlassung der alten BFH-Entscheidung) sei eindeutig gewesen, sodass die Kenntnis vom Bestehen des Anspruchs erst frühestens mit Urteilsveröffentlichung im Frühjahr 2017 begonnen haben kann.

Praxistipp:

Derzeit noch rechtshängige Verfahren zur Geltendmachung der Abmahnkosten drohen im Lichte der erkennbar ersten Entscheidungen zu diesem Thema erfolglos zu verlaufen. unvorhersehbar zu verlaufen.

Für andere Rechtsgebiete mit regelmäßiger 3-jähriger Verjährungsfrist könnte ein erneuter Blick in den Fristenkalender lohnen: Der 31.12.2020 ist, die Richtigkeit der Entscheidung des LG Braunschweig unterstellt – nur dann verjährungsrelevant, wenn der Anspruch im Jahr 2017 entstanden ist. Vorsorglich sind Fristen daher ggf. früher zu notieren.

LG Braunschweig, Urt. v. 23.05.2018 Az.: 2 O 2167/17

LG Bochumg, Urt. v. 03.08.2017 Az.: I-14 O 119/17

OLG Hamburg: Verweis auf OS-Plattform muss anklickbar sein (eBay-Falle)

Nach Art. 14 Abs. 1 ODR-Verordnung ist die Vorgabe eindeutig:

In der Union niedergelassene Unternehmer, die Online-Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge eingehen, und in der Union niedergelassene Online-Marktplätze stellen auf ihren Websites einen Link zur OS-Plattform ein. Dieser Link muss für Verbraucher leicht zugänglich sein. In der Union niedergelassene Unternehmer, die Online-Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge eingehen, geben zudem ihre E-Mail Adressen an.

Gerade bei eBay hat es sich jedoch eingebürgert, schlicht im Rahmen der allgemeinen „Rechtstexte“ (vulgo: AGB) auf die ODR-Plattform unter Nennung der URL hinzuweisen.

Praxistipp:

Ändern! Der Link ist anklickbar entweder in das Feld „Rechtliche Informationen des Verkäufers oder in die Artikelbeschreibung einzufügen, was übrigens auch konform mit den ansonsten in Bezug auf Verlinkungen strengen Vorgaben von eBay ist.

OLG Hamburg Beschluss vom 29.05.2018 3 W 39/18

EuGH: Fanseiten-Betreiber auf Facebook für Datenschutz mitverantwortlich

Hat der EuGH heute das Ende (eines nicht unerheblichen Teils) des Internets verkündet?

In einem heute vom EuGH entschiedenen Vorabentscheidungsverfahren ging es um ein Einschreiten der Datenschutzaufsichtsbehörde des Landes Schleswig-Holstein gegen die Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein. Anlass war eine Verfügung, wonach die Facebook-Fanpage der Wirtschaftsakademie zu schließen sein sollte.

Der Seitenbetreiber erhält über das Tool „Facebook Insight“ statistische Daten zu den Seitenbesuchern, die mit einer eindeutigen Benutzerkennung in Cookies erhoben werden.

Die Abschaltung der Facebook-Seite gegen den Betreiber wurde verfügt, da weder die Wirtschaftsakademie noch Facebook die Besucher der Fanpage darauf hinwies, dass Facebook mittels Cookies sie betreffende personenbezogene Daten erhebt und diese Daten danach verarbeitet. Das ist das datenschutzrechtliche Grundproblem vieler Internetriesen: Mangelnde Transparenz.

Der Seitenbetreiber wandte ein, nur Facebook sei für diese Datenverarbeitung verantwortlich, was der EuGH jedoch abweichend beurteilte.

Grund hierfür war die Auswertungsmöglichkeit, die Facebook dem Betreiber im Rahmen von Facebook Insights zur Verfügung stellte, woraus sich Angaben zur Zielgruppe in demografischer Hinsicht ergäben. Diese Daten informieren den Seitenbetreiber darüber, wo Werbeaktionen durchzuführen oder Veranstaltungen zu organisieren sind, um das Angebot Zielgruppengerecht auszugestalten.
Und jetzt?

ULD und der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz haben in aktuellen Pressemitteilungen schon zur Sorgsamkeit im Umgang mit social media Präsenzen geraten. Der Ernst der Lage dürfte die sozialen Netzwerke in kurzer Zeit zu Lösungen bewegen. Im Klartext heißt das, was sich aus den Pressemitteilungen ergibt, in rechtlicher Hinsicht: Vorerst nicht weiter nutzen.

EuGH Urt. v. 5. Juni 2018 Az.: C-210/16

KG Berlin: E-Mail Adresse im Impressum muss „nutzbar“ sein

Kundenanfragen sind manchen Unternehmen sehr lästig. Durch komplizierte Kontaktformulare, teils mit Registrierungserfordernissen, versuchen sie, Kunden von einer Kontaktaufnahme abzuhalten, die Arbeitszeit und damit Geld kostet.

Aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG ergibt sich aber die Verpflichtung, auch eine E-Mail-Adresse im Impressum anzugeben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme ermöglicht.

Google machte es sich recht einfach und beantwortete Mails an die im Impressum genannte Adresse mit einer automatischen Antwort, die auf andere – zum Teil deutlich kompliziertere – Kontaktwege verwies.

Nach dem LG Berlin, hält auch das KG Berlin dieses Vorgehen für rechtswidrig und gibt damit dem Verbraucherzentrale Bundesverband recht.

Auch web.de hat sich in der Vergangenheit hier schon ein blaues Auge beim LG Koblenz geholt.

Die Praxisrelevanz dieser Entscheidungen liegt auf der Hand: Weiterhin können Mitteilungen ein Unternehmen durch Übersendung an die Impressum genannte E-Mail-Adresse übersendet werden. Anfragen, Auskunftsersuchen, Hinweise zu rechtswidrigen Inhalten, aber auch Fälligstellungen oder Mahnungen per E-Mail sind dadurch recht einfach möglich.

Dass Unternehmen versuchen, durch verschwurbelte Formulierungen (wie z.B. O2 „E-Mail-Kontakt nach § 5 Nr. 2 TMG:“), Anfragende von einer Nutzung der Mailadrese abzuhalten, ist in diesem Kontext ärgerlich. Ob aber die Grenze der Rechtswidrigkeit erreicht wird, dürfte dabei fraglich sein.

KG, Urt. v. 23.11.2017, 23 U 124/14

OLG Düsseldorf: Keine markenrechtliche Erschöpfung bei Luxuskosmetik

Im Markenrecht gilt der Grundsatz, dass einmal in der EU / im EWR mit Zustimmung des Markeninhabers in den Verkehr gebrachte Ware frei gehandelt werden darf, Markenrechte sind dann an diesen Produkte erschöpft.

Der Markeninhaber darf sich nach § 24 MarkenG oder Art. 15 UMV  einem weiteren Vertrieb nur dann widersetzen, wenn berechtigte Gründe hierfür vorliegen, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist. In der Rechtsprechung ging es dabei zum Beispiel häufig um Importmedikamente, die zur Vermarktung in Hochpreismärkten umgepackt oder umetikettiert wurden.

Im vorliegenden Fall wandte sich der Hersteller von Luxuskosmetik gegen einen Verkauf seiner Produkte in den Lokalen der REAL-Warenhauskette.

Der Europäische Gerichtshof hatte jüngst mit der COTY-Entscheidung (EuGH, Urteil vom 6.12.2017 – C-230/16) eine Einschränkung des freien Handels durch die Beschränkung des Internetvertriebs über Drittplattform für kartellrechtskonform gehalten, wenn dies zur Sicherung des Luxusimages von Waren aus einem selektiven Vertriebssystem erforderlich ist.

Offenbar von diesen Erwägungen getrieben schließt das OLG Düsseldorf nun darauf, dass auch im Markenrecht im Falle der Gefährdung des Luxusimages von Produkten aus einem selektiven Vertriebssystem ein berechtigter Grund zur Einschränkung des Grundsatzes der Erschöpfung darstellt.

Die Entscheidungsgründe aus dem einstweiligen Verfügungsverfahren sind noch nicht veröffentlicht.

Ob die Entscheidung tatsächlich „wegweisend“ ist, darf dabei aber zumindest in Frage gestellt werden. Den Weg für Produkte, deren Luxusimage bedroht ist, hat der EuGH bereits vor gut 20 Jahren (EuGH Urt. v. 04.11.1997, C-337/95, Rn. 45 ff.  –  Dior/Evora) und daran anschließend im Jahr 2009 (EuGH Urt. v. 23.04.2009, C-59/08 Rn. 56 – Copad/Dior) geebnet, wobei stets auf das Umfeld des Vertriebs abgestellt wurde.

Auch in Zukunft bleibt der Weg steinig für Markeninhaber, die gegen einen vorgefundenen Grauvertrieb vorgehen möchten. Weiterhin dürften gesteigerte Anforderungen an den Umfang der Darlegungen zum Bestehen eines Luxusimages und der Frage der Beeinträchtigung dieses Images durch den Grauvertrieb bestehen. Alteingesessene Luxuslabels dürften es dabei deutlich einfacher haben, bieten aber auch durch enger gestrickte Vertriebssysteme weniger Angriffsfläche für den unerwünschten Vertrieb abseits der imageträchtigen Hauptschiene. Es dürfte daher weiterhin sinnvoll sein, die Grundsätze der COTY-Entscheidung schon bei der Gestaltung der Warendistribution mit einzubeziehen, damit einem drohenden Graumarkt schlicht die Warenquelle fehlt.

(OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.04.2018, I-20 U 113/17).