BGH zur hinreichend klaren Fassung eines Unterlassungsantrages

Der BGH hat sich in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren (BGH, Beschl. v. 15.12.2016 – I ZR 96/16; Vorinstanz: OLG Hamm, Beschl. v. 15.3.2016 – 4 U 113/15) mit der Formulierung „den Eindruck erweckt“ im Rahmen eines Unterlassungsantrages befasst.

Die Steuerberaterkammer nahm den Beklagten Buchhalter nach wettbewerbsrechtlichen Anspruchsgrundlagen auf Unterlassung in Anspruch. In den Tatsacheninstanzen war der Beklagte schließlich u. a. wie folgt verurteilt worden:

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr bei der Werbung für seine Tätigkeit als selbständiger Buchhalter den Eindruck zu erwecken, er dürfe geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, die über den Kreis der ihm als selbständigen Buchhalter erlaubten Arbeiten hinausgeht, wie geschehen

  1. a)  in der Kleinanzeige im „M. “ vom 25.10.2014 (Anlage K14)
  2. b)  im Internetauftritt des Beklagten www.XXX.de (Anlage K2) in den Werbetexten unter den Menüpunkten „Über das Buchführungsbüro“ (Seite 3 der Anlage K2), „Finanzbuchhaltung / Leistungsumfang“ (Seite 7 der Anlage K2), „Finanzbuchhaltung / Kostenstellen, Kostenträger“ (Seite 16 der Anlage K2) und „DATAC24/Die Zukunft der Buchhaltung“ (Seite 31 der Anlage K2) und durch die Angabe der Unternehmensbezeichnung „DATAC Buchführungsbüro G.“ in der Kopfzeile jeder einzelnen zum Internetauftritt gehörenden Internetseite.“

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde versuchte der Beklagte, diese Verurteilung anzugreifen, und zwar mit der interessanten Begründung, die Urteilsformel sei nicht hinreichend bestimmt. Ansatzpunkt für diesen Angriff war hier die Formulierung „den Eindruck erweckt“. Eine solche Formulierung genügt nämlich regelmäßig nicht dem Bestimmtheitsgebot. Gleichwohl hält der BGH dieses Urteil mit der Begründung, hier lasse sich im Wege der Auslegung ein vollstreckungsfähiger Inhalt „gerade noch ermitteln“. Es lasse sich nämlich aus dem im Urteil wiedergegebenen erstinstanzlichen Anträgen sowie den Gründen der Entscheidung entnehmen, wie der Beklagte den irreführenden Eindruck erweckt habe. Der Beklagte habe durch die Verwendung der Begriffe Buchführungsbüro, Finanzbuchhaltung, Lohn- und Gehaltsbuchhaltung, Buchhaltung und Buchführung den irreführenden Eindruck hervorgehoben, er dürfe auch Tätigkeiten vornehmen, die eigentlich einem Steuerberater vorbehalten seien.

Das war – sozusagen – ziemlich knapp. Der Fall zeigt erneut, das der Formulierung der Anträge sowie der Tenore immer ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, vor allem – aber nicht nur – in Wettbewerbssachen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das gesamte Urteil wertlos ist, weil es nicht die Grundlage für eine Zwangsvollstreckung darstellen kann! Besondere Vorsicht ist bei der Formulierung „den Eindruck erwecken“ geboten. Es muss dann jedenfalls sichergestellt werden, dass aus dem gesamten Urteil eindeutig ermittelt werden kann, was genau verboten ist.

LG Ulm: Kein virtuelles Hausrecht für Webshops

Ein Druckereidienstleister erteilte einem Nutzer ein „virtuelles Hausverbot“, da es in der Vergangenheit zu einem unerwünschten Weiterverkauf von Ware gekommen sei und auch Rechtsverletzungen aufgrund mangelnder Urheberrechte befürchtet wurden.

Als Bestellungen weiter eingingen und eine Abmahnung fruchtlos verlief, klagte der Dienstleister auf Unterlassung.

Das LG Ulm wies die Klage ab. Zur Begründung führt es aus, dass die Figur des virtuellen Hausverbots in Einzelfällen, z.B. bei Internetforen, in denen ein Betreiber für Inhalte verantwortlich gemacht werden könnte, durchaus greifen kann, ein solcher Fall hier aber nicht vorliegt. Dem Dienstleister stünde es vielmehr frei, Vertragsangebote nicht anzunehmen oder von bereits geschlossenen Verträgen zurückzutreten, wenn die Gefahr von Rechtsverletzungen droht.

Diese Entscheidung ist höchst fragwürdig: Bereits der Umstand, dass dem Kunden weiterhin das Aufgeben von Bestellung gestattet ist, führt zu dem Risiko, dass eine Bestellung „durchrutscht“ und nicht vor der Ausführung auf Rechtsverletzungen gesondert geprüft wird. Dem Shopbetreiber zu raten, von einer automatischen Vertragsannahme abzusehen (z.B. hier), hilft auch nur begrenzt weiter. So wird vertreten, dass bereits die Anforderung einer Zahlung eine konkludente Annahme des Vertragsangebots darstellen soll (AG Dieburg Urteil vom 21.02.2005 Az.: 22 C 425/04). Der Link z.B. zu Paypal, SofortÜberweisung oder ähnlichen Bezahlsystemen im Rahmen der Bestellung wäre damit bereits problematisch. Gerade aber verbleibende klassische Zahlungsmethoden „auf Rechnung“, „Lastschrift“ oder „Vorkasse per Überweisung“ verlieren aufgrund ihrer Nachteile für die Vertragsparteien zunehmen an Bedeutung. Virtuelle Hausverbote dürften trotz dieser gegenläufigen Entscheidung des LG Ulm die Methode erster Wahl sein, um unerwünschte Vertragsbeziehungen zu vermeiden.

 

LG Ulm Beschluss vom 13.01.2015 Az. 2 O 8/15

BGH: Fremde Bewertungen können solche des Portablbetreibers werden

Plattformbetreiber haften für fremde Meinungsäußerungen nur beschränkt. Rechtsprechung und Literatur haben ein ausgewogenes System entwickelt, das einerseits die Rechte des Bewerteten, andererseits aber auch die Meinungsfreiheit der Bewertenden wahrt.

In einem jüngst vom BGH entschiedenen Fall berief sich ein Plattformbetreiber auf diese lediglich vermittelnde Stellung zwischen Nutzer und bewertetem Unternehmen. Ausnahmsweise soll der Plattformbetreiber hier jedoch als unmittelbarer Störer doch haften.

Was ist passiert?

Der Plattformbetreiber hat auf eine Beschwerde hin eigenmächtig und ohne Rücksprache mit dem Bewertenden die Bewertungsformulierung angepasst, die Bewertung hiernach veröffentlicht.

„Bei der gebotenen objektiven Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände hat der Beklagte somit die inhaltliche Verantwortung für die angegriffenen Äußerungen übernommen. Da es sich bei den Äußerungen um unwahre Tatsachenbehauptungen und um Meinungsäußerungen auf unwahrer Tatsachengrundlage und mit unwahrem Tatsachenkern handelt, hat das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin zurückzutreten.“

Praxistipp:

Plattformbetreiber – auch abseits von Bewertungsportalen kann dies z.B. Forenbetreiber treffen – sollten im Falle von Beanstandungen die beanstandeten Inhalte zunächst sperren und den jeweiligen Nutzer zu einer Stellungnahme auffordern. Sollte diese ausbleiben, sollten die Inhalte dauerhaft gesperrt bleiben. Es ist tunlichst von einer eigenmächtigen Anpassung von Äußerungen abzusehen.

Für Personen, die von rechtverletzenden Äußerungen betroffen sind, erhöht dies die Rechtsschutzmöglichkeiten, da Bewertende sich teils nach einer solche Bewertung „den Frust von der Seele geschrieben“ haben und Tage, Wochen oder Monate später oft nur eine sehr geringe Bereitschaft besteht, sich mit den Inhalten nochmals auseinanderzusetzen. Die Löschung von Äußerungen wäre dann die Folge.

 

BGH Urteil vom 4. April 2017 – VI ZR 123/16 (Pressemitteilung)

BGH: Wann sind Entgelte für Papierrechnungen wirksam in AGB vereinbar?

Nun hat es der BGH erneut bestätigt, dies zudem mit einem sehr erfreulichen Ergebnis für Verbraucher:

Anders als noch die Vorinstanz, geht der BGH davon aus, dass eine Papierrechnung auch dann nicht berechnet werden darf, wenn der abgeschlossene Vertrag einen Internetanschluss beinhaltet (Argument der Vorinstanz sinngemäß: Dann kann der Kunde die Rechnung einfach selbst abrufen). Der BGH ist vielmehr der Ansicht, dass die Rechnung immer dann kostenfrei in Papierform zur Verfügung zu stellen ist, wenn das jeweilige Produkt auch über andere Wege, als per Internet abgeschlossen werden kann und verweist dabei auf die frühere Entscheidung.

Die Beklagte wendet sich mit ihrem Angebot, wie in der mündlichen Verhandlung des Senats noch einmal verdeutlicht wurde, nicht ausschließlich an Kunden, die mit ihr die Verträge auf elektronischem Weg über das Internet abschließen. Nur wenn dies der Fall wäre, könnte die Beklagte davon ausgehen, die gegenüber allen ihren Vertragspartnern bestehende Pflicht zur Rechnungserteilung vollständig und umfassend durch Bereitstellung der Rechnung in ihrem Internetkundenportal zu erfüllen (zu Bedenken dagegen, Rechnungen lediglich zum Abruf über ein Internetportal bereit zu halten, siehe Senatsurteil vom 16. Juli 2009 – III ZR 299/08, NJW 2009, 3227 Rn. 14 mwN).

Da die Beklagte aber nicht allein diesen Kundenkreis bedient, kann sie ihrem Geschäftsbetrieb nicht die Erwartung zugrunde legen, dass ihre Vertragspartner  praktisch  ausnahmslos  über  einen  Internetzugang  verfügen und in der Lage sind, die ihnen erteilten Rechnungen elektronisch aufzurufen. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass die allgemeine Verbreitung der Internetnutzung seit der Senatsentscheidung vom 16. Juli 2009 (aaO Rn. 21) weiter zugenommen haben mag, kann noch nicht davon ausgegangen werden, dass die Abwicklung des privaten Rechtsverkehrs über dieses Medium bereits zum allgemeinen Standard erstarkt ist. Angesichts dessen ist (auch) die Erteilung einer Rechnung in Papierform weiterhin eine Vertragspflicht der Beklagten, für die sie kein gesondertes Entgelt verlangen darf.

(BGH Urteil vom 9.10.2014 – Az.: III ZR 32/14)

 

 

Praxistipp:
Unternehmer sollten Internet-only-Produkte mit gesonderten Preislisten schaffen, die die Papierrechnung kostenpflichtig ausgestalten. Verbraucher sollten, sofern gewünscht, bei Waren und Dienstleistungen, die auch offline (und sei es per Post) bezogen werden können, auf eine kostenfreie Papierrechnung bestehen.

 

(BGH, Beschluss vom 19.01.2017 – Az.: III ZR 296/16)

LG Essen: Routerzwang auch Bestandskunden aufgehoben

Das Gesetz mit dem sperrigen Namen Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (FTEG) brachte im Januar 2016 eine Neuerung auf den – in diese Hinsicht verkrusteten – deutschen Markt der Internetzugangsanbieter: Die bis dahin weit verbreitete Praxis des Routerzwangs wurde untersagt, dem Teilnehmer die Wahl des Endgerätes gestattet mit einem Recht auf Zugang zu den erforderlichen Zugangsdaten, die bis dahin oft in den Endgeräten vor einem Zugriff Dritter „versteckt“ wurden:

§ 11 Abs. 3 FTEG lautet:

Die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und die Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten dürfen den Anschluss von Telekommunikationsendeinrichtungen an das öffentliche Telekommunikationsnetz nicht verweigern, wenn die Telekommunikationsendeinrichtungen die grundlegenden Anforderungen nach § 3 Absatz 1 erfüllen. Sie können dem Teilnehmer Telekommunikationsendeinrichtungen überlassen, dürfen aber deren Anschluss und Nutzung nicht zwingend vorschreiben. Notwendige Zugangsdaten und Informationen für den Anschluss von Telekommunikationsendeinrichtungen und die Nutzung der Telekommunikationsdienste haben sie dem Teilnehmer in Textform, unaufgefordert und kostenfrei bei Vertragsschluss zur Verfügung zu stellen.

Ein Teilnehmer wollte nun im vergangenen Jahr von diesem Recht Gebrauch machen und forderte die Zugangsdaten von seinem Internetprovider heraus, der dies mit Verweis auf die Bestandskundeneigenschaft verweigerte. Aus dem Wortlaut der Norm („bei Vertragsschluss“) bezöge sich diese Verpflichtung nur auf Neukunden. Hiergegen wandte sich die Verbraucherzentrale NRW mit Erfolg vor dem LG Essen. Die Regelung sei vom Wortlaut her (eher fraglich), aber auch von dem europarechtlichen Hintergrund so auszulegen, dass sie auch Bestandskunden eine freie Endgerätewahl ermöglich soll.

 

LG Essen Urteil vom 23.09.2016 Az.: 45 O 56/16

BGH: Unterlassung im Wettbewerbsrecht kann Rückruf von Produkten erfordern

Ein Unterlassen umfasst nicht nur das schlichte Nichttun. Wie weit aber Handlungspflichten reichen können, war im Lauterkeitsrecht nach der Rechtsprechung nicht klar, wobei durch eine jüngere BGH-Entscheidung der Umfang der möglichen Handlungspflichten erweitert wird.

Der BGH führt aus:

Ist der Unterlassungsschuldner danach zur Vornahme von Handlungen verpflichtet, kann dies, wie das Beschwerdegericht mit Recht angenommen hat, die Verpflichtung umfassen, auf Dritte einzuwirken, um diese zu einem Tun oder einem Unterlassen anzuhalten. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs hat zwar für das selbständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat (vgl. BGH, GRUR 2014, 595 Rn. 26 – Vertragsstrafenklausel). Er ist verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken, soweit dies zur Beseitigung eines fortdauernden Störungszustands erforderlich ist (BGH, GRUR 2015, 258 Rn. 70 – CT-Paradies). Danach muss ein Schuldner, dem gerichtlich untersagt worden ist, ein Produkt mit einer bestimmten Aufmachung zu vertreiben oder für ein Produkt mit bestimmten Angaben zu werben, grundsätzlich durch einen Rückruf des Produkts dafür sorgen, dassbereits ausgelieferte Produkte von seinen Abnehmern nicht weiter vertrieben werden[…].

Praxistipp

Dem Unterlassungsgläubiger ist daher nach Zustellung eines Unterlassungstitels (oder Zustandekommen einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung) dazu zu raten, sofort auch an seine Abnehmer heranzutreten, um Produkte zurückzurufen. Dies sollte unbedingt auch gewissenhaft dokumentiert werden. Gelingt ein vollständiger Produktrückruf trotz ausreichender Bemühungen nicht, dürfte die Festsetzung eines Ordnungsgeldes oder die Fälligstellung einer Vertragsstrafe am fehlenden Verschulden scheitern. Vor Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sollten, wenn dem Schuldner durch ein unbefristetes Verbot unverhältnismäßige Nachteile entstünden und die Belange sowohl des Gläubigers als auch der Allgemeinheit durch eine befristete Fortsetzung der Wettbewerbswidrigkeit nicht unzumutbar beeinträchtigt werden,mit dem Unterlassungsgläubiger auch die Möglichkeiten einer angemessenen Aufbrauchfrist erörtert werden.

BGH Beschluss vom 29.09.2017 I ZB 34/15

LG Hamburg zur Urheberrechtsverletzung durch Verlinkung

Die Verlinkung von Websites als Grundprinzip des Internets ermöglicht ein Stück weit die grundrechtliche geschützte Informationsfreiheit. Haften verlinkende für die Inhalte verlinkter Seiten, kann dies die Linkbereitschaft stark einschränken. Genau diesen Weg hat der EuGH mit seiner Entscheidung C‑160/15 vom 08.09.2016 eingeschlagen. Er hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wann eine Verlinkung eine öffentliche Wiedergabe darstellt, die in Fällen betroffener Urheberrechte zunächst vom Urheber gestattet werden müsste.

„Zum Zweck der individuellen Beurteilung des Vorliegens einer „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 muss daher, wenn das Setzen eines Hyperlinks zu einem auf einer anderen Website frei zugänglichen Werk von jemandem vorgenommen wird, der dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, berücksichtigt werden, dass der Betreffende nicht weiß und vernünftigerweise nicht wissen kann, dass dieses Werk im Internet ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht wurde.

Wenn auch in einem solchen Fall der Betreffende das Werk der Öffentlichkeit dadurch verfügbar macht, dass er anderen Internetnutzern direkten Zugang zu ihm bietet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C‑466/12, EU:C:2014:76, Rn. 18 bis 23), handelt er doch im Allgemeinen nicht in voller Kenntnis der Folgen seines Tuns, um Kunden Zugang zu einem rechtswidrig im Internet veröffentlichten Werk zu verschaffen. […]

Ist dagegen erwiesen, dass der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft – weil er beispielsweise von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde –, so ist die Bereitstellung dieses Links als eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zu betrachten.

[…]
Im Übrigen kann, wenn Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt werden, von demjenigen, der sie gesetzt hat, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde, so dass zu vermuten ist, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der etwaig fehlenden Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen wurde. Unter solchen Umständen stellt daher, sofern diese widerlegliche Vermutung nicht entkräftet wird, die Handlung, die im Setzen eines Hyperlinks zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk besteht, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar.“

Eine Verlinkung mit Gewinnerzielungsabsicht bedeutet damit für den Verlinkenden eine Pflicht, sich über die Inhalte der verlinkten Seite zu vergewissern. Eine in der Praxis unmögliche Aufgabe.

Genau diese Anforderungen hat das LG Hamburg in einem aktuellen Beschluss umgesetzt und eine Verlinkung untersagt (LG Hamburg Beschluss vom  18.11.2016 Az.: 310 O 402/16).

Die nach dieser Entscheidung losgebrochene mediale Welle der Entrüstung (z.B. WDR) ist ein wenig verwunderlich. Die Weichen stellte der EuGH bereits mehr als zwei Monate vorher, da die nationalen Regelungen des Urheberrechts auf Unionsvorgaben basieren und daher eine Auslegung auf Basis des Unionsrechts und der Rechtsprechung des EuGH zu erfolgen hat.

 

Joerg Heidrich, Justiziar des Betreibers von Heise.de, versucht sich im kleinen Maßstab an einer Umsetzung dieser Vorgaben, war aber offenbar bisher erfolglos. Das Landgericht Hamburg konnte ihm auf seine Anfrage hin noch nicht bestätigen, dass sämtliche Inhalte auf der gerichtseigenen Website urheberrechtskonform sind (Link zu heise.de)

 

Ausblick

Die jetzige Rechtslage ist höchstgradig unbefriedigend. Urheberrechtsverletzende Inhalte sind im Internet in großer Fülle – auch einfach – aufzufinden und werden schnell verlinkt. Auch die Schwelle zur Gewinnerzielungsabsicht hat das LG Hamburg sehr gering angesetzt. Websitebetreiber werden mit einem Abmahnungsrisiko leben müssen, sofern sie nicht ihr Angebot stark einschränken wollen. Es ist davon auszugehen, dass in Kürze weitere Entscheidungen zu diesem Thema folgen werden. Eine mögliche Stellschraube, um die Auswirkungen dieses faktischen Linkverbotes zu begrenzen, wäre es, z.B. nur solche Verlinkungen einer verschärften Haftung zu unterwerfen, aus denen sich unmittelbar ein wirtschaftlicher Vorteil (z.B. Vergütung pro Klick) ergibt. Insbesondere Verlinkungen zu journalistischen Zwecken wären in diesem Fall weitgehend urheberrechtlich unbedenklich.

LG Düsseldorf: WC-Sitz kann widerrufen werden

Ihr nächster WC-Sitz könnte schon einmal „besessen“ worden sein. Zumindest geht das LG Düsseldorf davon aus, dass für WC-Sitze auch das Widerrufsrecht im Fernabsatz besteht. Ein Shopbetreiber verkaufte WC-Sitze und bot optional eine Nano-Beschichtung an. Für solche WC-Sitze schloss der Händler das Widerrufsrecht aus.Zu unrecht, wie das LG Düsseldorf in einem Verfahren der Verbraucherzentrale feststellte.

Weder führt die optionale Nanobeschichtung dazu, dass eine solche Individualisierung vorliegt, dass ein Weiterverkauf nicht mehr möglich ist (wie z.B. bei einer Namensgravur), § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Noch handelt es sich um versiegelte Ware, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet ist, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde, da sich der WC-Sitz problemlos reinigen und so verkehrsfähig aufbereiten lässt.

Praxishinweis:
Warum ein WC-Sitz problemlos verkehrsfähig zu reinigen ist, dies bei einer Badeente nicht der Fall sein soll, ist nur schwer verständlich (OLG Koblenz, Beschluss vom 9.2.2011 zu einer Badeente mit Bundesligaemblem und – das ist entscheidend –  Vibrationsfunktion). Shopbetreiber sollten daher mit den Ausnahmen vom Widerrufsrecht sparsam umgehen.

 

LG Düsseldorf Urteil vom 14.9.2016, 12 O 357/15

OLG Jena: Heftstreifen Metall muss nicht (nur) aus Metall bestehen

Das OLG Jena hatte sich mit der Bezeichnung „Heftstreifen Metall“ auseinanderzusetzen, die ein Onlinehändler zur Beschreibung seines Angebots verwendete.

Der Heftstreifen (Fotos bei Wikipedia) bestand aber, wie üblich, nicht vollständig aus Metall. Lediglich der „Abdeckstreifen“ bestand aus Metall. Das OLG Jena verneint eine Irreführung des Verkehrs:

Der so bestimmte Durchschnittsverbraucher erwartet aufgrund der Bezeichnung „Heftstreifen Metall“ nicht einen Heftstreifen, der in allen seinen Teilen aus Metall besteht, sondern einen allgemein üblichen Heftstreifen, der aus unterschiedlichen Materialien bestehen kann. Soweit es um den Zusatz „Metall geht“, versteht der Durchschnittsverbraucher darunter die Beschaffenheit des Teils des Heftstreifens, der für die Stabilität der Heftung die wichtigste Rolle spielt, also des Teils, mit dem die Heftung vorgenommen wird.
Demgegenüber spielt es eine untergeordnete Rolle, ob für die Stabilität der Heftung nicht wesentliche Teile aus einem anderen Material (Plastik oder Papier) bestehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Durchschnittsverbraucher Heftstreifen, die vollständig aus Metall bestehen, nicht bekannt sind. Wird also eine Ware als „Heftstreifen Metall“ bezeichnet, dann erwartet der Verbraucher, dass die Heftklammer aus Metall besteht. Er würde unter „Heftklammer Plastik“ – als Kontrollüberlegung -auch keine Heftvorrichtung erwarten, die ausschließlich aus Plastik besteht (vgl. Modell).

Die Grundgedanken dieser Entscheidung lassen sich sicher auch auf andere Produkte übertrage. So wird der Verkehr auch bei Keramikbremsen für den PKW nicht erwarten, dass diese lediglich aus Keramik bestehen, aber die wesentliche Funktion der Bremse durch keramische Teile bewirkt wird. Bei Textilerzeugnissen die europäische Textilkennzeichnungsverordnung 1007/2011  in Art. 2 Abs. 2 konkrete Vorgaben macht, wann Angaben über enthaltene Textilien erforderlich sind.

Praxishinweis
Um Missverständnissen aus dem Weg zu gehen, sollte bei Produktangeboten, die auf eine bestimmte Materielbeschaffenheit neben einer schlagwortartigen Artikelbezeichnung auch eine kurze Beschreibung der gesamten Zusammensetzung des Produktes erfolgen, um eine Irreführung des Verkehrs auszuschließen.

Übrigens: Wussten Sie, dass Heftstreifen auch Aktendulli genannt wurden und werden? So lautete auch die Bezeichnung aus der Gebrauchsmusteranmeldung.

 

OLG Jena, Urteil vom 11.05.2016 – 2 U 663/15

 

 

Nachtrag:

TiL Köster, Erfinder des Heftstreifens aus Metall stabix, hat sich bei mir gemeldet und ein Foto eines solchen Metallheftstreifens übersendet, so kann man sich doch mal ein richtiges Bild davon verschaffen:

stabix

Foto: TiL Köster

BGH: Streuverluste beim Geo-Targeting von Onlineanzeigen wettbewerbswidrig

Ein regionaler Anbieter von Kommunikationsleistungen über das TV-Kabel hat auf bundesweit abrufbaren Internetseiten Werbeanzeigen geschaltet und dabei den Eindruck vermittelt, Leistungen bundesweit anbieten zu können. Tatsächlich war das Unternehmen aber nur in bestimmten Gebieten am Markt tätig. Das Unternehmen hatte bei der Kampagne – zur Vermeidung unnötiger Streuverluste – die Technik des Geo-Targeting angewandt, bei der möglichst nur an Nutzer in einer bestimmten Region Werbeanzeigen ausgespielt werden solle (mehr zu Geo-Targeting bei Wikipedia). Aufgrund technischer Gegebenheiten kam es jedoch zu Streuverlusten in Form von außerhalb der Zielregion abrufbaren Anzeigen in Höhe von rund 5%.

Erst auf der hinter der Werbeanzeige liegenden Internetseite klärte der Anbieter darüber auf, nicht bundesweit tätig zu sein.

Der BGH bejaht hier einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG aF und §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG aufgrund einer Irreführung von Verbrauchern über die räumliche Verfügbarkeit der Dienstleistungen. Die Relevanz sei auch gegeben, da 5% der Verbraucher zu 100% getäuscht würden. Der BGH zieht den Vergleich mit einer Einzelhandelswerbung, bei der die Relevanz dann erreicht ist, wenn nur eine von 100 Filialen das beworbene Produkt nicht zum Verkauf bereithält.

Praxishinweis:
Aufgrund der technisch derzeit nicht vollständig ausschließbaren Streuverluste beim Geo-Targeting, ist bereits in der Werbeanzeige selbst ein Hinweis auf eine regionale Verfügbarkeitsbeschränkung aufzunehmen. Diese Entscheidung dürfte auch auf Offlinewerbung. z.B. bei Zeitungsbeilagen übertragbar sein.

 

BGH Urteil vom 28.4.2016 – I ZR 23/15