Montagsblog: Neues vom BGH

Der BGH stellt seinen Richtern wöchentlich eine Sammlung aller Leitsatzentscheidungen zur Verfügung, die in der vorangegangenen Woche veröffentlicht worden sind. Dieser Beitrag bildet den Auftakt einer Serie, mit der in Anknüpfung an diese sog. Montagspost wöchentlich über – ausgewählte – aktuelle Entscheidungen des BGH berichtet wird.

Anforderungen an die Klageschrift: Bezugnahme auf behördliche Akten
Urteil vom 17. März 2016 – III ZR 200/15

Mit den aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO resultierenden Anforderungen an die bestimmte Angabe von Gegenstand und Grund der Klage befasst sich der III. Zivilsenat in einem nicht alltäglichen Fall.

Eine am letzten Tag der maßgeblichen Frist eingereichte Klageschrift, in der Ansprüche auf Entschädigung für strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen  geltend gemacht wurden, enthielt als Begründung im Wesentlichen einen Verweis auf die Akten des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens.

Der BGH sieht dies ebenso wie die Vorinstanzen als unzureichend an. Zwar darf auch zur Bestimmung von Gegenstand und Grund der Klage auf Unterlagen außerhalb der Klageschrift Bezug genommen werden. Diese Unterlagen müssen aber exakt bezeichnet werden. Soll mit der Einreichung der Klage eine Frist gewahrt werden, müssen sie dem Gericht (und nicht nur dem Beklagten) vor Ablauf der Frist vorliegen. Im Anwaltsprozess darf zudem nur auf Unterlagen Bezug genommen werden, die von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterschrieben sind.

Praxistipp: Auch bei akuter Zeitnot sollten alle nach § 253 Abs. 2 ZPO erforderlichen Angaben in die Klageschrift aufgenommen werden.

Werkmangel und Hinweispflicht
Urteil vom 25. Februar 2016 – VII ZR 210/13

Mit einer grundlegenden Frage des werkvertraglichen Mängelrechts befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Kläger machte Gewährleistungsansprüche wegen nach seiner Auffassung mangelhafter Fliesenarbeiten der Beklagten geltend. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kamen für den als mangelhaft gerügten Zustand der Fugen drei Ursachen in Betracht: die Verwendung nicht geeignete Fugenmaterials, eine unzureichende Bearbeitung durch die Beklagte oder eine unsachgemäße Reinigung durch Dritte nach Fertigstellung und Abnahme des Werks. Das Berufungsgericht ließ offen, welche dieser Umstände tatsächlich kausal geworden war. Es nahm an, der Beklagte habe jedenfalls darauf hinweisen müssen, dass ein geeignetes Reinigungsmittel zu verwenden sei, und bejahte deshalb auch für die dritte in Frage kommende Konstellation einen Werkmangel.

Der BGH hebt das Berufungsurteil auf und verweist die Sache an das OLG zurück. Die Frage, ob ein Werk mangelhaft ist, kann im Einzelfall zwar davon abhängen, ob der Unternehmer eine Prüf- oder Hinweispflicht verletzt hat. Dies gilt aber nur in Konstellationen, in denen das Werk nicht die vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktionalität aufweist. In solchen Konstellationen ist der Unternehmer von der an sich eintretenden Mängelhaftung frei, wenn die Ausführung auf Vorgaben des Bestellers entspricht und der Unternehmer ordnungsgemäß auf bestehende Bedenken hingewiesen hat. Weist das Werk im Zeitpunkt der Abnahme hingegen die geschuldete Funktionalität auf, kann die Verletzung einer Hinweispflicht eine (verschuldensunabhängige) Mängelhaftung nicht begründen. In der hier zu beurteilenden Konstellation könnte ein Mangel allenfalls dann vorliegen, wenn die Fugen nach dem Vertrag so ausgestaltet sein mussten, dass sie mit dem eingesetzten Reinigungsmittel behandelt werden können.

Praxistipp: Wenn nicht auszuschließen ist, dass kein Mangel, sondern nur die Verletzung einer Prüf- oder Aufklärungspflicht vorliegt, sollten die Klageansprüche vorsorglich auch auf § 280 Abs. 1 BGB gestützt werden. Hierzu sind Ausführungen zum Verschulden des Unternehmers unerlässlich.

Darlegungs- und Beweislast für die einschlägige Verjährungsfrist
Urteil vom 24. Februar 2016 – VIII ZR 38/15

Mit einer interessanten Frage zur Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Verjährung befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger nahm die Beklagte wegen behaupteter Mängel von Maschinenbauteilen in Anspruch. Der Kläger verwendete die von der Beklagten gelieferten Teile zur Herstellung von Walzen, die für den Bau einer Trocknungsanlage für Klärschlamm bestimmt waren. Zwischen den Parteien war unter anderem streitig, ob es sich bei der Trocknungsanlage um ein Bauwerk handelte, was gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB eine Verlängerung der Verjährungsfrist von zwei auf fünf Jahre zur Folge hätte. Das Berufungsgericht hatte die Darlegungs- und Beweislast insoweit bei der Klägerin gesehen, weil die zweijährige Frist den Regelfall darstelle.

Der BGH sieht dies anders und verweist die Sache an das OLG zurück. Grundsätzlich trägt für den Eintritt von rechtsvernichtenden oder rechtshindernden Einwendungen derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der daraus eine ihm günstige Rechtsfolge ableiten will, in der Regel also der Gläubiger. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn unterschiedlich lange Verjährungsfristen in Betracht kommen. Der Gläubiger, der sich auf eine kurze Verjährungsfrist beruft, trägt also die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen, unter denen diese Frist zur Anwendung kommt.

Praxistipp: Wer sich auf Verjährung beruft, sollte stets darauf achten, zu allen Tatbestandsvoraussetzungen der einschlägigen Verjährungsvorschrift vorzutragen und Beweis anzubieten.

Realofferte: Lieferung von Strom und Gas
Urteil vom 25. Februar 2016 – IX ZR 146/15

Mit der nicht immer leicht zu beantwortenden Frage, ob und mit wem durch den Bezug von Strom oder Gas ein Liefervertrag zustande kommt, befasst sich der IX. Zivilsenat im Zusammenhang mit einem Verbraucherinsolvenzverfahren.

Der klagende Energieversorger hatte auf der Grundlage eines mit dem Vermieter geschlossenen Sonderkundenvertrags ein Mietgrundstück mit Strom und Gas beliefert. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters teilte die Klägerin diesem mit, sie beliefere das Grundstück nunmehr im Rahmen der Grund- beziehungsweise Ersatzversorgung. Nach Auszug des letzten Mieters verlangte die Klägerin vom Vermieter die Zahlung des tariflichen Entgelts für die nach Insolvenzeröffnung erfolgten Lieferungen.

Der BGH weist die Klage – abweichend von der Vorinstanz – ab, weil durch die weitere Belieferung nach Insolvenzeröffnung zwar ein Vertrag zustande gekommen, der Vermieter aber nicht Partei dieses Vertrags geworden ist. Unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung sieht der Senat in dem Leistungsangebot des Versorgers eine Realofferte. Diese richtet sich nach Insolvenzeröffnung aber nicht (mehr) an den Insolvenzschuldner, sondern entweder an den Insolvenzverwalter oder an die Mieter. Der Mitteilung an den Vermieter über die Belieferung im Wege der Grund- oder Ersatzversorgung kommt keine Bedeutung zu, weil sie lediglich deklaratorischen Charakter hat.

Praxistipp: Die in der konkreten Entscheidung nicht relevante Frage, ob der Vertrag mit dem Insolvenzverwalter oder aber mit Mieter zustande kommt, kann ebenfalls große Schwierigkeiten bereiten. Alle Beteiligten sollten sich deshalb um eine möglichst frühzeitige Klärung bemühen – bevor hohe Rückstände auflaufen, für die niemand geradestehen will.

AG Dieburg zum Beginn der Widerrufsfrist und den Anforderungen an die Erklärung des Widerrufs im Fernabsatz

Vom AG Dieburg stammt eine Entscheidung, die sowohl für Verbraucher, als auch für Versandhändler interessant sein dürfte. Gleich zwei Fragen konnten hier geklärt werden

1. Anforderungen an eine Widerrufserklärung

Durch die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie sind die Anforderungen an eine Widerrufserklärung gestiegen. Genügte bisher die simple Verweigerung der Annahme einer Sendung, um einen konkludenten Widerruf anzunehmen, so verlangt das Gesetz nun mehr, in § 355 Abs. 1 S. 2 f. BGB heißt es nun:

Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen.

Im Fall des AG Dieburg war es so, dass der Käufer fünf Pakete eines Erfrischungsgetränkes bestellte und dem Lieferanten nach dem Ausladen des dritten Paketes mitteilte, dass er die Annahme der weiteren zwei Pakete verweigere. Diese wurden daraufhin an den Verkäufer zurückgesandt. Rund 2 Monate später forderte der Händler zur Bezahlung der zurückgesandten zwei Pakete, woraufhin der Verbraucher nochmals einen Widerruf erklärte.

Das AG Dieburg hält, dem Wortlaut der Norm zu recht, die Ablehnung der Annahme der Pakete nicht für eine ausreichende Widerrufserklärung:

Entgegen § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. ist eine bloße Rücksendung der Ware nicht mehr ausreichend. Entsprechendes gilt daher auch für die Verweigerung der Annahme der Ware, durch die alleine die Anforderungen des § 355 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 BGB an einen Widerruf nicht erfüllt werden.“

Erst die Mitteilung des Kunden zwei Monate später könnte einen solchen Widerruf darstellen.

2. Beginn der Widerrufsfrist

Der Beginn der Widerrufsfrist lässt sich § 356 Abs. 2 BGB entnehmen. Alle dort genannten Fälle haben zur Voraussetzung, dass der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die erste Ware erhalten hat. Auch bezüglich der noch nicht ausgeladenen zwei Pakete nimmt das AG Dieburg ein „Erhalten“ im Sinne der Norm an:

„Ob auf Grund der Lieferung in fünf Paketen § 356 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, b oder c BGB Anwendung findet, kann hingegen dahinstehen, da der Kl. am 21.8.2015 alle fünf Pakete im Sinne dieser Vorschrift erhalten hat und deshalb die Frage, ob es sich um eine oder mehrere Lieferungen handelte, ohne Belang ist. Unter Erhalt der Ware i.S.d. § 356 Abs. 2 BGB ist der „physische Empfang” (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 356 n.F. Rdnr. 4; Christmann, in: Bamberger/Roth, BeckOK, Stand: 1.11.2014, § 356 Rdnr. 5) bzw. der „physische Besitz” (vgl. Begr. des Gesetzesentwurfs, BT-Drs. 17/12637, S. 61) der Ware zu verstehen. Entscheidend soll demnach sein, ob der Verbraucher in der Lage ist, die Ware zu untersuchen (vgl. Grüneberg, a.a.O., § 356 n.F. Rdnr. 4, § 438 Rdnr. 15). … Demnach kann der Unternehmer im Falle eines Kaufvertrags den Zeitpunkt als entscheidend für den Fristbeginn vorsehen, in dem der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter die Ware „in Besitz genommen” hat.
Eine Inbesitznahme durch den Kl. lag auch hinsichtlich der beiden abgelehnten Pakete vor, da dieser mit der Anweisung an den Paketboten, die Pakete zurückzuschicken, von seiner Sachherrschaft i.S.d. § 854 Abs. 1 BGB Gebrauch gemacht hat. „In wessen tatsächlicher Herrschaftsgewalt sich die Sache befindet, hängt maßgeblich von der Verkehrsanschauung, d.h. von der zusammenfassenden Wertung aller Umstände des jeweiligen Falls entsprechend den Anschauungen des täglichen Lebens, ab” (BGH, U. v. 2.12.2011 – V ZR 119/11 [= MMR 2012, 417]). Erforderlich ist ferner, dass die Sachherrschaft von einem entsprechenden Besitzwillen des Besitzers getragen wird (BGH, a.a.O.). Ausgehend von diesem Maßstab spricht das Gesamtbild der Verhältnisse dafür, dass der Kl. hinsichtlich aller fünf Pakete bereits eine tatsächliche Sachherrschaft ausüben konnte. Dies folgt vor allem daraus, dass es alleine in seiner Entscheidung lag, ob er die Pakete behalten oder zurückschicken möchte. Insofern hatte er die Möglichkeit, über alle Pakete zu verfügen und den Inhalt zu überprüfen, obwohl der Paketbote diese einzeln aus dem Lieferwagen zur Haustür des Kl. transportierte. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kl. die zwei nicht angenommenen Pakete nicht gesehen hat. Denn bei lebensnaher Betrachtung kann es für die auf tatsächlichen Gründen beruhende Sachherrschaft des Kl. über die Ware als solche keinen Unterschied machen, ob der Lieferant alle fünf Pakete vor der Haustür abstellt und der Kl. diese möglicherweise begutachtet und näher kontrolliert oder ob er lediglich drei annimmt und hinsichtlich der anderen erklärt, diese nicht behalten zu wollen. Denn für die Annahme einer tatsächlichen Sachherrschaft ist nicht erforderlich, dass der Kl. die Sache berührt, in den Händen hält oder in einen abgesicherten Bereich wie z.B. seine Wohnung verbringt und damit seine Herrschaftsposition sichert. Vielmehr ist ausreichend, wenn er eine solche Position innehält, über die Sache als solche tatsächlich zu verfügen. Dies war ihm möglich. Denn der tatsächliche Rücktransport durch den Lieferanten zeigt, dass er über die Gegenstände als solche verfügen konnte.
Dass der Kl. die beiden Pakete nicht annehmen wollte, ist für das Vorliegen eines Besitzwillens nicht schädlich. Denn dieser muss nicht auf den Erwerb bestimmter Sachen bezogen sein, vielmehr ist ein genereller Besitzwille ausreichend (BGH, U. v. 24.6.1987 – VI ZR 397/86). Ein solcher war hinsichtlich der Lieferung der Bekl. zumindest bis zur Erklärung, die Ware nicht vollumfänglich annehmen zu wollen, vorhanden. I.Ü. bezieht sich der Besitzwille nicht auf das Behalten der Gegenstände, sondern auf die tatsächliche Sachherrschaft über die Sache (BGH, a.a.O.). Letztere bestand darin, dass der Kl. den Lieferanten anweisen konnte, die Ware wieder mitzunehmen, und in der Entscheidungsmöglichkeit über die Frage, in welcher Art und Weise mit den beiden Paketen zu verfahren ist.“

Gerade die Annahme des Gerichts, der Verbraucher hätte in dieser Situation über alle – auch die nicht angenommenen – Pakete tatsächlich in einer solchen Weise verfügen können, dass er in der Lage war, die Ware zu untersuchen, ist streitbar. Die praktische Lebenserfahrung zeigt, dass Lieferdienste keine Prüfung des Inhalts von Sendungen zulassen, bevor nicht die Annahme der Sendung erfolgt ist. Zutreffend führt das Gericht aber aus, dass dies dazu führen würde, dass findige Verbraucher durch die Verweigerung der Annahme einer Teilsendung gem. § 356 Abs. 2 lit b) BGB sich ein Widerrufsrecht von einem Jahr und 14 Tagen ab Vertragsschluss verschaffen könnten (§ 356 Abs. 3 S. 2 BGB).

AG Dieburg, Urt. v. 4.11.2015 – 20 C 218/15 (21)

 

Die Verschwiegenheitspflicht gilt auch für die Rechtsanwaltskammer

In einem kürzlich veröffentlichten Urteil des BGH (Urt. v. 11.1.2016 – AnwZ (Brfg) 42/14) vertrat dieser die Ansicht, dass die Verschwiegenheitspflicht der Rechtsanwaltskammern auch gegenüber dem Beschwerdeführer im berufsaufsichtlichen Verfahren gelte.

Wird durch einen Dritten eine Beschwerde bei der Kammer eingereicht, so wird der betroffene Anwalt, der angeblich gegen Berufsrecht verstoßen haben soll, hierzu schriftlich angehört. Dessen Stellungnahme wird dem Dritten häufig wieder zugeleitet mit der Frage, ob sich das Beschwerdeverfahren dadurch erledigt habe.

Im konkreten Fall war Beschwerdeführer eine weitere Rechtsanwaltskammer. Der Beschwerdegegner wurde im Rahmen der Anhörung  darauf hingewiesen, er könne einer Weiterleitung widersprechen. Da ein Widerspruch nicht erfolgt war, gelangte seine Stellungnahme zur beschwerdeführenden Rechtsanwaltskammer.

Der Beschwerdeführer wandte sich hiergegen mit einer Feststellungsklage. Er unterlag vor dem AGH Hamm wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses. Die beklagte Kammer hatte zuvor geäußert, sie werde Stellungnahmen des Klägers nicht mehr an Dritte weiterleiten.

Der BGH gab der Klage statt. Insbesondere bestehe ein Feststellungsinteresse. Die beklagte Kammer hatte nämlich in einem weiteren Aufsichtsverfahren gegen den Kläger wieder auf die erwähnte Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen und damit zum Ausdruck gebracht, sie beabsichtige bei fehlendem Widerspruch weiterhin eine Weiterleitung an den Beschwerdeführer.

Überdies sei die Klage auch begründet. Denn die Kammer könne sich nicht auf eine Befugnis berufen, die die Verschwiegenheitspflicht nach § 76 BRAO einschränke. Insbesondere seien die beschwerdeführenden Dritten keine „Verfahrensbeteiligten“.

Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Kammer und Mitglied ist wesentlicher Bestandteil der anwaltlichen Selbstverwaltung und eine Fortsetzung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. Zukünftig darf daher keine Widerspruchslösung praktiziert werden. Die Weiterleitung von Stellungnahmen sollte nur erfolgen, wenn eine ausdrückliche Einwilligung des Anwalts hierzu vorliegt.

Änderungen an BGB und UKlaG: Formvorgaben in AGB, Verfolgung von Datenschutzverstößen, Missbrauchseinwand

Durch das Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts vom 17.02.2016 ergeben sich einige, Änderungen, die auf den ersten Blick unwesentlich sind, sich in der Praxis aber erheblich auswirken dürften. Die wesentlichen Änderungen sollten Sie kennen:

  1. § 309 Nr. 13 BGB – Form von Anzeigen und Erklärungen

Für alle Schuldverhältnisse, die nach dem 30.09.2016 entstanden sind, gilt in Zukunft ein Verbot von AGB-Klauseln, die mehr als die Textform für Anzeigen und Erklärungen verlangen. Schriftform ist lediglich dann wirksam vereinbar, wenn der Vertrag einer notariellen Beurkundung bedarf. Wenngleich bei online geschlossenen Verträgen bereits die Rechtsprechung in Einzelfällen ein Schriftformerfordernis für unwirksam befunden hat (LG Berlin, 29.07.2014 – 16 O 500/13; LG München I, 30.01.2014 – 12 O 18571/13; AG Bremerhaven, 21.01.2014 – 51 C 233/13 ), umfasst dies nunmehr sämtliche Verträge, die unter Verwendung von AGB eine besondere Form für Anzeigen vorgibt. In vielen Fällen liegt die Vermutung nahe, dass AGB-Verwender hiermit die Schwellen für eine Kündigung grundlos hoch gelegt haben, was bei Klauselgegnern zum Teil auch zum Ablauf von Kündigungsfristen führte  (Beschwerden über einen Energieversorger, der eine Kündigung nur in Schriftform akzeptiert, z.B. hier). Dieses fast schon schikanöse Verhalten dürfte insbesondere Verbrauchern in Zukunft erspart bleiben

2. Änderung im Unterlassungsklagengesetz – Datenschutz – Schutz vor Missbrauch

Qualifizierte Einrichtungen, Verbände und Kammern haben nach dem UKlaG nunmehr auch die Möglichkeit, gegen datenschutzrechtswidriges Verhalten vorzugehen. §  2 Abs. 2 Nr. 11 UKlaG ermöglicht ein Vorgehen bei Verstöße gegen die Vorschriften, welche die Zulässigkeit der Datenverarbeitung regeln.

Datenschutzverstöße bei der Datenverarbeitung sind nun also, auch wenn sie außerhalb von AGB erfolgen, abmahnfähig.  Im Falle einer gerichtlichen Anspruchsdurchsetzung ist neuerdings gem. § 12a UklaG vom Gericht die zuständige Datenschutzbehörde zu hören, was nur in Fällen einstweiliger Verfügungen ohne mündliche Verhandlung entbehrlich ist.

Wie auch z.B. schon im UWG und UrhG vorgesehen, wird mit § 2b UKlaG eine Einwendung für die rechtsmissbräuchliche Anspruchsgeltendmachung eingeführt, die insbesondere dann vorliegen soll, wenn es primär um die Generierung von Aufwendungsersatzansprüchen geht. Im Falle einer rechtsmissbräuchlichen Anspruchsgeltendmachung kann der Antragsgegner nunmehr auch direkt aus § 2b UKlaG Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen geltend machen.

 

Rechtsanwaltskosten für Berufungserwiderung – Unwissenheit führt nicht zur Kostenerstattung!

Der BGH hat sich im Beschluss vom 25.2.2016 – III ZB 66/15 mit der Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten des Berufungsbeklagten befasst. Die durch die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Berufungsrücknahme entstandenen Kosten eines Rechtsanwalts in Höhe der 1,6-Verfahrensgebühr (Nr. 3200 VV RVG) seien selbst dann nicht erstattungsfähig, wenn der Berufungsbeklagte die Rechtsmittelrücknahme nicht gekannt habe oder nicht habe kennen müssen. Denn die subjektive Unkenntnis des Rechtsmittelgegners sei nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung zu begründen. Zudem könne eine bestehende Ungewissheit, ob das Rechtsmittel eventuell bereits zurückgenommen sei, durch eine (z.B. telefonische) Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos geklärt werden.

Entgegen der Auffassung des BGH erscheint es wenig einsichtig, weshalb die volle 1,6-Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts des Berufungsbeklagten aufgrund von Umständen, die er überhaupt nicht beeinflussen kann, nicht erstattungsfähig sein soll. Vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei erscheint es kaum vertretbar und nicht praxisnah, im Zuge der Fertigung einer Berufungserwiderung nahezu tagtäglich bei dem Berufungsgericht nach einer eventuellen Berufungsrücknahme zu fragen.

Ausschluss der Wiedereinsetzung: Nach Ablauf der Jahresfrist ist wirklich Schluss!

Nicht nur im Verfahrensrecht weitet sich die Aufweichung allgemeiner Grundsätze durch immer neue Ausnahmen und immer weiter gehende Billigkeitsrechtsprechung, teilweise aufgrund angeblicher verfassungsrechtlicher Notwendigkeiten, immer mehr aus. Umso erwähnenswerter ist eine neuere Entscheidung des BGH (Beschl. v. 21.1.2016 – IX ZA 24/15, MDR 2016, 343), die man wirklich mit dem Satz kommentieren könnte: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Es ging um eine Fristwahrung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Der Schuldner hätte angemeldeten Forderungen aus dem Rechtsgrund der unerlaubten Handlung rechtzeitig widersprechen müssen, hatte dies aber unterlassen. Als eigene Anschrift hatte der Schuldner im Verfahren diejenige seiner – inzwischen verstorbenen – Mutter mitgeteilt. Diese hatte wichtige Schriftstücke an ihn nicht weiter geleitet, weil das Verhältnis zu ihr zerrüttet gewesen sei. Der Antrag des Schuldners auf Wiedereinsetzung wurde außerhalb der Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO gestellt.

Der BGH bestätigt die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung durch die Vorinstanzen. Natürlich betont der BGH zunächst, dass die absolute Ausschlussfrist des § 234 Abs. 3 ZPO nach einer Entscheidung des BVerfG mit dem GG vereinbar ist. Diese Frist stellt allerdings nicht auf irgendein Verschulden des Betroffenen ab. Demgemäß sind – natürlich aus verfassungsrechtlichen Gründen – Ausnahmen zu dieser Frist anerkannt, wenn nur so die verfassungsmäßigen Rechte des Betroffenen gewahrt werden können. Dies ist hauptsächlich dann der Fall, wenn die Jahresfrist aus Gründen nicht gewahrt wurde, die in der Sphäre des Gerichts liegen. Dies gilt z.B. dann, wenn das Gericht über einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entscheidet und dabei die Frist des § 234 Abs. 3 ZPO abläuft oder auch wenn das Gericht das Vertrauen erweckt hat, der eingelegte Rechtsbehelf sei ohnehin zulässig (vgl. a. BVerfG, Beschl. v. 15.4.2004 – 1 BvR 622/98). Dies liegt auf der Hand und ist überzeugend. Der BGH erwägt noch, ob dies auch gilt, wenn der Gegner die Versäumung der Frist arglistig herbeigeführt hat, lässt dies aber offen, da es im zu beurteilenden Fall nicht relevant war.

Hier lag der Grund für das Fristversäumnis jedoch alleine in der Sphäre des Schuldners, der diese Anschrift angegeben hatte. Damit bleibt es bei der Anwendbarkeit der Jahresfrist und der Schuldner schaut tatsächlich „in die Röhre“. Wer Angst hat, ein Mitbewohner würde ihm gegenüber Zustellungen unterschlagen, muss besondere Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, etwa sich regelmäßig bei Gericht erkundigen oder – soweit möglich – einen zuverlässigen Bevollmächtigten, etwa einen Rechtsanwalt, bestellen. Man glaubt manchmal kaum, welche juristischen Gefahren im normalen Alltag entstehen können!

 

 

Abschleppen vom Privatparkplatz und neue Geschäftsmodelle der Parkplatzbewirtschaftung

Nachdem die zahlreichen Streitigkeiten über das Zuparken von Einfahrten, falsche Belegung von angebotenen Parkplätzen usw. früher die OLG und den BGH nicht erreichen konnten, kommt es in den letzten Jahren durch Zulassungsberufungen und ebensolche Revisionen doch vereinzelt zu Entscheidungen des BGH. Regelmäßig wird sich der Fahrer des störenden Fahrzeugs nicht ermitteln lassen, schon gar nicht mit einem vertretbaren Aufwand. Deswegen war es sachgerecht, dass der BGH schon im Jahre 2012 (Urt. v. 21.9.2012 – V ZR 230/11, MDR 2012, 1407) die Möglichkeit eröffnet hat, den Halter als zivilrechtlichen Störer in Anspruch zu nehmen. Das unbefugte Abstellen eines PKW auf einem Grundstück stellt verbotene Eigenmacht dar (§ 861 BGB). Selbst das einmalige Abstellen eines PKW begründet letztlich bereits eine Wiederholungsgefahr, dies hat der BGH mit der neuen, hier anzuzeigenden Entscheidung (Urt. v. 18.12.2015 – V ZR 160/14, MDR 2016, 267) wiederum bestätigt. Ausgeräumt werden kann die Wiederholungsgefahr nicht durch eine „normale“, sondern nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. Bereits entschieden hatte der BGH auch, dass die Anwaltskosten für die Aufforderung zur Abgabe der Unterlassungserklärung regelmäßig zu erstatten sind (§§ 683, 677, 670 BGB).

In der Entscheidung aus dem Jahre 2012 hatte der BGH allerdings noch einen Anspruch aus denselben Vorschriften auf Erstattung der Kosten für die Halteranfrage (im konkreten Fall 5,94 Euro) bejaht. Von dieser Entscheidung distanziert sich derselbe (V.) Senat nunmehr. Eine Anspruchsgrundlage für die Kosten der Halteranfrage sei nicht ersichtlich. Es entspräche nicht dem mutmaßlichen Willen des „Halters, als Adressat einer Unterlassungsaufforderung ermittelt zu werden“. Wenn es sich um einen privaten Parkplatz handelt, sei § 679 BGB nicht einschlägig.

Hinzuweisen ist natürlich darauf, dass es vorliegend nur um Ansprüche gegen den Halter geht. Ist der Fahrer ermittelt oder steht fest, dass der Halter auch gefahren ist, kommen natürlich weitergehende Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB oder natürlich auch den §§ 281, 280 BGB in Betracht.

Die neue Entscheidung betraf übrigens einen Fall zur „neueren Parkplatzbewirtschaftung“: Man muss bei Einfahrt in den (privaten) Parkplatz einen Parkschein lösen und denselben in das Fahrzeug legen. Überschreitet man die Parkzeit um mehr als 15 Minuten oder legt keinen Parkschein aus, verpflichtet sich man zur Zahlung von 20 € erhöhtem Nutzungsentgelt. Regelmäßig erhält der Halter dann eine Zahlungsaufforderung mit der Anregung, ggfls. den Fahrer namhaft zu machen. Erfolgt weder eine Zahlung noch eine Namhaftmachung kommt vom Parkplatzbetreiber regelmäßig die Aufforderung an den Halter, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bezüglich der Benutzung abzugeben. Offenbar greift eine solche Art der Parkplatzbewirtschaftung um sich. Der BGH hat mit seiner Entscheidung dieses Geschäftsmodell letztlich genehmigt. Dem ist auch zuzustimmen. Die Inanspruchnahme jeglicher Leistung kostet auf dem Markt Geld. Warum sollte das Parken auf privaten Flächen umsonst sein? Ob der Parkplatzbetreiber mit einer solchen Taktik Kunden anlockt oder vertreibt, muss er als Unternehmer letztlich selbst entscheiden.

 

Gesetzesänderung: Ewiges Widerrufsrecht bei Darlehensverträgen endet am 21.06.2016

Verbraucher haben in den vergangenen Jahren nach einigen wegweisenden Entscheidungen des BGH, aber auch vielen ausführlich begründeten und häufig für den Verbraucher positiv entschiedenen Fällen bei Land- und Oberlandesgerichten die Möglichkeit genutzt, Darlehensverträge zu widerrufen, um die daraus sich ergebenden Rückabwicklungsvorteile zu nutzen. Je nach Kreditkonditionen konnten selbst bei gewöhnlichen Immobilienfinanzierung fünfstellige Eurobeträge erlöst werden. Aufgrund unwirksamer Belehrungen, wobei nach der Rechtsprechung bereits geringfügige Fehler ausreichten, steht den Verbrauchern dabei ein ewiges Widerrufsrecht zu.

Für die Banken gibt es ein einfaches Mittel, um die Flut der Widerrufe zu stoppen: Eine nachträgliche Belehrung über das Widerrufsrecht lässt eine – wenn auch geringfügig verlängerte – Frist beginnen. Seit den ersten Entscheidungen des BGH zu diesen Fällen aus März 2009 (z.B. BGH Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, MDR 2009, 820) haben die Kreditinstitute aber von dieser Möglichkeit über 7 Jahre lang in fast keinem Fall Gebrauch gemacht, da vermutlich die Angst groß war, (frühere) Kunden durch eine solche Belehrung erst auf die Idee eines Widerrufs zu bringen. Vielmehr soll es nun der Gesetzgeber richten, was auch durch das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften erfolgt.

 

So wird § 38 Abs. 3 EGBGB wie folgt gefasst;

„Bei Immobiliendarlehensverträgen gemäß § 492 Abs. 1a Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der vom 1. August 2002 bis einschließlich 10. Juni 2010 geltenden Fassung, die zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010 geschlossen wurden, erlischt ein fortbestehendes Widerrufsrecht spätestens drei Monate nach dem 21. März 2016, wenn das Fortbestehen des Widerrufsrechts darauf beruht, dass die dem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht entsprochen hat.“

Verbraucher, die über einen Widerruf alter Darlehensverträge nachdenken, sollten nach Prüfung der Unterlagen bis zum 21. Juni entscheiden, ob ein Widerruf erklärt werden soll, der dem Darlehensgeber noch bis dahin zugehen muss.

Referentenentwurf zur Umsetzung der neuen Pauschalreiserichtlinie ante portas

Die Umsetzung der neuen Pauschalreiserichtlinie ist auf der Zielgeraden. Das meinte jedenfalls Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz kürzlich in der touristischen Fachzeitschrift FVW. Das BMJV beabsichtige, den Referentenentwurf noch im Frühjahr fertigzustellen. Bravo! Eine so schnelle Fertigstellung touristischer Projekte ist man aus Berlin ja wirklich nicht gewohnt. Möglicherweise hat die Regierung den Glauben verloren, wegen der Flüchtlingskrise die ganze Legislaturperiode bis 2017 durchzustehen?

Gleichwohl muss die Branche und ihre anwaltlichen Berater noch mit den alten §§ 651a ff. BGB leben. Erst ab 1.7.2018 ist das zu erwartende Umsetzungsgesetz in Deutschland anzuwenden, da die Richtlinie diesen Termin vorgibt. Bis zum neuen Recht ist mein Klassiker „Reiserecht“ in der 7. Auflage von 2015 noch hochaktuell und ein Muss sowohl für Rechtsanwälte, Gerichte und Juristen in Reiseunternehmen/Versicherungen als auch ein unerlässliches Handbuch für die reiserechtliche Praxis in Unternehmen. S.a. Führich, Die EU-Pauschalreise-Richtlinie und neue Rechtsprechung von EuGH und BGH, MDR 2001, 1209.

www.reiserecht-fuehrich.de

BGH: Widerrufsrecht im Fernabsatz nur im Ausnahmefall rechtsmissbräuchlich

In einer aktuellen Entscheidung hat der BGH den Widerruf  eines Verbrauchervertrages im Fernabsatz nicht für rechtsmissbräuchlich erachtet. Ein Kunde hatte eine Matratze bestellt, die mit einer Tiefpreisgarantie beworben wurde. Nach Erhalt der Ware fand er ein günstigeres Angebot und bot dem Händler an, einen Widerruf durch Anpassung des Kaufpreises abzuwenden. Der Händler stimmte dem nicht zu, woraufhin der Verbraucher den Kaufvertrag widerrief. Der Händler hielt diesen Widerruf für rechtsmissbräuchlich, da das Widerrufsrecht im Fernabsatz lediglich die Prüfung der Ware wie im stationären Handel ermöglichen soll.

BGH lehnt Rechtsmissbrauch ab

Wie auch schon das AG Rottweil (Urteil vom 30. Oktober 2014 Az.: 1 C 194/14) und das LG Rottweil (Urteil vom 10. Juni 2015 Az.: 1 S 124/14) geht der BGH davon aus, dass der Widerruf nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt. Der grundsätzlich ohne Begründung mögliche Widerruf sei lediglich in Ausnahmefällen rechtsmissbräuchlich, in denen der Unternehmer besonders schutzbedürftig ist. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Verbraucher arglistig handelt, etwa indem er zum Beispiel eine Schädigung des Verkäufers beabsichtigt oder schikanös handelt.

Auswirkungen für den Widerruf von Darlehensverträgen

Die Entscheidung dürfte auch auf andere Fallgestaltungen Auswirkungen haben:

Fälle, in denen Verbraucher alte Darlehensverträge widerrufen, um durch die Rückabwicklung (teils) erhebliche Rückzahlungen zu erhalten, werden von Darlehensgebern häufig mit dem Einwand der Verwirkung (aufgrund des lange zurückliegenden Vertragsschlusses) sowie der Rechsmissbräuchlichkeit angegangen. Der nur vereinzelt von Gerichten bejahte Rechtsmissbrauch (z.B. durch OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 18.08.2015 – Aktenzeichen 3 U 31/15 bejaht) dürfte im Lichte dieser Entscheidung nicht mehr ohne weiteres bejaht werden.

BGH, Urteil vom 16. März 2016 – VIII ZR 146/15  Pressemitteilung des BGH