BGH: Fremde Bewertungen können solche des Portablbetreibers werden

Plattformbetreiber haften für fremde Meinungsäußerungen nur beschränkt. Rechtsprechung und Literatur haben ein ausgewogenes System entwickelt, das einerseits die Rechte des Bewerteten, andererseits aber auch die Meinungsfreiheit der Bewertenden wahrt.

In einem jüngst vom BGH entschiedenen Fall berief sich ein Plattformbetreiber auf diese lediglich vermittelnde Stellung zwischen Nutzer und bewertetem Unternehmen. Ausnahmsweise soll der Plattformbetreiber hier jedoch als unmittelbarer Störer doch haften.

Was ist passiert?

Der Plattformbetreiber hat auf eine Beschwerde hin eigenmächtig und ohne Rücksprache mit dem Bewertenden die Bewertungsformulierung angepasst, die Bewertung hiernach veröffentlicht.

„Bei der gebotenen objektiven Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände hat der Beklagte somit die inhaltliche Verantwortung für die angegriffenen Äußerungen übernommen. Da es sich bei den Äußerungen um unwahre Tatsachenbehauptungen und um Meinungsäußerungen auf unwahrer Tatsachengrundlage und mit unwahrem Tatsachenkern handelt, hat das Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin zurückzutreten.“

Praxistipp:

Plattformbetreiber – auch abseits von Bewertungsportalen kann dies z.B. Forenbetreiber treffen – sollten im Falle von Beanstandungen die beanstandeten Inhalte zunächst sperren und den jeweiligen Nutzer zu einer Stellungnahme auffordern. Sollte diese ausbleiben, sollten die Inhalte dauerhaft gesperrt bleiben. Es ist tunlichst von einer eigenmächtigen Anpassung von Äußerungen abzusehen.

Für Personen, die von rechtverletzenden Äußerungen betroffen sind, erhöht dies die Rechtsschutzmöglichkeiten, da Bewertende sich teils nach einer solche Bewertung „den Frust von der Seele geschrieben“ haben und Tage, Wochen oder Monate später oft nur eine sehr geringe Bereitschaft besteht, sich mit den Inhalten nochmals auseinanderzusetzen. Die Löschung von Äußerungen wäre dann die Folge.

 

BGH Urteil vom 4. April 2017 – VI ZR 123/16 (Pressemitteilung)

Montagsblog: Neues vom BGH

Beginn der Verjährung bei Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung
Urteil vom 16. Juni 2016 – I ZR 222/14

Mit einem allgemeinen Problem des Verjährungsrechts befasst sich der I. Zivilsenat in einer urheberrechtlichen Streitigkeit.

Die Klägerin nahm die Beklagte auf Zahlung einer zusätzlichen urheberrechtlichen Vergütung für die Überlassung von Entwürfen für Spiel- und Dekorationsgegenstände (unter anderem eine „Geburtstagskarawane“) in Anspruch. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos. Das OLG hielt die Klageansprüche unter anderem für verjährt, weil die Klägerin mehr als drei Jahre vor Klageerhebung Kenntnis von den Tatsachen gehabt habe, auf die Ansprüche gestützt seien.

Der BGH verweist die Sache, die schon zum zweiten Mal in die Revisionsinstanz gelangt war, erneut an das OLG zurück. Er hält zwar die tatrichterlichen Feststellungen zum Kenntnisstand der Klägerin für frei von Rechtsfehlern. Er sieht die Klageansprüche aber deshalb als nicht verjährt an, weil die schöpferische Leistung, für die die Klägerin zusätzliche Vergütung begehrt, nach seiner früheren Rechtsprechung einem urheberrechtlichen Schutz generell nicht zugänglich war und diese Rechtsprechung erst mit einem im Jahr 2014 veröffentlichten (im gleichen Rechtsstreit ergangenen) Urteil aufgegeben wurde. Grundsätzlich reichen zwar Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der maßgeblichen Tatsachen aus. Dies gilt aber nicht, wenn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Aussicht besteht, das Klagebegehren mit Aussicht auf Erfolg auf diese Tatsachen stützen zu können. Eine solche Situation war im Streitfall bis zum Jahr 2014 gegeben. Dass der BGH schon in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 offengelassen hatte, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten sei, reichte für einen Verjährungsbeginn noch nicht aus.

Praxistipp: Wenn es zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, sind Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung – anders als im Streitfall – in aller Regel unerlässlich.

Beweislast für Vereinbarung einer Baukostenobergrenze
Urteil vom 6. Oktober 2016 – VII ZR 185/13

Mit einer besonderen Ausgestaltung eines Architektenvertrags befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte für die Beklagte Architektenleistungen erbracht. In einem vor Vertragsschluss unterbreiteten „Honorar-Vorschlag“ hatte sie die für die Berechnung maßgeblichen Baukosten mit rund 600.000 Euro angesetzt. In ihrer Schlussrechnung legte sie einen fast doppelt so hohen Betrag zugrunde. Ihre Klage auf Zahlung der sich daraus ergebenden Honorardifferenz blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Ein Architekt, der eine vereinbarte Kostengrenze nicht einhält, ist zwar nicht befugt, sein Honorar auf der Grundlage der höheren Kosten zu berechnen. Die Beweislast für die Vereinbarung einer Kostenobergrenze liegt aber beim Auftraggeber. Anders als vom Berufungsgericht angenommen ist der vom BGH zu § 632 Abs. 2 BGB entwickelte Grundsatz, wonach der Unternehmer, der die taxmäßige oder übliche Vergütung fordert, eine vom Auftraggeber behauptete Preisvereinbarung widerlegen muss, hier nicht einschlägig. Die Vereinbarung der Baukostenobergrenze hat zwar Auswirkungen auf die Höhe des Honorars. Dennoch ist sie keine Vergütungsabrede, sondern eine Vereinbarung über die Beschaffenheit des zu erbringenden Architektenwerks.

Praxistipp: Der Auftraggeber sollte darauf achten, dass eine Baukostengrenze im Vertrag ausdrücklich als solche bezeichnet wird.