Diese Woche geht es um die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfalt im Zusammenhang mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Verlängerung der Begründungsfrist nach verspäteter Einlegung eines Rechtsmittels
BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2024 – IV ZR 29/23
Der IV. Zivilsenat befasst sich mit einer haftungsträchtigen Situation.
Der Kläger begehrt Leistungen aus einer privaten Krankenversicherung. Sein Begehren ist in den beiden ersten Instanzen erfolglos geblieben. Das Urteil des OLG wurde ihm am 30. November 2022 zugestellt. Am 27. Januar 2023 hat sein Prozessbevollmächtigter Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Am 9. Februar 2023 beantragte der Prozessbevollmächtigte erstmals, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde und des diesbezüglichen Wiedereinsetzungsantrags bis zum 9. April 2023 zu verlängern.
Der Prozessbevollmächtigte hat die Begründung des Rechtsmittels innerhalb der verlängerten Frist eingereicht. Er beantragt auch bezüglich der Begründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trägt er vor, der Kläger habe sich bis 18. Januar 2023 krankheitsbedingt nicht um seine Rechtsangelegenheiten kümmern können. In der Zeit zwischen diesem Tag und dem regulären Ablauf der Begründungsfrist sei es nicht möglich gewesen, die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels zu prüfen, zumal die Gerichtsakten nicht zur Verfügung gestanden hätten.
Der BGH lehnt die beantragte Wiedereinsetzung ab und verwirft die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht fristgerecht begründet worden. Die zweimonatige Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist mit dem 30. Januar 2023 abgelaufen. Die gewährten Fristverlängerungen sind unwirksam, weil der erste Verlängerungsantrag gestellt wurde, als die Frist bereits abgelaufen war.
Die Versäumung der Frist beruht auf dem Verschulden des Prozessbevollmächtigten. Dieser hätte bei Einlegung des Rechtsmittels am 27. Januar 2023 die Verlängerung der damals noch laufenden Begründungsfrist beantragen können und müssen. Der Antrag hätte schon deshalb Aussicht auf Erfolg gehabt, weil die Gerichtsakten noch nicht vorlagen.
Praxistipp: Ist die Frist zur Begründung des Rechtsmittels bei Wegfall des Hindernisses bereits abgelaufen, muss die Begründung gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO innerhalb eines Monats eingereicht werden. Diese Frist ist nicht verlängerbar (zu einem Ausnahmefall vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2007 – V ZB 48/06, MDR 2007, 1332).
Konnte die Begründungsfrist deshalb nicht eingehalten werden, weil ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Prozesskostenhilfe erst nach Fristablauf bewilligt worden ist, beginnt die Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO bei Berufung, Revision und Nichtzulassungsbeschwerde mit der Wiedereinsetzung in die versäumte Einlegungsfrist, bei einer Rechtsbeschwerde hingegen schon mit Bewilligung der Prozesskostenhilfe (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 – IX ZB 197/07, MDR 2008, 1058).