Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Bindung an ein per E-Mail übersandtes Vergleichsangebot.

Bindung an ein per E-Mail übersandtes Vergleichsangebot
BGH, Urteil vom 6. Oktober 2022 – VII ZR 895/21

Der VII. Zivilsenat wendet den Allgemeinen Teil des BGB auf ein elektronisch übermitteltes Angebot an.

Die Klägerin hatte für die Beklagte Metallbau- und Fassadenbegrünungsarbeiten durchgeführt. Die Beklagte nahm Kürzungen an der Schlussrechnung vor und überwies den von ihr als noch offen ermittelten Betrag. Die Klägerin widersprach den Kürzungen und forderte die Beklagte schriftlich zur Zahlung eines weiteren Betrags von 14.347,23 Euro nebst Anwaltskosten in Höhe von 1.029,35 Euro auf.

Rund zwei Wochen später bot die Beklagte eine Zahlung in der genannten Höhe zur Erledigung der Angelegenheit an. Drei Tage danach teilte der Anwalt der Klägerin um 9:19 Uhr per E-Mail mit, die Forderung aus der Schlussrechnung belaufe sich noch auf 14.347,23 Euro. Eine weitere Forderung werde nicht erhoben. Ferner seien die geltend gemachten Anwaltskosten zahlbar und fällig. Rund eine halbe Stunde später teilte er in einer weiteren E-Mail mit, die Prüfung der Forderungshöhe sei noch nicht abgeschlossen; die vorangegangene E-Mail müsse daher unberücksichtigt bleiben.

Drei Tage darauf übersandte die Klägerin eine neue Schlussrechnung, die eine Restforderung von rund 22.000 Euro auswies. Die Beklagte überwies weitere vier Tage später – also eine Woche nach Erhalt der E-Mail – den zuvor mitgeteilten Betrag von 14.347,23 Euro.

Die Klage auf Zahlung der Differenz zu dem Restbetrag aus der neuen Schlussrechnung blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Zahlungen, weil durch ihre erste E-Mail und die Zahlung der Beklagten ein wirksamer Vergleich zustande gekommen ist.

Das OLG hat zu Recht angenommen, dass die erste E-Mail ein Angebot zum Abschluss eines Vergleichs enthält. Diese Willenserklärung ist gemäß § 130 Abs. 1 BGB zugegangen, als die Nachricht im elektronischen Postfach der Beklagten einging, weil die Beklagte hierdurch die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte und der Zeitpunkt des Eingangs innerhalb der üblichen Geschäftszeiten lag. Von diesem Zeitpunkt an war das Angebot gemäß § 145 BGB bindend – unabhängig davon, ob die Beklagte es bereits gelesen hatte. Der eine halbe Stunde später erklärte Widerruf war damit wirkungslos.

Die Beklagte durfte das nicht befristete Angebot gemäß § 147 Abs. 2 BGB bis zu dem Zeitpunkt annehmen, zu dem die Klägerin den Eingang einer Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten durfte. Dieser Zeitraum war im Zeitpunkt der Zahlung – eine Woche nach Eingang des Angebots – noch nicht verstrichen.

Praxistipp: Wer einen per E-Mail übermittelten Vorschlag zur gütlichen Einigung nicht als verbindliches Vergleichsangebot gewertet wissen will, muss unmissverständlich klarstellen, dass die Nachricht keine rechtsverbindliche Erklärung enthält.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Abgrenzung zwischen schriftlichen und elektronischen Dokumenten.

Übersendung eines Schriftsatzes per E-Mail
Beschluss vom 8. Mai 2019 – XI ZB 8/19

Mit dem Grenzbereich zwischen § 130 und § 130a ZPO befasst sich der XII. Zivilsenat.

In einer Familiensache hatte der Anwalt des in erster Instanz unterlegenen Antragsgegners am letzten Tag der Frist gegen 19 Uhr mehrfach erfolglos versucht, die Beschwerdebegründung per Telefax an das OLG zu übermitteln. Schließlich scannte er das unterschriebene Original in eine PDF-Datei ein und sandte diese per E-Mail an das Gericht. Dort wurde sie erst einige Tage später ausgedruckt und zu den Akten genommen. Das OLG verwarf die Beschwerde als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass die Einreichung der PDF-Datei per E-Mail den in § 130a ZPO Abs. 3 normierten (gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG auch in Familiensachen maßgeblichen) Anforderungen an einen elektronischen Schriftsatz nicht genügt, weil die Datei keine qualifizierte elektronische Signatur enthielt und der Versand per E-Mail keinen sicheren Übertragungsweg im Sinne von § 130a Abs. 4 ZPO darstellt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein auf diesem Weg eingereichter Schriftsatz zwar als schriftliches Dokument im Sinne von § 130 ZPO zu behandeln, wenn die PDF-Datei im Gericht ausgedruckt wird. Im Streitfall erfolgte der Ausdruck aber erst nach Ablauf der Begründungsfrist. Der für Telefax-Einreichungen geltende Grundsatz, dass der Schriftsatz bereits dann bei Gericht eingegangen ist, wenn ihn das Empfangsgerät des Gerichts gespeichert hat, ist auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar. Telefax-Sendungen werden vom Gesetz von vornherein wie schriftliche Dokumente behandelt. Eine per E-Mail übersandte PDF-Datei erlangt diese rechtliche Qualität hingegen erst im Moment des Ausdrucks.

Praxistipp: Eine fristgerechte Einreichung kann in solchen (und allen anderen) Situationen mit Hilfe des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs bewirkt werden.

KG Berlin: E-Mail Adresse im Impressum muss „nutzbar“ sein

Kundenanfragen sind manchen Unternehmen sehr lästig. Durch komplizierte Kontaktformulare, teils mit Registrierungserfordernissen, versuchen sie, Kunden von einer Kontaktaufnahme abzuhalten, die Arbeitszeit und damit Geld kostet.

Aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG ergibt sich aber die Verpflichtung, auch eine E-Mail-Adresse im Impressum anzugeben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme ermöglicht.

Google machte es sich recht einfach und beantwortete Mails an die im Impressum genannte Adresse mit einer automatischen Antwort, die auf andere – zum Teil deutlich kompliziertere – Kontaktwege verwies.

Nach dem LG Berlin, hält auch das KG Berlin dieses Vorgehen für rechtswidrig und gibt damit dem Verbraucherzentrale Bundesverband recht.

Auch web.de hat sich in der Vergangenheit hier schon ein blaues Auge beim LG Koblenz geholt.

Die Praxisrelevanz dieser Entscheidungen liegt auf der Hand: Weiterhin können Mitteilungen ein Unternehmen durch Übersendung an die Impressum genannte E-Mail-Adresse übersendet werden. Anfragen, Auskunftsersuchen, Hinweise zu rechtswidrigen Inhalten, aber auch Fälligstellungen oder Mahnungen per E-Mail sind dadurch recht einfach möglich.

Dass Unternehmen versuchen, durch verschwurbelte Formulierungen (wie z.B. O2 „E-Mail-Kontakt nach § 5 Nr. 2 TMG:“), Anfragende von einer Nutzung der Mailadrese abzuhalten, ist in diesem Kontext ärgerlich. Ob aber die Grenze der Rechtswidrigkeit erreicht wird, dürfte dabei fraglich sein.

KG, Urt. v. 23.11.2017, 23 U 124/14

LG Leipzig: Kundendaten aus unwirksamer Werbeeinwilligungsklausel „kontaminiert“

Die Verbraucherzentrale Sachsen hat mal so richtig aufgeräumt bei Primacom. Der TK-Anbieter hatte eine Vielzahl von rechtswidrigen Gestaltungen in Werbe- und Vertragsmaterialien, wobei es im vorliegenden Rechtsstreit nur um die daraus gewonnenen Kundendaten ging.

Aus dem Formulierungsgiftschrank stammt auch folgende Werbeeinwilligungsklausel, auf deren Grundlage Primacom scheinbar Daten verarbeitet hat:

„Ich stimme hiermit der Nutzung und/oder Übermittlung meiner Daten an Dritte zu Werbe- und marktforschungszwecken im Auftrag der GEsellschaft zu und erkläre mich einverstanden, per Telefon, Brief und/oer E – Mail im Rahjmen von Marketingaktionen über Produktveränderungen informiert zu werden. Ich bin berechtigt, mein Einverständnis jederzeit mit sofortiger Wirkung gegenüber der Gesellschaft zu widerrufen.“

Diese Klausel wirkt, als sei sie in den Anfangszeiten des Marketings erstellt worden. Sämtliche Anforderungen, die die Rechtsprechung an wirksame Werbeeinwilligungsklauseln stellt, hält diese Klausel nicht ein. Es ist unklar, wer die Daten erhält (Empfänger von Daten), es ist unklar, für welche Produkte die Nutzung erfolgen soll. Noch jüngst hatte der BGH diese Kriterien bestätigt (BGH, Urt. v. 14.3.2017 – VI ZR 721/17, MDR 2017, 571).

Praxistipp: Werbeeinwilligungen bedürfen heutzutage gehöriger Aufmerksamkeit, um den Betroffenen ausreichend zu informieren. Durch weitere Maßnahmen, wie dem Einsatz eines Double-Opt-In-Verfahrens, dem eine möglichst zuverlässige Dokumentation der Einwilligungen folgt, ist dies zu flankieren. Der Lohn für diese Bemühungen sind dann jedoch äußerst wertvolle Kundendatensätze. Insbesondere renommierte Unternehmen haben kein Interesse an abgefischten Werbedatensätzen, sind jedoch für rechtmäßig erlangte Rohdaten bereit, mehr zu investieren. Die Entscheidung des LG Leipzig zeigt, dass der Umgang mit unrechtmäßig erlangten Daten ebenfalls ahndbar ist, was bisher nur in seltenen Fällen verfolgt wurde. Mit dem bevorstehenden Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung ändern sich insbesondere die Anforderungen an eine wirksame Einwilligung, sodass auf viele Unternehmen diese Herausforderung zukommt.

LG Leipzig Urt. v. 03.11.2017, 04 HK 0 2188/16