Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Abrechnung von Nebenkosten durch einen der Umsatzsteuerpflicht unterliegenden Vermieter.

Umsatzsteueranteile in Nebenkosten
BGH, Urteil vom 15. Januar 2025 – XII ZR 29/24

Der XII. Zivilsenat befasst sich mit einer komplexen Gemengelage aus Zivil- und Steuerrecht.

Die Klägerin hat von der Beklagten Gewerberäume in einer Wohn- und Teileigentumsanlage angemietet. Der Mietvertrag sieht vor, dass die Klägerin die vereinbarte Miete samt Nebenkosten und die monatlichen Vorauszahlungen zuzüglich der jeweils geltenden Mehrwertsteuer zu zahlen hat. Die Beklagte hat gemäß § 9 Abs. 1 und 2 UStG auf die in § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG vorgesehene Steuerbefreiung für die Vermietung von Grundstücken verzichtet. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat auf die in § 4 Nr. 13 UStG vorgesehene Steuerbefreiung für Leistungen, die sie an die Wohnungs- und Teileigentümer erbringt, hingegen nicht verzichtet.

In der Abrechnung für das Jahr 2018 hat die Gemeinschaft der Beklagten Betriebskosten einschließlich der von ihr gezahlten Umsatzsteuerbeträge in Rechnung gestellt. Die Beklagte hat die entsprechenden Bruttobeträge zuzüglich 19 % Umsatzsteuer in die Nebenkostenabrechnung der Klägerin eingestellt. Diese hat die abgerechneten Kosten zunächst bezahlt, verlangt nun aber die in der Abrechnung der Gemeinschaft enthaltenen Umsatzsteuerbeträge in Höhe von rund 730 Euro zurück.

Das AG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das LG hat die Klage abgewiesen.

Die Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

Aufgrund der vertraglichen Vereinbarung und des von der Beklagten gemäß § 9 Abs. 1 und 2 UStG erklärten Verzichts ist die Klägerin verpflichtet, auf die geschuldete Miete Umsatzsteuer zu zahlen. Dies gilt auch für die Nebenkosten. Diese sind steuerrechtlich keine durchlaufenden Posten, sondern Teil des geschuldeten Entgelts.

Soweit in den umlagefähigen Kosten Umsatzsteuerbeträge enthalten sind, die die Beklagte als Vorsteuer von ihrer Steuerschuld abziehen kann, darf sie der Klägerin allerdings nur die Nettobeträge zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung stellen.

Ein Vorsteuerabzug setzt jedoch voraus, dass die Beklagte eine von einem Unternehmer ausgestellte Rechnung besitzt, in der die Umsatzsteuer ausgewiesen ist. Die Abrechnung der Eigentümergemeinschaft genügt dieser Anforderung nicht, weil die Gemeinschaft von der Umsatzsteuer befreit ist und deshalb keine Umsatzsteuer ausweisen darf.

Deshalb hat die Klägerin die von der Gemeinschaft in Rechnung gestellten Bruttobeträge zuzüglich Umsatzsteuer zu erstatten.

Praxistipp: Eine im Mietvertrag enthaltene Vereinbarung, dass die Miete zuzüglich der geltenden Umsatzsteuer zu zahlen ist, verpflichtet den Vermieter nicht, auf die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG zu verzichten oder darauf hinzuwirken, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 13 UStG verzichtet.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den steckengebliebenen Bau einer Wohnungseigentumsanlage.

Anspruch auf erstmalige Errichtung des Gemeinschaftseigentums
BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2024 – V ZR 243/23

Der V. Zivilsenat befasst sich mit einer in der Praxis eher seltenen Situation und stellt diese der üblicherweise anzutreffenden Konstellation gegenüber.

Die Klägerin ist mit knapp einem Drittel der Miteigentumsanteile an einer Gemeinschaft von Wohnungseigentümern beteiligt. Bei Entstehung der Gemeinschaft im Jahr 2013 war das Grundstück mit einer Abbruchimmobilie bebaut. Die Teilungserklärung sieht die Errichtung eines neuen Wohn- und Geschäftshauses mit elf Einheiten vor. Die Wohnungseigentümer beauftragten eine Generalunternehmerin mit den vorgesehenen Arbeiten.

Die Arbeiten gerieten bereits während des Abrisses des Bestandsgebäudes in Stillstand. Die Eigentümer von zwei Nachbargrundstücken, deren Giebelwände durch den Abriss freigelegt wurden, machen gerichtlich Schadensersatzansprüche in Höhe von rund 500.000 Euro geltend. Die Generalunternehmerin ist mittlerweile insolvent.

Die Klägerin möchte, dass die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Verwalterin beauftragt, Angebote für die restlichen Abbrucharbeiten und die Erstellung von Ausführungsplänen einzuholen, die Aufträge für diese Arbeiten zu vergeben, die Arbeiten durchführen zu lassen und eine Sonderumlage in Höhe von 50.000 Euro zu erheben. Die Eigentümerversammlung lehnte die darauf gerichteten Beschlussanträge ab.

Die von der Klägerin erhobene Beschlussersetzungsklage ist vor dem AG erfolglos geblieben. Das LG hat im Wege der Beschlussersetzung angeordnet, dass ein Gutachten zu den voraussichtlichen Kosten der erforderlichen Abriss- und Baumaßnahmen eingeholt wird.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück.

Zu Recht ist das LG allerdings davon ausgegangen, dass grundsätzlich jeder Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft die erstmalige Errichtung des Gemeinschaftseigentums verlangen kann.

Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist, dass der jeweilige Anspruchsteller bereits Wohnungseigentümer geworden ist.

Daran fehlt es in der Praxis zumeist, weil das Eigentum in der Regel beim Bauträger verbleibt und erst nach Errichtung des Objekts und vollständiger Bezahlung des Kaufpreises auf den Erwerber übertragen wird. Nach § 8 Abs. 3 WEG gilt ein Erwerber, zu dessen Gunsten eine Vormerkung eingetragen ist, zwar schon dann als Wohnungseigentümer, wenn ihm der Besitz der zum Sondereigentum gehörenden Räume übergeben worden ist. Auch dies kommt in der Regel aber erst nach weitgehender Fertigstellung des Objekts in Betracht. Vor dem Übergang der Eigentümerstellung können die Erwerber nur vertragliche Ansprüche gegen den Bauträger oder sonstige Vertragspartner geltend machen.

Im Streitfall ist das Wohnungseigentum hingegen bereits vor Abriss des Bestandsgebäudes auf die Klägerin übertragen worden. Diese kann deshalb schon im jetzigen Stadium Ansprüche gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend machen.

Die der Gemeinschaft obliegende Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung umfasst grundsätzlich die Pflicht zur erstmaligen Errichtung bzw. Fertigstellung des Gemeinschaftseigentums. Die Sonderregelung in § 22 WEG, wonach der Wiederaufbau eines zur mehr als der Hälfte seines Werts zerstörten Gebäudes nicht verlangt werden kann, wenn der Schaden nicht durch eine Versicherung oder anderweit gedeckt ist, findet auf die erstmalige Errichtung weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung.

Der Anspruch auf erstmalige Errichtung oder Fertigstellung entfällt aber nach Treu und Glauben, wenn seine Erfüllung den übrigen Wohnungseigentümern nicht zuzumuten ist.

Entgegen der Auffassung des LG muss die Frage, ob die Erfüllung des Anspruchs zumutbar ist, im Konfliktfall durch das Gericht selbst entschieden werden. Dieses muss die für die Errichtung erforderlichen Kosten gegebenenfalls mit gutachterlicher Hilfe schätzen und auf dieser Grundlage unter Abwägung aller relevanten Umstände entscheiden, ob der Gemeinschaft die Errichtung des Objekts zuzumuten ist.

Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren gibt der BGH folgende Hinweise:

  • Ein Errichtungsanspruch ist schon nach § 275 BGB ausgeschlossen, wenn das Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig ist.
  • Eine Inanspruchnahme der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist treuwidrig, wenn der Anspruchsteller sein Begehren verwirklichen kann, indem er den Bauträger, Generalunternehmer oder sonstige Vertragspartner bzw. deren Insolvenzverwalter in Anspruch nimmt. Die Darlegungslast liegt insoweit bei der in Anspruch genommenen Gemeinschaft.
  • Die Erfüllung des Errichtungsanspruchs ist unzumutbar, wenn die Herstellung unverhältnismäßige Kosten verursacht. Hierfür ist insbesondere von Bedeutung, wieviel die Wohnungseigentümer bereits investiert haben und wieviel sie voraussichtlich noch investieren müssten. In diesem Zusammenhang kann der Rechtsgedanke des § 22 WEG als Richtschnur herangezogen, also die Errichtung als grundsätzlich zumutbar angesehen werden, wenn die zu erwartenden Kostensteigerungen den ursprünglich kalkulierten Betrag um nicht mehr als die Hälfte übersteigen.
  • Ersatzansprüche Dritter können auch dann zu einer Unzumutbarkeit führen, wenn die Einstandspflicht unabhängig von der weiteren Errichtung des Objekts ist.
  • Unzumutbar kann die Errichtung auch dann sein, wenn feststeht, dass ein Teil der Wohnungseigentümer zahlungsunfähig ist und die übrigen Wohnungseigentümer deshalb einen höheren Anteil zu tragen haben.
  • Unzumutbar kann die Errichtung sein, wenn ein Investor bereit ist, das unfertige Objekt zu einem angemessenen Preis zu kaufen und die Mehrheit der Wohnungseigentümer dieses Angebot annehmen möchte.
  • Unzumutbar kann die Errichtung sein, wenn der bauwillige Eigentümer in einem Näheverhältnis zum insolventen Bauunternehmer steht und deshalb die Gefahr einer Kollusion besteht.

Praxistipp: Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen Beschlüsse sowie Klagen auf Beschlussersetzung sind gemäß § 44 Abs. 2 WEG stets gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Rechtsbeziehungen zwischen Wohnungseigentümern, Gemeinschaft und Verwalter.

Keine Schutzwirkung des WEG-Verwaltervertrags zugunsten der einzelnen Wohnungseigentümer
BGH, Urteil vom 5. Juli 2024 – V ZR 34/24

Der V. Zivilsenat befasst sich mit den Rechtsbeziehungen nach dem seit 1.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrechts.

Der Kläger ist Mitglied einer Gemeinschaft von Wohnungseigentümern. Die Beklagte ist deren Verwalterin. Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe nach einem im Jahr 2022 eingetretenen Wasserschaden die vom Gebäudeversicherer an die Gemeinschaft gezahlte Entschädigung zu spät an ihn weitergeleitet. Er begehrt deshalb Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Klage ist in den beiden ersten Instanzen erfolglos geblieben.

Die Revision des Klägers bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Ansprüche aus einem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag scheiden schon deshalb aus, weil auf Eigentümerseite nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Partei des Verwaltervertrags ist, nicht hingegen die einzelnen Eigentümer.

Anders als nach dem früher geltenden Recht kommt dem Verwaltervertrag keine Schutzwirkung zugunsten der einzelnen Eigentümer mehr zu.

Nach dem seit 1.12.2020 geltenden Recht kann ein einzelner Eigentümer, dem durch pflichtwidriges Verhalten des Verwalters ein Schaden entstanden ist, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Ersatz in Anspruch nehmen. Die Gemeinschaft hat für die Pflichtverletzung des Verwalters nach § 31 BGB einzustehen, weil dieser nach neuem Recht ihr Organ ist. Vor diesem Hintergrund besteht kein Bedürfnis mehr, den Eigentümern durch Einbeziehung in den Schutzbereich des Verwaltervertrags die unmittelbare Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Verwalter zu ermöglichen.

Dass ein geschädigter Eigentümer die an ihn erbrachten Ersatzleistungen der Gemeinschaft über die allgemeine Kostenverteilung teilweise mitzutragen hat, begründet kein hinreichendes Schutzbedürfnis. Die Gemeinschaft ist in der Regel verpflichtet, den Verwalter in Regress zu nehmen.

Praxistipp: Wenn eine ordnungsgemäße Verwaltung die Geltendmachung von Regressansprüchen gegen den Verwalter gebietet, kann ein einzelner Eigentümer einen diesbezüglichen Beschluss durch eine Beschlussersetzungsklage gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG herbeiführen.