Anwaltsblog 37/2024: Anwaltliche Fristenkontrolle muss auch bei Nutzung elektronischer Akte gesichert sein!

Das OLG Dresden hatte zu entscheiden, ob ein Rechtsanwalt bei Erstellung eines fristgebundenen Schriftsatzes auch dann die durch seine Kanzleikraft zuvor vorgenommene Fristberechnung überprüfen muss, wenn er im Home-Office tätig ist und ihm die papiergebundene Handakte dort nicht vorliegt (OLG Dresden, Beschluss vom 12. August 2024 – 4 U 862/24):

Die Berufungsschrift gegen ein am 22.5.2024 zugestelltes Urteil ist am Montag, dem 24.6.2024, die Berufungsbegründung am Mittwoch, dem 24.7.2024 auf dem Server des OLG eingegangen. Nach Hinweis des Gerichts hat der Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt. Unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Kanzleimitarbeiterin seiner Prozessbevollmächtigten sowie eines Auszugs aus deren kanzleiinternen Fristenkalender behauptet er, die fehlerhafte Eintragung der Berufungsbegründungsfrist beruhe auf einem Versehen der seit 2013 ohne Beanstandungen mit der Führung des Fristenkalenders betrauten Kanzleikraft. Die Prozessbevollmächtigte habe zusätzlich noch eine Einzelanweisung erteilt, die Berufungsbegründungsfrist einzutragen, nachdem sich die Kanzleikraft wegen einer fehlenden Rechtsmittelbelehrung unter dem erstinstanzlichen Urteil hilfesuchend an sie gewandt habe. Die Berufungsbegründung habe die Prozessbevollmächtigte sodann vor Antritt ihres vom 18.7. – 23.7.2024 dauernden Urlaubs entworfen und die Kanzleikraft mit deren Ausfertigung beauftragt. Den Fehler in der Fristenberechnung habe sie nicht bemerkt, da sie „mit elektronischen Dokumenten“ arbeite, das Empfangsbekenntnis zu dem in Papierform übersandten Urteil des Landgerichts sich jedoch „in der Papierakte“ befunden habe. Die Berufungsbegründung sei sodann nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub am 24.7.2024 versandt worden.

Der Wiedereinsetzungsantrag wird zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Das Fristversäumnis beruht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das sich der Kläger gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Allerdings ist dem Kläger nicht das Versehen der Kanzleimitarbeiterin zuzurechnen, die bei der Eintragung der Berufungsbegründungsfrist in den Fristenkalender übersehen hat, dass diese ausgehend vom Datum der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils bereits am 22.7.2024 ablief. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen auszuschließen. Ein bestimmtes Verfahren ist insoweit weder vorgeschrieben noch allgemein üblich. Auf welche Weise der Rechtsanwalt sicherstellt, dass die Eintragung im Fristenkalender und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen, steht ihm daher grundsätzlich frei. Hiervon ausgehend darf der Rechtsanwalt die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen, sofern er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellt, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Der anwaltlichen Versicherung der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist insofern die glaubhafte Angabe zu entnehmen, dass die Kanzleikraft seit 2013 zuverlässig erprobt wurde und beanstandungsfrei die Führung des Fristenkalenders übernommen hat. Zwar lässt sich dem Wiedereinsetzungsantrag nicht entnehmen, dass es nach der Übernahme des Fristenkalenders durch die Kanzleikraft im Jahr 2013 noch die gebotenen stichprobenartigen Kontrollen gegeben hätte; auch ist nicht dargelegt, welche organisatorischen Vorgaben es für die Führung des Fristenkalenders und die Streichung von Fristen gegeben hat. Der mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgelegte Auszug aus dem Fristenkalender deutet insofern auf organisatorische Mängel hin, als die im Streitfall relevante Berufungsbegründungsfrist dort in der Rubrik „Vorfristen“ eingetragen ist. Nach dem zu unterstellenden Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag hat sich dies aber jedenfalls nicht ausgewirkt. Hiernach hat die Kanzleikraft nämlich bereits nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils vom 22.5.2024 eine Einzelanweisung der Prozessbevollmächtigten erbeten, nachdem sie dem Urteil keine Rechtsmittelbelehrung entnehmen konnte. Die Prozessbevollmächtigte habe sie sodann angewiesen, auch die Berufungsbegründungsfrist einzutragen, weil sie insofern von einem Fehler des Landgerichts ausgegangen sei. Diese Annahme war zwar rechtsirrig, weil § 232 S. 2 ZPO in Anwaltsprozessen keine Rechtsmittelbelehrung fordert, durch die auf dieser Grundlage erfolgte Einzelanweisung wäre aber bei korrekter Umsetzung die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gewährleistet worden. Dem Prozessbevollmächtigten einer Partei ist ein Verschulden an der Fristversäumung aber dann nicht anzulasten, wenn zwar die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen oder Anweisungen für eine Fristwahrung unzureichend sind, er aber einer Kanzleikraft, die sich bislang als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte.

Dem Kläger ist jedoch das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten anzulasten, die von der Kanzleikraft erfolgte Fristberechnung nicht eigenständig überprüft zu haben, als sie vor ihrem am 18.7.2024 beginnenden Urlaub die Berufungsbegründung im Entwurf erstellte. Auch wenn der Rechtsanwalt (nach Eingang des Urteils in der Kanzlei) seine Angestellte im Wege einer Einzelanweisung zur Eintragung der korrekten Frist angehalten hat, befreit ihn dies nicht davon, im Rahmen der Vorbereitung einer Prozesshandlung (wie der Einlegung der Berufung) die Richtigkeit der Notierung der Berufungsbegründungsfrist eigenverantwortlich zu prüfen. Der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung mit einer Sache befasst wird, hat dies zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen. Auch bei Vorlage aufgrund einer Vorfrist ist die Richtigkeit der eingetragenen Frist zu überprüfen. Diese Aufgabe ist von der Fristenberechnung und Fristenkontrolle zu unterscheiden, die lediglich der rechtzeitigen Vorlage der Akten zum Zweck ihrer Bearbeitung durch den Rechtsanwalt dienen. Nur insoweit kann sich der Rechtsanwalt von der routinemäßigen Fristenüberwachung entlasten. Deshalb ist er im Rahmen seiner Vorbereitung einer Prozesshandlung nicht davon befreit, die Einhaltung der maßgeblichen Fristen nochmals zu überprüfen. Zwar muss die Prozesshandlung nicht in einem Zuge und zeitnah mit dem Ablauf einer für sie geltenden Frist vorbereitet werden. Das ändert aber nichts an der Eigenverantwortung des Rechtsanwalts für die Richtigkeit und die Einhaltung der etwa von ihm schon zu einem früheren Zeitpunkt berechneten Frist.

Es hätte daher der Prozessbevollmächtigten oblegen, sich anhand der Handakte, in der das Datum der Zustellung des angefochtenen Urteils vermerkt war, eigenständig die Gewissheit zu verschaffen, dass die Berufungsbegründungsfrist ausgehend hiervon korrekt berechnet war. Hätte sie dies getan, wäre ihr zwanglos aufgefallen, dass die Kanzleikraft vorliegend fehlerhaft die Begründungsfrist ausgehend vom Ende der Berufungsfrist berechnet hatte, die freilich auf einen Montag fiel und daher zu einer entsprechenden Verlängerung nur dieser Frist geführt hatte (§§ 222 ZPO, 193 BGB). Dieses Versäumnis entfällt auch nicht deshalb, weil der Prozessbevollmächtigten ausweislich des Wiedereinsetzungsantrags nicht die in Papier geführte Handakte vorgelegt wurde, sondern sie die Berufungsbegründung lediglich ausgehend von „elektronischen Dokumenten“ gefertigt hat. Die anwaltliche Prüfungspflicht besteht auch dann, wenn die Handakte zur Bearbeitung nicht zugleich vorgelegt worden ist, so dass in diesen Fällen die Vorlage der Handakte zur Fristenkontrolle zu veranlassen ist. Entscheidend für eine eigenständige Fristenprüfung durch den Rechtsanwalt ist allein, ob die Bearbeitung mit dem Ziel einer fristgebundenen Verfahrenshandlung, d.h. hier der Berufungsbegründung erfolgt. Diese Pflicht besteht auch dann, wenn der Rechtsanwalt die fristgebundene Verfahrenshandlung im Wege der Tele,- oder Fernarbeit erstellt. Er hat in diesen Fällen dafür Sorge zu tragen, dass ihm dabei entweder die Papierhandakte vorliegt oder diese in eine elektronische Form übertragen wird, auf die er auch von auswärts zugreifen kann. Die an den Rechtsanwalt zu stellenden Sorgfaltsanforderungen werden durch die mit dem mobilen Arbeiten verbundene Ortsunabhängigkeit indes in keiner Weise eingeschränkt.

 

Fazit: Der Rechtsanwalt hat den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten zur Bearbeitung – auch auf Vorfrist – vorgelegt werden. In diesem Zusammenhang darf er sich allerdings grundsätzlich auf die Prüfung der in der Handakte zu notierenden Rechtsmittelbegründungsfristen und der auf deren Eintragung im Fristenkalender hinweisenden Erledigungsvermerke beschränken (BGH Beschl. v. 22.11.2022 – VIII ZB 2/22, MDR 2023, 453).

 

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Organisations- und Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts beim Versand von Schriftsätzen über beA.

Eingang eines über beA eingereichten Dokuments
Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20

Mit der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Gebrauchtwagenkauf geltend. Ihre Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Die Beklagte legte fristgerecht Berufung ein. Nach Ablauf der Frist für die Begründung des Rechtsmittels wies das OLG darauf hin, dass eine Begründung nicht eingegangen sei. Die Klägerin beantragte Wiedereinsetzung und machte geltend, die dafür zuständige Fachangestellte ihrer Prozessbevollmächtigten habe die Begründung am letzten Tag der Frist über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) übermittelt. Bei der durch Arbeitsanweisung vorgeschriebenen Überprüfung hinsichtlich Versand und Fehlermeldungen seien Fehler nicht zu erkennen gewesen. Das OLG versagte die beantragte Wiedereinsetzung und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH verwirft die Rechtsbeschwerde der Klägerin als unzulässig, weil alle relevanten Rechtsfragen bereits geklärt sind.

Das OLG hat zu Recht entschieden, dass die Berufungsbegründung nicht fristgerecht eingegangen ist. Aus dem von der Klägerin vorgelegten beA-Übermittlungsprotokoll ergibt sich, dass die vor Fristablauf versandte Nachricht mit der Berufungsbegründung zwar an den Rechner der Bundesrechtsanwaltskammer übermittelt, von dort aber nicht an den Empfangsrechner des OLG, den so genannten Intermediär, weitergeleitet worden ist. Der BGH hat bereits entschieden, dass der Eingang auf dem für das Gericht bestimmten Intermediär ausreichend, aber auch erforderlich ist (MDR 2020, 1272).

Ebenfalls zu Recht hat das OLG die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Ein Rechtsanwalt muss seine mit dem Versand von Dokumenten über beA betrauten Mitarbeiter anweisen, nach dem Versand zu überprüfen, ob die automatisierte Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO vorliegt. Dies hat das BAG bereits vor einiger Zeit entschieden (NJW 2019, 2793). Eine solche Überprüfung war in der im Streitfall maßgeblichen Arbeitsanweisung nicht vorgeschrieben. Wäre sie erfolgt, so wäre der Übermittlungsfehler zu Tage getreten.

Praxistipp: Im beA gibt es zusätzlich zu der Eingangsbestätigung auch ein Prüfprotokoll und ein Übermittlungsprotokoll. Aus diesen Protokollen können zwar bestimmte Fehler ersichtlich sein. Hinreichende Sicherheit, dass die Nachricht beim Gericht eingegangen ist, liefert aber nur die Eingangsbestätigung. Wo diese zu finden ist, wird erläutert im beA-Newsletter 31/2019.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Anforderungen an die Sorgfalt beim Versand von fristgebundenen Schriftsätzen per Telefax

Abgleich der Telefaxnumer
Beschluss vom 30. März 2021 – VIII ZB 37/19

Mit der ordnungsgemäßen Organisation des Kanzleibetriebs bei Telefax-Sendungen an das Gericht befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die klagende Arzneimittelherstellerin streitet mit der Beklagten, einer Abnehmerin, darüber, wer von ihnen gesetzliche Preisreduzierungen im griechischen Gesundheitswesen zu tragen hat. Die Klage war in erster Instanz erfolgreich. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten legte am letzten Tag der Frist per Telefax Berufung ein. Das Schreiben war an das zuständige OLG adressiert, jedoch mit der Telefaxnummer des LG versehen. Dieses leitete den Schriftsatz an das OLG weiter, wo er erst einen Tag später einging. Das OLG versagte die beantragte Wiedereinsetzung und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH gewährt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verweist die Sache zur Entscheidung über die Berufung an das OLG zurück.

Nach der Rechtsprechung des BGH genügt ein Anwalt den an ihn zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, wenn er seinem Personal schriftlich die allgemeine organisatorische Anweisung erteilt, die in einem Schriftsatz angegebene Faxnummer des Empfangsgerichts vor dem Versand mit einem zuverlässigen Verzeichnis und nach dem Versand mit der im Sendebericht angegebenen Nummer abzugleichen.

Als zuverlässiges Verzeichnis kann auch eine Kanzleisoftware herangezogen werden, in der die Faxnummern der Gerichte hinterlegt sind und regelmäßig aktualisiert werden. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt, weil die Dokumentvorlagen, die eine automatische Übernahme der Faxnummer aus der Datenbank der Kanzleisoftware vorsehen, wenige Tage vor dem Versand geändert worden waren.

Entgegen der Auffassung des OLG ist ein etwaiger Fehler bei der Änderung der Dokumentvorlagen im Streitfall aber nicht relevant. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat durch eidesstattliche Versicherung der mit dem Versand betrauten Mitarbeiterin glaubhaft gemacht, dass die allgemeine schriftliche Anweisung besteht, die von der Software eingefügte Nummer vor dem Versand mit der Nummer abzugleichen, die aus dem letzten vom Gericht stammenden Schriftstück in der jeweiligen Akte hervorgeht, hilfsweise mit der Nummer, die auf der Internet-Seite des betreffenden Gerichts angegeben ist. Diese Anordnung war ausreichend. Wäre sie befolgt worden, wäre es zu dem aufgetretenen Fehler nicht gekommen.

Praxistipp: Die organisatorischen Vorkehrungen, um einen rechtzeitigen Versand beim zuständigen Gericht zu gewährleisten, müssen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgetragen und glaubhaft gemacht werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Im 150. Montagsblog geht es (wie schon häufiger) um die erforderlichen Maßnahmen zur Wahrung einer Frist.

Allgemeine Vorkehrungen für den Fall der Verhinderung
Beschluss vom 31. Juli 2019 – XII ZB 36/19

Mit elementaren Anforderungen an die Kanzleiorganisation befasst sich der XII. Zivilsenat.

In einer Familiensache war der Antragsteller in erster Instanz unterlegen. Seine Beschwerdebegründung ging fristgerecht beim OLG ein, ließ aber nicht erkennen, von wem die darin angebrachte Unterschrift stammt. Der Antragsteller beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und trug vor, seine Verfahrensbevollmächtigte sei verhindert gewesen und habe deshalb eine Rechtsanwaltsfachangestellte damit betraut, mit Hilfe des Anwaltsvereins einen Vertreter zu finden. Die Angestellte habe die Räume des Anwaltsvereins aufgesucht und den Schriftsatz dort von einem zufällig anwesenden, ihr nicht näher bekannten Anwalt unterschreiben lassen. Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag des Antragstellers zurück und verwarf die Beschwerde als unzulässig.

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass die Beschwerdebegründung nicht formgerecht ist, weil sie nicht erkennen lässt, von wem sie unterschrieben ist. Er billigt auch die Einschätzung des OLG, dass die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers diesen Formmangel verschuldet hat, weil sie nicht selbst festgelegt hat, wer sie vertreten soll.

Praxistipp: Der eher kuriose Fall zeigt einmal mehr, dass unter einer Unterschrift stets in Druckschrift vermerkt werden solle, von wem sie stammt.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um zwei anwaltliche Vorgehensweisen der Kategorie „unschädlich, aber dennoch unnötig“ geht es in dieser Woche.

Korrektur eines falsch adressierten Schriftsatzes
Beschluss vom 25. Oktober 2018 – V ZB 259/17

Mit den Sorgfaltsanforderungen bei der Korrektur eines falsch adressierten fristgebundenen Schriftsatzes befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Kläger waren in erster Instanz vor dem LG unterlegen. Am letzten Tag der Frist übermittelte ihr Anwalt eine Berufungsschrift an den Telefaxanschluss des LG. Der Schriftsatz wurde an das zuständige OLG weitergeleitet, ging dort aber erst einige Tage später ein. Mit ihrem Wiedereinsetzungsgesuch machten die Kläger geltend, ihr Prozessbevollmächtigter habe die unzutreffende Adressierung nach Unterzeichnung des Schriftsatzes bemerkt, einen korrigierten Schriftsatz unterzeichnet und die mit dem Versand betraute Kanzleikraft angewiesen, den korrigierten Schriftsatz zu versenden. Das OLG versagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH gewährt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verweist die Sache zur Verhandlung und Entscheidung über die Begründetheit der Berufung an das OLG zurück. Abweichend vom OLG hält es der BGH für ausreichend, dass der Prozessbevollmächtigte den Fehler korrigiert und die Kanzleikraft angewiesen hat, den korrigierten Schriftsatz zu versenden. Nach der etablierten Rechtsprechung des BGH ist es in solchen Situationen nicht erforderlich, dass der Anwalt den fehlerhaften Schriftsatz vernichtet, durchstreicht oder in sonstiger Weise unbrauchbar macht. Entgegen der Auffassung des OLG bedarf es auch nicht einer ausdrücklichen Anweisung an die Kanzleikraft, den fehlerhaften Schriftsatz zu vernichten. Eine solche Anweisung ist bereits konkludent in dem Auftrag enthalten, den korrigierten Schriftsatz zu versenden. Der Anwalt darf sich auch ohne diesbezügliche Klarstellung darauf verlassen, dass beide Anweisungen befolgt werden.

Praxistipp: Um unnötige Weiterungen zu vermeiden, erscheint es in solchen Situationen dennoch empfehlenswert, den fehlerhaften Schriftsatz mit einer eindeutigen Kennzeichnung zu versehen, die einen versehentlichen Versand verhindert.

Bezeichnung des Rechtsmittelgegners bei Streitgenossenschaft
Beschluss vom 18. Dezember 2018 – XI ZB 16/18

Mit den Anforderungen an die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners befasst sich der XI. Zivilsenat.

Nach dem Widerruf von zwei Verbraucherdarlehensverträgen nahm der Kläger die Beklagte zu 1 auf Erstattung der auf den ersten Vertrag erbrachten Leistungen in Höhe von rund 5.000 Euro und die zum gleichen Unternehmensverbund gehörende Beklagte zu 2 auf Erstattung der auf den zweiten Vertrag erbrachten Leistungen in Höhe von rund 17.000 Euro in Anspruch. Das LG wies die Klage ab. In seiner Berufungsschrift gab der Kläger nur die Beklagte zu 1 als Gegner an. In der Berufungsbegründung verfolgte er sein erstinstanzliches Begehren gegen beide Beklagten weiter. Das OLG wies die Berufung gegen die Beklagte zu 1 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Im gleichen Beschluss verwarf es die Berufung gegen die Beklagte zu 2 als unzulässig.

Der BGH weist die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Rechtsbeschwerde des Klägers zurück. Abweichend vom OLG hält der BGH die Berufung jedoch auch gegenüber dieser Beklagten für zulässig. Eine Berufungsschrift richtet sich im Zweifel gegen alle Streitgenossen auf der Gegenseite, die in erster Instanz obsiegt haben, sofern keine Anhaltspunkte vorliegen, aus denen sich eine beschränkte Einlegung des Rechtsmittels ergibt. Aus dem Umstand, dass nicht alle erstinstanzlichen Streitgenossen auf der Gegenseite ausdrücklich als Berufungsbeklagte benannt werden, darf ein solcher Beschränkungswille nicht abgeleitet werden, wenn eine Beschränkung angesichts des erstinstanzlichen Streitstoffs ungewöhnlich oder gar fernliegend erschiene. Im Streitfall erschien eine Beschränkung fernliegend, weil das LG die Abweisung der Klage gegenüber beiden Beklagten auf die Erwägung gestützt hatte, die – gleichlautenden – Widerrufsbelehrungen seien ordnungsgemäß und der Widerruf sei deshalb verfristet. Im Ergebnis bleibt die Rechtsbeschwerde dennoch erfolglos, weil der BGH der materiell-rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen beitritt und deshalb die Berufung gegenüber der Beklagten zu 2 aus denselben Gründen wie das Rechtsmittel gegen die Beklagte zu 1 für unbegründet erachtet.

Praxistipp: Zur Vermeidung unnötiger Weiterungen erscheint es empfehlenswert, in der Rechtsmittelschrift stets alle erstinstanzlichen Gegner anzugeben. Die vollständige Angabe aller Rechtsmittelführer ist ohnehin stets erforderlich.