Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Anwendungsbereich der Regeln über die Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Individuell vereinbarte Bestimmung als Allgemeine Geschäftsbedingung
BGH, Urteil vom 13. November 2025 – III ZR 165/24

Der III. Zivilsenat befasst sich mit der AGB-Kontrolle von Vertragsverhältnissen mit mehr als zwei Parteien.

Die Kläger kauften im August 2015 von einer Projektentwicklungsgesellschaft eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in einem für Ferienhäuser und -wohnungen vorgesehenen Baugebiet.

Die Verkäuferin hatte sich gegenüber der für die Bauplanung zuständigen Gemeinde verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass alle Einheiten der Anlage in den ersten zehn Jahren nach Fertigstellung über einen einzigen Vermittler weitgehend an Feriengäste vermietet werden. Zur Umsetzung dieser Verpflichtung hatte sie als vollmachtlose Vertreterin der künftigen Wohnungseigentümer im Juli 2015 einen Vermittlungsvertrag mit der Beklagten geschlossen. Dieser sah in § 9 Nr. 1 eine Laufzeit bis Anfang 2020 und in § 9 Nr. 3 eine Laufzeit bis mindestens Anfang 2027 vor.

Die Kläger erklärten im Kaufvertrag über ihre Wohnung, dass sie in die Rechte und Pflichten aus dem Vermittlungsvertrag eintreten. Im Februar 2022 kündigten sie den Vermittlungsvertrag und machten geltend, die Vereinbarung über die Laufzeit des Vertrags sei unwirksam. In der Folgezeit verwehrten sie eine Vermietung der Wohnung. Im Oktober 2022 erklärten sie erneut die Kündigung.

Die Kläger haben die Feststellung beantragt, dass der Vermittlungsvertrag ihnen gegenüber keine Wirkung entfaltet, hilfsweise, dass er wirksam gekündigt worden ist. Die Beklagte hat widerklagend Ersatz entgangener Vermittlungsprovisionen in Höhe von 1.298 Euro begehrt.

Das LG hat die Klage abgewiesen und die Kläger entsprechend der Widerklage verurteilt. Das OLG hat festgestellt, dass der Vermittlungsvertrag seit Oktober 2022 beendet ist, und den auf die Widerklage zu zahlenden Betrag auf 893 Euro reduziert.

Der BGH weist die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Kläger zurück.

Aufgrund der nicht angefochtenen Abweisung des mit der Klage geltend gemachten Hauptantrags steht rechtskräftig fest, dass der Vermittlungsvertrag zwischen den Parteien wirksam zustande gekommen ist.

Im Ergebnis zu Recht hat das OLG angenommen, dass die Kläger den Vertrag im Oktober 2022 wirksam gekündigt haben. Die Vereinbarung über die Laufzeit ist jedenfalls wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Die Vereinbarung unterliegt der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB, obwohl sie zwischen der Beklagten und der Projektentwicklungsgesellschaft individuell ausgehandelt worden ist. Ausschlaggebend hierfür ist, dass die Projektgesellschaft nur als Vertreterin ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, die ausgehandelten Bestimmungen für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen mit den einzelnen Käufern der Wohnungen vorgesehen waren und diesen gegenüber weder die Projektgesellschaft noch die Beklagte zu Verhandlungen über den Inhalt der Vereinbarung bereit waren.

Die Anschlussrevision der Kläger bleibt erfolglos, weil nicht bewiesen ist, dass die Kündigung vom Februar 2022 der Beklagten zugegangen ist. Diesbezüglicher Tatsachenvortrag im Revisionsverfahren ist nach § 559 Abs. 1 ZPO unzulässig.

Praxistipp: Eine Anschlussrevision ist auch dann zulässig, wenn die Revision nur zugunsten einer Partei zugelassen worden ist.

Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog wöchentlich über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Pflicht des Beauftragten zur Herausgabe von Vorteilen, die Dritten zugewendet wurden
Urteil vom 16. Juni 2016 – III ZR 282/14

Mit dem Umfang der Herausgabepflichten einer Mediaagentur gemäß § 667 Fall 2 BGB befasst sich der III. Zivilsenat

Die Klägerin hatte die beklagte Mediaagentur mit der Planung und dem Einkauf von Werbezeiten und Werbeflächen im eigenen Namen auf Rechnung der Klägerin betraut. Nach Beendigung des Vertrags beanstandete die Klägerin die von der Beklagten erteilten Abrechnungen, weil darin so genannte Freispots nicht berücksichtigt waren, die Medienunternehmen anlässlich von erteilten Aufträgen einer mit der Beklagten wirtschaftlich verbundenen Gesellschaft einräumten und die diese anteilig an die Beklagte weitergab. Die von der Klägerin erhobene Stufenklage hatte hinsichtlich der ersten Stufe vor dem LG Erfolg. Das OLG wies das Auskunftsbegehren hingegen ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Mit der Vorinstanz qualifiziert er den Mediaagenturvertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne von § 675 BGB. Abweichend vom OLG hält er eine Herausgabepflicht aus § 667 Fall 2 BGB und eine darauf bezogene Auskunftspflicht aus § 666 BGB auch hinsichtlich solcher Vorteile für möglich, die nicht der Beauftragte, sondern ein Dritter erlangt hat. Voraussetzung dafür ist, dass die Gewährung des Vorteils in innerem Zusammenhang mit der Ausführung des Auftrags steht und dass der Vorteil dem Beauftragten wirtschaftlich zufließt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, obliegt der Würdigung des Tatrichters. Dieser kann sie im Einzelfall auch dann als erfüllt ansehen, wenn der Beauftragte keine einleuchtende Erklärung dafür liefert, weshalb der Vorteil nicht ihm, sondern einem ihm nahestehenden Dritten gewährt wurde.

Praxistipp: Ein Auftraggeber sollte sorgfältig überprüfen, welche wirtschaftlichen Vorteile dem Beauftragten aus seiner Tätigkeit entstehen und hierzu nach Möglichkeit auch externe Informationsquellen nutzen.

Grundsätzlich keine Pflicht zur vorläufigen Beweiswürdigung
Urteil vom 15. April 2016 – V ZR 42/15

Eine bislang umstrittene Frage beantwortet der V. Zivilsenat.

Die Klägerin begehrte die Zustimmung zur Herabsetzung eines vereinbarten Erbbauzinses, nachdem ein auf dem Nachbargrundstück betriebenes Warenhaus geschlossen worden war. Das LG wies die Klage nach Vernehmung der von der Klägerin in erster Instanz benannten Zeugen ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Den Antrag der Klägerin auf Vernehmung weiterer Zeugen wies es gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurück.

Der BGH tritt der Beurteilung der Vorinstanz im Ergebnis bei. Nach seiner Auffassung hätte das OLG die zusätzlichen Zeugen allerdings vernehmen müssen, wenn das LG gemäß § 279 Abs. 3 ZPO verpflichtet gewesen wäre, den Parteien nach Abschluss der Beweisaufnahme eine vorläufige Einschätzung des Beweisergebnisses mitzuteilen. Eine solche Pflicht, die in einem Teil der Literatur bejaht wird, besteht nach Auffassung des BGH jedoch nur dann, wenn die Mitteilung erforderlich ist, um eine nach Art. 103 Abs. 1 GG unzulässige Überraschungsentscheidung zu vermeiden. Diese Voraussetzung lag im Streitfall nicht vor, denn die Klägerin konnte nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass das Gericht den Beweis als geführt ansehen wird.

Praxistipp: Ein taktisches Zurückhalten von Zeugen führt, soweit es auf die zusätzlichen Zeugen ankommt, im Zivilprozess so gut wie unweigerlich zum Prozessverlust.