Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Vergütung des Rechtsanwalts im Falle einer Zurückverweisung vom Rechtsmittelgericht an ein erstinstanzliches Gericht, das mit der Sache bislang noch nicht befasst war.

Anwaltsvergütung bei Diagonalverweisung
Beschluss vom 20. November 2019 – XII ZB 63/19

Der XII. Zivilsenat entscheidet eine in Literatur und Instanzrechtsprechung umstrittene Frage.

Der Antragsteller hatte seine frühere Ehefrau kurz nach der Scheidung beim LG auf Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch genommen. Das LG wies die Klage als unzulässig ab. Der Zivilsenat des OLG verwies die Sache an das zuständige Familiengericht. Dieses wies das Zahlungsbegehren als unbegründet ab. Der Familiensenat des OLG entschied teilweise zugunsten des Ehemanns, legte ihm aber die Mehrkosten auf, die durch die Klage beim LG entstanden sind. Das AG setzte zugunsten der Ehefrau für das Verfahren vor dem LG und vor dem Zivilsenat des OLG jeweils eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr fest. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Ehemanns blieb erfolglos.

Die Rechtsbeschwerde des Ehemanns hat ebenfalls keinen Erfolg. Der BGH tritt der vom Beschwerdegericht vertretenen Auffassung bei, dass die beim Landgericht entstandenen Gebühren in vollem Umfang Mehrkosten darstellen, weil nach der Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht sowohl die Verfahrensgebühr als auch die Terminsgebühr von neuem entstanden sind. Bei einer Verweisung oder Abgabe an ein anderes Gericht bilden die Verfahren vor dem verweisenden und dem übernehmenden Gericht nach § 20 Satz 1 RVG einen einheitlichen Rechtszug. Nach § 20 Abs. 2 RVG entsteht hingegen ein neuer Rechtszug, wenn die Verweisung oder Abgabe an ein Gericht einer niedrigeren Instanz erfolgt. Diese Vorschrift greift unabhängig davon, ob sich das zuerst angerufene Gericht als zuständig angesehen hat oder nicht. Entgegen einer verbreiteten Auffassung gilt sie darüber hinaus nicht nur im Verhältnis zwischen dem verweisenden und dem übernehmenden Gericht, sondern auch im Verhältnis zwischen dem übernehmenden und dem zuerst angerufenen Gericht. Im Streitfall sind damit gesonderte Gebühren für insgesamt vier Instanzen angefallen (LG – OLG Zivilsenat – AG – OLG Familiensenat). Die Gebühren für die beiden ersten Rechtszüge gehören zu den vom Ehemann zu tragenden Mehrkosten.

Praxistipp:  Bei einer Zurückverweisung an ein Gericht, das mit der Sache bereits befasst war, entsteht nach § 21 Abs. 1 RVG ebenfalls ein neuer Rechtszug. In diesem Fall ist die im ersten Durchgang entstandene Verfahrensgebühr aber gemäß Vorbem. 3 Abs. 6 VV-RVG auf die Verfahrensgebühr für das erneute Verfahren anzurechnen.

Montagsblog: Neues vom BGH

Ersatz von Anwaltskosten für Geltendmachung des Kaskoschadens
Urteil vom 11. Juli 2017 – VI ZR 90/17

Der VI. Zivilsenat zeigt die Grenzen der Ersatzpflicht nach einem Verkehrsunfall auf.

Nach einem Verkehrsunfall betraute der Kläger seinen Anwalt mit der Geltendmachung seiner Ansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners und gegenüber seiner eigenen Kaskoversicherung. In der Folgezeit ersetzten die Haftpflicht- und die Kaskoversicherung den entstandenen Schaden jeweils zur Hälfte. Der Anwalt berechnete seine Vergütung für die Tätigkeit gegenüber der Kaskoversicherung auf der Grundlage des von dieser gezahlten Betrags. Der Kläger begehrte von den Beklagten die Erstattung der gezahlten Vergütung. Die Klage blieb erfolglos.

Der BGH weist die Revision des Klägers zurück. Abweichend von der Vorinstanz verneint er einen Ersatzanspruch nicht schon deshalb, weil der Kläger seinen Anwalt zu früh beauftragt hat. Zwar wäre die Einschaltung eines Anwalts für den ersten Kontakt mit der Kaskoversicherung nicht erforderlich gewesen. Damit ist ein Ersatzanspruch wegen einer später erforderlich gewordenen Beauftragung aber nicht ausgeschlossen. Die Rahmengebühr für das Betreiben des Geschäfts entsteht mit jeder Handlung von neuem. Sie kann zwar nach § 15 RVG insgesamt nur einmal bis zur Höchstgrenze von 2,5 geltend gemacht werden. Bis zu dieser Grenze kann sie aber mit zunehmendem Tätigkeitsumfang anwachsen. Dennoch verbleibt es bei der Abweisung der Klage, weil der geltend gemachte Schaden schon dem Grunde nach nicht ersatzfähig ist. Der Kläger hat die Kaskoversicherung nur wegen desjenigen Teils des Schadens in Anspruch genommen, für den der Unfallgegner nicht einzustehen hat. Die dafür angefallene Vergütung gehört ebenfalls nicht zu dem vom Beklagten zu ersetzenden Schaden.

Praxistipp: Wenn keine Rechtsschutzversicherung besteht, sollte der Mandant darauf hingewiesen werden, dass die Vergütung für den ersten Kontakt mit dem Kaskoversicherer nicht erstattungsfähig ist.

Widerrechtliche Drohung
Beschluss vom 19. Juli 2017 – XII ZB 141/16

Mit einem Grundbegriff aus dem Allgemeinen Teil des BGB befasst sich der XII. Zivilsenat in einer Betreuungssache.

Die 1929 geborene Betroffene hatte im Jahr 2009 zugunsten ihrer drei Kinder eine General- und Vorsorgevollmacht errichtet. Die beiden Töchter erhielten umgehend eine Ausfertigung. Die Ausfertigung für den Sohn – der von der Vollmacht nichts wusste – behielt eine der Töchter in Verwahrung. In der Folgezeit teilten die Töchter nahezu den gesamten Immobilienbesitz ihrer Mutter unter sich auf. Nachdem der Sohn hiervon erfahren hatte, ließ er die Mutter anwaltlich auffordern, die Vollmacht für die Töchter zu widerrufen, weil diese ansonsten auch das restliche Vermögen an sich reißen würden. Die Mutter kam der Aufforderung nach. Der Sohn beantragte daraufhin, eine Betreuung für sie einzurichten. Der als Betreuungsrichter zuständige Notar und das LG lehnten den Antrag ab, unter anderem mit der Begründung, die Mutter habe den Widerruf der Vollmachten wirksam wegen widerrechtlicher Drohung angefochten.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er verneint eine widerrechtliche Drohung im Sinne von § 123 BGB schon deshalb, weil der Eintritt des in Aussicht gestellten Übels – die Übertragung weiterer Vermögensgegenstände – nach der Ankündigung des Sohnes nicht von seinem Willen abhing, sondern vom Willen der Töchter. Darüber hinaus hält der BGH auch die Begründung, mit der das LG die Töchter trotz deren eigennützigen Verhaltens weiterhin als zur Vertretung ihrer Mutter geeignet angesehen hat, für nicht tragfähig.

Praxistipp: Wenn zweifelhaft ist, ob der Vollmachtswiderruf wirksam angefochten wurde, empfiehlt sich – sofern möglich – eine erneute Erteilung der Vollmacht. Für die Frage, ob der Bevollmächtigte als geeignet angesehen werden kann, ist damit allerdings wenig gewonnen.