Der BFH klärt Streitfragen zum Antrag auf Rückbeziehung nach § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG

Mit seinem Urteil vom 19.12.2018 (I R 1/17) hat der BFH einige ganz grundlegende Fragen zum Rückbeziehungsantrag nach § 20 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 UmwStG gestellt. Das Urteil enthält vier zentrale Aussagen:

  1. Der Antrag ist von der übernehmenden Gesellschaft zu stellen.
  2. Der Antrag ist nicht fristgebunden.
  3. Ein Formerfordernis besteht nicht.
  4. Die nachträgliche Änderung eines gestellten Antrags ist unzulässig.

In den ersten drei Punkten ist dem BFH zuzustimmen. Begrüßenswert ist v.a. die Ansicht, dass der Antrag keiner Frist unterliegt. Die Konsequenz ist, dass die Rückbeziehung bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft geltend gemacht werden kann. M.E. ist die weitere Folge, dass durch die Stellung des Rückbeziehungsantrags u.U. auch ein bereits ausgeübtes Bewertungswahlrecht nach § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG nochmals geändert werden kann, wenn sich durch die Änderung des Einbringungszeitpunkts auch der Zeitpunkt der maßgeblichen Schlussbilanz ändert.

Dass der BFH den einmal gestellten Rückbeziehungsantrag für nicht mehr änderbar hält, überzeugt hingegen nicht. Der BFH argumentiert, dass sich durch die Rückbeziehung der für die Besteuerung relevante Sachverhalt ändere und der übernehmenden Gesellschaft eine nachträgliche Einwirkung auf den damit verbundenen Steueranspruch verwehrt sei. Dabei verkennt der BFH m.E., dass die einzige Sachverhaltsänderung, die bei einer Antragsänderung eintritt, eben diese Änderung des Antrags ist. Der Sachverhalt selbst bleibt unverändert.

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Für die Gestaltungsberatung bringt die Entscheidung wenig Neues. Hier gilt – wie schon bislang – dass der Antrag auf Rückbeziehung wohl überlegt sein und schriftlich bei dem für die Gesellschaft zuständigen Finanzamt gestellt werden sollte. So lassen sich unnötige Diskussion mit dem Finanzamt vermeiden. Es verwundert daher auch nicht, dass es 12 Jahre gebraucht hat, bis der BFH zu solch grundlegenden Fragen des UmwStG 2006 Stellung nehmen konnte. In der Regel gelingt es der Beraterschaft – unterstützt durch Fachseminare und Praxishandbücher (wie z.B. den gerade in 9. Auflage erschienenen „Schwedhelm, Die Unternehmensumwandlung“) – den Mandanten den sichersten Weg durch den Steuerdschungel zu bahnen. Der Weg zu Gericht ist dann entbehrlich. Kommt es dennoch zum Streit, kann die Ansicht des BFH, dass der Rückbeziehungsantrag nicht fristgebunden ist, ein Rettungsanker sein.

Umfassend zu dieser Entscheidung: Stenert in Ubg 2019, 409 (411).

Gewerbesteuer auf ausländische Dividenden – § 9 Nr. 7 GewStG vor dem Umbruch

§ 9 Nr. 7 GewStG, die Vorschrift zur gewerbesteuerlichen Freistellung von Ausschüttungen, ist erneut in der steuerrechtlichen Diskussion. Durch das EuGH-Urteil vom 20.9.2018 – C-685/16, BStBl. II 2019, S. 111, war „unionsrechtlicher Druck“ auf die Regelung entstanden. Dieser ging aber – ähnlich wie bei der Genese des § 8b Abs. 4 KStG vor einigen Jahren – nur in Richtung „Gleichbehandlung“, nicht zwingend „Besserbehandlung“. Der Gesetzgeber will nun die gewerbesteuerliche Freistellung für ausländische Ausschüttungen der inländischen anpassen – „15% zu Beginn des Erhebungszeitraums“ soll die magische Formel in Zukunft sein.

Ob die Gleichschaltung des § 9 Nr. 2a GewStG und § 9 Nr. 7 GewStG in seinen Varianten für in- und ausländische leistende Körperschaften einen großen Einfluss auf die Steuerbelastung haben wird, ist unklar. Beachtlich sind in diesem Zusammenhang auch die zahlreichen deutschen ertragsteuerlichen Doppelbesteuerungsabkommen, die sachlich auch auf die Gewerbesteuer anwendbar sind. All diesen Fragen geht mein Beitrag in „GmbHR im Blickpunkt“ in Ausgabe 12/2019 nach.

Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex veröffentlicht

Die Regierungskommission Deutsche Corporate Governance hat am 9.5.2019 eine vollständige Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex beschlossen und diese am 22.5.2019 der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Vorangegangen war ein Konsultationsverfahren, das von der Veröffentlichung der Entwurfsfassung des Kodex am 6.11.2018 bis zum 31.1.2019 dauerte und in dessen Rahmen mehr als 100 Verbände, Unternehmen etc. Stellungnahmen abgegeben haben.

Die Struktur des Kodex wurde grundlegend überarbeitet und ist nun anhand von Aufgaben statt wie bislang nach den Organen der Aktiengesellschaft gegliedert. Den einzelnen Anregungen und Empfehlungen vorangestellt sind insgesamt 25 sog. Grundsätze, welche wesentliche rechtliche Vorgaben wiedergeben sollen. Ferner enthält der neue Kodex eine Reihe neuer Empfehlungen. Wesentliche Änderungen sind:

  • Verschärfung der Höchstgrenzen für die Zahl konzernexterner Aufsichtsratsmandate: Grundsätzlich maximal 5 Mandate (Aufsichtsratsvorsitz zählt doppelt), für Vorstandsmitglieder börsennotierter Gesellschaften maximal zwei Mandate und kein Aufsichtsratsvorsitz.
  • Konkretisierung der Kriterien für die Einstufung eines Aufsichtsratsmitglieds als unabhängig anhand verschiedener Indikatoren, wie sie auch von Stimmrechtsberatern verwendet werden.
  • Empfehlung zur Anzahl unabhängiger Aufsichtsratsmitglieder mit Sonderreglung für den Fall der Existenz eines kontrollierenden Aktionärs.
  • Die Erstbestellung von Vorstandsmitgliedern soll für maximal 3 Jahre erfolgen.
  • Langfristig variable Bestandteile der Vorstandsvergütung sollen von den Vorstandsmitgliedern entweder überwiegend in Aktien der Gesellschaft angelegt oder entsprechend aktienbasiert gewährt werden.

Anwendung finden wird die Neufassung des Kodex erst mit ihrer offiziellen Veröffentlichung durch das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Diese soll erst nach – für den Herbst 2019 erwarteten – Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes zur Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) erfolgen, um etwaigem Anpassungsbedarf am Kodex aufgrund von Änderungen des ARUG II im weiteren Gesetzgebungsverfahren Rechnung tragen zu können. Dies sollte Gesellschaften ausreichend Zeit geben, um sich auf die Vorgaben des neuen Kodex einzustellen.

In der Endfassung des Kodex nicht mehr enthalten ist das „Apply and Explain“-Prinzip. Nach diesem im Entwurf vorgesehenen Konzept sollten Gesellschaft darlegen, wie sie die Empfehlungen und Anregungen umsetzen, denen sie folgen.

Kein § 179a AktG analog-Beschluss bei der GmbH mehr erforderlich

Einigen Beratern dürfte nach dem Urteil des BGH vom 8. Januar 2019 (II ZR 364/18) ein Stein vom Herzen fallen. § 179a AktG ist auf die GmbH nicht analog anwendbar. Die Gesellschafter einer GmbH sind aufgrund ihrer stärkeren Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung wesentlich geringer schutzbedürftig sind als die Aktionäre der AG. Eine „systemfremde Beschränkung der Vertretungsmacht des Geschäftsführers mit Außenwirkung“ (vgl. Rz. 14 des Urteils) sieht er als nicht gerechtfertigt an. Damit entfallen die Sorgen um die Wirksamkeit von Asset Deals, bei denen man den Beschluss unbewusst (§ 179a AktG war ja eher eine Dunkelnorm) oder bewusst (wegen der unbeliebten Beurkundungskosten) nicht gefasst hatte.

ARUG II geht in die nächste Runde

Am 20.3.2019 hat die Bundesregierung den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) verfassten Entwurf eines „Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie“ (ARUG II) beschlossen. Die Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (EU) 2017/828 vom 17.5.2017 ist damit wieder einen deutlichen Schritt vorangekommen. Die Umsetzungsfrist endet am 10.6.2019.

Die Kabinettsfassung führt den vom Referentenentwurf aus Oktober 2018 verfolgten Ansatz einer behutsamen Umsetzung der Richtlinienvorgaben in das deutsche, dualistische Aktienrechtssystem fort. Im Detail weist der Regierungsentwurf eine Vielzahl an Änderungen und Klarstellungen auf, die für zusätzliche Rechtssicherheit sorgen und daher sehr zu begrüßen sind.

Das ARUG II befasst sich mit vier Regelungsbereichen: (1) Identifizierung und Information der Aktionäre, (2) Einbeziehung der Hauptversammlung bei der Vergütung des Vorstands und des Aufsichtsrats, (3) Zustimmungspflichten bei Geschäften der Gesellschaft mit nahestehenden Personen (Related Party Transactions – RPT) und (4) Transparenz bei institutionellen Anlagern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern. Die wichtigsten Änderungen zu den aus Sicht der betroffenen börsennotierten Unternehmen relevanten Regelungsbereichen (1) bis (3) werden in Kürze im „Blickpunkt“ der GmbHR 8/2019 stichpunktartig vorgestellt.

Nächster Meilenstein sind die Empfehlungen des federführenden Bundestagsrechtsausschusses. Da viele Anregungen aus den Stellungnahmen zum Referentenentwurf bereits im Kabinettsentwurf berücksichtigt wurden und sich auch die politischen Wellen gelegt haben, ist mit großen Änderungen nicht mehr zu rechnen. Nach dem vorgesehenen Zeitplan für das weitere Gesetzgebungsverfahren sollen die Beratungen im Bundestag noch vor der parlamentarischen Sommerpause stattfinden. Die Schlussberatungen sind indes für September 2019 vorgesehen, sodass mit der Verkündung des Gesetzes erst im Oktober 2019 zu rechnen ist. Danach könnte das ARUG II am 1. November 2019 in Kraft treten (Art. 16 ARUG II).

Anwaltliches Gesellschaftsrecht vor der Reform

Gleich beide anwaltlichen Berufsorganisationen haben in letzter Zeit Entwürfe für eine Neuordnung des anwaltlichen Gesellschaftsrechts vorgelegt: Die BRAK im Mai 2018 und der DAV im März 2019. Damit besteht nun erstmals seit vielen Jahren eine reale Chance, dass dieser Rechtsbereich eine „vernünftige“ Neuregelung erfährt.

In einigen Punkten gleichen sich die beiden Entwürfe. So soll die Anwalts-KG, die GmbH & Co. KG sogar, erlaubt werden. Eigentlich banal, aber noch in jüngerer Zeit Gegenstand heftiger Kontroversen in der BGH-Rechtsprechung. Anwaltssozietäten sollen grundsätzlich eigens zugelassen werden, nicht mehr nur die natürlichen Personen.

Beim Thema interprofessioneller Zusammenschlüsse schreitet der DAV deutlich mutiger voran als die BRAK. Das BVerfG hatte in letzter Zeit mehrfach Verbote interprofessioneller Zusammenarbeit wie auch die daran vom Gesetzgeber geknüpften Mehrheitsverhältnisse für verfassungswidrig erklärt. Der DAV nimmt das zum Anlass für eine Generalklausel: „Vereinbare“ Berufe dürften mit Anwälten verbunden werden. Was das bedeutet, ist offen, klare Konturen gibt es nicht mehr. Das bietet Chancen für gute, den Mandanten dienliche Fächerkombinationen. Andererseits werden Ängste vor einer „Überfremdung“ anwaltlicher Gesellschaften geweckt, die Widerstand heraufbeschwören.

Das heißeste Eisen hat der DAV am Ende nicht anpacken wollen: Die „auswärtige Kapitalbeteiligung“, sprich: Geld von Investoren. Man präferiert, dem BMJV den Vortritt zu lassen. Von dort war angekündigt worden, man wolle Investitionen in rechtsberatende Unternehmen harmonisch regeln, Anwaltskanzleien also im gleichen Zuge wie Inkassofirmen. Diese Zurückhaltung des DAV ist nicht vornehm, sondern furchtsam. Das Feld wird Ministerialbeamten überlassen, statt mutig eigene Ideen vorzulegen. Dabei geht es gerade hier, bei der Finanzkraft unterschiedlicher Anbieter von Rechtsdienstleistungen, um die wirtschaftliche Ausgangslage im Verteilungswettkampf um die beste Position auf dem Rechtsberatungsmarkt.

Der DAV-Entwurf bietet Anregungen zur Neugestaltung der berufsrechtlichen Normen. Einiges wird zupackend angegangen, bei anderem schreckt die Berufsvertretung zurück. Bei über 160000 Anwälten mit einem äußerst heterogenen Berufsbild gilt es offenbar, stets politische Rücksichten zu nehmen und nicht die Zukunftsaufstellung mit der „Brechstange“ durchzusetzen. Nun ist das BMJV gefragt. Wenn es sich beeilt, könnte die BRAO noch im Laufe der aktuellen Legislaturperiode gründlich überarbeitet und modernisiert, die Anwaltschaft fit gemacht werden für die Zukunft.

Ausführlicher zu diesem Thema: Römermann im „Blickpunkt“, GmbHR 7/2019.

Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II)

Der mit Spannung erwartete Regierungsentwurf des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) ist am 20.3.2019 vom Bundeskabinett verabschiedet und auf der Webseite des BMJV veröffentlicht worden.

Auf der Homepage der AG haben wir Ihnen auf einen Blick alle wesentlichen bislang in der AG veröffentlichten Beiträge zur zweiten Aktionärsrechterichtlinie und zum Gesetzgebungsverfahren des ARUG II zusammengestellt. Zur Übersicht gelangen Sie hier.

Welchen Weg aus der LLP?

Nicht nur das Vereinigte Königreich bereitet sich auf einen „harten“ Brexit vor, sondern auch die deutsche Gesellschaftsrechtspraxis. Der drohende Wegfall der Niederlassungsfreiheit betrifft dabei neben in Deutschland ansässigen Limiteds auch Limited Liability Partnerships (LLPs). Diese Rechtsform war aufgrund der umfassenden Haftungsbeschränkung insbesondere für Anwaltskanzleien attraktiv. In der Diskussion über mögliche Rettungsmaßnahmen steht sie bisher nur begrenzt im Fokus. Nach den bisherigen Stellungnahmen sollen der UK LLP grenzüberschreitende Umwandlungen nur auf Basis der SEVIC-Rechtsprechung des EuGH offenstehen. Denn als Personengesellschaft sei sie nicht von Art. 118-134 GesRRL erfasst und könne darum auch nicht an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung nach §§ 122a-122m UmwG beteiligt sein (vgl. J. Schmidt, GmbHR 2018, R292, R293). Das ist mit Rechtsunsicherheit verbunden, weshalb stattdessen alternative Lösungen wie Anwachsungsmodelle propagiert werden. Auch das kürzlich inkraftgetretene 4. UmwÄndG (siehe dazu bereits den Eintrag von Knaier) hält keine besonderen Mechanismen für die LLP bereit, sondern erweitert nur den Kreis der aufnehmenden Rechtsträger auf Personenhandelsgesellschaften (oHG und KG).

Dem scheint die – angesichts des Namens verständliche – Fehlvorstellung zugrundezuliegen, die LLP sei eine Sonderform der englischen partnership, also eine Personengesellschaft. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass die LLP eher einer company, also einer Kapitalgesellschaft ähnelt: Nach sec. 1 (2) des Limited Liability Partnerships Act 2000 ist die LLP eine Körperschaft (body corporate) mit eigener Rechtspersönlichkeit. Die Haftung ist auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt, das gegen unzulässige Entnahmen abgesichert ist. Die LLP Regulations 2009 wenden darum weite Teile des Companies Act 2006 für die LLP entsprechend an, außerdem auch die britischen Vorschriften zur grenzüberschreitenden Verschmelzung (Cross-border Mergers Regulations 2007).

Zugleich ist das Richtlinienrecht offen für eine solche Erweiterung der verschmelzungsfähigen Rechtsträger durch die Mitgliedsstaaten. „Kapitalgesellschaft“ im Sinne von Art. 119 Nr. 1 GesRRL sind nicht nur die in Annex II der Richtline aufgezählten Rechtsformen, sondern nach lit. b auch

eine Gesellschaft, die Rechtspersönlichkeit besitzt und über gesondertes Gesellschaftskapital verfügt, das allein für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet, und die nach dem für sie maßgebenden nationalen Recht Schutzbestimmungen im Sinne des Titels I Kapitel II Abschnitt 2 und des Titels I Kapitel III Abschnitt 1 im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter einhalten muss.

Diese Merkmale treffen auf die LLP zu, weshalb sie für die grenzüberschreitende Verschmelzung als „Kapitalgesellschaft“ nach § 122b UmwG qualifiziert werden muss. Ihr steht damit die grenzüberschreitende Hineinverschmelzung als rechtssichere Gestaltungsoption zur Verfügung. Zielrechtsträger kann allerdings nur eine deutsche Kapitalgesellschaft (namentlich AG und GmbH) sein, nicht dagegen eine PartG mbB, was insbesondere für Anwalts-LLPs infrage gekommen wäre. Als Personenhandelsgesellschaft kann eine Anwaltskanzlei nicht betrieben werden.

Zugleich müssen die bisher diskutierten Gestaltungsalternativen kritisch überdacht werden. Verbreitet wird vorgeschlagen, der Zielrechtsträger solle als Gesellschafter in die LLP eintreten. Eine entsprechende Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag vorausgesetzt, käme es dann bei Austritt der übrigen Gesellschafter zur Anwachsung mit Gesamtrechtsnachfolge, wie dies bei Personengesellschaften üblich ist (vgl. dazu Hoger/Lieder, ZHR 180 (2016), 613, 640; Zwirlein/Großerichter/Gätsch, NZG 2017, 1041, 1045). Diese Lösung dürfte sich aber für die LLP nicht als gangbarer Weg erweisen. Für diese sind nämlich – ihrer kapitalgesellschaftlichen Natur entsprechend – die Vorschriften des Insolvency Act 1986 zum Liquidationsverfahren zu beachten. Entsprechend findet das Anwachsungsmodell im englischen Schrifttum keine Erwähnung. Stattdessen wird als Alternative zur Verschmelzung die sogenannte „reconstruction by voluntary liquidation“ genannt, bei der sich die LLP in ein freiwilliges Abwicklungsverfahren begibt und der Abwickler das Unternehmen im Tausch gegen Anteile in die Zielgesellschaft einbringt (vgl. dazu Morse et al., Palmer’s Limited Liability Partnership Law, 2. Aufl. 2011, Rn. A10-47 ff.).

Die Einordnung der LLP zeigt, dass Vorsicht geboten ist, wenn Vorstellungen der nationalen Rechtsdogmatik auf ausländische Rechtsformen übertragen werden sollen. Die grenzüberschreitende Verschmelzung jedenfalls steht ihr als rechtssicherer, wenngleich bürokratischer Ausweg aus dem britischen Recht offen. Daneben mag das freiwillige Abwicklungsverfahren als Alternative in Betracht kommen, während das Anwachsungsmodell nicht empfohlen werden kann (siehe zur Thematik ausführlich Wolff, GmbHR 2019, 52).

 

Abseitsfalle des OLG München: Wo tagt der Aufsichtsrat?

In vielen Aktiengesellschaften ist es bewährte Praxis, dass der Aufsichtsrat nicht nur im Elfenbeinturm der Konzernzentrale tagt, sondern auch in Betriebsstätten oder bei Tochtergesellschaften. Anlass können nicht nur Unternehmenszusammenschlüsse oder größere Zukäufe sein, wo es in besonderem Maße im Unternehmensinteresse liegen kann, die Integration durch ein entsprechendes Symbol der Wertschätzung zu fördern. Ebenso können eine lokale Krisenlage, eine im Raum stehende Werksschließung oder ein Personalabbau einen anderen Sitzungsort tragen. Aber auch ein Rückzug in ein (ländliches) Hotel für eine in den Folgen weitreichende, mehrtätige Strategiesitzung mit dem Vorstand oder auch nur zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit eines neu zusammengesetzten Aufsichtsrats, dessen Mitglieder sich kennen und schätzen lernen sollen, sind gelebte Praxis und richtigerweise nicht zu beanstanden.

Bei alldem ist aber neuerdings Vorsicht geboten. Denn das OLG München (Beschluss v. 28.8.2018 – 31 Wx 61/17, abrufbar http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-20541?hl=true hat sich zum rechtlich zulässigen Sitzungsort des Aufsichtsrats mit einer m.E. nicht gebotenen Parallelwertung zum Recht der Hauptversammlung auf Kante gestellt und entschieden:

„Zwar enthält das AktG keine ausdrückliche Regelung darüber, an welchem Ort der Aufsichtsrat einer AG seine Sitzungen abzuhalten hat. Jedoch folgt daraus, (…) nicht, dass der Aufsichtsratsvorsitzende nach eigenem Gutdünken einen Versammlungsort bestimmen kann. Vielmehr ist, soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht, der ordnungsgemäße Versammlungsort grundsätzlich entsprechend § 121 Abs. 5 AktG der Sitz der Gesellschaft, wobei die Räumlichkeiten der Gesellschaft im Fall ihrer Eignung als Versammlungslokal der Wahl angesehen werden. Die Regelung hat den Zweck, auch Aufsichtsratsmitglieder vor einer willkürlichen Wahl des Versammlungsortes und einer daraus folgenden Beeinträchtigung ihres Teilnahmerechts zu schützen. (…) Nur wenn alle Aufsichtsratsmitglieder einverstanden sind, könnte ausnahmsweise auch ein anderer Ort zur Abhaltung der Sitzungen des Aufsichtsrats gewählt werden.“

Gerade bei streitigen Beschlussgegenständen auf der Tagesordnung ist angesichts dieser Wendung der Rechtsprechung fortan bei der Wahl des Versammlungsortes besondere Vorsicht geboten. Gleiches gilt natürlich, wenn einzelne Aufsichtsratsmitglieder verhindert sind.

Abhilfe könnte m.E. hier eine Satzungsänderung bei nächster Gelegenheit bieten, die dem Aufsichtsratsvorsitzenden eine Wahl unter verschiedenen alternativen Tagungsorten bei der Einberufung der Aufsichtsratssitzung ausdrücklich zuweist; auch das OLG München hat den Satzungsvorbehalt ausdrücklich erwähnt.

Der Referentenentwurf des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II)

pgDas Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat am 11.10.2018 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) veröffentlicht. Die Aktienrechtsreform in Permanenz geht damit weiter. Die geänderte Aktionärsrechterichtlinie und entsprechend der vorliegende Referentenentwurf zielen auf eine weitere Verbesserung der Mitwirkung der Aktionäre bei börsennotierten Gesellschaften sowie auf eine Erleichterung der grenzüberschreitenden Information und Ausübung von Aktionärsrechten. Konkret geht es um vier Regelungsbereiche: (1) Mitwirkung und Information der Aktionäre betreffend die Vergütung der Unternehmensleitung („say-on-pay“), (2) Geschäfte mit nahestehenden Personen und Unternehmen („related-party-transactions“), (3) Verbesserung der Identifikation von und Kommunikation mit Aktionären („know-your-shareholder“) und (4) Erhöhung der Transparenz bei institutionellen Anlegern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern.

Die auf den ersten Blick eher technisch anmutende Neuregelung des Systems der Aktionärsidentifikation und -information wird die Praxis, insbesondere auf Bankenseite, vor erhebliche Herausforderungen stellen, da die bisherigen Prozesse nicht unverändert werden fortgeführt werden können. Für zahlreiche Gesellschaften und ihre potentiellen Großaktionäre von besonderer Bedeutung ist die – europarechtlich zwingend erforderliche – erstmalige Regelung der sog. related-party-transactions. Dieses auf die Vermeidung von Vermögensverschiebungen zugunsten bestimmter Personen zielende Konzept steht in einem Spannungsverhältnis zu den bisherigen Regelungen zum Schutz von Aktionären, insbesondere dem Konzernrecht. Es ist grundsätzlich sehr zu begrüßen, dass sich der Gesetzgeber zur Beibehaltung der bisherigen Schutzinstrumente und zur Ausnutzung der den Mitgliedstaaten eingeräumten Wahlrechte entschieden hat.

Angesichts des Umfangs der umzusetzenden europarechtlichen Vorgaben und ihrer Komplexität ist es freilich nicht überraschend, dass der Referentenentwurf an einzelnen Stellen noch der Überarbeitung bedarf. Jüngst hat der Handelsrechtsausschuss eine Reihe von sehr sinnvollen Vorschlägen zu seiner Änderung und insbesondere Präzisierung vorgelegt. Einen ausführlichen Überblick über die Neuregelungen und eine erste Bewertung aus Sicht der Praxis findet sich außerdem in unserem Beitrag in der AG 2018, 857 ff.