beA: Pünktlich Büroschluss (jetzt) auch für Rechtsanwälte!

Die Rechtsprechung des BGH zum beA vermehrt sich geradezu explosionsartig. Grundsätzlich wenden alle Senate des BGH die Wiedereinsetzungsrechtsprechung, die sie zur Nutzung des Fax entwickelt haben, sinngemäß auch auf beA-Konstellationen an. Zu verzeichnen ist jetzt aber eine – durchaus Anwalt freundliche – Ausnahme:

Ein BGH-Anwalt reichte wegen Ausfalls des Systems des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs die Revisionsbegründung „nach den allgemeinen Vorschriften“ ein (ob in Papierform oder per Fax, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen). Das erlaubt § 130d ZPO, wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument vorübergehend unmöglich ist. Den Ausfall des beA machte er auch glaubhaft, jedoch nicht seine Behauptung, bis zum Büroschluss die Funktionsfähigkeit des beA weiterhin überprüft zu haben. Trotzdem hat der BGH die Ersatzeinreichung akzeptiert. Ein Prozessbevollmächtigter, der aus technischen Gründen gehindert ist, einen fristwahrenden Schriftsatz elektronisch einzureichen, ist, nachdem er die zulässige Ersatzeinreichung veranlasst hat, nicht mehr gehalten, sich vor Fristablauf weiter um eine elektronische Übermittlung zu bemühen (BGH, Urt. v. 25.5.2023 – V ZR 134/22 Rn. 10). Ein elektronisches Dokument ist nach § 130d Satz 3 Halbsatz 2 ZPO bei ausreichender Ersatzeinreichung zusätzlich nur auf gerichtliche Anforderung nachzureichen. Damit unterscheidet sich die Rechtslage von der im Falle einer gescheiterten Faxübermittlung. Ein Rechtsanwalt, der seine Organisation darauf abgestellt hat, Schriftsätze über Telefax an das Gericht zuzustellen, muss damit rechnen, dass das Empfangsfaxgerät des Gerichts am Nachmittag stark in Anspruch genommen und besetzt ist und darf seine Übermittlungsversuche nicht vorschnell aufgeben. Die Beendigung von Übersendungsversuchen um 19.02 Uhr ist als vorschnell anzusehen; der Rechtsanwalt hätte im Laufe des Abends weitere Versuche unternehmen müssen (BGH, Beschl. v. 4.11.2014 – II ZB 25/13, AnwBl 2015, 447).

Der Rechtsanwalt muss somit nicht bis Mitternacht die elektronische Übermittlung weiter versuchen, wenn ihm die Ersatzeinreichung des Schriftsatzes vorher gelingt. Ob das allerdings auch gilt, wenn das als Ersatzmedium gewählte Fax sich ebenfalls nicht übermitteln lässt, ist noch nicht entschieden und bleibt offen …

Die Bauvertragsrechtsreform zwischen Euphorie und Kritik

Ab dem 1.1.2018 gilt für alle neu geschlossenen Werkverträge das BGB in der durch das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts geänderten Fassung. Bisher kannte das Gesetz nur ein allgemeines Werkvertragsrecht. Für den Bauvertrag gab es keine speziellen Sondernormen. Damit wurde der Bauvertrag rechtlich nicht anders behandelt als z.B. die Reparatur eines defekten Kfz in einer Werkstatt oder die Maßanfertigung eines Anzugs durch einen Schneider.

Durch das „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren“ vom 28.4.2017 (BGBl. I 2017, 969; eine Synopse zu den Änderungen, s. hier) werden zukünftig als besondere Vertragstypen des Werkvertragsrechts

  • der Bauvertrag (s. Schwenker/Wessel, MDR 2017, 1096, Heft 19)
  • der Architekten- und Ingenieurvertrag (s. Schwenker/Wessel, MDR Heft 20 – erscheint am 20.10.2017)
  • der Verbraucherbauvertrag und der Bauträgervertrag  (s. Schwenker/Wessel, MDR Heft 21- erscheint am 3.11.2017)

näher geregelt.

Neben diesen Neuregelungen sind im allgemeinen Werkvertragsrecht wichtige Änderungen vorgenommen worden (s. Schwenker/Wessel, MDR 2017, 1093, Heft 19).

Die Reaktionen auf das Gesetz sind gemischt. Der Präsident des Deutschen Baugerichtstags e.V. lässt seine Freude darüber verlauten, „ein schon fast verloren gegangenes Vertrauen in funktionierende parlamentarische und ministerielle Entscheidungsmechanismen wieder gefunden“ zu haben. In der Literatur wird dagegen der „autoritäre, bevormundende Geist des Gesetzes“ beklagt: „Vorschriften statt Vertragsfreiheit, Anordnungsrechte, Terminbestimmungsrechte, der Gesetzgeber will sogar darauf Einfluss nehmen, wann Personen Verträge abschließen und hinterher zur Not durch Dritte bestimmen lassen, was deren Inhalte sind.“ (Deckers, ZfBR 2017, 545).

Fazit: Zu Euphorie besteht kein Anlass. Dem Gesetzgeber darf konstatiert werden, eine Vielzahl überflüssiger und in sich inkonsistenter Vorschriften geschaffen zu haben. Der anwaltlichen und gerichtlichen Praxis wird es wieder einmal überlassen bleiben, dem neuen Bauvertragsrecht eine ihren Bedürfnissen gerecht werdende Auslegung zukommen zu lassen. So ist es ihm gelungen, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen den Verbraucherschutz zu reduzieren. Denn bisher musste der Erbauer eines Einfamilienhauses dem Unternehmer keine Bauhandwerkersicherheit stellen. Nach neuem Recht gilt das Verbraucherprivileg nur für den Verbraucherbauvertrag, der aber den „Bau eines neuen Gebäudes“ verlangt. Bei Einzelvergaben muss der Verbraucher zukünftig (ihn finanziell belastende) Sicherheiten stellen. Davon ist er aber befreit, wenn er Mehrfamilienhäuser baut! Mehr als eine gesetzgeberische Fehlleistung ist es auch, wenn § 650p BGB unter „Vertragstypischen Pflichten aus Architekten- und Ingenieurverträgen“ lediglich die Pflichten des Planer beschreibt, die Vergütungspflicht des Bestellers aber vollständig vergisst. Diese muss über die Verweisungsnorm des § 650q Abs. 1 BGB aus § 631 Abs. 1 BGB hergeleitet werden, was den nicht rechtskundigen Nutzer des Gesetzes überfordern dürfte.