Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Anwendungsbereich der Regeln über die Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Individuell vereinbarte Bestimmung als Allgemeine Geschäftsbedingung
BGH, Urteil vom 13. November 2025 – III ZR 165/24

Der III. Zivilsenat befasst sich mit der AGB-Kontrolle von Vertragsverhältnissen mit mehr als zwei Parteien.

Die Kläger kauften im August 2015 von einer Projektentwicklungsgesellschaft eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in einem für Ferienhäuser und -wohnungen vorgesehenen Baugebiet.

Die Verkäuferin hatte sich gegenüber der für die Bauplanung zuständigen Gemeinde verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass alle Einheiten der Anlage in den ersten zehn Jahren nach Fertigstellung über einen einzigen Vermittler weitgehend an Feriengäste vermietet werden. Zur Umsetzung dieser Verpflichtung hatte sie als vollmachtlose Vertreterin der künftigen Wohnungseigentümer im Juli 2015 einen Vermittlungsvertrag mit der Beklagten geschlossen. Dieser sah in § 9 Nr. 1 eine Laufzeit bis Anfang 2020 und in § 9 Nr. 3 eine Laufzeit bis mindestens Anfang 2027 vor.

Die Kläger erklärten im Kaufvertrag über ihre Wohnung, dass sie in die Rechte und Pflichten aus dem Vermittlungsvertrag eintreten. Im Februar 2022 kündigten sie den Vermittlungsvertrag und machten geltend, die Vereinbarung über die Laufzeit des Vertrags sei unwirksam. In der Folgezeit verwehrten sie eine Vermietung der Wohnung. Im Oktober 2022 erklärten sie erneut die Kündigung.

Die Kläger haben die Feststellung beantragt, dass der Vermittlungsvertrag ihnen gegenüber keine Wirkung entfaltet, hilfsweise, dass er wirksam gekündigt worden ist. Die Beklagte hat widerklagend Ersatz entgangener Vermittlungsprovisionen in Höhe von 1.298 Euro begehrt.

Das LG hat die Klage abgewiesen und die Kläger entsprechend der Widerklage verurteilt. Das OLG hat festgestellt, dass der Vermittlungsvertrag seit Oktober 2022 beendet ist, und den auf die Widerklage zu zahlenden Betrag auf 893 Euro reduziert.

Der BGH weist die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Kläger zurück.

Aufgrund der nicht angefochtenen Abweisung des mit der Klage geltend gemachten Hauptantrags steht rechtskräftig fest, dass der Vermittlungsvertrag zwischen den Parteien wirksam zustande gekommen ist.

Im Ergebnis zu Recht hat das OLG angenommen, dass die Kläger den Vertrag im Oktober 2022 wirksam gekündigt haben. Die Vereinbarung über die Laufzeit ist jedenfalls wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Die Vereinbarung unterliegt der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB, obwohl sie zwischen der Beklagten und der Projektentwicklungsgesellschaft individuell ausgehandelt worden ist. Ausschlaggebend hierfür ist, dass die Projektgesellschaft nur als Vertreterin ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, die ausgehandelten Bestimmungen für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen mit den einzelnen Käufern der Wohnungen vorgesehen waren und diesen gegenüber weder die Projektgesellschaft noch die Beklagte zu Verhandlungen über den Inhalt der Vereinbarung bereit waren.

Die Anschlussrevision der Kläger bleibt erfolglos, weil nicht bewiesen ist, dass die Kündigung vom Februar 2022 der Beklagten zugegangen ist. Diesbezüglicher Tatsachenvortrag im Revisionsverfahren ist nach § 559 Abs. 1 ZPO unzulässig.

Praxistipp: Eine Anschlussrevision ist auch dann zulässig, wenn die Revision nur zugunsten einer Partei zugelassen worden ist.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Abgrenzung zwischen einer Vertragsstrafe und einer Vereins- oder Verbandsstrafe.

Vertragsstrafevereinbarung in der Gemeinschaftsordnung einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
BGH, Urteil vom 24. Oktober 2025 – V ZB 129/24

Der V. Zivilsenat entscheidet, dass die §§ 339 ff. BGB jedenfalls für bestimmte Konstellationen anwendbar sind.

Die Beklagte zu 1, eine GmbH & Co. KG mit der Beklagten zu 2 als persönlich haftender Gesellschafterin, ist Sondereigentümerin einer Wohneinheit in einer Wohnungseigentumsanlage. Nach der in der Teilungserklärung enthaltenen Gemeinschaftsordnung ist der Eigentümer dieser Wohneinheit berechtigt, den Dachbereich (mit einer Fläche von über 1000 m²) auszubauen und das Dach aufzustocken. Für den Fall, dass die Bauzeit länger als fünfzehn Monate beträgt, ist eine Konventionalstrafe an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Höhe von 15 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche und Monat vorgesehen.

Die Bauzeit ist um mehr als ein Jahr überschritten worden. Die klagende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangt deshalb Zahlung von rund 230.000 Euro nebst Zinsen und die Feststellung, dass die Beklagten bis zum Abschluss der Bauarbeiten zu weiteren monatlichen Zahlungen verpflichtet sind.

Die Klage hatte vor dem AG und dem LG Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück.

In Literatur und Instanzrechtsprechung ist umstritten, ob eine in der Gemeinschaftsordnung einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vorgesehene Strafe den Regelungen über Strafversprechen (§§ 339 ff. BGB) unterliegt oder als Verbandsstrafe anzusehen ist, die im Hinblick auf Art. 9 Abs. 1 GG einer weniger weitgehenden gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

Der BGH entscheidet die Frage nicht abschließend. Die im Streitfall vereinbarte Strafe sieht er aber – wie die Vorinstanzen – als Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB an.

Für diese Einordnung spricht schon, dass die Strafe im Falle einer Überschreitung der vorgesehenen Bauzeit anfällt, ohne dass es einer Entscheidung der Wohnungseigentümer bedarf. Ob dies ausreicht, lässt der BGH ebenfalls offen. Im Streitfall kommt jedenfalls entscheidend hinzu, dass die Strafe ausdrücklich als Konventionalstrafe bezeichnet ist und dass sie nicht jeden Wohnungseigentümer treffen kann, sondern nur den Ausbauberechtigten.

Der BGH tritt den Vorinstanzen auch darin bei, dass eine Gemeinschaftsordnung Regelungen über eine Vertragsstrafe im Sinne von §§ 339 ff. BGB wirksam treffen kann. Die Vereinbarung einer solchen Regelung ist von der Privatautonomie gedeckt. Die Regelung unterliegt auch nicht einer Inhaltskontrolle nach den Regelungen für Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 307 ff. BGB) oder einer Missbrauchskontrolle nach § 242 BGB.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist § 343 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach eine verwirkte Strafe auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist, im Streitfall jedoch anwendbar. Diese Regelung wird nicht durch § 10 Abs. 2 WEG verdrängt, der jedem Wohnungseigentümer das Recht gibt, die Anpassung einer Vereinbarung zu verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Ein Antrag auf Herabsetzung der Strafe nach § 343 BGB zielt nicht auf eine Änderung der Gemeinschaftsordnung ab, sondern lediglich auf eine Abmilderung der Risiken aus einer im Voraus erfolgten Pauschalierung der Strafhöhe.

Einer Anwendung von § 343 BGB steht im Streitfall auch nicht der Umstand entgegen, dass die Beklagte zu 1 eine Handelsgesellschaft ist. Nach § 348 HGB kann eine Vertragsstrafe zwar nicht herabgesetzt werden, wenn sie von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen worden ist. In der Konstellation des Streitfalls erfolgt aber nur der Erwerb des Wohnungseigentums im Betrieb des Handelsgeschäfts. Die Vertragsstrafe ergibt sich hingegen aus dem Eintritt in die Gemeinschaftsordnung. Dieser erfolgt von Gesetzes wegen mit dem Eigentumserwerb.

Das LG wird deshalb prüfen müssen, ob die Strafe nach § 343 BGB herabzusetzen ist.

Praxistipp: Ein Antrag auf Herabsetzung einer Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB muss nicht beziffert werden, weil die Höhe des Ermäßigungsbetrags ggf. dem Ermessen des Gerichts unterliegt (BGH, Urteil vom 22. Mai 1968 – VIII ZR 69/66, MDR 1968, 751).

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Zulässigkeit einer Kostenentscheidung nach einem selbständigen Beweisverfahren.

Klageerhebung nach erstinstanzlicher Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren
BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2025 – V ZB 67/24

Der V. Zivilsenat beantwortet eine in Literatur und Instanzrechtsprechung umstrittene Frage.

Die Antragsteller haben gegen die Antragsgegner ein selbständiges Beweisverfahren geführt. Nach dessen Abschluss setzte das Landgericht ihnen eine Frist von vier Wochen zur Klageerhebung. Die Antragsteller reichten am letzten Tag der Frist eine Klageschrift ein, zahlten den angeforderten Kostenvorschuss zunächst aber nicht.

Auf Antrag der Antragsgegner hat das LG den Antragstellern die im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten auferlegt. Die Antragsteller haben hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt. Während des Beschwerdeverfahrens wurde die Klage zugestellt. Das OLG hat die erstinstanzliche Kostenentscheidung daraufhin aufgehoben, den Kostenantrag zurückgewiesen und den Antragstellern die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

Der BGH weist die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegner zurück.

Das LG hat den Antragstellern allerdings zu Recht gemäß § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO die Kosten des Beweisverfahrens auferlegt, weil die nach § 494a Abs. 1 ZPO gesetzte Frist für die Erhebung der Klage abgelaufen und die Klage im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung noch nicht erhoben war.

Auch in diesem Zusammenhang ist § 253 Abs. 1 ZPO maßgeblich, wonach eine Klage erst mit Zustellung der Klageschrift erhoben ist. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Einreichung gemäß § 167 ZPO kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil die Zustellung aufgrund der um mehrere Wochen verzögerten Zahlung des Kostenvorschusses nicht demnächst erfolgt ist.

Dennoch hat das OLG die erstinstanzliche Kostenentscheidung zu Recht aufgehoben, weil die Klageschrift im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zugestellt war.

Der BGH hat bereits entschieden, dass eine Kostenentscheidung nach § 494 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht ergehen darf, wenn die Klage zwar nach Ablauf der Frist, aber vor der Entscheidung über den Kostenantrag erhoben worden ist (BGH, Beschluss vom 28 Juni 2007 – VII ZB 118/06, MDR 2007, 1089).

Der BGH ergänzt dies nunmehr dahin, dass eine bereits ergangene Kostenentscheidung auf eine zulässige sofortige Beschwerde hin aufzuheben ist, wenn die Klage vor der Entscheidung über die Beschwerde zugestellt wird. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass der Entscheidung über eine sofortige Beschwerde die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zugrunde zu legen ist. § 494a ZPO enthält keine hiervon abweichende Regelung.

Dem Antragsgegner entsteht dadurch kein Kostennachteil. Der Antragsteller hat in der genannten Situation grundsätzlich gemäß § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Praxistipp: Eine Rückwirkung nach § 167 ZPO kommt nicht in Betracht, wenn die Zustellung der Klage durch schuldhaftes Verhalten des Klägers um mehr als zwei Wochen verzögert wird.

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Diese Woche geht es um eine Frage der Gefahrtragung.

Verlustgefahr bei Geldüberweisung
BGH, Urteil vom 8. Oktober 2025 – IV ZR 161/24

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit einer ungewöhnlichen Fallkonstellation.

Die drei Beklagten habe sich in einem außergerichtlichen Vergleich verpflichtet, an die Klägerin – ihre Schwester – zur Abgeltung eines Pflichtteilsanspruchs 30.000 Euro zu zahlen.

Beide Seiten waren durch Anwälte vertreten. Der Anwalt der Beklagten übermittelte der Anwältin der Klägerin eine schriftliche Fassung des ausgehandelten Vertragstextes per beA. Dieser sah vor, dass der vereinbarte Betrag auf ein Anderkonto des Anwalts der Klägerin zu überweisen ist. Die IBAN dieses Kontos war im Vertragstext angegeben.

Die Anwältin der Klägerin druckte das Dokument aus, unterschrieb es und sandte diese Fassung auf dem Postweg an den Anwalt der Beklagten. Nach der Unterzeichnung durch die Anwältin der Klägerin und vor dem Eingang beim Anwalt der Beklagten ersetzte eine unbekannt gebliebene Person die im Vertragstext angegebene IBAN durch die IBAN eines Kontos, dessen Inhaber unbekannt ist.

Der Anwalt der Beklagten unterzeichnete das Dokument in Unkenntnis dieser Fälschung und sandte es an die Anwältin der Klägerin zurück. Wenige Tage darauf überwies jeder Beklagte jeweils 10.000 Euro auf das angegebene Konto. Versuche, das Geld zurückzuerlangen, blieben erfolglos.

Das LG hat die auf Zahlung von 30.000 Euro nebst Zinsen und Ersatz von Verzugsschäden gerichtete Klage abgewiesen. Das OLG hat die Beklagten zur Zahlung von 30.000 Euro nebst Zinsen verurteilt.

Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Zu Recht ist das OLG zu dem Ergebnis gelangt, dass die der Klägerin aus dem Vergleich zustehende Forderung nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen ist.

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Vertrag trotz der nach der ersten Unterschrift erfolgten Änderung wirksam ist. Selbst wenn die Angabe der IBAN nach dem Willen der Parteien zum Vertragsinhalt gehören sollte, hat ein versteckter Einigungsmangel bezüglich dieses Punktes gemäß § 155 BGB nicht die Unwirksamkeit des Vertrags im Übrigen zur Folge, weil nach dem hypothetischen Parteiwillen der Vertrag auch ohne eine Bestimmung über diesen Punkt geschlossen worden wäre.

Die Zahlung auf das im gefälschten Vertragsdokument angegebene Konto war zur Erfüllung nicht ausreichend. Schuldner und Gläubiger können zwar vereinbaren, dass eine Geldschuld durch Überweisung auf das Konto eines Dritten erfüllt werden kann. Im Streitfall ist der Angabe einer IBAN im Vertragstext aber nicht zu entnehmen, dass eine Zahlung auf dieses Konto unabhängig von der Person des Kontoinhabers schuldbefreiende Wirkung haben soll. Der im Vertrag enthaltenen Angabe, es handle sich um ein Anderkonto die Anwältin der Klägerin, ist vielmehr zu entnehmen, dass nur eine Zahlung an diesen befreiende Wirkung hat.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin und deren Anwältin nach Rücksendung des gegengezeichneten Vertragsdokuments die Angaben zum Empfängerkonto nicht korrigiert haben, keine stillschweigende Ermächtigung oder Genehmigung (§ 185 BGB), den geschuldeten Betrag auf das angegebene Konto zu überweisen.

Die Beklagten sind auch nicht nach den Regeln über die Gefahrtragung von der Leistungspflicht freigeworden.

Nach § 270 Abs. 1 BGB trägt bei Geldschulden im Zweifel der Schuldner das Übermittlungsrisiko. Dies gilt auch bei einer Überweisung.

Das Verlustrisiko ist nicht in entsprechender Anwendung von § 270 Abs. 3 BGB auf die Klägerin übergegangen. Nach einer in Literatur und Rechtsprechung verbreiteten Auffassung steht es allerdings einer – zum Gefahrübergang auf den Gläubiger führenden – Risikoerhöhung im Sinne dieser Vorschrift gleich, wenn der Verlust auf dem Eintritt einer Gefahr beruht, die der Gläubiger durch ein allein seiner Sphäre zuzurechnendes Verhalten geschaffen hat. Ein solcher Sachverhalt ist im Streitfall jedoch nicht vorgetragen.

Der Sphäre der Klägerin wäre allenfalls eine Verfälschung des Dokuments in der Kanzlei ihrer Anwältin zuzurechnen, nicht aber eine Änderung auf dem Postweg. Dass die Klägerin die Angabe nicht überprüft hat, reicht für eine Zurechnung nicht aus, weil keine Anhaltspunkte für eine Fälschung bestanden haben. Dass die Anwältin der Klägerin das unterschriebene Dokument auf dem Postweg statt per beA übermittelt hat, führt ebenfalls nicht zum Übergang der Gefahr, weil es im außergerichtlichen Verkehr keine beA-Pflicht gibt.

242 BGB führt ebenfalls nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Die Anwendung dieser Vorschrift auf die Konstellation des Streitfalls widerspräche der gesetzlichen Verteilung der Verlustgefahr.

Praxistipp: Die Entscheidung belegt, dass die Nutzung von beA auch im außergerichtlichen Verkehr ein erhöhtes Maß an Sicherheit bieten kann. Unabhängig davon kann die seit 9. Oktober 2025 vorgeschriebene Empfängerüberprüfung bei Überweisungen helfen, einen Verlust dieser Art zu vermeiden. Für die Beklagten des Streitfalls ist all dies ein schwacher Trost.

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Diese Woche geht es um drei prozessuale Fragen.

Klageerweiterung in der Berufungsinstanz
BGH, Urteil vom 24. Juni 2025 – VI ZR 204/23

Der VIII. Zivilsenat befasst sich mit § 253 Abs. 2, mit § 264 und mit § 256 ZPO.

Die Kläger nehmen den Beklagten auf Ersatz von Unterhaltsschaden (§ 844 Abs. 2 BGB) in Anspruch. Der Beklagte ist rechtkräftig wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) zum Nachteil der Ehefrau bzw. Mutter der beiden Kläger sowie weiterer Opfer verurteilt. In einem früheren Rechtsstreit haben die Kläger den Beklagten erfolgreich auf Zahlung von Hinterbliebenengeld und Ersatz der Beerdigungskosten in Anspruch genommen.

Im vorliegenden Rechtsstreit haben die Kläger erstinstanzlich die Feststellungen begehrt, dass der Beklagte ihnen zur Zahlung einer Geldrente verpflichtet ist und dass diese Verpflichtung ihren Rechtsgrund in einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung hat. Das LG hat nur die erste Feststellung ausgesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dagegen haben beide Seiten Berufung eingelegt.

Im Berufungsverfahren haben die Kläger die Zahlung einer Unterhaltsrente begehrt. Deren Höhe haben sie in das Ermessen des Gerichts gestellt, jedoch mit mindestens 500 bzw. 400 Euro pro Monat angegeben. Das OLG hat die Zahlungsklage als unzulässig abgewiesen, aber die Feststellung ausgesprochen, dass die Verpflichtung des Beklagten ihren Rechtsgrund in einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung hat. Dagegen wenden sich die Kläger mit der vom BGH zugelassenen Revision und der Beklagte mit der Anschlussrevision.

Der BGH hebt das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf und verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung des OLG ist der Klageantrag hinreichend bestimmt. Ein Kläger darf die Höhe des ihm zuzusprechenden Geldbetrags auch dann in das Ermessen des Gerichts stellen, wenn es um den Ersatz materieller Schäden geht. Erforderlich und ausreichend ist insoweit, dass dem Tatrichter bei der Bemessung der Schadenshöhe gemäß § 287 ZPO ein weites Ermessen zusteht.

Dem gemäß § 264 Nr. 2 ZPO grundsätzlich zulässigen Übergang von einem Feststellungs- zu einem Zahlungsantrag steht im Streitfall nicht entgegen, dass das LG dem erstinstanzlichen Begehren der Kläger insoweit stattgegeben hatte. Auch eine nach § 264 ZPO zulässige Änderung setzt in zweiter Instanz allerdings voraus, dass der Kläger einen zulässigen Rechtsbehelf eingelegt hat. Wenn ein Kläger in erster Instanz vollständig obsiegt hat, ist diese Voraussetzung nur dann erfüllt, wenn der Kläger sich einer vom Beklagten eingelegten Berufung frist- und formgerecht angeschlossen hat. Im Streitfall sind die Kläger jedoch in erster Instanz mit ihrem zweiten Feststellungsantrag erfolglos geblieben. Ihre hiergegen frist- und formgerecht eingelegte Berufung durften sie unabhängig von den Voraussetzungen einer Anschlussberufung mit einer Erweiterung ihres in erster Instanz erfolgreichen Begehrens verbinden.

Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Feststellung, dass die Verpflichtung des Beklagten ihren Rechtsgrund in einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung hat, ist in der derzeitigen Verfahrenslage hingegen unzulässig. Eine vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge gehört zwar zu den Delikten, bei denen eine solche Feststellung gegebenenfalls auszusprechen ist und die Kläger haben im Hinblick auf § 850f Abs. 2 ZPO auch das erforderliche Feststellungsinteresse. Die Feststellung darf aber nur dann ergehen, wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die zugrunde liegende Forderung begründet ist. Sie ist mithin nicht zulässig, wenn das Gericht das zugrunde liegende Begehren als unzulässig oder unbegründet abweist.

Praxistipp: Zur Darlegung eines Unterhaltsschadens im Sinne von § 844 Abs. 2 BGB sind Ausführungen dazu erforderlich, aus welchem Grund der Kläger unterhaltsberechtigt war und in welcher Höhe ihm Unterhaltsleistungen zugestanden haben. Für die Schätzung eines Haushaltsführungsschadens kann auf das Werk von Pardey (Der Haushaltsführungsschaden, 10. Auflage 2021) und die zugehörigen Tabellen (Schulz-Borck/Pardey, Entgelttabellen, zuletzt mit Stand Juni 2025) zurückgegriffen werden.

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Diese Woche geht es um die Einreichung von Schriftsätzen über ein Kanzlei-beA.

Nicht qualifiziert signierter Schriftsatz einer Berufsausübungsgesellschaft
BGH, Beschluss vom 16. September 2025 – VIII ZB 25/25

Der VIII. Zivilsenat befasst sich mit dem Zusammenspiel von § 130b Abs. 4 Nr. 2 ZPO und § 31b BRAO.

Die Klägerin begehrt Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung. Das AG hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte, eine Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung, frist- und formgerecht Berufung eingelegt. Vor Ablauf der Frist zur Begründung des Rechtsmittels ist beim LG eine aus dem besonderen elektronischen Postfach der prozessbevollmächtigten Gesellschaft übersandte Berufungsbegründung eingegangen. Der Schriftsatz schließt mit dem Namen eines zur Vertretung der Gesellschaft berechtigten und als Rechtsanwalt zugelassenen Partners ab, ist aber nicht qualifiziert signiert. Das LG hat die Berufung nach vorherigem Hinweis als unzulässig verworfen.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück.

Entgegen der Auffassung des LG kann ein Schriftsatz, der nur eine einfache Signatur – also die schriftliche Wiedergabe des den Schriftsatz verantwortenden Anwalts am Ende des Textes – enthält, auch über ein Kanzleipostfach im Sinne von § 31b BRAO wirksam eingereicht werden.

Ein nicht qualifiziert signierter Schriftsatze genügt beim Versand aus einem für einen Einzelanwalt eingerichteten beA allerdings nur dann den Anforderungen des § 130b Abs. 4 Nr. 2 ZPO, wenn der Versand durch desjenigen Anwalt erfolgt, dessen Name am Ende des Schriftsatzes wiedergegeben ist. Beim Versand aus einem gemäß § 31b BRAO eingerichteten Kanzleipostfach – der aufgrund der ausdrücklichen Verweisung auf diese Vorschrift in § 130b Abs. 4 Nr. 2 ZPO ebenfalls einen sicheren Übermittlungsweg darstellt – kann diese Anforderung jedoch schon deshalb nicht eingehalten werden, weil eine Berufsausübungsgesellschaft nur durch ihre zur Vertretung berufenen Anwälte handeln kann.

Vor diesem Hintergrund sind die Anforderungen von § 130b Abs. 4 Nr. 2 ZPO jedenfalls dann erfüllt, wenn die Nachricht einen Nachweis der vertrauenswürdigen Herkunft (VHN) enthält und aus einem beim Versender erstellten Nachrichtenjournal hervorgeht, dass der Rechtsanwalt, dessen Name am Ende des Schriftsatzes wiedergegeben ist, derjenige war, der den Schriftsatz über das Kanzleipostfach versandt hat.

Ob es – wie dies für das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) bereits bejaht worden ist (BGH, Urteil vom 6. April 2023 – I ZB84/22, NJW-RR 2023, 906 Rn. 28 ff. [insoweit nicht in MDR 2023, 933]) – ausreicht, dass am Ende des Schriftsatzes der Name eines zur Vertretung berechtigten Rechtsanwalts angegeben ist und ein anderer, ebenfalls zur Vertretung berechtigter Rechtsanwalt den Versand über das Kanzleipostfach vornimmt, lässt der BGH offen.

Praxistipp: Auch wenn der VIII. Zivilsenat – aus Sicht des Bloggers zu Recht – große Sympathie für die Auffassung erkennen lässt, dass für das Kanzlei-beA nichts anderes gelten kann als für das beBPo, entspricht es weiterhin anwaltlicher Vorsicht, wenn derjenige Anwalt den Versand übernimmt, dessen Name am Ende des Schriftsatzes wiedergegeben ist. Der Versand durch eine Kanzleikraft oder einen zwar zur Vertretung berechtigten, aber nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Gesellschafter reicht nicht aus. Der sicherste Weg besteht darin, dass der Rechtsanwalt, dessen Name am Ende des Schriftsatzes wiedergegeben ist, diesen zusätzlich mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versieht.

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Diese Woche geht es um Ansprüche auf Entschädigung wegen Nutzungsausfall bei Beschädigung eines Leasingfahrzeugs.

Entschädigung für Nutzungsausfall bei Leasingfahrzeugen
BGH, Urteil vom 7. Oktober 2025 – VI ZR 246/24

Der VI. Zivilsenat befasst sich mit der Anrechnung von Vorteilen, die einem Geschädigten von dritter Seite zufließen.

Die klagende GmbH verlangt Entschädigung für Nutzungsausfall nach der Beschädigung eines Fahrzeugs bei einem Unfall, für dessen Folgen die Beklagte vollständig einzustehen hat. Die Klägerin hatte das beschädigte Fahrzeug – einen Porsche 911 – geleast und ihrem Geschäftsführer zur dienstlichen und privaten Nutzung überlassen. Bei dem Unfall entstand wirtschaftlicher Totalschaden. Die Leasinggeberin stellte der Klägerin bis zur Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs für 30 Tage einen Citroen DS3 Cross zur Verfügung. Die für die Miete dieses Fahrzeugs entstandenen Kosten hat die Leasinggeberin der Beklagten in Rechnung gestellt. Diese erkannte eine Mietzeit von 15 Tagen an und zahlte dafür 286,66 Euro. Die Klägerin machte zunächst weitere Mietwagenkosten geltend, verlangte dann aber eine Nutzungsausfallentschädigung für 23 Tage in Höhe von 175 Euro pro Tag, abzüglich der gezahlten Betrags. Sowohl die Leasinggeberin als auch der Geschäftsführer der Klägerin haben ihnen zustehende Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten.

Das AG hat die auf Zahlung von 3.738,34 Euro gerichtete Klage abgewiesen. Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Der BGH stellt das Urteil des AG wieder her.

Der BGH stellt klar, dass die Klage lediglich auf abgetretene Ansprüche des Geschäftsführers gestützt ist. Das LG durfte die Verurteilung deshalb nicht auf abgetretene Ansprüche der Leasinggeberin stützen. Eine entsprechende Erweiterung der Klage in der Revisionsinstanz ist schon deshalb unzulässig, weil die Klägerin keine Anschlussrevision eingelegt hat.

Dem Geschäftsführer, auf dessen Ansprüche die Klage gestützt ist, steht als Nutzungsberechtigtem ein eigener Anspruch gegen die Beklagte wegen Beschädigung des Fahrzeugs zu. Dieser Anspruch umfasst grundsätzlich auch eine Entschädigung wegen Nutzungsausfall.

Ein Anspruch auf Entschädigung für Nutzungsausfall kann auch dann bestehen, wenn ein Dritter dem Geschädigten im betreffenden Zeitraum ein anderes Fahrzeug zur Verfügung gestellt hat und der daraus entstandene Vorteil nach dem Sinn der schadensrechtlichen Vorschriften den Schädiger nicht entlasten soll. An der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es, wenn der Dritte wegen der Beschaffung des Ersatzfahrzeugs einen eigenen Anspruch gegen den Schädiger hat.

Im Streitfall stand der Leasinggeberin ein eigener Anspruch gegen die Beklagte zu, weil sie Eigentümerin des beschädigten Fahrzeugs war. Damit sind Entschädigungsansprüche des zur Nutzung berechtigten Geschäftsführers ausgeschlossen. Die Nutzung eines verfügbaren Ersatzfahrzeugs war dem Geschäftsführer nicht deshalb unzumutbar, weil er diesem Fahrzeug ein geringeres Prestige oder ein anderes Fahrgefühl beimaß (dazu BGH, Urteil vom 11.10.2022 – VI ZR 35/22, MDR 2023, 31 Rn. 13).

Praxistipp: Wenn Ansprüche alternativ auf abgetretenes Recht verschiedener Personen gestützt werden sollen, muss dies aus dem Klagevorbringen hinreichend deutlich hervorgehen. Ferner muss die Reihenfolge angegeben werden, in der das Gericht die Ansprüche beurteilen soll.

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Diese Woche geht es um die Postulationsbefugnis bei Ansprüchen aus der Datenschutz-Grundverordnung

Anwaltszwang bei Ansprüchen wegen Datenschutzverstößen
BGH, Beschluss vom 15. September 2025 – I ZB 36/25

Der I. Zivilsenat befasst sich mit dem Verhältnis zwischen § 78 ZPO und Art. 80 DSGVO.

Die Klägerin wendet sich gegen die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zur Erstellung eines familienpsychologischen Gutachtens, das der Beklagte im Auftrag des Gerichts in einem anderen Verfahren erstellt hat, an dem die hiesige Klägerin als Beklagte beteiligt ist.

Die im vorliegenden Verfahren erhobene, auf Art. 79 DSGVO gestützte Klage ist vor dem AG ohne Erfolg geblieben. Dagegen hat die Klägerin, vertreten durch einen Verein, dessen Tätigkeit auf den Schutz personenbezogener Daten gerichtet ist, Berufung eingelegt. Das LG hat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen, weil es nicht durch einen Rechtsanwalt eingelegt worden ist.

Der BGH lehnt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Rechtsbeschwerdeverfahren ab.

Das LG hat die Berufung zu Recht verworfen, weil die Klägerin entgegen § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Berufungsverfahren nicht anwaltlich vertreten war.

Aus Art. 80 Abs. 1 DSGVO ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Nach dieser Vorschrift hat eine betroffene Person das Recht, eine gemeinnützige Einrichtung, die zum Schutz von personenbezogenen Daten tätig ist, mit der Einreichung von Beschwerden und der Wahrnehmung von Rechten aus Art. 77, 78, 79 und 82 DSGVO zu beauftragen. Daraus ergibt sich nicht, dass eine solche Einrichtung Rechtsbehelfe selbst einlegen kann. Die Anforderungen an die Postulationsfähigkeit ergeben sich auch im Anwendungsbereich von Art. 80 Abs. 1 DSGVO aus § 78 ZPO.

Praxistipp: Nach § 522 Abs. 1 Satz 4 und § 544 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann die Verwerfung einer Berufung als unzulässig unabhängig vom Streitwert mit der Rechtsbeschwerde (gegen einen verwerfenden Beschluss) bzw. der Nichtzulassungsbeschwerde (gegen ein verwerfendes Urteil) angefochten werden. Das Rechtsmittel muss gemäß § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt und begründet werden.

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Diese Woche geht es um die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs.

Eigenbedarf bei Auszug aus einer eigenen Wohnung
BGH, Urteil vom 24. September 2025 – VIII ZR 289/23

Der VIII. Zivilsenat grenzt die Tatbestände von § 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB voneinander ab.

Die Beklagte ist seit dem Jahr 2006 Mieterin einer Zweizimmerwohnung in einem Mehrparteienhaus in Berlin. Der Kläger ist durch Eigentumserwerb in das Mietverhältnis eingetreten. Er bewohnt bislang die ebenfalls ihm gehörende unmittelbar darüber liegende Wohnung, die eine ähnliche Größe und einen ähnlichen Zuschnitt hat. Über dieser Wohnung befindet sich das nicht ausgebaute Dachgeschoss, das ebenfalls dem Kläger gehört.

Mit Schreiben vom 01.11.2021 kündigte der Kläger das Mietverhältnis zum 31.07.2022 wegen Eigenbedarfs. Zur Begründung führte er an, er wolle das Dachgeschoss ausbauen und mit der von ihm derzeit genutzten Wohnung verbinden. Deshalb wolle er künftig die an die Beklagte vermietete Wohnung nutzen. Die neu entstandene größere Wohnung wolle er nach Fertigstellung verkaufen.

Das AG hat die Beklagte antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe verurteilt. Das LG hat die Klage abgewiesen.

Der BGH verweist die Sache an eine andere Kammer des LG zurück.

Eigenbedarf im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn der Vermieter den ernsthaften Wunsch hat, die Wohnung künftig selbst zu nutzen oder nahen Angehörigen zu Wohnzwecken zur Verfügung zu stellen, und dieser Wunsch auf vernünftige und nachvollziehbare Gründe gestützt wird. Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, haben die Gerichte den Entschluss des Vermieters, die vermietete Wohnung nunmehr selbst zu nutzen oder durch privilegierte Dritte nutzen zu lassen, grundsätzlich zu achten.

Entgegen der Auffassung des LG darf der Nutzungswunsch des Klägers nicht deshalb als missbräuchlich angesehen werden, weil er die derzeit von ihm genutzte Wohnung verkaufen will. Das Nutzungsinteresse des Vermieters ist grundsätzlich auch dann zu respektieren, wenn dieser den Bedarfsgrund willentlich herbeigeführt oder selbst verursacht hat. Der Umstand, dass der Kläger die bisher genutzte Wohnung verkaufen will, führt deshalb nicht dazu, dass die Kündigung als Verwertungskündigung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu bewerten ist.

Eigenbedarf kann auch nicht deshalb verneint werden, weil die beiden Wohnungen hinsichtlich Größe und Zuschnitt ähnlich sind.

Praxistipp: Nach § 573 Abs. 3 BGB müssen die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Mieters im Kündigungsschreiben angegeben werden. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind und wenn die Kündigung bereits im Zeitpunkt ihres Ausspruchs wirksam war (BGH, U. v. 25.10.2023 – VIII ZR 147/22, MDR 2024, 95 Rn. 39).

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Diese Woche geht es um die Frage der Gegenseitigkeit der Forderungen bei der Aufrechnung mit einem auf Drittschadensliquidation gestützten Anspruch.

Aufrechnung bei Drittschadensliquidation
BGH, Urteil vom 11. September 2025 – III ZR 274/23

Der III. Zivilsenat bestätigt eine in Literatur und Instanzrechtsprechung etablierte Auffassung.

Die Beklagte betraute den Kläger im Jahr 2010 in einer als Vorvertrag bezeichneten Vereinbarung mit der Unterstützung bei der Einziehung von Forderungen einer insolventen Gesellschaft. Kurz darauf gründete die Beklagte eine GmbH, die die Forderungen der Insolvenzschuldnerin für rund 75 % des Nennbetrags erwarb und eine unter Zwangsverwaltung stehende Wohnung anmietete, in der der Kläger die geschuldete Tätigkeit ausübte. Bis Anfang 2019 zahlte die Beklagte dem Kläger eine monatliche Vergütung von 1.000 Euro. Danach stellte sie die Zahlungen ein und die GmbH kündigte den Mietvertrag über die dem Kläger überlassene Wohnung. Der Kläger nutzte diese rund vier Jahre lang weiter.

Der Kläger verlangt nunmehr Zahlung einer monatlichen Vergütung von 1.000 Euro für den Zeitraum von Februar 2019 bis einschließlich November 2020. Die Beklagte rechnet hilfsweise mit einem Anspruch auf Schadensersatz wegen unbefugter Weiternutzung der Wohnung auf.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Die Vorinstanzen sind zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der geltend gemachte Vergütungsanspruch begründet ist und dass der Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht, weil der Kläger die Wohnung unbefugt genutzt hat.

Die Beklagte darf den ihr entstandenen Schaden nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation auf der Grundlage der Nutzungsentschädigung berechnen, die nach der Kündigung des Mietvertrags an den Zwangsverwalter der Wohnung zu entrichten war. Zur Zahlung dieser Entschädigung war zwar nicht die Beklagte verpflichtet, sondern nur die von ihr gegründete GmbH als Mieterin der Wohnung. Die Beklagte darf diesen Schaden aber geltend machen, weil er aus Sicht des zum Ersatz verpflichteten Klägers nur zufällig auf die GmbH verlagert worden ist.

Ebenfalls zu Recht haben die Vorinstanzen entschieden, dass in dieser Konstellation die für eine Aufrechnung erforderliche Gegenseitigkeit der Forderungen gegeben ist. In den Fällen der Drittschadensliquidation steht der Anspruch nicht derjenigen Partei zu, die den Schaden erlitten hat, sondern derjenigen, die zum Schadensersatz berechtigt ist. Diese Partei darf ihren Anspruch auch zur Aufrechnung gegenüber Forderungen des Schuldners einsetzen.

Das angefochtene Urteil hat (lediglich) deshalb keinen Bestand, weil das OLG zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der Kläger als freiberuflich Tätiger keinen Pfändungsschutz nach § 850 und § 850c ZPO genießt. Nach der Rechtsprechung des BGH gelten die genannten Vorschriften auch für freiberuflich Tätige, sofern sie fortlaufend Vergütungen für persönliche Dienste erhalten, die ihre Erwerbstätigkeit ganz oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen und deshalb ihre Existenzgrundlage bilden (BGH, B. v. 20.5.2014 – VII ZB 50/14, MDR 2015, 1037 Rn. 15). Das OLG wird deshalb nach der Zurückverweisung zu prüfen haben, ob der Kläger im relevanten Zeitraum weitere Einkünfte hatte.

Praxistipp: Wenn nicht klar ist, ob ein eigener Anspruch des Beklagten aus Drittschadensliquidation oder (nur) ein Ersatzanspruch des Dritten besteht, sollte der Dritte seine Forderung vorsorglich an den Beklagten abtreten.