OLG Düsseldorf / OLG München: Kündigung des Telefonanschlusses bei Umzug erst bei Umzug möglich

Durch § 46 Abs. 8 S. 3 TKG ist eine bis dahin in der Rechtsprechung teils gelebte Praxis in das Gesetz gelangt: Wer umzieht und am Zielort nicht die (zumindest) identische Leistung von Telekommunikdationsdiensten erbracht bekommt, kann vor Ablauf der regulären Vertragslaufzeit aus dem Vertrag aussteigen. Dies soll mit einer Dreimonatsfrist möglich sein (dazu eingehend: Böse in: MMR-Aktuell 2012, 334893)

Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten haben dies seitdem regelmäßig zum Anlass genommen, die unklare Regelung, zu der auch in der Hinsicht keine Gesetzgebungsmaterialien vorhanden sind, zu ihren Gunsten auszulegen. Die drei Monate, so die Anbieter, beginnen erst mit dem Umzug. Die Folge: Der Kunde zahlt noch drei weitere Monate für eine nicht erbrachte Leistung.

Diese, in meinen Augen rechtswidrige Auffassung, wurde nun gleich von zwei Gerichten bestätigt: Sowohl das OLG München, als auch das OLG Düsseldorf halten dieses vorgehen für lauterkeitsrechtlich zulässig, also für mit dem Gesetzteswortlaut vereinbar. Als Argument soll angeführt worden sein, dass andernfalls ein hohes Missbrauchspotential bestünde, falls ein angekündigter Umzug dann doch nicht durchgeführt würde.

Kommentar

Wenn auch die Entscheidungsgründe noch nicht veröffentlicht sind, ist es schwer vorstellbar, dass die Entscheidungen im Wesentlichen auf dieser Erwägung beruhen sollen: Ein vorgetäuschter Umzug führt eben nicht zur wirksamen Kündigung sondern dazu, dass weiterhin Monatsentgelte geschuldet sind. Der Überwachungsaufwand ist dabei auch nicht größer, als bisher, sollten die Anbieter tatsächlich die Vorlage einer Meldebescheinigung verlangen. Käme es zu Mehrkosten durch die neuerliche Bestellung einer Teilnehmeranschlussleitung (TAL), so wären diese Kosten als Schadensersatz vom pflichtwidrig handelnden Kunden zu tragen.

Auch im Übrigen hier den Kunden heranziehen zu wollen, damit sich etwaige Investitionen des Anbieters amortisieren, ist unpassend. Einerseits kann eine erstmalige Mindestvertragslaufzeit zum Zwecke der Amortisation bereits verstreichen sein, wenn der Kunde umzugsbedingt kündigt. Andererseits führ die Lesart des § 46 Abs. 8 S. 3 TKG dazu, dass „faule“ Anbieter belohnt werden: Wer fleissig in den Netzausbau investiert und an vielen Orten seine Leistungen anbietet, vielleicht auch auf neue Technologien wie LTE setzt, führt schlicht nach einem Umzug den Vertrag mit dem Kunden fort und erhält die geschuldete Vergütung im Gegenzug zu erbrachten TK-Leistungen. Wer sich nur auf besonders lukrative Regionen konzentriert, den Ausbau daher in dünn besiedelten Gebieten nur schwach vorantreibt oder gar keine Leistungen dort anbietet, muss eben zurückstecken. Bei einer durchschnittlichen jährlichen Umzugsquote von 9 % gehört ein Umzug aufgrund der geänderten Anforderungen insbesonderes der beruflichen Entwicklung nun einfach zur Normalität.

OLG München, Urteil vom 18. Januar 2018, Az.: 29 U 757/17

LG Koblenz: Trinkgeld-Klausel in AGB bei Kreuzfahrten rechtswidrig (und: Auch Verbände können nichts Rechtswidriges erlauben)

Kreuzfahrten werden immer mehr zum Massenprodukt. Auch stets fallende Preise sorgen für die zunehmende Beliebtheit. Eine Möglichkeit, um bei Angebotspreisen zu mogeln, wenden viele Veranstalter seit Jahren an: Es wird zusätzlich zum Angebotspreis eine verpflichtende Trinkgeldpauschale zusätzlich vereinbart, die pro beanstandungsfreiem Tag, auf See anfällt. Bei der Abreise ist dies dann beim Checkout auf dem Schiff zu bezahlen. Nur wenige Urlauber trauen sich erfahrungsgemäß, diese Pauschale von der Rechnung streichen zu lassen. So können Reedereien – auf den ersten Blick – günstigere Reisepreise anbieten.

Das Landgericht Koblenz hält solche Klauseln, die sich in AGB verstecken, für rechtswidrig. Es kommt dabei über § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB die Sonderregelung des § 312a Abs. 3 S. 1 BGB zur Anwendung, wonach nur ausdrückliche Vereinbarungen über solche Entgelte neben der Hauptleistung zulässig sind. Dieses Erfordernis erfüllt eine Erwähnung in den AGB nicht.

Übrigens:

Der Reiseveranstalter hat offenbar vorab versucht, bei anderen Verbraucherschutzverbänden den Segen für Ihr Vorgehen zu erhalten. Das Gericht stellt hier fest:

Uneherblich ist der Einwand der Beklagten, dass die beanstandete Bestimmung in einer mit anderen Verbraucherschutzverbänden abgestimmten Art und Weise verwendet werde. Da die Vorschrift des § 312a Abs. 3 S. 1 BGB zwingendes Recht ist (§ 312k Abs. 1 BGB), stehen diese gesetzlichen Bestimmungen nicht zur Disposition von Verbraucherschutzverbänden oder anderen Personen

Kurz: Netter Versuch.

Praxistipp:

Wer in der Vergangenheit aufgrund solcher Regelungen Trinkgelder gezahlt hat, könnte möglicherweise aufgrund der Verwendung unwirksamer AGB einen Schadensersatzanspruch gegen den Veranstalter in gleicher Höhe aus §§ 280, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB haben. Hier dürfte sich aber die Frage stellen, ob der Reisende nicht schlicht die Trinkgeldpauschale auf dem Schiff hätte streichen lassen müssen. In Anbetracht durchaus umfangreicher Endabrechnungen beim Checkout für zusätzliche Verpflegung, Getränke und Dienstleistungen im Rahmen einer Kreuzfahrt dürfte dies aber nur zu einem geringen Anteil zu Lasten des Reisenden Berücksichtigung finden.

LG Koblenz, Urt. v. 11.09.2017, Az.: 15 O 36/17

LG Leipzig: Kundendaten aus unwirksamer Werbeeinwilligungsklausel „kontaminiert“

Die Verbraucherzentrale Sachsen hat mal so richtig aufgeräumt bei Primacom. Der TK-Anbieter hatte eine Vielzahl von rechtswidrigen Gestaltungen in Werbe- und Vertragsmaterialien, wobei es im vorliegenden Rechtsstreit nur um die daraus gewonnenen Kundendaten ging.

Aus dem Formulierungsgiftschrank stammt auch folgende Werbeeinwilligungsklausel, auf deren Grundlage Primacom scheinbar Daten verarbeitet hat:

„Ich stimme hiermit der Nutzung und/oder Übermittlung meiner Daten an Dritte zu Werbe- und marktforschungszwecken im Auftrag der GEsellschaft zu und erkläre mich einverstanden, per Telefon, Brief und/oer E – Mail im Rahjmen von Marketingaktionen über Produktveränderungen informiert zu werden. Ich bin berechtigt, mein Einverständnis jederzeit mit sofortiger Wirkung gegenüber der Gesellschaft zu widerrufen.“

Diese Klausel wirkt, als sei sie in den Anfangszeiten des Marketings erstellt worden. Sämtliche Anforderungen, die die Rechtsprechung an wirksame Werbeeinwilligungsklauseln stellt, hält diese Klausel nicht ein. Es ist unklar, wer die Daten erhält (Empfänger von Daten), es ist unklar, für welche Produkte die Nutzung erfolgen soll. Noch jüngst hatte der BGH diese Kriterien bestätigt (BGH, Urt. v. 14.3.2017 – VI ZR 721/17, MDR 2017, 571).

Praxistipp: Werbeeinwilligungen bedürfen heutzutage gehöriger Aufmerksamkeit, um den Betroffenen ausreichend zu informieren. Durch weitere Maßnahmen, wie dem Einsatz eines Double-Opt-In-Verfahrens, dem eine möglichst zuverlässige Dokumentation der Einwilligungen folgt, ist dies zu flankieren. Der Lohn für diese Bemühungen sind dann jedoch äußerst wertvolle Kundendatensätze. Insbesondere renommierte Unternehmen haben kein Interesse an abgefischten Werbedatensätzen, sind jedoch für rechtmäßig erlangte Rohdaten bereit, mehr zu investieren. Die Entscheidung des LG Leipzig zeigt, dass der Umgang mit unrechtmäßig erlangten Daten ebenfalls ahndbar ist, was bisher nur in seltenen Fällen verfolgt wurde. Mit dem bevorstehenden Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung ändern sich insbesondere die Anforderungen an eine wirksame Einwilligung, sodass auf viele Unternehmen diese Herausforderung zukommt.

LG Leipzig Urt. v. 03.11.2017, 04 HK 0 2188/16

BGH: Paypal-Käuferschutz schützt nicht vor Geltedmachung von Zahlungsansprüchen des Verkäufers

Der Zahlungsdienstleister PayPal wirbt vollmundig mit einem Käuferschutz, der dem Onlineshopper weitgehend Sorgenfreiheit suggeriert. Ganz so schön ist es aber nicht, wie der BGH nun festgestellt hat.

Wird aufgrund einer Entscheidung im Rahmen des Käuferschutzverfahrens der Kaufpreis zurückgebucht und dem Käufer wieder gutgeschrieben, so soll eine Abrede zwischen Käufer und Verkäufer für den Fall des Einsatzes von Paypal als Zahlungsmethode dafür sorgen, dass die betreffende Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das PayPal-Konto des Verkäufers nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz rückbelastet wird. Diese „Krücke“ muss der BGH wählen, nachdem durch die zunächst erfolgte (vorbehaltslose) Kaufpreiszahlung Erfüllung eingetreten ist.

„Na und?“ mag man nun denken und darauf verweisen, dass der Verkäufer seinen Kaufpreiszahlungsanspruch nach üblichen zivilrechtlichen Regelungen erst einmal durchsetzen muss. Gerade aufgrund des größeren Schutzes, der für PayPal-Käufe besteht, ergibt sich aber eine Schutzlücke zwischen gesetzlichen Regelungen und der Abdeckung des PayPal-Käuferschutzes. Beispielsweise geht im C2C-Verkehr für versendete Güter die Gefahr des Untergangs mit Versendung der Sache über, § 447 Abs. 1 BGB. PayPal gibt Käuferschutzanträgen aber bereits regelmäßig dann statt, wenn der Versender keinen Versandnachweis vorweisen kann (z.B. bei einem Versand als einfaches Päckchen).

Spannend ist es, ob der BGH in einem obiter dictum vielleicht dazu Ausführungen macht, ob möglicherweise Ansprüche des Käufers gegen PayPal bestehen. Der Wortlaut der Regelungen zwischen Käufer und PayPal gibt dies nicht her. Die recht plakative Schilderung der käuferschützenden Funktionen könnte aber zumindest Sekundäransprüche gegen PayPal ermöglichen. Aufgrund der Rechtswahlklausel zu Gunsten nicht-deutschen Rechts, soweit möglich, ist ein Vorgehen gegen PayPal ein sicherlich nicht all zu attraktives Unterfangen. Zumindest lauterkeitsrechtlich dürfte PayPal jedoch am Zuge sein, die Außendarstellung an die deutlich weniger attraktive Rechtslage zeitnah anzupassen.

BGH Urteile vom 22. November 2017 – VIII ZR 83/16 und VIII ZR 213/16, Link zur Pressemitteilung

BGH: Künftig Wildwest-Methoden bei Privatverkäufen auf Onlineverkaufsplattformen?

Der BGH hat – bisher überwiegend unbeachtet – eine sehr bemerkenswerte Anleitung dafür aufgestellt, wie man Verkäufe auf Onlineplattformen als Verbraucher „frisieren“ kann.

Streitgegenständlich war der Verkauf eines PKW über die Plattform mobile.de. In der dortigen Anzeige wurden bestimmte Eigenschaften des zu verkaufenden PKW beschrieben. Diese fanden sich später nicht im abgeschlossen Kaufvertrag wieder, der jedoch einen umfassenden Gewährleistungsausschluss enthielt. Die anfangs auf der Plattform angepriesenen Eigenschaften wies das Fahrzeug dann tatsächlich auch nicht auf.

Der BGH ist der Ansicht, dass die vorherige öffentliche Äußerung keine Berücksichtigung bei dem Umfang des später vereinbarten Gewährleistungsausschluss finden soll:

Allein der Umstand, dass der Verkäufer im Vorfeld des Vertragsschlusses eine öffentliche Äußerung über eine bestimmte Eigenschaft der Sache im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB abgegeben hat, rechtfertigt es nicht, hieraus abzuleiten, dass sich ein umfassend vereinbarter Haftungsausschluss nicht auf die nach dieser Äußerung geschuldete Beschaffenheit erstreckt. Denn aus dem Empfängerhorizont eines verständigen und redlichen Käufers beansprucht ein im Kaufvertrag vereinbarter umfassender Haftungsausschluss Vorrang vor früher abgegebenen öffentlichen Äußerungen des Verkäufers nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB, die nicht einmal ansatzweise Erwähnung im Kaufvertrag gefunden haben. Maßgeblich ist der Wille der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Ist im Kaufvertrag ein umfassend formulierter Haftungsausschluss vereinbart worden, der keine Ausnahmen vorsieht und sich damit nach seinem Wortlaut auch auf die Gewährleistungsfälle des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB erstreckt, ist die im Vorfeld des Vertragsschlusses abgegebene öffentliche Äußerung des Verkäufers regelmäßig zeitlich und inhaltlich „überholt“

Anders als bei dem Zusammentreffen eines umfassenden Haftungsausschlusses und einer Beschaffenheitsvereinbarung geht es hierbei nicht darum, durch interessengerechte Auslegung einen Widerspruch zwischen zwei gleichrangigen (vertraglichen) Regelungen aufzulösen. Vielmehr besteht insoweit ein Stufenverhältnis zwischen der gesetzlich vorgesehenen, aber grundsätzlich abdingbaren Sachmängelhaftung wegen des Fehlens von in öffentlichen Äußerungen angegebenen Eigenschaften der Sache (§ 434 Abs. 1 Satz 3 BGB) und dem vereinbarten Haftungsausschluss. Daher rechtfertigt es die Abgabe einer solchen Äußerung allein nicht, einen umfassenden Haftungsausschluss einschränkend auszulegen. .

Lediglich eine kleine Tür hält der BGH für Sonderfälle offen:

Ob und unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall eine abweichende Beurteilung angezeigt sein kann, etwa wenn der Käufer – nachweislich – dem Verkäufer bestimmte Anforderungen an den Kaufgegenstand als kaufentscheidend zur Kenntnis bringt und der Verkäufer hiergegen keine Einwände erhebt, kann dahin stehen. Häufig wird in diesen Fällen eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht kommen (vgl. zu den Anforderungen Senatsurteile vom 19. Dezember 2012 – VIII ZR 96/12, NJW 2013, 1074 Rn. 16; vom 29. Juni 2016 – VIII ZR 191/15, aaO; jeweils mwN), so dass es auf die Frage einer Sachmängelhaftung nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB dann ohnehin nicht ankommt (vgl. auch BT-Drucks. 14/6040 aaO).

Diese Entscheidung öffnet für – erfolgreiche – Enttäuschung der Käufererwartungen im C2C-Verkehr auf Onlineplattformen, auf denen nicht unmittelbar ein Kaufvertrag zustande kommt, Tür und Tor. Käufern ist dringend zu raten, die Beschaffenheit aus der Onlineanzeige auch zum Gegenstand des Vertrages zu machen. Der einfachste Weg dürfte es sein, eine Beschaffenheit gemäß der Beschreibung im Internetangebot zu vereinbaren und diese Beschreibung dem Kaufvertrag als Anlage beizufügen.

BGH, Urteil vom 27.09.2017 Az.: VIII ZR 271/16

 

BGH: Prüfpflichten zur Unternehmereigenschaft für B2B- Onlineshops – oder – Unmöglichkeit vieler UWG-Testkäufe?

Onlineshops unterliegen vielfältigen Informationspflichten im Rahmen des Angebots- und Bestellprozesses. Dabei bestehen einige gewichtige Unterschiede bei reinen B2B-Onlineshops gegenüber solchen Shops, die (zumindest auch) an Verbraucher gerichtet sind. Dies fängt bei der Verpflichtung an, Preise inklusive Umsatzsteuer auszuweisen, auf etwaige zusätzliche Versandkosten hinzuweisen(§ 1PAngV)  und führt bis zu detaillierten Informations- und Gestaltungsvorgaben des § 312j BGB, zum Beispiel der Buttonlösung in § 312j Abs. 3 BGB. Im reinen B2B-Verkehr sind auch weitgehende Gewährleistungsausschlüsse möglich (§ 475 BGB), ein Widerrufsrecht besteht nicht von Gesetzes wegen (§ 312g BGB). Zuletzt sind viele Regelungen des UWG (direkt) nur auf Sachverhalte mit Verbraucherberührung anwendbar, so zum Beispiel die „schwarze Liste“ im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG.

Sollte der Warenabsatz an Verbraucher vernachlässigbar sein, so stellt sich die Frage, wie wirksam ausgeschlossen werden kann, dass Verbraucherinteressen durch einen Onlineshop betroffen werden können. Klar war bisher: Eher versteckt eingearbeitete Hinweise, womöglich noch in AGB, dass ein Vertrag lediglich mit Unternehmern abgeschlossen wird, sind nicht ausreichend (OLG Hamm, Urt. v. 16.11.2016 – 12 U 52/16, MDR 2017, 76). Immer wieder sprachen Gerichte von Kontrollpflichten der Shopbetreiber, ohne konkrete Maßnahmen als ausreichend gelten zu lassen.

Durch eine jüngere Entscheidung des BGH (Urt. v. 11.5.2017 – I ZR 60/16) könnte (!) nun Klarheit in die Vorgaben kommen. In dem dortigen Fall war

  • jede Seite des Shops mit einem Hinweis „Verkauf nur an Unternehmer, Gewerbetreibende, Freiberufler und öffentlicheInstitutionen. Kein Verkauf an Verbraucher i.S.d. §13 BG“ ausgestattet,
  • im Bestellprozess ein Feld „Firma“ vorgesehen und
  • im räumlichen Zusammenhang mit dem Bestellbutton der Text „Hiermit bestätige ich, dass ich die Bestellung als Unternehmer und nicht als Verbraucher i.S.d. §13 BGB tätige und die allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Kenntnis genommen habe.“ aufgenommen.

Der Shopbetreiber hatte zuvor eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, wobei ein vom Unterlassungsgläubiger beauftragter Rechtsanwalt nun eine Testbestellung ausführte, die bestätigt wurde. In das Feld „Firma“ wurde dabei „Privat“ geschrieben. Die auf diesen Vorfall gestützte Geltendmachung einer Vertragsstrafe blieb erfolglos.

Der BGH geht davon aus, dass der den Testkauf durchführende Rechtsanwalt gerade nicht ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abgeschlossen hat, die überwiegend weder seiner gewerblichen noch seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Der Testkauf erfolgte hier in anwaltlicher Eigenschaft. Es läge damit kein Verkauf an einen Verbraucher vor. Durch die bewusst wahrheitswidrigen Angaben im Kaufprozess sei der Beklagten eine Berufung auf die Grundsätze von Treu und Glauben möglich, was einem Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe entgegenstünde.

An mancher Stelle wird diese Entscheidung als Paukenschlag bezeichnet, andere meinen zumindest in einem Teil der Ausführungen nunmehr klare Vorgaben für Shopbetreiber zu erkennen. Insbesondere die Ausführungen des BGH

„Der Testkauf der Klägerin war damit darauf angelegt, Vorsorgemaßnahmen der Beklagten zur Verhinderung eines Wettbewerbsverstoßeszu umgehen und dadurch einen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung zu provozieren. Das ist rechtsmissbräuchlich.“

lassen aber daran zweifeln. Warum hätte sonst noch das Erfordernis der „Verstoßprovokation“ genannt werden müssen? Es scheint vielmehr so, als wolle sich der BGH noch Türen offenhalten, was den Unterlassungsanspruch angeht, zumindest aber der provozierten Testbestellung zur Geltendmachung einer Vertragsstrafe nicht zum Erfolg verhelfen. Führt man diesen Gedanken zu Ende, dürften Testbestellungen im Bereich von verbraucherschützenden Wettbewerbsregelungen in Zukunft zumindest deutlich schwieriger werden. Unterlassungsverpflichtungen würden konsequenterweise massiv an Gewicht verlieren, da Verstöße hiergegen nur noch durch „Zufallsberichte“ von Verbrauchern aufgedeckt werden könnten, handeln doch sowohl Unterlassungsgläubiger, als auch deren Beauftragte in aller Regel nicht als Verbraucher, wenn eine Testbestellung erfolgt.

Praxistipp: Die in der Entscheidung angesprochenen Vorgaben sollten B2B-Shopbetreiber unbedingt einhalten. Ein Restrisiko, ob Shopbetreiber damit in ausreichendem Maße ihren Prüfpflichten nachkommen, ist aber auch durch die jüngste Entscheidung nicht abschließend geklärt. In sonstigen B2C-Sachverhalten sollte die Ausgestaltung von Testbestellungen überdacht werden, die nach dieser Rechtsprechung vor neue Anforderungen gestellt werden dürfte. An die Rechtsprechung verbleibt der Wunsch, die möglicherweise lediglich misslungene Formulierung in der Entscheidung des BGH durch sicher handhabbare Vorgaben an Shopbetreiber zu korrigieren.

BGH: Bei Wetlease haftet Vertragspartner auf Entschädigung nach der Fluggastrechteverordnung

Der Zeitpunkt der Entscheidung könnte besser nicht passen: Nachdem im aktuellen Trubel um Air Berlin gestern und heute eine Vielzahl von Flügen gestrichen wurden, befanden sich auch viele Fluggäste unter den Betroffenen, die ihren Flug eigentlich bei Eurowings gebucht haben. Deren Flüge sollte zu großen Teilen im sogenannten Wetlease-Verfahren von Air Berlin durchgeführt werden.

Nach der Europäischen Fluggastrechteverordnung 261/2004 ist Schuldner der dortigen Leistungen, insbesondere der in vielen Fällen zu zahlenden Entschädigung, die ausführende Airline. Wie ist dies nun beim Wetleaseverfahren, bei dem Crew und Fluggerät von einem Dritten zur Verfügung gestellt werden?

Der BGH geht davon aus, dass sämtliche Pflichten hier nicht das Luftfahrtunternehmen, dessen Flugzeug und Besatzung aufgrund der „Wet-Lease-Vereinbarung“ eingesetzt wurden treffen, sondern das in dem Fall beklagte Luftfahrtunternehmen treffen.

Bei einem – vermutlich seit gestern laufenden- wilden Streik liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor (beispielsweise AG Erding, 20.03.2017 – 13 C 3778/16), sodass Eurowings auch für „operated by Air Berlin“-Flüge, die derzeit annuliert werden, auf Entschädigungsleistungen haften dürfte, sofern die weiteren Voraussetzungen gegeben sind.

BGH Urteile vom 12. September 2017 Az.: X ZR 102/16 und X ZR 106/16 Link zur Pressemitteilung

OLG Frankfurt: Youtube muss E-Mail Adresse von Nutzern nach Urheberrechtsverletzung herausgegeben

Wurden Abmahnungen per E-Mail bisher in der Regel als unecht abgestempelt, insbesondere wenn der Empfänger nicht namentlich benannt wird, könnte sich das nun ändern:

Das OLG Frankfurt a. M. hat Youtube zur Herausgabe der E-Mail-Adresse eines Nutzers verurteilt, der urherberechtsverletzende Inhalte auf Youtube einstellt. Gestützt wurde die Klage auf § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG aufgrund der gewerbsmäßigen Bereitstellung der Youtube-Plattform. Die Herausgabe von IP-Adresse und Telefonnummer seien jedoch nicht beauskunften, da beide Angaben nicht unter den Begriff der Adresse in § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG fallen.

Die Abmahnung, die dann per E-Mail versendet wird, dürfte dann nicht „unecht“ sein. In der Praxis dürfte diese Entscheidung aber trotzdem einen äußert geringen Wert haben: Alleine mit dem Erhalt der E-Mail-Adresse dürfte es schwierig werden, den Verletzer ausfindig zu machen, da insbesondere kein Auskunftsanspruch gegen den Betreiber des E-Mail-Dienstes, wie z.B. GMX bestehen dürfte. Zudem bieten immer mehr Dienstleister anonyme Wegwerf-Adressen an, die eine Rechtsverfolgung weiter erschweren. Ausnahmen dürften Adressen wie Vorname.Nachname@arbeitgeber.de sein. Wenn auch eine per E-Mail versandte Abmahnung grundsätzlich wirksam ist, dürften keine weiteren Schritten, insbesondere keine einstweilige Verfügung oder Klage folgen.

OLG Frankfurt a.M. Urteil vom 22. August 2017, Az. 11 U 71/16, Link zur Pressemitteilung

LG Berlin: (Bregrenzte) Haftung des Tor-Exit-Node Betreibers für Urheberrechtsverletzungen

Das TOR-Netzwerk ermöglicht es den Nutzern, weitgehend anonym im Internet zu surfen. Der gesamte Datenverkehr wird dabei über einige sogenannte Exit-Nodes abgewickelt, Personen die ihren Internetanschluss hierfür unentgeltlich bereitstellen (weiter zum technischen Hintergrund). Für Dritte sieht es so aus, als habe dieser Anschlussinhaber gehandelt.

Über einen solchen TOR- Exit-Node wurde nun eine Urheberrechtsverletzung begangen, für die der Anschlussinhaber auf Unterlassung und Erstattung der Kosten der anwaltlichen Vertretung in Anspruch genommen wurde. Das Landgericht Berlin geht davon aus, dass eine Haftung als Störer in Frage kommt, wobei die Störerhaftung hier erst dadurch begründet wurde, dass mehrere Urheberrechtsverletzung durch Abmahnungen dem Anschlussinhaber bekannt wurden, dieser aber nicht handelte (z.B.  bestimmte Datenpakete sperrte).

Die Rechtsprechung ist gut nachvollziehbar und auch durchaus zu begrüßen: Exit-Node-Betreiber geraten erst dann in Probleme, wenn ihnen bekannt wird (werden muss), dass rechtswidrige Dinge über ihren Anschluss ablaufen. Exit-Nodes zu betreiben ist daher zunächst einmal unproblematisch, wenn im Falle von bekannt gewordenen Rechtsverletzungen unverzüglich Maßnahmen ergriffen werden, Rechtsverletzungen einzudämmen, z. B. durch eine Exit Policy (ein Beispiel hierfür findet sich hier)

Exkurs

Wie sich diese Rechtsprechung mit der teilweise extrem urheberfreundlichen Rechtsprechung zur Haftung von Wlan-Betreibern in Übereinstimmung bringen lässt, ist nicht zu erklären. Jüngst hat das LG München I basierend auf einer Entscheidung des EuGH angenommen, dass ein Passwortschutz in einem Wlan vorhanden sein müsse, wobei das Passwort erst nach Identifikation des Nutzers herausgegeben werden dürfe. Das Gericht führt hierzu aus:

„Dabei hat der EuGH festgestellt, dass die Verpflichtung zur Passwortsicherung hinreichend wirksam ist, wenn die Nutzer des WLAN-Anschlusses gleichzeitig ihre Identität offenbaren müssen, wenn sie das Passwort zu erhalten wollen (EuGH, GRUR 2016, 1146 Rn. 96 – McFadden/Sony Music). Denn es reicht aus, dass die getroffenen Maßnahmen bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände zumindest erschwert werden (EuGH, GRUR 2016, 1146 Rn. 95 – McFadden/Sony Music). Passwortsicherung mit Identitätsfeststellung ist auch verhältnismäßig (EuGH, GRUR 2016, 1146 Rn. 91 – McFadden/Sony Music).“
(LG München I Endurteil v. 20.4.2017 – 7 O 14719/12)

Wie ein Passwortschutz mit vorheriger Identifikationspflicht Rechtsverletzungen erschweren soll, dafür hat der EuGH keine Antwort.  Gerade bei einem öffentlichen Wlan ist es naheliegend, dass viele Nutzer gleichzeitig unter einer öffentlichen (= ermittelbaren) IP-Adresse im Internet surfen. Was bringt es Rechteinhabern, im Falle einer festgestellten Urheberrechtsverletzung eine Liste von beispielsweise 20 oder 30 zu dem Zeitpunkt im Wlan verweilenden Gästen zu erhalten? Es stellt sich hier schon die Frage, ob eine Übermittlung der Nutzerdaten überhaupt rechtskonform wäre. Diese Hürde dürfte das Eigentum der Urheber nur äußerst begrenzt schützen, schränkt aber Wlan-willige Bürger massiv ein.

LG Berlin, Urt. v. 13.6.201716 O 270/16

OLG Celle: Anforderungen an Werbekennzeichnung in Social Media (hier: Instragram)

Influencer sind heutzutage in der Regel bezahlte Nutzer von sozialen Netzwerken, deren Beiträge eine größere Leserschaft (follower) erreicht. Wird ein solches Medium zu werblichen Zwecken verwendet, tritt der werbliche Charakter in den Hintergrund, der Follower meint viel mehr, tatsächlich eine Produktempfehlung zu erhalten. Eine solche Vermengung redaktioneller und werblicher Inhalte begegnet § 58 RStV mit einer Pflicht zur deutlichen Kennzeichnung als Werbung, dies folgt auch aus § 5a Abs. 6 UWG, den das Gericht hier aufgrund des Vorgehens eines klagebefugten Verbandes angewendet hat.

Konkret hatte ein Instragram-Autor ein Bild eingestellt, dieses mit einem Beschreibungstext versehen und hiernach die für solche Plattformen üblichen Hashtags gesetzt. Das zweite von sechs Hashtags lautete #ad.

„An alle Sparfüchse: AUFGEPASST! NUR morgen gibt es in allen   Filialen von #r. & im Online Shop 40% Rabatt auf Augen Make-Up! Viel Spaß beim Einkaufen! @m. _r. Eyes: R. Y. S. S. Mascara &      M. N. Y. The R. N. Lidschatten Palette

#blackfriyay #ad #eyes #shopping #rabatt #40prozent“

Das ging dem OLG Celle zu weit. Auf den ersten Blick sei der werbliche Charakter nicht erkennbar. Ob die Formulierung „#ad“ grundsätzlich geeignet sei, einen werblichen Inhalt zu kennzeichen, hat das Gericht nicht mehr klären müssen, dies dürfte aber selbst bei isolierter Nutzung zweifelhaft sein.

In der Praxis dürften Youtuber & Co. damit deutlicher anzugeben haben, wann ein werblicher Inhalt vorliegt. Vielen Werbenden in den sozialen Netzwerken ist bis heute die Impressumspflicht (erstmalig LG Aschaffenburg) ebenfalls nicht klar, hier lauern Abmahnrisiken. Wichtig: Diese Risiken bestehen insbesondere für diejenigen, die Werbung in solchen Werbekanälen beauftragen (zur Haftung der Auftraggeber BGH Urteil vom 7. Oktober 2009 · Az. I ZR 109/06), so wurde auch hier das werbende Unternehmen auf Unterlassung in Anspruch genommen.

OLG Celle Urteil vom 08.06.2017 Az.: 13 U 53/16