Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Regelungen über die gestörte Gesamtschuld in einem Altfall

Übergang des Direktanspruchs gegen den Kfz-Haftpflichversicherer auf den Sozialversicherungsträger
Urteil vom 7. Dezember 2021 – VI ZR 1189/20

Mit dem Verhältnis zwischen § 116 Abs. 6 SGB X aF und § 116 Abs. 1 VVG befasst sich der VI. Zivilsenat.

Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenversicherung. Ein bei ihr versichertes Kleinkind war bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden. Fahrerin und Alleinverursacherin des Unfalls war die Mutter des Kindes, Halterin des Fahrzeugs die Großmutter. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, bei der das Fahrzeug gegen Haftpflicht versichert war, Ersatz der entstandenen Behandlungskosten in Höhe von rund 300.000 Euro und die Feststellung der Ersatzpflicht bezüglich aller weiteren Schäden. Das LG wies die Klage ab, das OLG gab ihr statt.

Die Revision der Beklagten führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass ein aus der Haftung der Fahrerin resultierender Direktanspruch gegen die Beklagte aus § 115 Abs. 1 VVG nicht gemäß § 116 Abs. 1 SGB aF auf die Klägerin übergegangen ist. Der Anspruch gegen die Fahrerin ist gemäß § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X in der für den Streitfall maßgeblichen, bis 31.12.2020 geltenden Fassung nicht auf die Klägerin übergegangen, weil die Schädigerin in häuslicher Gemeinschaft mit dem geschädigten Kind lebt. Damit konnte auch der Direktanspruch gegen die Beklagte nicht übergehen. Der Kfz-Haftpflichtversicherer tritt zwar gemäß § 116 Abs. 1 VVG als Gesamtschuldner neben den Schädiger. Der Direktanspruch dient aber nur der Sicherung des Anspruchs gegen den Schädiger. Er kann deshalb nur zusammen mit diesem Anspruch übergehen.

Ein Übergang des aus der Haftung der Halterin resultierenden Ersatzanspruchs scheitert im Streitfall nicht an § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X aF, weil diese nicht in häuslicher Gemeinschaft mit dem Kind lebt. Er ist aber nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld ausgeschlossen. Im Innenverhältnis der Schädiger haftet im Streitfall allein die Fahrerin. Eine Inanspruchnahme der Halterin hätte deshalb zur Folge, dass die Fahrerin im Regresswege doch in Anspruch genommen werden könnte. Nach den etablierten Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld hat dies zur Folge, dass der Sozialversicherungsträger auch den Zweitschädiger nicht in Anspruch nehmen darf. Entgegen der Auffassung des OLG ergibt sich aus dem Umstand, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer gemäß § 116 Abs. 1 VVG als weiterer Gesamtschuldner haftet und eine Belastung der privilegierten Schädigerin damit im Ergebnis nicht zu besorgen ist, nach der bis 31.12.2020 geltenden Rechtslage nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Auch insoweit ist ausschlaggebend, dass der Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer lediglich der Sicherung des Anspruchs gegen den Schädiger dient.

Praxistipp: Bei Schadensfällen aus der Zeit ab 01.01.2021 kann der Sozialversicherungsträger gemäß § 116 Abs. 6 Satz 3 SGB X nF den Ersatzanspruch auch gegen einen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Schädiger geltend machen, soweit Versicherungsschutz gemäß § 1 PflVersG besteht.

Montagsblog: Neues vom BGH

Im ersten Blog des Jahres 2022 geht es um Anwendbarkeit und Inhalt der Regelungen über den Verbrauchsgüterkauf

Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf
Urteil vom 10. November 2021 – VIII ZR 187/20

Mit den Voraussetzungen des § 477 BGB befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger ist als Immobilienmakler in der Rechtsform des Einzelkaufmanns tätig und sammelt privat ältere Fahrzeuge. Im Juni 2012 kaufte er von der Beklagten einen damals zwanzig Jahre alten Mercedes 600 SEL mit einer Laufleistung von 117.500 km für 9.350 Euro. Wegen des Zustands des Fahrzeugs verweist der Kaufvertrag auf einen zuvor eingeholten Dekra-Siegel-Bericht. Dieser führt deutliche Gebrauchsspuren an, etwa Korrosionsansätze an den Kotflügeln und eine gebrochene Fahrwerksfeder. Kurz nach Übergabe beanstandete der Kläger einzelne Mängel. Knapp sechs Monate nach Übergabe erhob er Klage auf Schadensersatz in Höhe von rund 9.500 Euro wegen insgesamt sechs Mängeln (Rost an den Kotflügeln, Durchrostung des hinteren Teils des Auspuffs, Defekte an Klimaanlage, Drosselklappe, Antenne und Abgaskatalysator). Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Die Revision des Klägers hat zum weitaus überwiegenden Teil Erfolg und führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Der BGH billigt die vom OLG vorgenommene Vertragsauslegung, wonach das Fahrzeug keine Durchrostungen und keine sonstigen größeren Mängel aufweisen darf, wohl aber alters- und nutzungsbedingte Verschleißschäden. Auf dieser Grundlage hat das OLG die vom Kläger geltend gemachten Rostschäden an den Kotflügeln zu Recht nicht als Sachmangel angesehen. Hinsichtlich der weiteren Schäden kann zugunsten des Klägers hingegen die Vermutungswirkung des § 477 BGB (für den Streitfall: § 476 BGB aF) greifen.

Die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf sind im Streitfall anwendbar. Das OLG ist rechtsfehlerfrei zu der Beurteilung gelangt, dass sich nicht vollständig aufklären lässt, ob der Kläger das Fahrzeug im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit oder zu privaten Zwecken gekauft hat. Entgegen der Auffassung des OLG greift in dieser Konstellation nicht die in § 344 HGB normierte Regel, wonach die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörend anzusehen sind. Maßgeblich ist vielmehr die Regel des § 13 BGB, wonach Rechtsgeschäfte einer natürlichen Person, die nicht überwiegend einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, als Geschäfte eines Verbrauchers anzusehen sind.

Die danach maßgebliche Regelung in § 477 BGB, wonach vermutet wird, dass die Kaufsache schon bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten ein Sachmangel zeigt, gilt für Verschleißschäden jedenfalls dann, wenn sich innerhalb der Sechsmonatsfrist ein Zustand einstellt, der nach dem Vertrag einen Mangel darstellt.

Das OLG wird deshalb klären müssen, ob das hintere Auspuffteil bereits innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe durchrostet war, denn eine Durchrostung stellt nach der zwischen den Parteien getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung einen Sachmangel dar.

Hinsichtlich der Rostschäden an den Kotflügeln scheiden Gewährleistungsansprüche hingegen aus, weil es sich insoweit nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts um Verschleißschäden handelt und eine Durchrostung nicht geltend gemacht ist.

Hinsichtlich der Defekte an Drosselklappe, Klimaanlage, Abgaskatalysator und Antenne muss das OLG klären, ob innerhalb der Sechsmonatsfrist ein Zustand aufgetreten ist, für den als Ursache nicht nur der übliche Verschleiß in Betracht kommt, sondern auch ein dem Verkäufer zuzurechnender Umstand. Falls die Vermutungswirkung des § 477 BGB danach zugunsten des Klägers greift, muss dieser zusätzlich beweisen, dass der während der Sechsmonatsfrist eingetretene Zustand bis zum Zeitpunkt der Ausübung der Gewährleistungsrechte und bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bzw. einer berechtigten Selbstvornahme fortbestanden hat. Eine weitergehende Beweisführung ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Käufer innerhalb der Sechsmonatsfrist alle Voraussetzungen für die Entstehung des Gewährleistungsanspruchs geschaffen hat. Dieses Erfordernis ist im Streitfall erfüllt.

Praxistipp: Die Voraussetzungen für die geltend gemachten Gewährleistungsansprüche – insbesondere eine erforderliche Fristsetzung – sollten möglichst innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 477 BGB geschaffen werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung eines Schadensersatzanspruchs

Feststellungsinteresse bei mehreren Methoden zur Schadensberechnung
Urteil vom 5. Oktober 2021 – VI ZR 136/20

Mit den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO befasst sich der VI. Zivilsenat in einem sogenannten Dieselfall.

Der Kläger kaufte im Jahr 2011 bei einem Vertragshändler der Beklagten einen neuen VW Touran mit einem Dieselmotor des Typs EA189. Im Jahr 2015 gab das Kraftfahrtbundesamt der Beklagten auf, die in der Software zur Steuerung des Motors enthaltene Abschalteinrichtung zu entfernen, und drohte anderenfalls den Widerruf der Typgenehmigung an. Der Kläger hat das hierfür erforderliche Softwareupdate bislang nicht vornehmen lassen. Im Jahr 2018 forderte er die Beklagte vergeblich zur Erstattung des Kaufpreises gegen Übergabe des Fahrzeugs auf. Mit seiner Klage begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Schäden zu ersetzen, die aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren. Hilfsweise verlangt er unter anderem Zahlung von 34.000 Euro Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs. Das LG wies die Klage ab. Das OLG sprach die begehrte Feststellung aus.

Der BGH weist die Feststellungsklage als unzulässig ab und verweist den Rechtsstreit (nur) zur Entscheidung über die Hilfsanträge an das OLG zurück.

Der BGH verneint das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, weil es dem Kläger zumutbar ist, sofort Leistungsklage zu erheben.

Das Interesse des Klägers, sich weiterhin die Wahlmöglichkeit zwischen kleinem und großem Schadensersatz offenzuhalten, also hinsichtlich der Frage, ob er das Fahrzeug behält und lediglich eine Wertdifferenz ersetzt verlangt oder es zurückgibt und den Kaufpreis abzüglich der erlangten Nutzungsvorteile fordert, ist nach Auffassung des BGH nicht schutzwürdig. Dem Kläger ist zuzumuten, diese Entscheidung bereits bei Erhebung der Klage zu treffen.

Dem Kläger ist es ferner möglich, den Schaden zu beziffern. Die Ermittlung der Wertdifferenz und die Ermittlung der Nutzungsvorteile sind zwar mit Unsicherheiten verbunden. Diese kann der Kläger aber jedenfalls dadurch überwinden, dass er die Bemessung dieser Beträge in das Ermessen des Gerichts stellt.

Ein hinreichendes Feststellungsinteresse ergibt sich nach Auffassung des BGH schließlich auch nicht daraus, dass die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Zwar besteht die Möglichkeit, dass weitere Schäden entstehen, etwa in Gestalt von Steuernachforderungen oder Stilllegungskosten. Diese sind aber nur für den großen Schadensersatz relevant. Diesbezügliche Unsicherheiten rühren demnach entscheidend daher, dass sich der Kläger bewusst nicht für eine der beiden Berechnungsarten entschieden hat.

Praxistipp: Zulässig sein dürfte nach dieser Entscheidung jedenfalls die Kombination einer Leistungsklage auf großen Schadensersatz verbunden mit einem Antrag auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz aller weiteren Schäden.

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Diese Woche geht es um die Haftungshöchstbeträge für Ansprüche aus dem Straßenverkehrsgesetz und um die Verjährung des Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherung

Haftungshöchstbeträge nach § 12 StVG a.F.
Urteil vom 16. März 2021 – VI ZR 140/20

Mit der bis 17. Dezember 2007 geltenden Fassung von § 12 StVG befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der im Jahr 1983 geborene Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall im Jahr 2000 eine Querschnittlähmung ab dem fünften Halswirbel. Ursache des Unfalls war ein Rad, das sich infolge eines Ermüdungsbruchs von einem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug löste und auf das Auto prallte, in dem der Kläger saß. Eine weitere Insassin dieses Autos wurde leicht verletzt, machte aber keine Ersatzansprüche geltend. Die Beklagte zahlte seit dem Unfall eine monatliche Rente von 1.917,34 Euro (ursprünglich 3.750 DM). Im Oktober 2018 stellte sie die Zahlungen ein. Bis dahin hatte sie insgesamt rund 388.000 Euro (rund 760.000 DM) gezahlt. Das LG verurteilte die Beklagte zur Weiterzahlung der Rente in der bisherigen Höhe. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass ein Anspruch auf Rentenzahlung nach den bis 17.12.2017 geltenden Fassungen von § 12 Abs. 1 StVG nur durch den Höchstbetrag für die Jahresrente begrenzt wird, nicht aber durch die separat festgelegte Höchstgrenze für Kapitalbeträge. Nach der im Streitfall maßgeblichen Fassung von § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG haftet die Beklagte, solange die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, danach bis zu einem Rentenbetrag von jährlich 30.000 DM – unabhängig davon, ob der Gesamtbetrag ihrer Zahlungen die für Kapitalbeträge geltende Höchstgrenze von 500.000 DM überschritten hat.

Der BGH tritt den Vorinstanzen ferner darin bei, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger nicht bis zu dem in § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG a.F. für den Fall der Verletzung mehrerer Personen vorgesehenen Höchstbetrag von 45.000 DM jährlich haftet. Diese Grenze ist nur für die Summe aller Rentenzahlungen maßgeblich, die die Beklagte gegenüber Personen erbringen muss, die bei dem Unfall verletzt worden sind. Der Anspruch eines einzelnen Verletzten ist dagegen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG a.F. auf 30.000 DM jährlich begrenzt.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen können die in der Vergangenheit erbrachten Zahlungen der Beklagten nicht ohne weiteres als Anerkenntnis einer Pflicht zur Zahlung einer Rente von jährlich 45.000 DM angesehen werden. Eine Tilgungsleistung kann nur dann als Angebot zum Abschluss eines bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrags ausgelegt werden, wenn im konkreten Fall ein nachvollziehbarer Anlass für ein solches Anerkenntnis bestand. Letzteres kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn Streit oder Ungewissheit über Bestand oder Höhe der Forderung herrschte. Diesbezügliche Feststellungen hat das OLG nicht getroffen.

In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird das OLG insbesondere dem Vortrag des Klägers nachzugehen haben, wonach sein Prozessbevollmächtigter nach dem Unfall in einer abschließenden Besprechung mit der Beklagten zum Ausdruck gebracht habe, er werde von einer gerichtlichen Geltendmachung von weitergehenden Ansprüchen aus § 823 Abs. 1 BGB absehen, wenn die Beklagte im Gegenzug den Haftungshöchstbetrag von 45.000 DM pro Jahr hinnehme.

Praxistipp: Da solche Konstellationen in der Regel erst lange Zeit nach dem Schadensereignis eintreten, ist besonders sorgfältig zu prüfen, welche Fassung von § 12 StVG maßgeblich ist. Seit 18.12.2007 gilt ein einheitlicher Höchstbetrag (derzeit fünf Millionen Euro), der auch für den Kapitalwert einer zu leistenden Rente maßgeblich ist.

Verjährung des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung
Urteil vom 25. März 2021 – VII ZR 94/20

Mit dem Beginn der Verjährung eines Anspruchs aus § 648a BGB a.F. (jetzt: § 650f BGB) befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Beklagte beauftragte den Kläger im Jahr 2013 mit Rohbauarbeiten für ein Mehrfamilienhaus. Nach Abschluss der Arbeiten legte die Klägerin im Juli 2014 eine Schlussrechnung über einen Gesamtbetrag von rund 220.000 Euro netto vor. Die Beklagte, die bis dahin Abschläge in Höhe von rund 110.000 Euro erbracht hatte, berief sich auf Mängel und verweigerte weitere Zahlungen. Über eine im Jahr 2015 erhobene Klage auf restliche Vergütung ist erstinstanzlich noch nicht entschieden.

Im September 2018 verlangte die Klägerin die Stellung einer Sicherheit in Höhe von 88.000 Euro. Ihre auf diese Leistung gerichtete Klage hatte in zweiter Instanz Erfolg.

Die Revision der Beklagten bleibt erfolglos.

Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass der Anspruch auf Leistung einer Bauhandwerkersicherung als „verhaltener“ Anspruch zu qualifizieren ist, so dass die Verjährung frühestens dann beginnt, wenn der Unternehmer den Anspruch erstmals geltend macht. Der Besteller darf eine solche Sicherheit nicht von sich aus stellen. Die Entscheidung darüber liegt beim Unternehmer, weil dieser die hierfür anfallenden Kosten tragen muss. Der Unternehmer wird eine Sicherheit in der Regel nur dann verlangen, wenn ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis besteht. Ein solches kann sich je nach Einzelfall auch erst geraume Zeit nach Entstehung des Anspruchs ergeben.

An der Geltendmachung des Anspruchs ist die Klägerin im Streitfall weder unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs noch unter dem Aspekt der Verwirkung gehindert.

Praxistipp: Geltend gemachte Mängel haben gemäß § 650f Abs. 1 Satz 4 BGB auf die Höhe der zu leistenden Sicherheit grundsätzlich keinen Einfluss, soweit daraus resultierende Ansprüche nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind.

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Diese Woche geht es um zwei nahezu klassische Fragen, die sich in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder stellen.

Reichweite der Haftung für die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs
Urteil vom 20. Oktober 2020 – VI ZR 158/19

Mit den Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 StVG befasst sich der VI. Zivilsenat.

Die klagende Versicherung nimmt die Beklagte wegen eines Brandschadens in der Autoreparaturwerkstatt ihres Versicherungsnehmers in Anspruch. Die Beklagte hatte einen Lkw in die Werkstatt gebracht, um die Hinterreifen auszutauschen und am nächsten Tag eine TÜV-Untersuchung durchzuführen. In der Nacht vor der Untersuchung geriet das Werkstattgebäude in Brand. Als Ursache wurde ein Defekt des in der Werkstatt abgestellten Lkw festgestellt. Unklar blieb, ob der Defekt am Motor oder an einem in der Fahrerkabine eingebauten Kühlschrank entstanden war. Die Klage auf Feststellung der Schadensersatzpflicht hatte in den ersten beiden Instanzen Erfolg.

Die Beklagten unterliegt auch in der dritten Instanz.

Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass ein Schaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden ist, wenn das Schadensgeschehen auf eine defekte Betriebseinrichtung zurückzuführen ist. Zu den Betriebseinrichtungen gehören nicht nur Teile, die für die Transport- und Fortbewegungsfunktion von Bedeutung sind, sondern alle Bestandteile, die dazu bestimmt sind, dem Betrieb des Fahrzeugs zu dienen, indem sie dessen Benutzung sicherer, leichter oder komfortabler gestalten sollen. Dazu gehört auch ein in das Fahrzeug eingebauter Kühlschrank.

Praxistipp: Nicht von § 7 Abs. 1 StVG erfasst sind Schäden, die dadurch verursacht worden sind, dass ein Kraftfahrzeug als Arbeitsgerät eingesetzt worden ist, ohne am öffentlichen Verkehr teilzunehmen.

Bereicherungsausgleich in Dreiecksverhältnissen
Urteil vom 29. Oktober 2020 – IX ZR 212/19

Mit den Folgen einer fehlerhaften Anweisung befasst sich der IX. Zivilsenat.

Die Klägerin, eine Publikums-KG, begehrt vom Beklagten, dem Insolvenzverwalter einer anderen KG, die Feststellung einer Darlehensforderung zur Insolvenztabelle. Nach dem Vortrag der Klägerin wurde das Darlehen vom damaligen Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH, der zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der späteren Insolvenzschuldnerin war, gewährt und die Darlehenssumme unmittelbar an eine Gläubigerin der Insolvenzschuldnerin ausgezahlt. Die Komplementärin der Schuldnerin war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Nach dem Gesellschaftsvertrag bedurfte die Gewährung von Krediten unter bestimmten Voraussetzungen aber der Einwilligung der Gesellschafterversammlung. Nach dem Vortrag der Beklagten fiel das in Streit stehende Darlehen unter diese Bestimmung. Die Klage blieb in den beiden ersten Instanzen ohne Erfolg.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist der Darlehensvertrag nicht schon deswegen unwirksam, weil er ohne Einwilligung der Gesellschafterversammlung geschlossen wurde. Die Komplementärin der Insolvenzschuldnerin hat durch den Abschluss dieses Vertrags zwar ihre internen Befugnisse überschritten. Bei einem Insichgeschäft eines von § 181 BGB befreiten Vertreters führt ein solcher Verstoß aber nur dann zur Unwirksamkeit des Vertrags wegen Missbrauchs der – im Außenverhältnis wirksamen – Vertretungsmacht, wenn der Vertrag für den Vertretenen nachteilig ist. Hierzu fehlt es an tatrichterlichen Feststellungen.

Selbst wenn der Vertrag unwirksam wäre, ergäbe sich aus dem Klägervorbringen ein gegen die Beklagte gerichteter Bereicherungsanspruch. Der Darlehensbetrag ist nach dem Vortrag der Klägerin zwar an einen Dritten geflossen. Der Bereicherungsanspruch richtet sich ggf. aber gegen die Schuldnerin, weil die Zahlung auf ihre Weisung erfolgt ist und der Tilgung einer ihr obliegenden Verbindlichkeit gedient hat. Dass die Weisung im Falle eines Vollmachtsmissbrauchs ebenfalls unwirksam ist, steht dem nicht entgegen. Der Zahlungsempfänger, für den der Missbrauch nicht erkennbar war, ist in seinem Vertrauen auf die Wirksamkeit der Weisung geschützt. Ausschlaggebend dafür ist, dass der Geschäftsführer im Außenverhältnis zur Vertretung der Schuldnerin befugt war und nur gegen Beschränkungen im Innenverhältnis verstoßen hat.

Praxistipp: Aufgrund der Sonderregelung in § 675u BGB ist das Vertrauen des Zahlungsempfängers nicht geschützt, wenn die Leistung durch einen Zahlungsdienstleister erfolgt und der zugrunde liegende Zahlungsauftrag zuvor storniert worden ist.

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Diese Woche geht es um einen nicht alltäglichen Fall der deliktischen Haftung eines Kfz-Sachverständigen.

Eigene Haftung eines beim Haftpflichtversicherer angestellten Kfz-Sachverständigen
Urteil vom 7. Juli 2020 – VI ZR 308/19

Mit den Voraussetzungen einer Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB befasst sich der VI. Zivilsenat.

Am Auto der Klägerin war ein Motorschaden aufgetreten, weil bei einer von ihm in Auftrag gegebenen Überprüfung des Fahrzeugs an einer Tankstelle der Deckel des Kühlwasserausgleichsbehälter nicht wieder aufgeschraubt worden war. Der mit der Reparatur beauftragte Werkunternehmer schlug vor, Zylinderkopf, Zahnriemen und Zusatzriemen auszutauschen. Der bei der Haftpflichtversicherung der Tankstelle als Kfz-Sachverständiger beschäftigte Beklagte hielt den Austausch des Zusatzriemens für nicht erforderlich. Der Werkunternehmer fügte sich dieser Vorgabe, obwohl er sie für sachlich unzutreffend hielt. Kurze Zeit später kam es zum Riss des Zusatzriemens, der zu einem wirtschaftlichen Totalschaden führte. Die Klägerin nahm den Werkunternehmer und den Beklagten auf Ersatz dieses Schadens in Anspruch. Die Klage war in erster Instanz erfolgreich. Der Werkunternehmer ersetzte daraufhin den Schaden in vollem Umfang. Der Beklagte legte hingegen Berufung ein. Das LG wies diese mit der Maßgabe zurück, dass der Rechtsstreit aufgrund der Zahlung in der Hauptsache erledigt sei.

Die Revision des Beklagten bleibt erfolglos. Die Vorinstanzen haben zu Recht eine eigene Haftung des Beklagten für den zweiten Motorschaden aus § 823 Abs. 1 BGB bejaht. Entgegen der Auffassung der Klägerin war diese allerdings nicht in den Schutzbereich des Angestelltenverhältnisses zwischen dem Beklagten und der Versicherung einbezogen. Es bestand auch kein konkludenter Auskunftsvertrag zwischen dem Beklagten und dem Werkunternehmer. Durch sein Dazwischentreten hat der Beklagte aber den Austausch des Zusatzriemens verhindert und damit die mit dem zweiten Motorschaden eingetretene Eigentumsverletzung adäquat verursacht. Der Beklagte handelte auch widerrechtlich. Eine Rechtspflicht zum Schutz des Eigentums der Klägerin traf ihn zwar nicht schon aufgrund seiner Tätigkeit für die Versicherung oder aufgrund deren Einstandspflicht für den ersten Motorschaden. Eine Rechtspflicht, die Interessen der Klägerin nicht zu gefährden, ergab sich aber daraus, dass er sich ohne Rücksprache mit der Klägerin in den Reparaturprozess eingeschaltet und maßgeblichen Einfluss auf den Umfang der Reparaturarbeiten genommen hat. Der Beklagte hat auch fahrlässig gehandelt, weil er sich über den Hinweis des Werkunternehmers hinweggesetzt hat.

Praxistipp: Eine deliktische Haftung der an einer fehlerhaften Reparatur oder Wartung beteiligten Personen kommt auch gegenüber Dritten in Betracht, wenn das fehlerhafte Handeln eine Gefahr für deren Rechtsgüter begründet hat.

Die Haftung des Autofahrers bei einem Verkehrsunfall mit Fußgängerbeteiligung

Fußgänger und Autofahrer kommen sich im Straßenverkehr häufig in die Quere. Dabei geht von beiden Verkehrsteilnehmern ein sehr unterschiedliches Gefahrenpotenzial aus. Kommt es zum Verkehrsunfall, tritt – im Gegensatz zu anderen Unfalltypen – die Frage nach den Unfallursachen zurück. Vielmehr ist entscheidend, ob der Unfall für den Fahrzeugführer vermeidbar war. Die Judikatur ist kasuistisch und kaum mehr zu überschauen (siehe für einen Überblick: Dörr, MDR 2012, 503).

Unfälle „beim Überqueren der Fahrbahn“ und im „Längsverkehr“

Bei Unfällen mit Fußgängern ist zwischen den beiden großen Gruppen „Unfälle beim Überqueren der Fahrbahn“ und „Unfälle im Längsverkehr“ (Fußgänger auf Gehwegen oder am Fahrbahnrand) zu unterscheiden. Überquert ein Fußgänger die Fahrbahn außerhalb der dafür vorgesehenen Stellen (z. B. Fußgängerüberwege) und kommt es zum Unfall, hat der Fußgänger für seinen Schaden grundsätzlich allein einzustehen, wenn seinem groben Eigenverschulden nur die – nicht erhöhte – Betriebsgefahr des Kfz gegenübersteht (KG, Beschl. v. 18.9.2010 – 12 W 24/10 – juris). Bei „Unfällen im Längsverkehr“ ist es von großer Bedeutung, ob ein Gehweg vorhanden ist und ob der Fußgänger ihn benutzt hat. Läuft der Fußgänger trotz vorhandenen Gehwegs auf der Fahrbahn, trifft ihn i.d.R. eine Mitschuld. Fehlt ein Gehweg, ist die Nutzung der Fahrbahn durch den Fußgänger erlaubt. Der Kraftfahrer kann hier kein „Vorrecht“ in Anspruch nehmen.

Anhaltspunkte für Unfallhergang und Schadensbeiträge

Für die Frage, auf welche Weise sich ein Unfall zwischen Pkw und Fußgänger abgespielt hat, können die Art der Fahrzeugschäden (z. B. sog. Abwicklungslänge sowie Beulenversatz) wichtige Anhaltspunkte für die Kollisionsgeschwindigkeit des Kfz und Richtung sowie Geschwindigkeit des Fußgängers liefern. Die aus den Fahrzeugschäden und den sonstigen Unfallspuren gewonnenen Erkenntnisse haben einen hohen Beweiswert (OLG Hamm, OLGR Hamm 1999, 256). Für die Feststellung, ob und auf welche Weise der Kraftfahrer unfallverhütend hätte reagieren können, kommt es zunächst darauf an, welche Strecke der Fußgänger von der Stelle, an welcher ihn der Kraftfahrer erstmalig als Verkehrshindernis wahrnehmen konnte, bis zum späteren Unfallort zurückgelegt hat und mit welcher Geschwindigkeit er gelaufen ist. Daraus kann errechnet werden, welche Zeit der Fußgänger für diese Strecke benötigt hat. Diese Zeit ist wiederum in Relation zu der Ausgangsgeschwindigkeit des Kraftfahrzeugs zu setzen, woraus sich die Feststellung ergibt, welcher Zeitraum und welche Fahrstrecke dem Kraftfahrer für seine unfallabwendende Reaktion zur Verfügung standen (KG, Urt. v. 13.12.1993 – 12 U 2536/91 – juris).

Anforderungen an das Verhalten eines „Idealfahrers“

Hat sich der Kraftfahrer an alle Verkehrsregeln gehalten, aber dennoch nicht mögliche typische Fehler eines Fußgängers vorausgesehen, sich also nicht wie ein „Idealfahrer“ (BGH v. 23.9.1986 – VI ZR 136/85, MDR 1987, 132) verhalten, kann immer noch die Haftung aus der (dann nicht erhöhten) Betriebsgefahr des Fahrzeugs bleiben. Nach § 7 Abs. 2 StVG a. F. war eine Haftung nur bei Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses ausgeschlossen. Ein unabwendbares Ereignis ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Unfall auf das Verhalten des Verletzten zurückzuführen ist und sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt beobachtet haben (BGH v. 21.02.1985 – III ZR 205/83, MDR 1986, 34). Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 23.4.2002 – VI ZR 180/01, MDR 2002, 942) kommt es bei der Frage der Vermeidbarkeit eines Zusammenstoßes mit einem Fußgänger, der die Fahrbahn überquert, nicht allein darauf an, ob das Fahrzeug vor der späteren Unfallstelle noch hätte zum Stehen kommen können („räumliche Vermeidbarkeit“). Ein Unfall kann in solchen Fällen auch dann verhindert werden, wenn Zeit bleibt, das Fahrzeug so weit abzubremsen, dass es den Punkt, an dem der Fußgänger die Fahrspur kreuzt, erst erreicht, nachdem dieser ihn schon wieder verlassen hat („zeitliche Vermeidbarkeit“). Der Möglichkeit der Vermeidbarkeit in diesem Sinne muss vor allem dann nachgegangen werden, wenn Sekundenbruchteile genügen könnten, um den Fußgänger aus der Gefahrenzone zu bringen. Dabei muss auch erörtert werden, ob und inwieweit eine rechtzeitige Ausweichlenkung zur Vermeidung des Zusammenstoßes hätte beitragen können.

Hier geht es also um die (richtige) Reaktion ab dem Zeitpunkt, in dem der Kraftfahrer erkennen kann, dass ein Fußgänger über die Straße gehen möchte. Es geht also um die Frage, wer anhält: ob der Fußgänger stehen bleibt oder ausweicht, wenn er das Fahrzeug sieht oder ob das Auto schon bremst, weil der Fahrer meint, der Fußgänger könnte trotzdem weitergehen. Als „Idealfahrer“ muss der Kraftfahrer „für den anderen mitdenken“.

Die bloße Tatsache, dass ein zu schnell fahrender Kraftfahrer wegen des Geschwindigkeitsverstoßes früher an die Unfallstelle gelangt ist, als dies bei Beachtung der Verkehrsregeln geschehen wäre, genügt nicht für die Annahme eines rechtlichen Ursachenzusammenhanges mit dem nachfolgenden Unfall. Ein zurechenbarer Zusammenhang kann vielmehr nur dann bejaht werden, wenn bei dem Unfall eine der Gefahren mitgewirkt hat, um derentwillen die Fahrgeschwindigkeit begrenzt war. Von Bedeutung ist somit nur, wie von der Erkennbarkeit der Gefahr an, der konkreten kritischen Verkehrslage, bei richtiger Fahrweise die Vorgänge, die zum Unfall geführt haben, abgelaufen wären (BGH v. 21.02.1985 – III ZR 205/83, MDR 1986, 34).

Geltendmachung eines Schmerzensgeldanspruchs durch den verunglückten Fußgänger

Wollte der verunglückte Fußgänger vor dem 1.8.2002 – auch –Schmerzensgeld bekommen, musste er nachweisen, dass den Fahrzeugführer am Unfall zumindest eine Teil-Schuld traf. Der Anspruch richtet sich nach § 253 BGB a.F. i.V.m. § 847 BGB a.F. Erst mit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften kann nunmehr auch im Rahmen der Gefährdungshaftung ein Schmerzensgeldanspruch geltend gemacht werden. Hierzu erfolgten ausdrückliche klarstellende Regelungen u.a. in § 11 Satz 2 StVG und § 6 Satz 2 HaftPflG dahingehend, dass der Anspruchsberechtigte wegen eines Schadens, der kein Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung verlangen kann.

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Diese Woche geht es um eine im Alltag häufig auftretende Fallkonstellation.

Haftung des Fahrzeughalters für erhöhtes Parkentgelt
Urteil vom 18. Dezember 2019 – XII ZR 13/19

Mit den Rechtsfiguren des Anscheinsbeweises und der sekundären Darlegungslast befasst sich der XII. Zivilsenat.

Die Klägerin betreibt einen öffentlichen Parkplatz, auf dem mit Schildern darauf hingewiesen wird, dass die Nutzung auf den dafür gekennzeichneten Flächen für eine Höchstdauer von zwei Stunden kostenlos ist und bei Überschreitung dieses Zeitraums oder Nutzung anderer Flächen ein erhöhtes Parkentgelt von 30 Euro erhoben wird. Die Beklagte ist Halterin eines Autos, das im Lauf von zwei Jahren insgesamt dreimal unberechtigt auf dem Parkplatz abgestellt war. Die Klage auf erhöhtes Parkentgelt und Inkassokosten in Höhe von insgesamt 214,50 Euro blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er tritt dem LG darin bei, dass ein Vertrag über die Nutzung des Parkplatzes nur mit dem Fahrer zustande kommt, der das Fahrzeug auf einer betroffenen Fläche abstellt, nicht aber mit einem Dritten, der Halter des Fahrzeugs ist. Er bestätigt ferner, dass die Vereinbarung mit dem Fahrer über das erhöhte Parkentgelt im Streitfall wirksam geschlossen wurde und einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle standhält. Zu Recht hat das LG überdies entschieden, dass kein Anscheinsbeweis dafür spricht, dass der Halter des Fahrzeugs zugleich dessen Fahrer war. Abweichend von der Auffassung der Vorinstanzen trifft den Halter in der gegebenen Konstellation aber eine sekundäre Darlegungslast. Er kann die gegnerische Behauptung, das Fahrzeug selbst gefahren zu haben, nur dann wirksam bestreiten, wenn er jedenfalls die Personen benennt, die im fraglichen Zeitraum die Möglichkeit hatten, das Fahrzeug als Fahrer zu nutzen.

Praxistipp: Für Abschleppkosten haftet der Halter unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag grundsätzlich schon dann, wenn er das Fahrzeug einem Dritten überlassen hat (BGH, Urt. v. 18.12.2015 – V ZR 160/14 Tz. 21 f. – MDR 2016, 267; BGH, Urt. v. 11.3.2016 – V ZR 102/15 Tz. 6 ff. – MDR 2016, 764).

OLG Hamm zur Haftung für Unfall im Baustellenverkehr

Bei einem tragischen Unfall wurde der Kläger, der auf einer Baustelle als „Fernsteuerungskranbediener“ tätig war, von einem rückwärtsfahrenden Lieferwagen angefahren und bedauerlicherweise dabei so schwer verletzt, dass er aus dem Berufsleben ausscheiden musste. Die Klage des Klägers vor den Sozialgerichten, es habe sich um einen Arbeitsunfall gehandelt, wurde durch alle Instanzen abgewiesen, da der Kläger selbständiger Unternehmer gewesen sei und sich nicht freiwillig versichert habe. Im sich anschließenden Zivilprozess gegen die für den Lieferwagen Verantwortlichen, insbesondere die Haftpflichtversicherung, hatte der Kläger Erfolg.

In der sehr lesenswerten Entscheidung des OLG Hamm, Urt. v. 21.5.2019 – I-9 U 56/18 widerlegt das Gericht ausführlich die zahlreichen Einwände der Beklagten gegen ihre Haftung. Die Feststellungsklage des Klägers wird zunächst als zulässig angesehen, obwohl der Kläger teilweise beziffern konnte. Es ist jedoch ausreichend für eine Feststellungsklage, dass noch weitere Schäden drohen. Die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, vor allem § 7 StVG, sind einschlägig, da diese nicht an einen Betrieb im öffentlichen Verkehr anknüpften, sondern auch auf privaten Verkehrsflächen maßgeblich sind. Die Beklagten hatten weiterhin eingewandt, der gesamte Fall sei konstruiert worden, um dem Kläger, der keine Ansprüche gegen die Berufsgenossenschaft durchsetzen konnte, nunmehr Ansprüche gegen eine private Versicherung zu verschaffen. Tatsächlich sei der Kläger von einem Gerüst gefallen, ohne dass der Lieferwagen überhaupt eine Rolle gespielt habe. Diesen Einwand wiederlegt das OLG mit einer ausführlichen Beweiswürdigung aufgrund von Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten. Da danach feststeht, dass der Lieferwagen rückwärtsgefahren ist und dabei den Kläger angefahren hat, spricht der Anscheinsbeweis gegen die Beklagten. Ein Mitverschulden wurde nicht nachgewiesen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Tätigkeit des Klägers als „Fernsteuerungskranführer“ höchste Konzentration und Präzision erfordert, habe der Kläger nicht auf andere Verkehrsteilnehmer achten müssen. Zwar hatte der Kläger keinen Helm getragen, es steht aber nicht fest, dass dies auf den eingetretenen Schaden überhaupt eine Auswirkung gehabt hat.

Schließlich scheidet auch eine Haftungsprivilegierung der Beklagten nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII aus. Die Sozialgerichte haben bindend entschieden, (§ 108 SBG VII), dass ein Arbeitsunfall nicht vorliegt. Darüber hinaus hat sich der Unfall nicht auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ereignet. Eine „gemeinsame“ Betriebsstätte ist mehr als „dieselbe“ Betriebsstätte. Hier habe es keine Verbindung zwischen dem Kläger und den Beklagten gegeben, sondern ein beziehungsloses Nebeneinander.

Festzuhalten ist daher: An die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach einem Unfall sind keine hohen Anforderungen zu stellen, insbesondere steht eine teilweise Bezifferbarkeit der Ansprüche der Klage nicht entgegen. Die Vorschriften des StVG gelten letztlich praktisch überall dort, wo sich das Fahrzeug befindet, vor allem auch auf privaten Verkehrsflächen. Das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII gilt nur, wenn tatsächlich eine gemeinsame Betriebsstätte vorliegt und nicht nur ein beziehungsloses Nebeneinander.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um den Umfang der Gefährdungshaftung eines Kraftfahrzeughalters.

Verkehrsunfall mit verzögerter Schadensfolge
Urteil vom 26. März 2019 – VI ZR 236/18

Mit Fragen des Kausal- und Zurechnungszusammenhangs im Anschluss an einen Verkehrsunfall befasst sich der VI. Zivilsenat.

Bei einem vom Unfallgegner allein verschuldeten Verkehrsunfall wurde das Fahrzeug des Geschädigten im Frontbereich schwer beschädigt. Der Geschädigte ließ das Fahrzeug in eine Reparaturwerkstatt verbringen. In der darauffolgenden Nacht gerieten die Werkstatt und eine anliegende Wohnung in Brand. Als Ursache stellte sich ein auf den Unfall zurückzuführender Kurzschluss im elektrischen System des Unfallfahrzeugs heraus. Der Brand hätte vermieden werden können, wenn der Werkstattinhaber die Batterie abgeklemmt hätte, was nach den einschlägigen Sicherheitsregeln dringend geboten gewesen wäre. Der Gebäudeversicherer des Werkstattinhabers und der Hausratversicherer der Wohnungsinhaberin nahmen die Haftpflichtversicherer der beiden Unfallbeteiligten auf Schadensersatz in Anspruch. Das LG erklärte die Ansprüche für dem Grunde nach gerechtfertigt, hinsichtlich des Gebäudeschadens unter Abzug einer Mitverschuldensquote von 40%. Das OLG wies die Klage auf die Berufung der Beklagten vollständig ab.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Die eingetretenen Schäden an Gebäude und Hausrat sind durch den Betrieb beider am Unfall beteiligten Fahrzeuge verursacht worden. Entgegen der Auffassung des OLG ist der Zurechnungszusammenhang nicht durch das unsachgemäße Verhalten des Werkstattinhabers unterbrochen worden. Zwar kann es zu einer Unterbrechung kommen, wenn ein Dritter in den Kausalverlauf eingreift. Ein Sorgfaltspflichtverstoß des Dritten reicht hierfür aber auch dann nicht aus, wenn er auf grober Fahrlässigkeit beruht.

Praxistipp: Eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs wäre in der gegebenen Situation etwa dann in Betracht gekommen, wenn der Werkstattinhaber die Batterie zunächst ordnungsgemäß abgeklemmt und er selbst oder ein Dritter sie später wieder angeschlossen hätte.