Die Verschwiegenheitspflicht gilt auch für die Rechtsanwaltskammer

In einem kürzlich veröffentlichten Urteil des BGH (Urt. v. 11.1.2016 – AnwZ (Brfg) 42/14) vertrat dieser die Ansicht, dass die Verschwiegenheitspflicht der Rechtsanwaltskammern auch gegenüber dem Beschwerdeführer im berufsaufsichtlichen Verfahren gelte.

Wird durch einen Dritten eine Beschwerde bei der Kammer eingereicht, so wird der betroffene Anwalt, der angeblich gegen Berufsrecht verstoßen haben soll, hierzu schriftlich angehört. Dessen Stellungnahme wird dem Dritten häufig wieder zugeleitet mit der Frage, ob sich das Beschwerdeverfahren dadurch erledigt habe.

Im konkreten Fall war Beschwerdeführer eine weitere Rechtsanwaltskammer. Der Beschwerdegegner wurde im Rahmen der Anhörung  darauf hingewiesen, er könne einer Weiterleitung widersprechen. Da ein Widerspruch nicht erfolgt war, gelangte seine Stellungnahme zur beschwerdeführenden Rechtsanwaltskammer.

Der Beschwerdeführer wandte sich hiergegen mit einer Feststellungsklage. Er unterlag vor dem AGH Hamm wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses. Die beklagte Kammer hatte zuvor geäußert, sie werde Stellungnahmen des Klägers nicht mehr an Dritte weiterleiten.

Der BGH gab der Klage statt. Insbesondere bestehe ein Feststellungsinteresse. Die beklagte Kammer hatte nämlich in einem weiteren Aufsichtsverfahren gegen den Kläger wieder auf die erwähnte Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen und damit zum Ausdruck gebracht, sie beabsichtige bei fehlendem Widerspruch weiterhin eine Weiterleitung an den Beschwerdeführer.

Überdies sei die Klage auch begründet. Denn die Kammer könne sich nicht auf eine Befugnis berufen, die die Verschwiegenheitspflicht nach § 76 BRAO einschränke. Insbesondere seien die beschwerdeführenden Dritten keine „Verfahrensbeteiligten“.

Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Kammer und Mitglied ist wesentlicher Bestandteil der anwaltlichen Selbstverwaltung und eine Fortsetzung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. Zukünftig darf daher keine Widerspruchslösung praktiziert werden. Die Weiterleitung von Stellungnahmen sollte nur erfolgen, wenn eine ausdrückliche Einwilligung des Anwalts hierzu vorliegt.

Änderungen an BGB und UKlaG: Formvorgaben in AGB, Verfolgung von Datenschutzverstößen, Missbrauchseinwand

Durch das Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts vom 17.02.2016 ergeben sich einige, Änderungen, die auf den ersten Blick unwesentlich sind, sich in der Praxis aber erheblich auswirken dürften. Die wesentlichen Änderungen sollten Sie kennen:

  1. § 309 Nr. 13 BGB – Form von Anzeigen und Erklärungen

Für alle Schuldverhältnisse, die nach dem 30.09.2016 entstanden sind, gilt in Zukunft ein Verbot von AGB-Klauseln, die mehr als die Textform für Anzeigen und Erklärungen verlangen. Schriftform ist lediglich dann wirksam vereinbar, wenn der Vertrag einer notariellen Beurkundung bedarf. Wenngleich bei online geschlossenen Verträgen bereits die Rechtsprechung in Einzelfällen ein Schriftformerfordernis für unwirksam befunden hat (LG Berlin, 29.07.2014 – 16 O 500/13; LG München I, 30.01.2014 – 12 O 18571/13; AG Bremerhaven, 21.01.2014 – 51 C 233/13 ), umfasst dies nunmehr sämtliche Verträge, die unter Verwendung von AGB eine besondere Form für Anzeigen vorgibt. In vielen Fällen liegt die Vermutung nahe, dass AGB-Verwender hiermit die Schwellen für eine Kündigung grundlos hoch gelegt haben, was bei Klauselgegnern zum Teil auch zum Ablauf von Kündigungsfristen führte  (Beschwerden über einen Energieversorger, der eine Kündigung nur in Schriftform akzeptiert, z.B. hier). Dieses fast schon schikanöse Verhalten dürfte insbesondere Verbrauchern in Zukunft erspart bleiben

2. Änderung im Unterlassungsklagengesetz – Datenschutz – Schutz vor Missbrauch

Qualifizierte Einrichtungen, Verbände und Kammern haben nach dem UKlaG nunmehr auch die Möglichkeit, gegen datenschutzrechtswidriges Verhalten vorzugehen. §  2 Abs. 2 Nr. 11 UKlaG ermöglicht ein Vorgehen bei Verstöße gegen die Vorschriften, welche die Zulässigkeit der Datenverarbeitung regeln.

Datenschutzverstöße bei der Datenverarbeitung sind nun also, auch wenn sie außerhalb von AGB erfolgen, abmahnfähig.  Im Falle einer gerichtlichen Anspruchsdurchsetzung ist neuerdings gem. § 12a UklaG vom Gericht die zuständige Datenschutzbehörde zu hören, was nur in Fällen einstweiliger Verfügungen ohne mündliche Verhandlung entbehrlich ist.

Wie auch z.B. schon im UWG und UrhG vorgesehen, wird mit § 2b UKlaG eine Einwendung für die rechtsmissbräuchliche Anspruchsgeltendmachung eingeführt, die insbesondere dann vorliegen soll, wenn es primär um die Generierung von Aufwendungsersatzansprüchen geht. Im Falle einer rechtsmissbräuchlichen Anspruchsgeltendmachung kann der Antragsgegner nunmehr auch direkt aus § 2b UKlaG Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen geltend machen.

 

Rechtsanwaltskosten für Berufungserwiderung – Unwissenheit führt nicht zur Kostenerstattung!

Der BGH hat sich im Beschluss vom 25.2.2016 – III ZB 66/15 mit der Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten des Berufungsbeklagten befasst. Die durch die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Berufungsrücknahme entstandenen Kosten eines Rechtsanwalts in Höhe der 1,6-Verfahrensgebühr (Nr. 3200 VV RVG) seien selbst dann nicht erstattungsfähig, wenn der Berufungsbeklagte die Rechtsmittelrücknahme nicht gekannt habe oder nicht habe kennen müssen. Denn die subjektive Unkenntnis des Rechtsmittelgegners sei nicht geeignet, die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine objektiv nicht erforderliche Handlung zu begründen. Zudem könne eine bestehende Ungewissheit, ob das Rechtsmittel eventuell bereits zurückgenommen sei, durch eine (z.B. telefonische) Nachfrage bei Gericht rasch und problemlos geklärt werden.

Entgegen der Auffassung des BGH erscheint es wenig einsichtig, weshalb die volle 1,6-Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts des Berufungsbeklagten aufgrund von Umständen, die er überhaupt nicht beeinflussen kann, nicht erstattungsfähig sein soll. Vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei erscheint es kaum vertretbar und nicht praxisnah, im Zuge der Fertigung einer Berufungserwiderung nahezu tagtäglich bei dem Berufungsgericht nach einer eventuellen Berufungsrücknahme zu fragen.

Ausschluss der Wiedereinsetzung: Nach Ablauf der Jahresfrist ist wirklich Schluss!

Nicht nur im Verfahrensrecht weitet sich die Aufweichung allgemeiner Grundsätze durch immer neue Ausnahmen und immer weiter gehende Billigkeitsrechtsprechung, teilweise aufgrund angeblicher verfassungsrechtlicher Notwendigkeiten, immer mehr aus. Umso erwähnenswerter ist eine neuere Entscheidung des BGH (Beschl. v. 21.1.2016 – IX ZA 24/15, MDR 2016, 343), die man wirklich mit dem Satz kommentieren könnte: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Es ging um eine Fristwahrung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Der Schuldner hätte angemeldeten Forderungen aus dem Rechtsgrund der unerlaubten Handlung rechtzeitig widersprechen müssen, hatte dies aber unterlassen. Als eigene Anschrift hatte der Schuldner im Verfahren diejenige seiner – inzwischen verstorbenen – Mutter mitgeteilt. Diese hatte wichtige Schriftstücke an ihn nicht weiter geleitet, weil das Verhältnis zu ihr zerrüttet gewesen sei. Der Antrag des Schuldners auf Wiedereinsetzung wurde außerhalb der Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO gestellt.

Der BGH bestätigt die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung durch die Vorinstanzen. Natürlich betont der BGH zunächst, dass die absolute Ausschlussfrist des § 234 Abs. 3 ZPO nach einer Entscheidung des BVerfG mit dem GG vereinbar ist. Diese Frist stellt allerdings nicht auf irgendein Verschulden des Betroffenen ab. Demgemäß sind – natürlich aus verfassungsrechtlichen Gründen – Ausnahmen zu dieser Frist anerkannt, wenn nur so die verfassungsmäßigen Rechte des Betroffenen gewahrt werden können. Dies ist hauptsächlich dann der Fall, wenn die Jahresfrist aus Gründen nicht gewahrt wurde, die in der Sphäre des Gerichts liegen. Dies gilt z.B. dann, wenn das Gericht über einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entscheidet und dabei die Frist des § 234 Abs. 3 ZPO abläuft oder auch wenn das Gericht das Vertrauen erweckt hat, der eingelegte Rechtsbehelf sei ohnehin zulässig (vgl. a. BVerfG, Beschl. v. 15.4.2004 – 1 BvR 622/98). Dies liegt auf der Hand und ist überzeugend. Der BGH erwägt noch, ob dies auch gilt, wenn der Gegner die Versäumung der Frist arglistig herbeigeführt hat, lässt dies aber offen, da es im zu beurteilenden Fall nicht relevant war.

Hier lag der Grund für das Fristversäumnis jedoch alleine in der Sphäre des Schuldners, der diese Anschrift angegeben hatte. Damit bleibt es bei der Anwendbarkeit der Jahresfrist und der Schuldner schaut tatsächlich „in die Röhre“. Wer Angst hat, ein Mitbewohner würde ihm gegenüber Zustellungen unterschlagen, muss besondere Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, etwa sich regelmäßig bei Gericht erkundigen oder – soweit möglich – einen zuverlässigen Bevollmächtigten, etwa einen Rechtsanwalt, bestellen. Man glaubt manchmal kaum, welche juristischen Gefahren im normalen Alltag entstehen können!

 

 

Abschleppen vom Privatparkplatz und neue Geschäftsmodelle der Parkplatzbewirtschaftung

Nachdem die zahlreichen Streitigkeiten über das Zuparken von Einfahrten, falsche Belegung von angebotenen Parkplätzen usw. früher die OLG und den BGH nicht erreichen konnten, kommt es in den letzten Jahren durch Zulassungsberufungen und ebensolche Revisionen doch vereinzelt zu Entscheidungen des BGH. Regelmäßig wird sich der Fahrer des störenden Fahrzeugs nicht ermitteln lassen, schon gar nicht mit einem vertretbaren Aufwand. Deswegen war es sachgerecht, dass der BGH schon im Jahre 2012 (Urt. v. 21.9.2012 – V ZR 230/11, MDR 2012, 1407) die Möglichkeit eröffnet hat, den Halter als zivilrechtlichen Störer in Anspruch zu nehmen. Das unbefugte Abstellen eines PKW auf einem Grundstück stellt verbotene Eigenmacht dar (§ 861 BGB). Selbst das einmalige Abstellen eines PKW begründet letztlich bereits eine Wiederholungsgefahr, dies hat der BGH mit der neuen, hier anzuzeigenden Entscheidung (Urt. v. 18.12.2015 – V ZR 160/14, MDR 2016, 267) wiederum bestätigt. Ausgeräumt werden kann die Wiederholungsgefahr nicht durch eine „normale“, sondern nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. Bereits entschieden hatte der BGH auch, dass die Anwaltskosten für die Aufforderung zur Abgabe der Unterlassungserklärung regelmäßig zu erstatten sind (§§ 683, 677, 670 BGB).

In der Entscheidung aus dem Jahre 2012 hatte der BGH allerdings noch einen Anspruch aus denselben Vorschriften auf Erstattung der Kosten für die Halteranfrage (im konkreten Fall 5,94 Euro) bejaht. Von dieser Entscheidung distanziert sich derselbe (V.) Senat nunmehr. Eine Anspruchsgrundlage für die Kosten der Halteranfrage sei nicht ersichtlich. Es entspräche nicht dem mutmaßlichen Willen des „Halters, als Adressat einer Unterlassungsaufforderung ermittelt zu werden“. Wenn es sich um einen privaten Parkplatz handelt, sei § 679 BGB nicht einschlägig.

Hinzuweisen ist natürlich darauf, dass es vorliegend nur um Ansprüche gegen den Halter geht. Ist der Fahrer ermittelt oder steht fest, dass der Halter auch gefahren ist, kommen natürlich weitergehende Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB oder natürlich auch den §§ 281, 280 BGB in Betracht.

Die neue Entscheidung betraf übrigens einen Fall zur „neueren Parkplatzbewirtschaftung“: Man muss bei Einfahrt in den (privaten) Parkplatz einen Parkschein lösen und denselben in das Fahrzeug legen. Überschreitet man die Parkzeit um mehr als 15 Minuten oder legt keinen Parkschein aus, verpflichtet sich man zur Zahlung von 20 € erhöhtem Nutzungsentgelt. Regelmäßig erhält der Halter dann eine Zahlungsaufforderung mit der Anregung, ggfls. den Fahrer namhaft zu machen. Erfolgt weder eine Zahlung noch eine Namhaftmachung kommt vom Parkplatzbetreiber regelmäßig die Aufforderung an den Halter, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bezüglich der Benutzung abzugeben. Offenbar greift eine solche Art der Parkplatzbewirtschaftung um sich. Der BGH hat mit seiner Entscheidung dieses Geschäftsmodell letztlich genehmigt. Dem ist auch zuzustimmen. Die Inanspruchnahme jeglicher Leistung kostet auf dem Markt Geld. Warum sollte das Parken auf privaten Flächen umsonst sein? Ob der Parkplatzbetreiber mit einer solchen Taktik Kunden anlockt oder vertreibt, muss er als Unternehmer letztlich selbst entscheiden.

 

Gesetzesänderung: Ewiges Widerrufsrecht bei Darlehensverträgen endet am 21.06.2016

Verbraucher haben in den vergangenen Jahren nach einigen wegweisenden Entscheidungen des BGH, aber auch vielen ausführlich begründeten und häufig für den Verbraucher positiv entschiedenen Fällen bei Land- und Oberlandesgerichten die Möglichkeit genutzt, Darlehensverträge zu widerrufen, um die daraus sich ergebenden Rückabwicklungsvorteile zu nutzen. Je nach Kreditkonditionen konnten selbst bei gewöhnlichen Immobilienfinanzierung fünfstellige Eurobeträge erlöst werden. Aufgrund unwirksamer Belehrungen, wobei nach der Rechtsprechung bereits geringfügige Fehler ausreichten, steht den Verbrauchern dabei ein ewiges Widerrufsrecht zu.

Für die Banken gibt es ein einfaches Mittel, um die Flut der Widerrufe zu stoppen: Eine nachträgliche Belehrung über das Widerrufsrecht lässt eine – wenn auch geringfügig verlängerte – Frist beginnen. Seit den ersten Entscheidungen des BGH zu diesen Fällen aus März 2009 (z.B. BGH Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, MDR 2009, 820) haben die Kreditinstitute aber von dieser Möglichkeit über 7 Jahre lang in fast keinem Fall Gebrauch gemacht, da vermutlich die Angst groß war, (frühere) Kunden durch eine solche Belehrung erst auf die Idee eines Widerrufs zu bringen. Vielmehr soll es nun der Gesetzgeber richten, was auch durch das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften erfolgt.

 

So wird § 38 Abs. 3 EGBGB wie folgt gefasst;

„Bei Immobiliendarlehensverträgen gemäß § 492 Abs. 1a Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der vom 1. August 2002 bis einschließlich 10. Juni 2010 geltenden Fassung, die zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010 geschlossen wurden, erlischt ein fortbestehendes Widerrufsrecht spätestens drei Monate nach dem 21. März 2016, wenn das Fortbestehen des Widerrufsrechts darauf beruht, dass die dem Verbraucher erteilte Widerrufsbelehrung den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht entsprochen hat.“

Verbraucher, die über einen Widerruf alter Darlehensverträge nachdenken, sollten nach Prüfung der Unterlagen bis zum 21. Juni entscheiden, ob ein Widerruf erklärt werden soll, der dem Darlehensgeber noch bis dahin zugehen muss.

Referentenentwurf zur Umsetzung der neuen Pauschalreiserichtlinie ante portas

Die Umsetzung der neuen Pauschalreiserichtlinie ist auf der Zielgeraden. Das meinte jedenfalls Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz kürzlich in der touristischen Fachzeitschrift FVW. Das BMJV beabsichtige, den Referentenentwurf noch im Frühjahr fertigzustellen. Bravo! Eine so schnelle Fertigstellung touristischer Projekte ist man aus Berlin ja wirklich nicht gewohnt. Möglicherweise hat die Regierung den Glauben verloren, wegen der Flüchtlingskrise die ganze Legislaturperiode bis 2017 durchzustehen?

Gleichwohl muss die Branche und ihre anwaltlichen Berater noch mit den alten §§ 651a ff. BGB leben. Erst ab 1.7.2018 ist das zu erwartende Umsetzungsgesetz in Deutschland anzuwenden, da die Richtlinie diesen Termin vorgibt. Bis zum neuen Recht ist mein Klassiker „Reiserecht“ in der 7. Auflage von 2015 noch hochaktuell und ein Muss sowohl für Rechtsanwälte, Gerichte und Juristen in Reiseunternehmen/Versicherungen als auch ein unerlässliches Handbuch für die reiserechtliche Praxis in Unternehmen. S.a. Führich, Die EU-Pauschalreise-Richtlinie und neue Rechtsprechung von EuGH und BGH, MDR 2001, 1209.

www.reiserecht-fuehrich.de

BGH: Widerrufsrecht im Fernabsatz nur im Ausnahmefall rechtsmissbräuchlich

In einer aktuellen Entscheidung hat der BGH den Widerruf  eines Verbrauchervertrages im Fernabsatz nicht für rechtsmissbräuchlich erachtet. Ein Kunde hatte eine Matratze bestellt, die mit einer Tiefpreisgarantie beworben wurde. Nach Erhalt der Ware fand er ein günstigeres Angebot und bot dem Händler an, einen Widerruf durch Anpassung des Kaufpreises abzuwenden. Der Händler stimmte dem nicht zu, woraufhin der Verbraucher den Kaufvertrag widerrief. Der Händler hielt diesen Widerruf für rechtsmissbräuchlich, da das Widerrufsrecht im Fernabsatz lediglich die Prüfung der Ware wie im stationären Handel ermöglichen soll.

BGH lehnt Rechtsmissbrauch ab

Wie auch schon das AG Rottweil (Urteil vom 30. Oktober 2014 Az.: 1 C 194/14) und das LG Rottweil (Urteil vom 10. Juni 2015 Az.: 1 S 124/14) geht der BGH davon aus, dass der Widerruf nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt. Der grundsätzlich ohne Begründung mögliche Widerruf sei lediglich in Ausnahmefällen rechtsmissbräuchlich, in denen der Unternehmer besonders schutzbedürftig ist. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Verbraucher arglistig handelt, etwa indem er zum Beispiel eine Schädigung des Verkäufers beabsichtigt oder schikanös handelt.

Auswirkungen für den Widerruf von Darlehensverträgen

Die Entscheidung dürfte auch auf andere Fallgestaltungen Auswirkungen haben:

Fälle, in denen Verbraucher alte Darlehensverträge widerrufen, um durch die Rückabwicklung (teils) erhebliche Rückzahlungen zu erhalten, werden von Darlehensgebern häufig mit dem Einwand der Verwirkung (aufgrund des lange zurückliegenden Vertragsschlusses) sowie der Rechsmissbräuchlichkeit angegangen. Der nur vereinzelt von Gerichten bejahte Rechtsmissbrauch (z.B. durch OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 18.08.2015 – Aktenzeichen 3 U 31/15 bejaht) dürfte im Lichte dieser Entscheidung nicht mehr ohne weiteres bejaht werden.

BGH, Urteil vom 16. März 2016 – VIII ZR 146/15  Pressemitteilung des BGH