Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Präklusion von Vorbringen in der Berufungsinstanz.

Zustellung eines Versäumnisurteils
BGH, Beschluss vom 21. Februar 2024 – XII ZR 65/23

Der XII. Zivilsenat befasst sich mit dem Anwendungsbereich von § 531 Abs. 2 ZPO.

Die Kläger nehmen den Beklagten nach dem Scheitern der Übernahme einer Gaststätte auf Rückzahlung von 60.000 Euro in Anspruch. Das LG hat gegen den Beklagten antragsgemäß ein Versäumnisurteil erlassen. Dieses wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde am 14.5.2022 zugestellt. Das LG hat den am 1.6.2022 eingelegten Einspruch des Beklagten wegen Versäumung der Einspruchsfrist verworfen. Das OLG hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Das OLG durfte den zweitinstanzlichen Vortrag des Beklagten, wonach das Versäumnisurteil entgegen den Angaben in der Zustellungsurkunde nicht in seinen Briefkasten eingeworfen wurde, sondern in den Briefkasten einer in demselben Haus wohnenden Person gleichen Nachnamens, nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt lassen.

Die ordnungsgemäße Zustellung eines Versäumnisurteils ist von Amts wegen zu prüfen. Diesbezügliches Vorbringen darf nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden.

Das OLG wird nach Zurückverweisung zu klären haben, ob das Versäumnisurteil an dem in der Zustellungsurkunde angegebenen Tag in den Briefkasten des Beklagten eingeworfen wurde. Hierbei wird es sich mit der Frage zu befassen haben, ob die Beweiskraft der Zustellungsurkunde dadurch beeinträchtigt ist, dass der Vorname des Beklagten darin nicht vollständig angegeben ist.

Praxistipp: Eine Postzustellungsurkunde erbringt nach § 415 ZPO vollen Beweis für die darin angegebenen Zustellungshandlungen. Die Beweiskraft einer solchen Urkunde kann aber gemindert sein, wenn die darin enthaltenen Angaben unvollständig, unklar oder unstimmig sind.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Zulässigkeit neuen Vorbringens in der Berufungsinstanz.

Neues Vorbringen im Verfahren nach § 522 Abs. 1 ZPO
Beschluss vom 24. September 2019 – VI ZB 517/18

Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen das Berufungsgericht eine Berufung durch Beschluss als unbegründet zurückweisen darf, obwohl es die Begründung der Vorinstanz für unzutreffend hält, befasst sich der VI. Zivilsenat.

Die Klägerin verlangt vom beklagten Insolvenzverwalter, Schadensersatzansprüche aus der Vermittlung einer Kapitalanlage zur Insolvenztabelle festzustellen. Das LG wies die Klage als unzulässig ab. Das OLG sah die Klage als zulässig an, wies die Berufung aber dennoch gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück, weil es die Klage mangels Kausalitätsnachweis als unbegründet ansah. Ein auf Vernehmung eines Zeugen gerichtetes Beweisangebot der Klägerin zu diesem Thema wies es gemäß § 531 Abs. 2 ZPO und hilfsweise gemäß § 296 Abs.1 ZPO als verspätet zurück.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Eine Zurückweisung des Beweisangebots nach § 531 Abs. 2 ZPO ist im Streitfall schon deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin es bereits in der Klageschrift unterbreitet und in der Berufungsinstanz lediglich wiederholt hat. Aus diesem Grund kommt auch eine Zurückweisung nach § 296 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht. Ergänzend weist der BGH darauf hin, dass das Berufungsgericht den Zeugen auch dann hätte vernehmen müssen, wenn die Klägerin ihn erstmals in der Berufungsinstanz benannt hätte. Das Berufungsgericht war gehalten, die Klägerin auf seine vom Landgericht abweichende Rechtsaufassung hinzuweisen, und ihr Gelegenheit zu geben, zu dem nach Auffassung des LG nicht relevanten Thema der Kausalität ergänzende Angriffsmittel vorzubringen.

Praxistipp: Nach § 522 Abs. 3 ZPO und § 26 Nr. 8 EGZPO (ab 1.1.2020: § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F.) ist eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Zurückweisung einer Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO nur dann zulässig, wenn der Wert der mit dem Rechtsmittel geltend zu machenden Beschwer 20.000 Euro übersteigt.