Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Folgen der Erstattung einer Lastschrift.

Erfüllungsanspruch nach Erstattung einer SEPA-Basislastschrift
Urteil vom 12. Mai 2022 – IX ZR 71/21

Dass die Erstattung einer Lastschrift gravierende Folgen für den Zahlenden haben kann, zeigt eine Entscheidung des IX. Zivilsenats.

Die Beklagte bezog von einer Lieferantin aufgrund eines Rahmenvertrags Waren. Die Bezahlung erfolgte per SEPA-Lastschrift. Nachdem die Lieferantin Insolvenzantrag gestellt hatte, verlangte die Beklagte von Ihrer Bank die Erstattung der in den acht Wochen zuvor erfolgten Lastschrifteinzüge. Ihr wurden daraufhin rund 135.000 Euro wieder gutgeschrieben. Derselbe Betrag wurde dem Konto der Lieferantin bei einer Sparkasse belastet, das schon zuvor einen debitorischen Saldo aufgewiesen hatte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete die Sparkasse Forderungen in Höhe von rund 400.000 Euro zur Tabelle an. Aus der Verwertung von Sicherheiten erhielt sie rund 65.000 Euro. Sie nahm daraufhin die Beklagte wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auf Zahlung der erstatteten Beträge in Anspruch. Die Beklagte zahlte aufgrund eines Vergleichs rund 100.000 Euro. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Insolvenzverwalter Zahlung des Kaufpreises für die betroffenen Lieferungen. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das OLG wies sie hingegen ab.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Die geltend gemachten Kaufpreisansprüche sind zwar durch den erfolgreichen Lastschrifteinzug und die daraufhin erfolgte Gutschrift auf dem Konto der Lieferantin erloschen. Aus der konkludenten Erfüllungsvereinbarung, die die Beteiligten bei Nutzung des SEPA-Basislastschriftverfahrens schließen, ergibt sich aber, dass der Anspruch wieder auflebt, wenn der Zahlende von dem in § 675x Abs. 2 und 4 BGB vorgesehenen Recht Gebrauch macht, innerhalb von acht Wochen nach Belastung die Erstattung des abgebuchten Betrags zu verlangen.

Entgegen der Auffassung des OLG hängt das Recht zur Geltendmachung des Anspruchs nicht davon ab, ob der Lieferantin durch die Erstattung ein Schaden entstanden ist. Im Insolvenzverfahren ist zwischen dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen und den Insolvenzforderungen der einzelnen Gläubiger zu trennen. Die Beklagte kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass sich die Erstattung wirtschaftlich im Wesentlichen zu Lasten der Sparkasse ausgewirkt hat, die den in Rede stehenden Betrag nur noch als Insolvenzforderung gegen die Lieferantin geltend machen kann. Ungeachtet dieser Wirkungen bleibt die Beklagte als Kaufpreisschuldnerin verpflichtet, den Kaufpreis zu erbringen und damit die zur Verteilung stehende Insolvenzmasse zu vergrößern.

Nach diesen Grundsätzen ist der Anspruch auch nicht insoweit entfallen, als die Beklagte der Sparkasse den erstatteten Betrag zurückbezahlt hat. Diese Zahlung betrifft lediglich das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und der Sparkasse. Als Ausgleich kann die Beklagte von der Sparkasse gemäß § 255 BGB die Abtretung der Insolvenzforderung verlangen. Ihre Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises an den Insolvenzverwalter bleibt hiervon unberührt.

Praxistipp: Der ursprüngliche Erfüllungsanspruch lebt auch dann wieder auf, wenn der Zahlende den gezahlten Betrag aufgrund der Käuferschutzregeln beim Amazon oder PayPal zurückerhält. Dogmatisch wird dieses Ergebnis auf eine bereits bei Vertragsschluss (und nicht erst bei der Zahlung) getroffene konkludente Vereinbarung gestützt. Trotz dieses Unterschieds kann eine Erstattung zu vergleichbaren Konsequenzen führen, wenn der Käufer das Geld ohne zureichenden Grund zurückverlangt hat.

OLG Hamm: Doppeltes Einstellen von Artikel bei Amazon wettbewerbswidrig

Die Handelsplattform Amazon ist für Verbraucher unter anderem deswegen sehr beliebt, da – bis auf wenige Ausnahmen – keine Doubletten von Artikeln gefunden werden. Jeder einzigartige Artikel wird nur einmal gelistet. Dies gewährleistet Amazon durch Abfrage des EAN-Codes des jeweiligen Produktes. Im Rahmen der Artikeldarstellung werden dann die unterschiedlichen Händler aufgelistet, bei denen das Produkt zu unterschiedlichen Preisen erhältlich ist, was dem Kunden einen effektiven Preisvergleich ermöglicht.

Die Kehrseite der Medaille für Händler ist, dass die Artikelbeschreibungen inhaltlich nur begrenzt beeinflusst werden können, sich zudem Artikelbeschreibungen auch immer wieder ändern können. Nach der Rechtsprechung des BGH haftet für etwaige Rechtsverletzungen jeder einzelne Marketplace Händler als Störer auf Unterlassung (BGH Urteil vom 3. März 2016 Az.: Az. I ZR 140/14, MDR 2016, 1102), wenn nicht regelmäßig die Angebote auf Rechtsverstöße überwacht werden. Noch wichtiger für die Praxis ist de Umstand, dass bei der Auswahl mehrerer Händler für das identische Produkt der Preis wohl das entscheidendste Kriterium zur Auswahl eines Händlers sein dürfte.

Ein findiger Händler wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Durch Veränderung des EAN-Codes umging er die Doublettensuche von Amazon und konnte so seine eigene Artikelbeschreibung anlegen, für das Produkt als einziger Händler auftauchen.

Ein Wettbewerber nahm den Unternehmer auf Unterlassung in Anspruch, das OLG Hamm gab ihm Recht:

Das Gericht bejaht eine Irreführung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG, da das neue Angebot eine unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über das Merkmal der Verfügbarkeit der Ware enthält. Hierbei verweist das OLG Hamm auf die Rechtsprechung des EuGH. Dass der durchschnittliche Verbraucher bei Eingabe der Artikelbezeichnung mindestens zwei Suchergebnisse erhalten hätte und so hätte feststellen können, dass das Produkt doch von mehreren Händlern erworben werden kann, ist unbeachtlich, weil ein Nutzer auch direkt (z.B. über einen von einem anderen Nutzer per E-Mail versandten Link auf die in Rede stehende Artikeldetailseite gelangen konnte und auf diese Weise von vornherein keine Möglichkeit hatte, Informationen über mögliche andere Anbieter zu erhalten.

Besonders pikant: Das OLG Hamm hat dem Kläger einen Auskunftsanspruch zugestanden, womit auch die Verpflichtung zur Leistung von Schadensers zumindest dem Grunde nach feststehen dürfte. Der Kläger könnte hier, zum Beispiel weil er preisgünstigter Anbieter des „legitimen“ Angebotes war, den ihm entgangenen Gewinn von dem Beklagten ersetzt verlangen.

Für die Praxis ist daher unbedingt davon abzuraten, identische Artikel unter Umgehung der „Doublettensperre“ von Amazon einzustellen. Man könnte zur Umgehung der „Doublettensperrung“ an das Einstellen von Produktbundles denken, wobei Amazon hier sehr enge Regelungen vorgibt, wonach beispielsweise der Verkauf von Proteinpulver unter Beifügung eines Shakers schon kein zulässiges Bundle darstellen soll. Es bleibt wohl nur die „zulässige“ Teilnahme am Wettbewerb auf Amazon, indem man sich dem (fairen) Preiskampf stellt und im Übrigen regelmäßig die Angebote auf Rechtsverletzungen überwacht.

 

OLG Hamm, Urteil vom 12. Januar 2017 Az.: 4 U 80/16