Montagsblog: Neues vom BGH

Um zwei äußerst unterschiedliche, aber wohl gleichermaßen praxisrelevante Fragen geht es in dieser Woche.

Rechtskraftwirkung zwischen Gesamtschuldnern
Urteil vom 20. November 2018 – VI ZR 394/17

Mit den subjektiven Grenzen der Rechtskraft befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der damals 13 Jahre alte Beklagte befand sich im Jahr 2006 wegen Verhaltensauffälligkeiten in stationärer Behandlung in einer Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Während eines Ferienaufenthalts seiner Therapiegruppe vergewaltigte er einen ebenfalls minderjährigen Mitpatienten. In einem ersten Rechtsstreit wurden der Beklagte und die Betreiberin der Klinik antragsgemäß als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 4.000 Euro an den Geschädigten verurteilt. Der Haftpflichtversicherer der Klinikbetreiberin zahlte das Schmerzensgeld und nahm den Beklagten im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs auf vollständigen Regress in Anspruch. Das AG wies die Klage ab, das LG verurteilte den Beklagten antragsgemäß.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz entfaltet das Urteil aus dem ersten Rechtsstreit im Verhältnis zwischen den damaligen Beklagten keine Rechtskraftwirkung. Wenn ein Kläger mehrere Personen gemeinsam verklagt und diese – wie insbesondere im Falle der Inanspruchnahme als Gesamtschuldner – nur einfache Streitgenossen sind, kann Rechtskraftwirkung nur innerhalb der einzelnen Prozessverhältnisse entstehen, also nur zwischen dem Kläger und dem jeweiligen Beklagten, nicht aber im Verhältnis der beiden Beklagten untereinander. Das LG muss nach Zurückverweisung deshalb klären, ob der Beklagte entsprechend seinem nunmehrigen Vorbringen im Zeitpunkt der Tat schuldunfähig war.

Praxistipp: Jeder Gesamtschuldner kann eine weitergehende Bindungswirkung herbeiführen, indem er im ersten Rechtsstreit den jeweils anderen Gesamtschuldnern den Streit verkündet.

Keine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung bei gewerblich genutzten Fahrzeugen
Urteil vom 6. Dezember 2018 – VII ZR 285/17

Eine seit langem diskutierte Frage entscheidet der VII. Zivilsenat.

Der Kläger, der ein Beton- und Natursteinwerk betreibt, hatte einen betrieblich genutzten Lkw in der Werkstatt des Beklagten reparieren lassen. Wegen mangelhafter Durchführung der Reparatur entstand ein Motorschaden, der einen weiteren Werkstattaufenthalt erforderlich machte. Der Kläger konnte das Fahrzeug über einen Zeitraum von vierzehn Monaten (!) hinweg nicht nutzen. Ungefähr für die Hälfte der Zeit stand ihm ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung. Die auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von rund 10.000 Euro für die gesamten vierzehn Monate gerichtete Klage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers, mit der er seinen Anspruch nur noch für die sieben Monate ohne Ersatzfahrzeug weiterverfolgte, hat ebenfalls keinen Erfolg. Der vorübergehende Entzug der Gebrauchsmöglichkeit eines ausschließlich gewerblich genutzten Fahrzeugs kann zwar einen Schaden darstellen, wenn der Ausfall mit einer fühlbaren wirtschaftlichen Beeinträchtigung einhergeht. Dem Geschädigten steht aber nur dann ein Ersatzanspruch in Geld zu, wenn er ein Ersatzfahrzeug anmietet, wenn er den Verlust durch Rückgriff auf ein Reservefahrzeug auffängt oder wenn der Verlust zu einer sonstigen Vermögensminderung geführt hat. Anders als bei privat genutzten Fahrzeugen darf der Schaden hingegen nicht abstrakt anhand einer pauschalierten Nutzungsausfallentschädigung berechnet werden.

Praxistipp: Wenn weder ein Ersatzfahrzeug angemietet noch ein Reservefahrzeug eingesetzt wird, ist es empfehlenswert, alle aufgrund des Ausfalls entstandenen Mehraufwendungen, etwa für die Beauftragung Dritter oder für den Einsatz anderer Geräte oder Arbeitskräfte, zeitnah zu dokumentieren.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um die Voraussetzungen eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte und um die Zurückweisung einer Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO geht es in dieser Woche.

Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte bei mehreren Schadensverursachern
Urteil vom 7. Dezember 2017 – VII ZR 204/14

Der VII. Zivilsenat befasst sich mit der subjektiven Reichweite der Haftung aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte.

Der klagende Unfallversicherer begehrte aus übergegangenem Recht zweier bei ihr versicherter Arbeitnehmer den Ersatz von Schäden aus einem Arbeitsunfall. Die Beklagte zu 3 hatte die Arbeitgeberin der Geschädigten mit Abbrucharbeiten auf einem früher zum Betrieb einer Brauerei genutzten Gelände beauftragt. Des Weiteren hatte sie den Beklagten zu 1 damit betraut, die betroffenen Gebäude auf eventuelle Gefahrenquellen zu untersuchen. Während der Abbrucharbeiten wurden die Geschädigten durch den Austritt von Ammoniak aus einer Kälteanlage verletzt. Im Gutachten des Beklagten zu 1 war diese Gefahrenquelle nicht ausgewiesen, weil der Beklagte zu 1 nur die Außenanlagen besichtigt hatte. Die gegen die Beklagten zu 1 und 3 gerichtete Klage hatte in den beiden ersten Instanzen überwiegend Erfolg.

Die allein vom Beklagten zu 1 eingelegte Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG. Abweichend von den Vorinstanzen verneint der BGH eine Schutzwirkung des Vertrags zwischen der Beklagten zu 3 und dem Beklagten zu 1 zugunsten der geschädigten Arbeitnehmer. Diese sind im Verhältnis zum Beklagten zu 1 nicht schutzbedürftig, weil schon der Vertrag zwischen der Beklagten zu 3 und ihrer Arbeitgeberin Schutzwirkungen zu ihren Gunsten entfaltet und die Beklagte zu 3 für pflichtwidriges Handeln des Beklagten zu 1 nach § 278 BGB haftet. Das Berufungsgericht muss nach Zurückverweisung der Sache prüfen, ob gegen den Beklagten zu 1 deliktische Ansprüche bestehen.

Praxistipp: Auch wenn im Ergebnis nur einer von zwei Beklagten vertraglich haftet, sollte die Klage vorsorglich gegenüber beiden (auch) auf vertragliche Ansprüche gestützt werden, solange nicht feststeht, ob die Voraussetzungen des § 278 BGB erfüllt sind.

Zurückweisung der Berufung durch Beschluss ohne Berufungserwiderung
Urteil vom 21. November 2017 – XI ZR 106/16

Eine allgemeine prozessuale Frage beantwortet der XI. Zivilsenat.

Die Kläger nahmen die Beklagte nach Widerruf eines Darlehensvertrags auf Erstattung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Anspruch. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Das OLG wies die Berufung der Kläger nach vorherigem Hinweis durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Eine Berufungserwiderung lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor.

Der BGH verweist die Sache hinsichtlich des überwiegenden Teils der Klageforderung an das OLG zurück, weil dieses die Widerrufsbelehrung zu Unrecht als ausreichend angesehen hatte. Die von den Klägern ergänzend erhobene Rüge, die Berufungsentscheidung sei insgesamt aufzuheben, weil eine Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO erst nach Vorliegen einer Berufungserwiderung zulässig sei, sieht der BGH hingegen als unbegründet an. Er stützt dies auf den Wortlaut der Vorschrift, die den Eingang einer Berufungserwiderung oder die ergebnislose Setzung einer Erwiderungsfrist nicht vorsieht, und den Umstand, dass sich aus der Gesetzgebungsgeschichte keine abweichenden Anhaltspunkte ergeben.

Praxistipp: Die volle Verfahrensgebühr für einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung ist nur dann nach § 91 ZPO erstattungsfähig, wenn der Berufungskläger sein Rechtsmittel begründet und die Begründung dem Gegner zugestellt ist. Vom Zeitpunkt der Zustellung an steht dem Gegner auch dann ein Erstattungsanspruch zu, wenn er seinen Antrag auf Zurückweisung schon zuvor gestellt hat.

Montagsblog: Neues vom BGH

Kosten des Vergleichs
Beschluss vom 14. Juni 2017 – I ZB 1/17

Mit der Auslegung einer Kostenregelung in einem gerichtlichen Vergleich befasst sich der I. Zivilsenat.

Der Kläger hatte den Beklagten im Wege der Teilstufenklage auf Zahlung von Maklerhonorar für die Vermittlung von Kaufverträgen in Anspruch genommen. Vor dem LG schlossen die Parteien einen umfassenden Vergleich, in den auch nicht rechtshängige Ansprüche einbezogen wurden. Darin wurde u.a. vereinbart, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits trägt und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden. Im Kostenfestsetzungsverfahren machte der Kläger eine Terminsgebühr aus dem vollen Vergleichswert geltend. Die Rechtspflegerin setzte nur eine Gebühr aus dem Wert der eingeklagten Forderungen an. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Klägers blieb erfolglos.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde zurück. Mit den Vorinstanzen sieht er als „Kosten des Rechtsstreits“ nur diejenigen Kosten an, die durch die Geltendmachung der bereits vor dem Vergleichsabschluss rechtshängigen Ansprüche entstanden sind. „Kosten des Vergleichs“ sind demgegenüber alle Mehrkosten, die durch den Vergleichsabschluss und durch die Einbeziehung weiterer Forderungen in den Vergleich entstanden sind. Hierzu gehört nicht nur die Vergleichsgebühr, sondern auch die Terminsgebühr, soweit sich diese aufgrund der Einbeziehung dieser Forderungen erhöht hat.

Praxistipp: Um Schwierigkeiten bei der Kostenfestsetzung zu vermeiden, sollten die Parteien darauf hinwirken, dass der Wert der eingeklagten und der Wert der zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Ansprüche im Streitwertfestsetzungsbeschluss separat ausgewiesen werden.

Haftung des anwaltlichen Mediators
Urteil vom 21. September 2017 – IX ZR 34/17

Eine grundlegende Entscheidung zur Haftung eines anwaltlichen Mediators trifft der IX. Zivilsenat.

Im Vorfeld eines Scheidungsverfahrens hatten sich die betroffenen Eheleute an eine von der beklagten Rechtsanwältin betriebene Schlichtungsstelle gewandt, um eine einvernehmliche und kostengünstige Scheidung zu ermöglichen. Die Eheleute erteilten ihr unter anderem eine Vollmacht zur Einholung von Auskünften bei den zuständigen Trägern der Rentenversicherung. Im Scheidungstermin trat für die Ehefrau der Kläger als Prozessbevollmächtigter auf. Er war kurz zuvor – ebenso wie die Anwältin des Ehemannes – auf Vermittlung der Beklagten eingeschaltet worden und mit Einzelheiten nicht vertraut. Kurz vor dem Termin teilte die Beklagte der Anwältin der Ehefrau per E-Mail mit, ein Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs solle nicht protokolliert werden, sofern mit der Mandantin nichts anderes besprochen werde. Dem Kläger teilte sie mit, die angestrebte Vereinbarung über die Scheidungsfolgen liege bislang lediglich als Entwurf vor. Im Termin erschien der Kläger erst zur Erörterung des Versorgungsausgleichs. Er ließ sich von der Ehefrau, mit der er zuvor noch nie zusammengetroffen war, mündlich mandatieren und stimmte in deren Namen dem Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu. Später eingeholte Auskünfte der Versorgungsträger ergaben, dass der Ehefrau ein Ausgleichsanspruch in Höhe von mehr als 90.000 Euro zugestanden hätte. In einem Haftungsprozess mit der Ehefrau verpflichtete sich der Kläger vergleichsweise zur Zahlung von rund 64.000 Euro. Zwei Drittel dieses Betrags verlangte er im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs von der Beklagten erstattet. Das LG wies die Klage ab. Das OLG sprach dem Kläger die Hälfte des an die Ehefrau gezahlten Betrags zu.

Der BGH weist die Revision der Beklagten zurück. Er qualifiziert das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und den Eheleuten als Mediationsvertrag in der Form des mehrseitigen Anwaltsdienstvertrags, weil es die Beklagte übernommen hat, rechtliche Lösungsvorschläge zu entwickeln und dies eine Rechtsdienstleistung darstellt. Aus diesem Dienstvertrag haftet die Beklagte nach anwaltsrechtlichen Grundsätzen. Eine Pflichtverletzung sieht der BGH darin, dass die Beklagte den Kläger nicht darüber informiert hat, dass noch keine Auskünfte zum Versorgungsausgleich vorliegen. Ob ein entsprechender Hinweis an die Anwältin des Ehemanns ausgereicht hätte, lässt er offen, weil die Beklagte im Streitfall auch insoweit keine hinreichend deutlichen Informationen erteilt hatte. Dass der Kläger ebenfalls seine anwaltlichen Pflichten verletzt hat, führt nicht zu einer Unterbrechung des Kausalverlaufs, sondern lediglich zu einer gleichmäßigen Verteilung der Haftung im Innenverhältnis.

Praxistipp: Um eine Haftung in solchen Konstellationen zu vermeiden, sollte der Mediator von der Durchführung des Scheidungstermins vor endgültiger Klärung aller für die angestrebte Vereinbarung relevanter Fragen dringend abraten. Wollen die Mandanten diesem Rat nicht folgen, sollten die Prozessbevollmächtigten detailliert und unmissverständlich über den Verfahrensstand informiert werden. Zusätzlich sollten die Mandanten persönlich eingehend über die drohenden Risiken belehrt werden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Verjährung bei Ausgleich zwischen Gesamtschuldnern
Urteil vom 8. November 2016 – VI ZR 200/15

Mit einer grundlegenden Frage zur Verjährung des Ausgleichsanspruchs zwischen Gesamtschuldnern befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der beklagte Arzt hatte im Jahr 1993 einen Patienten im Gefolge eines Arbeitsunfalls wegen einer Wunde am Unterarm behandelt. Sowohl ihm als auch den mit der Erstbehandlung betrauten Ärzten waren dabei Fehler unterlaufen, die später die Amputation des Unterarms erforderlich machten. Der Geschädigte nahm die erstbehandelnden Ärzte erfolgreich auf Schadensersatz in Anspruch. Deren Haftpflichtversicherung erbrachte unter anderem Ersatzzahlungen an die zuständige Berufsgenossenschaft. Deswegen nahm sie den Beklagten im Jahr 2012 aus übergegangenem Recht auf Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch. LG und OLG verurteilten den Beklagten antragsgemäß, soweit es um Leistungen an die Berufsgenossenschaft aus der Zeit ab 1.1.2009 ging. Dagegen wendete sich der Beklagte mit Nichtzulassungsbeschwerde und Revision.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Er bekräftigt seine ständige Rechtsprechung, nach der Gesamtschuldnern im Innenverhältnis ein eigenständiger Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht, der bereits mit der Bgründung der Gesamtschuld im Außenverhältnis entsteht und der regelmäßigen Verjährung nach § 195 BGB unterliegt. Entgegen der Auffassung des OLG erfasst die Verjährung alle aus dem Haftungsfall resultierenden Schadensfolgen, mit denen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden muss. Deshalb ist nicht ausschlaggebend, wann die einzelnen Schadensfolgen eingetreten sind oder wann daraus resultierende Zahlungen an die Berufsgenossenschaft erbracht wurden. Vielmehr beginnt die Verjährung hinsichtlich des gesamten Ausgleichsanspruchs, sobald der ausgleichsberechtigte Gesamtschuldner die den Ausgleichsanspruch begründenden Umstände und die Person des anderen Gesamtschuldners kennt und seinen Ausgleichsanspruch mit Aussicht auf Erfolg im Wege der Feststellungsklage geltend machen kann.

Praxistipp: Wenn die Haftung im Außenverhältnis Gegenstand eines Rechtsstreits ist, muss der in Anspruch genommene Schuldner unter Umständen noch während des Prozesses verjährungshemmende Maßnahmen gegenüber potentiellen Mitschuldnern ergreifen, um bestehende Regressmöglichkeiten nicht zu verlieren.

Fälligkeit der Miete für Wohnraum
Urteil vom 5. Oktober 2016 – VIII ZR 222/15

Mit Fragen, die für fast jeden Wohnraummietvertrag von Bedeutung sind, befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die Klägerin hat an die Beklagten eine Wohnung vermietet. Nach dem Mietvertrag ist die Miete spätestens am dritten Werktag eines Monats im Voraus zu zahlen; für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es auf den Eingang des Geldes an. Die Beklagten zahlten über mehrere Monate hinweg die Miete jeweils am dritten Werktag bei der Deutschen Post AG ein und erteilten gleichzeitig einen Überweisungsauftrag. Die Klägerin machte geltend, das Geld sei ihrem Konto nicht rechtzeitig gutgeschrieben worden, und erklärte deshalb die fristlose Kündigung des Mietvertrags. Ihre Räumungsklage blieb in den beiden ersten Instanzen erfolglos.

Der BGH weist die Berufung der Klägerin zurück. Er sieht die Formularklausel über die Fälligkeit der Miete als unwirksam an, weil sie dem gesetzlichen Leitbild widerspricht. Nach § 556b Abs. 1 BGB ist die Miete bei monatlicher Zahlung zwar jeweils bis zum dritten Werktag eines Monats im Voraus zu zahlen. Bei Zahlung durch Überweisung ist aber nicht der Eingang auf dem Konto des Vermieters, sondern die Erteilung des Überweisungsauftrags maßgeblich. Die hiervon abweichende Klausel sieht der BGH jedenfalls deshalb als unwirksam an, weil sie bei der kundenfeindlichsten Auslegung dahin verstanden werden kann, dass der Mieter das Risiko einer durch den Zahlungsdienstleister verursachten Verzögerung trägt. Die Frage, ob dem Mieter formularmäßig auferlegt werden darf, die Überweisung so rechtzeitig zu veranlassen, dass bei normalem Verlauf mit einem rechtzeitigen Eingang beim Vermieter gerechnet werden darf, wird in der Entscheidung nicht ausdrücklich beantwortet, dürfte angesichts der vom BGH gewählten Begründung aber eher zu bejahen sein.

Praxistipp: In gewerblichen Mietverträgen darf dem Mieter das Risiko einer durch den Zahlungsdienstleister verursachten Verzögerung auch in Formularverträgen auferlegt werden.

Anfechtung einer Ergänzungsentscheidung über die Kosten
Beschluss vom 16. November 2016 – VII ZR 59/14

Mit einer nicht alltäglichen, aber dennoch interessanten prozessualen Frage befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Antragsteller hatte beantragt, einen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid auf ihn als neuen Gläubiger umzuschreiben. Das LG wies den Antrag zurück, die Beschwerde des Antragstellers blieb erfolglos. Später beantragte der Schuldner, den Beschluss des LG um eine Kostenentscheidung zu ergänzen. Das LG berichtigte daraufhin den Ausgangsbeschluss gemäß § 319 ZPO dahin, dass der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Das OLG wies die dagegen eingelegte Beschwerde des Antragstellers mit der Maßgabe zurück, dass die Beschlussergänzung auf § 321 ZPO beruhe, und ließ die Rechtsbeschwerde zu.

Der BGH verwirft die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Er knüpft an seine ständige Rechtsprechung an, wonach ein allein gegen eine Kostenentscheidung gerichtetes Rechtsmittel gemäß § 99 Abs. 1 ZPO auch dann unzulässig ist, wenn die Kostenentscheidung im Wege der Urteils- oder Beschlussergänzung gemäß § 321 ZPO ergangen ist. Die Ergänzungsentscheidung kann deshalb nur dann angefochten werden, wenn auch die Ausgangsentscheidung angefochten wurde und das diesbezügliche Verfahren noch anhängig ist. Die zuletzt genannte Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Deshalb ist die Rechtsbeschwerde nicht statthaft. Die vom OLG ausgesprochene Zulassung vermag hieran nichts zu ändern. Ihre Bindungswirkung beschränkt sich auf die Frage, ob ein Zulassungsgrund (grundsätzliche Bedeutung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) vorliegt.

Praxistipp: Um die Anfechtungsmöglichkeit zu wahren, müsste der Antragsteller noch während des Beschwerdeverfahrens gegen die Ausgangsentscheidung seinerseits eine Beschlussergänzung beantragen. Ob dies taktisch sinnvoll ist, hängt davon ab, wie wahrscheinlich ein späterer Ergänzungsantrag der Gegenseite erscheint.

Montagsblog: Neues vom BGH

In Anlehnung an die sog. Montagspost beim BGH berichtet der Montagsblog wöchentlich über ausgewählte aktuelle Entscheidungen.

Arglistiges Verschweigen eines Mangels durch einen von mehreren Verkäufern
Urteil vom 8. April 2016 – V ZR 150/15

Eine Streitfrage, die mit der Schuldrechtsmodernisierung aufgekommen war, hat der V. Zivilsenat entschieden.

Die Kläger hatten von den Beklagten, die damals die Scheidung ihrer Ehe betrieben, ein mit einem Wohnhaus bebautes Hanggrundstück unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung erworben. Später stellte sich heraus, dass eine Stützmauer nicht hinreichend standfest ist. Der beklagte Ehemann hatte dies gewusst, die beklagte Ehefrau nicht. Die auf Ersatz der Sanierungskosten gerichtete Klage hatte in der ersten Instanz gegenüber beiden Beklagten Erfolg. Das OLG wies die gegen die Ehefrau gerichtete Klage hingegen ab.

Der BGH verurteilt auch die Ehefrau zur Zahlung von Schadensersatz. Anspruchsgrundlage ist § 437 Nr. 3 i.V.m. § 280 BGB. Die Ehefrau hat fahrlässig gehandelt, weil sich das Anwesen ohne nähere Nachforschung übergeben hat. Entscheidend ist deshalb, ob sich die Ehefrau auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen kann oder ob sie daran gemäß § 444 Fall 1 BGB gehindert ist, weil der Ehemann den Mangel arglistig verschwiegen hat. Nach dem bis Ende 2001 geltenden Recht führte das arglistige Verschweigen eines Mangels durch einen von mehreren Verkäufern nach der Rechtsprechung des BGH dazu, dass alle Verkäufer gem. § 476 BGB aF gehindert waren, sich auf einen vereinbarten Haftungsausschluss zu berufen. Dies hatte jedoch nur zur Folge, dass alle Verkäufer Wandlung und Minderung schuldeten. Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 463 BGB aF – der das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft oder das arglistige Verschweigen eines Mangels voraussetzte – stand dem Käufer hingegen nur gegenüber dem arglistig handelnden Verkäufer zu. Diese Differenzierungsmöglichkeit ist mit der Schuldrechtsmodernisierung entfallen, weil jeder Verkäufer schon bei Fahrlässigkeit auf Schadensersatz haftet. Deshalb war in Literatur und Rechtsprechung Streit darüber entstanden, ob § 444 Fall 1 BGB in gleicher Weise auszulegen ist wie §476 BGB aF – mit der Folge, dass auch der nur fahrlässig handelnde Verkäufer trotz des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses zum Schadensersatz verpflichtet ist – oder ob ein solcher Verkäufer insgesamt von Gewährleistungsansprüchen verschont bleibt. Der BGH entscheidet diesen Streit zugunsten der zuerst genannten Auffassung. Die Gegenauffassung würde nach seiner Ansicht zu einer zu weitgehenden Beschränkung der Rechte des Käufers führen.

Praxistipp: Ein Käufer, der trotz eines wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschlusses Rechte wegen eines Mangels der Kaufsache geltend machen will, kann sich darauf beschränken, einem der Verkäufer das arglistige Verschweigen eines Mangels nachzuweisen.

Umkehr der Beweislast bei grobem Behandlungsfehler eines Tierarzts
Beschluss vom 10. Mai 2016 – VI ZR 247/15

Eine höchstrichterlich bislang noch nicht abschließend geklärte Frage zur Haftung von Tierärzten hat der XII. Zivilsenat entschieden.

Die Klägerin nahm den Beklagten wegen fehlerhafter tierärztlicher Behandlung eines Pferdes auf Schadensersatz in Höhe von rund 100.000 Euro in Anspruch. LG und OLG bejahten die Haftung des Beklagten dem Grunde nach. Zwar sei nicht aufzuklären, ob die fehlerhafte Behandlung durch den Beklagten kausal für die aufgetretenen, zum Tod des Pferdes führenden Komplikationen gewesen sei. Die Beweislast dafür liege aber beim Beklagten, weil diesem ein Befunderhebungsfehler unterlaufen sei.

Der BGH weist die Revision des beklagten Tierarztes zurück. Anders als das OLG hält er die für den Bereich der Humanmedizin entwickelten Grundsätze zur Beweislastumkehr im Falle von groben Behandlungsfehlern sowie bestimmten Befunderhebungsfehlern nicht nur in Einzelfällen, sondern generell auch im Bereich der Tiermedizin für anwendbar. Dass der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (nur) für den Bereich der Humanmedizin in §§ 630a ff. BGB kodifiziert hat, steht ausweislich der Gesetzesmaterialien ihrer Übertragung auf den Tierarzt nicht entgegen.

Praxistipp: Frühere Entscheidungen von Instanzgerichten, die eine Beweislastumkehr im Bereich der Tiermedizin verneint oder an strengere Voraussetzungen geknüpft haben, sind mit der Entscheidung des BGH obsolet.