Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die formellen Anforderungen an einen Pflichtteilsverzicht.

Keine Vertretung des Erblassers bei Pflichtteilsverzicht
BGH, Urteil vom 20. November 2024 – IV ZR 263/23

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit den Folgen eines Verstoßes gegen § 2347 Satz 1 BGB.

Die Klägerin nimmt den beklagten Notar wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch.

Der verstorbene Vater der Klägerin war Eigentümer eines Hofs im Sinne der Höfeordnung. Im Dezember 2005 setzte er die Klägerin als Hofes- und Alleinerbin ein. Im Februar 2006 beurkundete der Beklagte einen Vertrag, in dem die Schwester der Klägerin gegenüber dem Vater auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht und gegenüber der Klägerin und dem Vater auf die Geltendmachung von Abfindungsansprüchen aus § 12 der Höfeordnung verzichtete. Im Gegenzug verpflichtete sich die Klägerin gegenüber ihrer Schwester zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 30.000 Euro. Der Erblasser war bei der Beurkundung durch eine Mitarbeiterin des Beklagten vollmachtlos vertreten. Er genehmigte die Vereinbarung später mit einer vom Beklagten beglaubigten Unterschrift.

Nach dem Tod des Erblassers im Jahr 2020 machte die Schwester der Klägerin Pflichtteilsansprüche geltend. Die Klägerin begehrt deshalb die Feststellung, dass der Beklagte den Schaden zu ersetzen hat, dass die beurkundeten Verzichtserklärungen unwirksam sind.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die begehrte Feststellung ausgesprochen.

Die Revision des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Zu Recht ist das OLG davon ausgegangen, dass der Beklagte seine Amtspflichten verletzt hat, weil er die Regelung in § 2347 Satz 1 BGB (damals noch: § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.) übersehen hat, wonach der Erblasser einen Vertrag über den Verzicht auf ein gesetzliches Erbrecht oder einen Pflichtteil nur persönlich schließen kann. Der Beklagte hätte darauf hinwirken müssen, dass der Erblasser persönlich an der Beurkundung des Vertrags teilnimmt oder dass die beiden Töchter ein notarielles Angebot unter Abwesenden abgeben, das der Vater durch notarielle Erklärung annimmt. Diese Amtspflicht bestand auch gegenüber der Klägerin, weil diese von dem Pflichtteilsverzicht begünstigt war.

Zu Recht hat das OLG einen Schaden der Klägerin bejaht, für den sie nicht anderweitig Ersatz erlangen kann.

Der entgegen § 2347 Satz 1 BGB durch eine Vertreterin des Erblassers geschlossene Vertrag konnte durch die Genehmigung des Erblassers nicht wirksam werden. Ob sich aus dem Vertrag zumindest eine Pflicht zum Verzicht auf das Pflichtteilsrecht ergibt, bedarf keiner Entscheidung, weil eine Erfüllung dieser Pflicht nur vor dem Tod des Vaters möglich war.

Eine ergänzende Auslegung des Vertrags dahin, dass sich die Schwester der Klägerin dieser gegenüber verpflichtet hat, nach dem Erbfall keine Pflichtteilsansprüche geltend zu machen (was nach § 311b Abs. 5 BGB zulässig wäre), scheidet aus, weil der Verzicht auf den Pflichtteil nur gegenüber dem Vater erklärt wurde.

Der Verzicht auf Ansprüche aus der Höfeordnung ist ebenfalls unwirksam, weil der vereinbarte Abfindungsanspruch sowohl diesen Verzicht als auch den Pflichtteilsverzicht abgelten sollte und die beiden Verzichtserklärungen deshalb in untrennbarem Zusammenhang stehen.

Der Ersatzanspruch ist nicht verjährt. Er ist erst mit dem Erbfall entstanden, weil zu diesem Zeitpunkt der relevante Vermögensschaden eintrat, nämlich der Anfall eines um den Pflichtteilsanspruch geminderten Erbschaft.

Praxistipp: Eine Erklärung durch den Erblasser persönlich schreibt das Gesetz auch für Testamente (§ 2064 BGB) sowie für Erbverträge (§ 2274 BGB) und deren Aufhebung (§ 2290 Abs. 2 BGB) vor.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Auskunftspflicht eines Rechtsanwalts und Notars als Ehegatte im Zusammenhang mit Ansprüchen auf Zugewinnausgleich.

Auskunftserteilung und Belegvorlage in Zugewinnausgleichsverfahren
BGH, Beschluss vom 25. September 2024 – XII ZB 508/23

Der XII. Zivilsenat befasst sich mit der Reichweite der Verpflichtung aus § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Beteiligten sind seit 2010 verheiratet und streben die Scheidung der Ehe an. Im Verbundverfahren machen sie im Wege von Stufenanträgen wechselseitig Ansprüche auf Zugewinnausgleich geltend. Maßgeblicher Stichtag ist der 1.9.2018. Der Ehemann ist selbständiger Rechtsanwalt. Seit 2014 ist er zusätzlich als Notar tätig. Die Ehefrau begehrt umfangreiche Auskünfte zum Gewinn und zu den Vermögensverhältnissen seiner Kanzlei.

Das AG hat den Ehemann unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge verpflichtet, die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG bezüglich seiner Kanzlei für das Jahr 2018 vorzulegen. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das OLG den Ehemann darüber hinaus verpflichtet, Auskunft über die offenen Forderungen, die am 1.9.2018 zu seinen Gunsten in der Kanzlei bestanden, und über den Sachwert des Notariats durch Angabe der wertbildenden Faktoren einschließlich der am 1.9.2018 offenen Forderungen des Notariats zu erteilen sowie die Auskünfte stichtagsbezogen durch Vorlage vollständiger Listen der offenen Forderungen zu belegen.

Die Rechtsbeschwerde des Ehemanns bleibt ohne Erfolg.

Nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB können Ehegatten nach Stellung eines Scheidungsantrags wechselseitig Auskunft über das für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens maßgebliche Vermögen verlangen. Die Pflicht zur Auskunftserteilung entfällt nur dann, wenn sich die Auskunft unter keinen denkbaren Umständen auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs auswirken kann.

Bei der Bewertung einer freiberuflichen Praxis sind ihr Substanzwert und der übertragbare Teil ihres ideellen Werts (Goodwill) zu berücksichtigen. Der Substanzwert wird auch durch die offenen Forderungen für bereits geleistete Arbeiten bestimmt. Dies reicht aus, um eine Auskunftspflicht zu bejahen – unabhängig davon, mit welchem Betrag die Forderungen letztlich bei der Wertermittlung zu berücksichtigen sind.

Ob ein Notariat einen veräußerbaren ideellen Wert hat, obwohl der Notar Träger eines öffentlichen Amtes ist und dieses nicht veräußern kann, ist in der Literatur umstritten. Der BGH lässt die Frage offen. Jedenfalls die offenen Forderungen eines Notars sind veräußerbare Vermögensgegenstände, die den Sachwert des Notariats mitbestimmen.

Der Ehemann ist auch dann zur Auskunft über offene Forderungen verpflichtet, wenn er in Kanzlei und Notariat keine diesbezüglichen Listen führt. Er muss ein solches Verzeichnis gegebenenfalls zum Zwecke der Auskunft erstellen. Solche Listen sind entgegen der Auffassung des OLG keine Belege im Sinne von § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern Bestandsverzeichnisse im Sinne von § 260 Abs. 1 BGB.

Praxistipp: Die Pflicht zur Vorlage von Belegen gemäß § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB bezieht sich lediglich auf vorhandene Unterlagen, nicht hingegen auf die Erstellung von Unterlagen durch eigene schöpferische Leistung.

Anwaltsblog 34/2024: Einsatz vollmachtloser Vertreter bei Beurkundungen

Nach § 17a Abs. 2a Nr. 1 BeurkG soll der Notar bei Verbraucherverträgen darauf hinwirken, dass die rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Verbrauchers von diesem persönlich oder durch eine Vertrauensperson vor dem Notar abgegeben werden. Ob es damit vereinbar ist, wenn bei Verträgen unter Beteiligung von Kommunen für diese auf deren Wunsch Mitarbeiter des Notars als vollmachtlose Vertreter auftreten, hatte der Notarsenat des BGH zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2024 – NotSt (Brfg) 3/23):

 

Eine Anwaltsnotarin in Rheine beurkundete von Oktober 2019 bis Mai 2021 fünf Grundstückskaufverträge, bei denen für die Stadt Rheine als Verkäuferin jeweils eine Mitarbeiterin der Notarin als vollmachtlose Vertreterin auftrat. Im Dezember 2020 beurkundete sie einen Kaufvertrag über Teileigentum, wobei für die Stadt Rheine als Käuferin eine Mitarbeiterin der Klägerin als vollmachtlose Vertreterin auftrat. Die Stadt Rheine hatte zuvor jeweils um diese Verfahrensweise gebeten. In allen Fällen lag vor der Beurkundung mindestens ein Vertragsentwurf vor. Der Landgerichtspräsident  leitete ein Disziplinarverfahren ein, mit dem er der Notarin vorwarf, durch den systematischen Einsatz eines vollmachtlosen Vertreters auf Seiten der Stadt Rheine gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Gestaltung des Beurkundungsverfahrens (§ 17 Abs. 1 BeurkG, § 14 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 BNotO) verstoßen zu haben, und verhängte eine Geldbuße. Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage der Notarin hatte Erfolg. Nach Auffassung des OLG verstieß der jeweilige Einsatz einer Mitarbeiterin als vollmachtlose Vertreterin der Stadt Rheine nicht gegen die Amtspflichten eines Notars.

Der Antrag des Landgerichtspräsidenten auf Zulassung der Berufung wird vom BGH, der in Disziplinarsachen gegen Notare Berufungsinstanz ist, abgelehnt. Der Notar hat nicht eine Partei zu vertreten, sondern die Beteiligten unabhängig und unparteiisch zu betreuen (§ 14 Abs. 1 BNotO). Er hat jedes Verhalten zu vermeiden, das den Anschein eines Verstoßes gegen seine Amtspflichten erzeugt, insbesondere durch den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit (§ 14 Abs. 3 BNotO). Im Beurkundungsverfahren soll der Notar den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Dabei soll er darauf achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden (§ 17 Abs. 1 BeurkG). Das Beurkundungsverfahren ist entsprechend zu gestalten, weshalb der Notar bei Verbraucherverträgen darauf hinwirken soll, dass die rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Verbrauchers von diesem persönlich oder durch eine Vertrauensperson vor dem Notar abgegeben werden.

Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass das OLG die von der Notarin in sechs Fällen vorgenommene Beurkundung unter Einsatz einer eigenen Mitarbeiterin als vollmachtloser Vertreterin der Stadt Rheine nicht als Dienstvergehen gewertet hat. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass bei den Verträgen die Stadt, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, beteiligt war. Gegen die ihr gegenüber der Stadt Rheine obliegende Schutzpflicht hat die Notarin nicht verstoßen. Die Stadt hat ihre vollmachtlose Vertretung durch einen Mitarbeiter der Klägerin selbst beantragt und im Vorfeld des Beurkundungstermins jeweils einen Vertragsentwurf zur Prüfung erhalten. Im Unterschied zum schutzbedürftigen Verbraucher ist sie als geschäftserfahrene Kommune in der Regel nicht belehrungsbedürftig.

Anders als der Landgerichtspräsident meint, hat die Notarin nicht dadurch den Anschein der Abhängigkeit von oder der Parteilichkeit zugunsten der Stadt Rheine erweckt, dass sie dieser planmäßig ihre eigenen Mitarbeiter als vollmachtlose Vertreter zur Verfügung gestellt und damit eine kostenlose Serviceleistung erbracht habe. Dieser Vorwurf erscheint angesichts der absoluten Zahl der fraglichen Beurkundungsvorgänge – sechs über einen Zeitraum von rund 18 Monaten – fernliegend. Im Übrigen hatte die Stadt die Bestimmung des beurkundenden Notars in allen Fällen ihren Vertragspartnern überlassen, so dass die Beauftragung der Klägerin nicht etwa von einem durch eine „kostenlose Serviceleistung“ erkauften Wohlwollen der Stadt, sondern von der Auswahlentscheidung von deren Vertragspartnern abhing.

 

Anmerkung: Bei Mitarbeitern des Urkundsnotars handelt es nicht um Vertrauenspersonen von Verbrauchern iSd. § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 Fall 2 BeurkG. Vertrauensperson kann nur sein, wer als Interessenvertreter des Verbrauchers handelt. Deshalb kommt ein zur Neutralität Verpflichteter nicht als Vertrauensperson in Betracht. Der Zweck des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG steht daher der Annahme entgegen, Mitarbeiter des Notars könnten Vertrauenspersonen eines Urkundsbeteiligten sein.

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Tätigkeitspflicht eines Notars.

Urkundsgewährungspflicht bei Nachlassverzeichnis
BGH, Beschluss vom 19. Juni 2024 – IV ZB 13/23

Der IV. Zivilsenat befasst sich mit den Voraussetzungen für die Verweigerung der Amtstätigkeit durch einen Notar.

Die Beschwerdeführerin war als Alleinerbin ihres im März 2020 verstorbenen Lebensgefährten gerichtlich zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt worden. Im Februar 2021 beauftragte sie einen Notar mit der Aufnahme des Verzeichnisses. Die Beschwerdeführerin reichte angeforderte Unterlagen ein, äußerte jedoch ihre Unsicherheit hinsichtlich der Verlässlichkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben. Zu Schenkungen und Zuwendungen des Erblassers konnte sie nahezu keine Angaben machen.

Im Juni 2022 lehnte der Notar die Aufnahme des Verzeichnisses mit der Begründung ab, er sei nicht in der Lage, ein den hohen Anforderungen der Rechtsprechung genügendes Nachlassverzeichnis aufzunehmen, zumal die Beschwerdeführerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkomme.

Die auf der Grundlage von § 15 Abs. 2 BNotO eingelegte Beschwerde der Erbin gegen die vom Notar ausgesprochene Weigerung ist erfolglos geblieben (LG Bad Kreuznach, B. v. 20.4.2023 – 4 OH 11/22, NotBZ 2024, 15).

Der BGH weist den Notar an, ein Verzeichnis über den Nachlass des Erblassers aufzunehmen.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO darf ein Notar seine Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern. Ein ausreichender Grund in diesem Sinne liegt vor, wenn der in Rede stehenden Tätigkeit ein gesetzliches Verbot entgegensteht, wenn sich besondere gesetzliche Regelungen dem Notar einen Entscheidungsspielraum einräumen oder wenn die Tätigkeit mit der Stellung des Notars als Organ der vorsorgenden Rechtspflege nicht vereinbar ist. An die Bejahung der zuletzt genannten Voraussetzung sind hohe Anforderungen zu stellen.

Entgegen der Auffassung des LG darf ein Notar die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses auch dann nicht gemäß § 14 Abs. 2 BNotO wegen Unvereinbarkeit mit Amtspflichten verweigern, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Verzeichnis trotz aller gebotenen Nachforschungen nicht vollständig ist.

Ein Notar hat bei der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde. Er darf und muss hierbei auf Wissen des Erben zurückgreifen. Die Erstellung eines Verzeichnisses auf der Grundlage der gebotenen Nachforschungen ist auch dann nicht amtspflichtwidrig, wenn Unklarheiten verbleiben. Der Notar muss gegebenenfalls verbliebene Zweifel im Verzeichnis zum Ausdruck bringen. Er darf die Erstellung aber nicht verweigern – unabhängig vom erforderlichen Zeitaufwand.

Der BGH lässt offen, ob dem Notar in Ausnahmefällen ein Ermessen zusteht. Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier jedenfalls nicht vor.

Der BGH zeigt ferner auf, dass der Notar seine Nachforschungspflicht im Streitfall nicht vollständig erfüllt hat. Angesichts der von der Erbin geäußerten Unsicherheit hat er Nachforschungen zu Zeitpunkt und Höhe etwaiger Schenkungen durch Einsichtnahme in die Kontoauszüge aus den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall anzustellen. Soweit die Erbin diese Unterlagen nicht beibringen kann, muss er sie anhalten, Auskunftsansprüche gegenüber Geldinstituten geltend zu machen, oder selbst Anfragen an diese Institute richten. Darüber hinaus muss der Notar Dritte befragen, die als Empfänger von Schenkungen und ausgleichspflichtigen Zuwendungen des Erblassers in Frage kommen.

Praxistipp: Bei einer erfolgreichen Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO dürfen dem Notar keine Kosten auferlegt werden, weil dieser in solchen Verfahren weder Beteiligter im Sinne von § 81 Abs. 1 Satz 1 noch Dritter im Sinn von § 81 Abs. 4 FamFG ist, sondern die erste Instanz der vorsorgenden Rechtspflege (BVerfG, B. v. 7.2.2013 – 1 BvR 639/12, NJW 2013, 1588, juris Rn. 19). Der Beschwerdeführer hat deshalb seine außergerichtlichen Kosten auch im Erfolgsfall selbst zu tragen. Das Gericht kann aber gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG anordnen, dass das Rechtsmittelverfahren gerichtskostenfrei ist.

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Diese Woche geht es um das Verhältnis zwischen der Verschwiegenheitspflicht eines Notars und dem Akteieinsichtsrecht von Beteiligten.

Einsicht in die Nebenakte eines Notars
BGH, Beschluss vom 11. Januar 2024 – V ZB 63/22

Der V. Zivilsenat beantwortet eine bislang offen gelassene Frage.

Die Beteiligten sind Geschwister und Erben ihrer im Jahr 2016 verstorbenen Mutter. Rund zwei Monate vor ihrem Tod hatte die Erblasserin der Beteiligten zu 2 in einem notariellen Vertrag eine Eigentumswohnung geschenkt. Der Beteiligte zu 1 macht in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht geltend, der Vertrag sei wegen Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin unwirksam. Das Landgericht hat beschlossen, das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einzuholen. Die beiden Beteiligten und die Präsidentin des Landgerichts (als zuständige Aufsichtsbehörde anstelle der verstorbenen Mutter, § 18 Abs. 2 BNotO) haben den beurkundenden Notar von seiner Verschwiegenheitspflicht befreit.

Der Notar hat einen Antrag des Beteiligten zu 1 auf Einsicht in die Nebenakte dennoch abgelehnt. Ergänzend hat er erklärt, in der Nebenakte finde sich zur Frage der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin lediglich der handschriftliche Vermerk „voll geschäftsfähig“. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Versagung der Akteneinsicht ist erfolglos geblieben.

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 hat ebenfalls keinen Erfolg.

Nach § 51 Abs. 3 BeurkG können die an einer Beurkundung beteiligten Personen vom Notar die Einsicht in die Urschrift verlangen. Ein Einsichtsrecht in die nicht zur Urkundensammlung gehörenden Unterlagen, die gemäß § 40 NotAktVV in der Nebenakte abzulegen und aufzubewahren sind, besteht hingegen nicht.

Der Inhalt der Nebenakte unterliegt der in § 18 Abs. 1 BNotO Pflicht des Notars zur Amtsverschwiegenheit. Ist der Notar von dieser Pflicht befreit worden, so ist er berechtigt, aber nicht verpflichtet, Einsicht in die Nebenakte oder einzelne Bestandteile davon zu gewähren. Die Entscheidung darüber obliegt seinem pflichtgemäßen Ermessen.

Im Streitfall ist die Entscheidung des Notars, die Einsicht zu verweigern, weil die Nebenakten außer dem Vermerk „voll geschäftsfähig“ keine Unterlagen zur Geschäftsfähigkeit der Erblasserin enthalten, nicht zu beanstanden. Der Beteiligte zu 1 hat keinen Anspruch darauf, die Nebenakten nach Unterlagen zu durchsuchen, die möglicherweise doch relevant sind.

Praxistipp: Wenn der Notar von der Verschwiegenheitspflicht befreit wurde, ist er gemäß § 385 Abs. 2 ZPO nicht mehr zur Zeugnisverweigerung berechtigt.

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Diese Woche geht es um die Verjährung von Amtshaftungsansprüchen gegen Notare.

Verjährung des notariellen Amtshaftungsanspruchs
Urteil vom 10. Oktober 2019 – III ZR 227/18

Mit der Frage, wann ein Laie die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis von einer notariellen Pflichtverletzung hat, befasst sich der III. Zivilsenat.

Der Kläger hatte Ende 2006 eine Eigentumswohnung erworben. Im notariellen Vertrag, den der Beklagte als Notarvertreter beurkundet hat, ist vermerkt, der Käufer habe den Vertragsentwurf mehr als zwei Wochen zuvor erhalten und ausreichend Gelegenheit gehabt, ihn zu prüfen oder überprüfen zu lassen. Später betrieb der Kläger die Rückabwicklung der Verträge, weil er den Kaufpreis als überteuert ansah. Sein Versuch, die an dem Geschäft Beteiligten in Anspruch zu nehmen, schlug fehl, unter anderem wegen Insolvenz der als Schuldner in Frage kommenden Gesellschaften. Daraufhin nahm der Kläger Ende 2016 den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, weil ihm der Vertragsentwurf entgegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG und abweichend von den Angaben im Vertrag erst kurz vor dem Beurkundungstermin zur Verfügung gestellt worden sei. Die Klage blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Die Revision des Klägers bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass die geltend gemachten Ansprüche verjährt sind. Er knüpft an seine schon zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. ergangene Rechtsprechung an, wonach die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis vom Bestehen des Anspruchs bereits dann vorliegt, wenn dem Gläubiger Tatsachen bekannt oder infolge von grober Fahrlässigkeit unbekannt sind, die aus seiner Sicht auf eine Pflichtverletzung hinweisen. Abweichend von der Auffassung der Revision sieht der erkennende Senat insoweit keine Unterschiede zwischen der Rechtsprechung für Notar-, Anwalt- und Arzthaftungssachen. Im Streitfall ergaben sich für den Kläger hinreichende Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des Beklagten schon aus dem Umstand, dass die im beurkundeten Vertrag enthaltenen Angaben zur Überlassung des Vertragsentwurfs nach seinem eigenen Vortrag objektiv unzutreffend waren und damit gegebenenfalls auch für einen Laien ohne weiteres erkennbar war, dass der Beklagte möglicherweise gegen rechtliche Vorgaben verstieß. Die Verjährung begann deshalb, sobald der Kläger zusätzlich Kenntnis davon erhielt, dass keine anderweitigen Ersatzmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Letzteres war spätestens im Jahr 2012 der Fall. Die im Jahr 2016 erhobene Klage konnte die Verjährung deshalb nicht mehr hemmen.

Praxistipp: Etwas anderes kann gelten, wenn der Notar den Geschädigten über den Inhalt oder Umfang der ihn treffenden Pflichten unzutreffend belehrt hat und für den Geschädigten nicht ohne weiteres ersichtlich ist, dass die Belehrung fehlerhaft ist.