Country by Country Reporting im Aufsichtsrat?

Bisher hatte die internationale Ertragsteuerstransparenz – das so genannte Country bei Country Reporting – im Pflichtenprogramm des Aufsichtsrats großer Unternehmen ebenso wenig einen besondere Platz wie die generelle Erfüllung der Steuerpflichten des Unternehmens. Nach dem im Dezember 2022 vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2021/2101 (BT-Drucks. 20/5653 – Vorabfassung), der am 15.3.2023 in der ersten Lesung im Bundestag behandelt werden soll, soll sich dies ändern. Auf die Geschäftsleitung von international tätigen Unternehmen mit Sitz in Deutschland, die über ausländische Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften einem Umsatz von über 750 Mio. € erzielen, kommt die Pflicht zur öffentlichen Berichterstattung im Sinne eines public Country bei Country Reporting zu. Durch die offengelegte Information über die in den einzelnen Ländern, in denen das Unternehmen durch Zweigniederlassungen oder durch seine Tochtergesellschaften tätig ist, gezahlten Steuern soll eine öffentliche Kontrolle dieser Steuerinformationen ermöglicht und letztlich die Steuerflucht bekämpft werden. Der neue von den Unternehmen jährlich zu erstellende Ertragsteuerinformationsbericht geht über die bereits heute bestehende steuerliche Angabepflicht dieser Unternehmen gegenüber der Finanzbehörde nach § 138a AO zum Country bei Country Reporting hinaus.

Der entsprechende Bericht soll von der Geschäftsleitung (Vorstand/Geschäftsführung) dem Aufsichtsrat unverzüglich nach der Erstellung ebenso zur Prüfung vorgelegt werden wie der Jahresabschluss und der Lagebericht bzw. bei Mutterunternehmen auch der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht (s. §§ 170, 171, 283 AktG-E und Begr. RegE, BT-Drucks. 20/5653, 66 – Vorabfassung). Die neue Prüfungspflicht des Aufsichtsrats lässt seine generelle Überwachungsaufgabe hinsichtlich der Geschäftsführung nach in § 111 Abs. 1 AktG außer Betracht, die die Überwachung der Beachtung der einschlägigen Gesetze durch das Unternehmen (Legalitätspflicht) einschließt. Soweit über den allgemeinen Überwachungsauftrag des Aufsichtsrats hinaus neue besondere Kontroll- und Überwachungspflichten begründet werden sollen, bedarf es dazu eines sachlichen Grundes. Dieser ist hinsichtlich des Ertragsteuerinformationsberichts nicht erkennbar. Ebenso wenig ist ersichtlich, weshalb die Prüfung des Berichts zwingend im Aufsichtsratsplenum stattfinden soll und nicht an einen Aufsichtsratsausschuss zur Erledigung delegiert werden darf. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, welchen besonderen Beitrag die Aufsichtsratsmitglieder, die in der Regel über keine besondere Kompetenz in Steuerfragen verfügen (und auch nicht verfügen müssen), bei der Prüfung des Ertragsteuerinformationsberichts beisteuern können, zumal sowohl in der Richtlinie wie auch im Gesetzentwurf eine inhaltliche Prüfung des Berichts durch den Abschlussprüfer, auf die der Aufsichtsrat zur Erledigung seiner Prüfung zurückgreifen könnte, ausdrücklich nicht vorgesehen ist. In der EU-Richtlinie 2021/2104 ist eine ausdrückliche Anordnung zur speziellen Prüfung des Berichts durch den Aufsichtsrat nicht enthalten. Vielmehr reicht es danach aus, dass die Erstellung und Offenlegung des Berichts durch den Vorstand der allgemeinen Überwachungspflicht des Aufsichtsrats im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeiten unterliegt.

Die Aufgaben des Aufsichtsrats sind in den letzten Jahrzehnten sowohl durch die tatsächliche Entwicklung aber auch durch Entscheidungen des europäischen oder nationalen Gesetzgebers stetig gewachsen. Vor diesem Hintergrund ist im Sinne einer schonenden Richtlinienumsetzung Zurückhaltung geboten, dem Aufsichtsrat zusätzliche, besondere obligatorische Prüfungsaufgaben zuzuweisen, die in der EU-Richtlinie so nicht vorgesehen sind. Erst recht erscheint es nicht nachvollziehbar, wenn stillschweigend erwartet würde, dass der Aufsichtsrat aus eigner Initiative und Verantwortung die vom Gesetzgeber nicht für erforderlich gehaltene inhaltliche Prüfung des Ertragsteuerinformationsberichts durch den Abschlussprüfer zusätzlich in Auftrag gibt, um seiner Prüfungspflicht nachkommen zu können. Im Sinne guter Corporate Governance muss es vielmehr gerade das Ziel sein, den Aufsichtsrat vor Überlastung durch ein überbordendes Programm von Pflichtaufgaben zu bewahren, um ihm die effektive Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe hinsichtlich der grundlegenden Fragen der Unternehmensführung durch den Vorstand sowie der strategischen Fragen zu ermöglichen. Hinsichtlich des public Country bei Country Reporting genügt es, wenn die Pflicht zur Erstellung des Ertragsteuerinformationsberichts der allgemeinen Überwachung des Aufsichtsrats unterliegt, was durch die Vorschrift von § 111 Abs. 1 AktG bereits heute gewährleistet ist.

Inkongruente Gewinnverwendung und inkongruente Ausschüttung

Erfreulicherweise räumt die Finanzrechtsprechung und insbesondere die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs den Gesellschaftern einer GmbH großen Gestaltungsspielraum – mit steuerlicher Wirkung – sowohl bei der Gewinnverwendung als auch bei der Gewinnausschüttung ein. Mit Urteil vom 28.9.2021 (BFH v. 28.9.2021 – VIII R 25/19, GmbHR 2022, 140 m. Anm. Binnewies) hat der BFH erstmals die inkongruente Gewinnverwendung steuerrechtlich anerkannt. Im Rahmen der Gewinnverwendung haben die Gesellschafter einer GmbH damit die Freiheit zu entscheiden, dass nur die Gewinnanteile einzelner Gesellschafter zur Ausschüttung zur Verfügung gestellt werden und Gewinnanteile anderer Gesellschafter in gesellschafterbezogene Gewinnrücklagen eingestellt werden. Beispiel: A und B sind zu jeweils 50 % an der C-GmbH beteiligt. Im Rahmen der Gewinnverwendung wird beschlossen, dass 50 % des Gewinns in eine personenbezogene Gewinnrücklage des A eingestellt werden. 50 % des Gewinns werden zur Ausschüttung zur Verfügung gestellt und im Anschluss inkongruent an B ausgeschüttet. Durch diese Gestaltung wird eine Verschiebung von Gewinnen zwischen A und B ausgeschlossen, sodass keine schenkungssteuerlichen Fragen aufgeworfen werden. Eine endgültige Vermögensverschiebung zwischen A und B auf der Gesellschafterebene findet nicht statt. 50 % des Gewinns sind für A in dessen Gewinnrücklage thesauriert. Die anderen 50 % sind an B ausgekehrt. Die Einstellung von 50 % des Gewinns in die personenbezogene Gewinnrücklage für A löst bei A noch keinen Zufluss aus. A erzielt keine Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form einer Dividende, solange die personenbezogene Rücklage nicht aufgelöst und ihre Auskehrung an A beschlossen wird. Erst dann entsteht nach § 29 GmbHG ein Anspruch auf Auszahlung.

Von der inkongruenten Gewinnverwendung ist die inkongruente Ausschüttung zu unterscheiden. Nach der Frage, ob der Gewinn ganz oder anteilig thesauriert in die allgemeine oder personenbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, schließt sich bezüglich des Gewinns, der zur Ausschüttung zur Verfügung gestellt wird, die Frage an, ob der zur Ausschüttung bereitgestellte Gewinn kongruent, d.h. entsprechend der Beteiligungen am Nennkapital, oder inkongruent an einzelne Gesellschafter, d.h. abweichend von ihrer Beteiligung am Nennkapital, ausgeschüttet wird. Mit Urteil vom 28.9.2022 (BFH v. 28.9.2022 – VIII R 20/20, GmbHR 2023, 127 m. Anm. Obser) hat der BFH einmal mehr bestätigt, dass auch die inkongruente Gewinnausschüttung steuerrechtlich anzuerkennen ist. Dies hatte der BFH erstmals im Jahr 1998 entschieden und danach mehrfach wiederholt ausgesprochen. Besonderheit dieser Entscheidung ist, dass dies auch im Rahmen von satzungsdurchbrechenden Beschlüssen möglich ist. Grundsätzlich setzen sowohl die inkongruente Gewinnverwendung als auch die inkongruente Gewinnausschüttung eine entsprechende Satzungsklausel in der Satzung einer GmbH voraus. Wird aber mit satzungsändernder Mehrheit ein Beschluss gefasst, der sich in der Wirkung des konkreten Beschlusses erschöpft und keine dauerhafte Abänderung der Satzung herbeiführen soll, geht die ganz herrschende Auffassung im Gesellschaftsrecht davon aus, dass ein solcher Beschluss zivilrechtlich wirksam ist. In dem dem Urteil des BFH zugrunde liegenden Fall war sogar einstimmig beschlossen worden. Diese zivilrechtliche Anerkennung von satzungsdurchbrechenden Beschlüssen zeichnet der BFH nunmehr steuerrechtlich nach. Moderne Satzungen einer GmbH sollten gleichwohl sowohl für die inkongruente Gewinnverwendung als auch für die inkongruente Ausschüttung eine entsprechende Eröffnungsklausel in der Satzung vorsehen. Insgesamt ist diese Entwicklung in der Rechtsprechung des BFH ausgesprochen praxisfreundlich und eröffnet sinnvolle Gestaltungsspielräume.

Aufsichtsratsvergütung und Umsatzsteuer – jetzt doch nur scheinbar geklärt?

Mit Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19 und V R 62/17) hatte der Bundesfinanzhof (BFH) unter anderem entschieden, dass Mitglieder des Aufsichtsrats hinsichtlich der Umsatzsteuererstattungen durch die Aktiengesellschaften nicht mehr als Unternehmer anzusehen seien. Die dadurch sich in der Praxis stellenden Fragen, insbesondere zu Übergangsregelungen, hatte das Bundesfinanzministerium (BMF) Mitte letzten Jahres dann geklärt – siehe BMF-Schreiben vom 8.7.2021 – III C 2 – S 7104/19/10001:003. Tragender Grund für die Versagung der Umsatzsteuer durch BFH wie BMF war das fehlende Unternehmer- bzw. Vergütungsrisiko der Aufsichtsratsmitglieder.

Die Praxis hat sich damit – roma locuta, causa finita – mittlerweile eingerichtet. Doch die schöne neue Weltordnung des V. Senats ist nun mit einem neuen Urteil zur Geschäftsführerhaftung des VI. Senats des BFH (Urteil vom 8.3.2022 – VI R 19/20) überraschend ins Wanken gebracht. Denn für diesen sind Aufwendungen für eine Haftungsinanspruchnahme unzweifelhaft lohn- und einkommensteuerlich Werbungskosten.

Geht man mit dieser (an sich überzeugenden) Einwertung zurück zur Aufsichtsratstätigkeit bzw. Vergütung, zeichnet sich mit Blick auf die latente Organhaftung aus § 116 AktG ein neues Bild. Da die Umsatzsteuerbarkeit von Aufsichtsratsvergütung aber nicht davon abhängen kann, ob man in/für ein Geschäftsjahr in Regress genommen wird, könnte die neue Entscheidung des VI. Sentas unseres Erachtens dafür sprechen, die Überlegungen des V. Senats, dem das aktienrechtliche Haftungsregime damals (noch?) nicht ausreichte, neu zu hinterfragen. Kurzum, die Diskussion ist hiermit eröffnet.

Zu Aufsichtsratsvergütung und Umsatzsteuer vgl. Mutter, AG 2019, R263; Vobbe/Stelzer, AG 2022, 519. Zum Urteil des BFH v. 8.3.2022 – VI R 19/20 vgl. Binnewies/Hischer, AG 2022, 771.

Die Option zur Körperschaftsteuer für Personengesellschaften eröffnet neue Gestaltungsmöglichkeiten

Am 25.06.2021 hat nun auch der Bundesrat seine Zustimmung zum KöMoG erteilt. Auch wenn zuletzt seitens der Grünen Bedenken gegen die Einführung einer Option zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft vorgebracht wurden, weil dies ein „Einfallstor für Steuerschlupflöcher“ sein könnte, haben auch die Bundesländer mehrheitlich der Neuregelung zugestimmt.

Damit steht fest, dass es für bestimmte Personengesellschaften bereits ab dem Jahr 2022 die Möglichkeit geben wird, nach § 1a KStG-neu zur Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft zu optieren. Der große Vorteil einer solchen Option liegt auf der Hand: Thesaurierte Gewinne werden in einer Kapitalgesellschaft deutlich geringer besteuert als solche einer Personengesellschaft. Dies gilt regelmäßig selbst dann, wenn eine Personengesellschaft die in der Praxis sehr komplizierte Thesaurierungsbesteuerung nach § 34a EStG wählt. Da sich dieser Vorteil im Fall der Vollthesaurierung einer Kapitalgesellschaft im Vergleich zur regelbesteuerten Personengesellschaft im Spitzensteuersatz auf fast 17 Prozentpunkte belaufen kann, werden sich z.B. Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft künftig stets die Frage stellen müssen, ob sie – gerade in Jahren mit hohen steuerpflichtigen Gewinnen – zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft optieren wollen. Für die Beratung bedeutet dies, die Gesellschafter einer Personengesellschaft, die nach § 1a KStG-neu optieren kann, also insbes. die Personenhandelsgesellschaften OHG und KG sowie Partnerschaftsgesellschaften, stets eng zu begleiten, um zu prüfen, ob eine solche Option dazu beitragen kann, die Steuerquote dauerhaft zu senken.

Gleichwohl erschöpft sich die Möglichkeit, zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft zu optieren, nicht nur in einem günstigeren Steuersatz. Vielmehr ist es die mögliche Kombination aus den ohnehin bestehenden Vorzügen einer Personengesellschaft mit dem niedrigen Steuersatz einer Kapitalgesellschaft, die die Option nach § 1a KStG attraktiv macht. Insoweit ist zu betonen, dass die optierende Personengesellschaft zwar ertragsteuerlich wie eine Kapitalgesellschaft besteuert wird. Zivilrechtlich bleibt es jedoch eine Personengesellschaft. Durch die Möglichkeit, zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft zu optieren, können nunmehr die zivilrechtlichen Vorzüge der Personengesellschaften, wie das flexiblere Gesellschaftsrecht, die Nichtanwendbarkeit des Drittelbeteiligungsgesetzes oder geringere Publizitätspflichten, genutzt werden.

Die Unternehmen, die sich für eine Körperschaftsteueroption nach §1a KStG-neu entscheiden, können diese Vorzüge einer Personengesellschaft weiterhin in Anspruch nehmen und dennoch im Fall der Gewinnthesaurierung den deutlich niedrigeren Steuersatz für Kapitalgesellschaften nutzen und damit Steuerersparnisse generieren.

Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass im Zuge der Ausübung Option zur Besteuerung als Kapitalgesellschaft – ebenso wie bei der Rückoption zur Regelbesteuerung – zahlreiche steuerliche und gesellschaftsrechtliche Themen bedacht werden müssen, um sicherzustellen, dass das angestrebte Ziel, einen steuerlichen Vorteil zu erzielen, auch erreicht wird. Für die Beratung ergibt sich insoweit ein umfangreiches neues Betätigungsfeld.

Pflicht zur Aktionärsidentifizierung durch die Hintertür?

Gemäß § 67d Abs. 1 AktG können börsennotierte Gesellschaften die Identität ihrer Aktionäre und der Intermediäre in Erfahrung bringen. Die Aktionärsidentifikation dient dabei vor allem dazu, die Kommunikation der Gesellschaft mit ihren Aktionären zu verbessern und dadurch deren Mitwirkung zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung zu fördern. Weder nach deutschem noch nach zugrundeliegendem europäischem Recht wird dabei eine Pflicht für die Gesellschaft statuiert, Aktionärsinformationen über Intermediäre einzuholen.

Am 20.1.2021 wurde der Regierungsentwurf eines Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes (AbzStEntModG) vorgestellt, wonach gem. § 45b Abs. 9 EStG-E börsennotierte Gesellschaften die Informationen über die Identität ihrer Aktionäre zum Zeitpunkt ihres Gewinnverteilungsbeschlusses zu verlangen haben. Begründet wird die geplante Neuregelung und damit die Pflicht der Gesellschaft zur Aktionärsidentifizierung mit einer vorbeugenden Verhinderung von Betrug insbesondere bei der Erstattung von Kapitalertragsteuer. Anders als § 67d Abs. 1 AktG vorsieht, würde das Recht der Gesellschaft auf Aktionärsidentifikation daher in eine entsprechende Pflicht umgewandelt.

Eine solche Verpflichtung zur Aktionärsidentifizierung ist jedoch abzulehnen. Es war niemals Absicht des europäischen und/oder des deutschen Gesetzgebers, das Recht auf Aktionärsidentifizierung in eine entsprechende Verpflichtung mit Gesetzesrang umzukehren. Zudem sieht der Regierungsentwurf des AbzStEntModG an keiner Stelle vor, wie sich eine etwaige Verpflichtung nach § 45b Abs. 9 EStG-E zur reinen Ermöglichungsfunktion des § 67d Abs. 1 AktG sowohl rechtsmethodisch als auch faktisch verhalten soll. Aus aktienrechtlicher Sicht wäre somit eine Rücknahme des so ausgestalteten § 45b Abs. 9 EStG-E zu befürworten.

Ausführlicher zur Pflicht zur Aktionärsidentifizierung Stiegler in AG 2021, R86.

Corona-Krise – Auswirkungen auf Jahresabschluss und Lagebericht

Viele börsennotierte Unternehmen haben ihren Jahresabschluss zum 31.12.2019 bereits im Februar 2020 aufgestellt und die Prüfung ist beendet. In diesem Fällen schlagen sich die Folgen des Coronavirus meist nur in einer kurzen Bemerkung im Chancen- und Risikobericht nieder. Anders ist dies bei der mittelständischen GmbH, bei der die Erstellung und Prüfung des Jahresabschlusses aktuell meist noch nicht abgeschlossen ist und somit in eine Zeit fällt, in der die massiven wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie deutlich werden. Daher stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich für den Jahresabschluss zum 31.12.2019 oder gar bei vom Kalenderjahr abweichendem Geschäftsjahr bspw. auf den 31.3.2020 ergeben.

  1. Wertbegründendes oder wertaufhellendes Ereignis

Für den Jahresabschluss gilt grds. das Stichtagsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Bei der Frage, ob ein Vermögensgegenstand in der Bilanz auszuweisen ist und zu welchem Wert er anzusetzen ist, sind alle Umstände zu berücksichtigen, die am Bilanzstichtag objektiv gegeben sind. Umstände, die erst nach dem Abschlussstichtag eintreten, sind bei der Bilanzierung oder Bewertung nicht zu berücksichtigen (wertbeeinflussende Tatsachen). Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass zwar erste Infektionen in China bereits 2019 bestanden, aber erst der sprunghafte Anstieg der Ausweitung der Infektion ab Januar 2020 zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten geführt hat und damit das Auftreten des Coronavirus als weltweite Gefahr wertbegründend einzustufen ist und dementsprechend die bilanziellen Konsequenzen im Jahresabschluss zum 31.12.2019 noch nicht zu ziehen sind.

  1. Grundsatz der Unternehmensfortführung

Allerdings erlangt die Bilanzierungsgrundregel, wonach der Jahresabschluss grds. unter Annahme der Fortführung des Unternehmens (Going-Concern-Konzept) aufzustellen ist, besondere Beachtung. Dies insbesondere, weil bei dieser Prüfung wertbegründende Ereignisse nach dem Stichtag bis zur Feststellung des Jahresabschlusses, die zu einem Wegfall der Fortführungsannahme führen, auf den Jahresabschluss zurück zu beziehen sind – Durchbrechung des Stichtagsprinzips. Dieser über den Bilanzstichtag hinausgehende Betrachtungszeitraum muss in der aktuellen Lage Anlass sein, die Frage, ob die Going-Concern-Annahme aufrechterhalten werden kann, sehr sorgfältig abzuwägen und dies entsprechend zu dokumentieren, denn alleine die behördlichen Einschränkungen für manche Branchen oder die Nichterreichbarkeit oder Nichtverfügbarkeit von Absatzmärkten müssen als Indizien für eine mögliche Durchbrechung der Fortführungsprognose gewertet werden. Insoweit muss in bestimmten Branchen aktuell davon ausgegangen werden, dass nicht nur allgemeine Unternehmensrisiken bestehen, sondern dies bestandsgefährdende Ausmaße annimmt. Dies erfordert dann zwingend die Erstellung einer Fortführungsprognose.

Bei prüfungspflichtigen Unternehmen ist die Anwendbarkeit der Going-Concern-Prämisse Prüfungsgegenstand. Insofern muss in Zweifelsfällen die Unternehmensführung ausreichende Nachweise für die der Aufstellung des Jahresabschlusses zu Grunde gelegte Annahme beibringen.

Im Mittelpunkt steht eine detaillierte Liquiditätsvorschau auf Basis einer Unternehmensplanung, insbesondere in Gestalt einer Produktions-/Absatzplanung. Umfang und Tiefe der Fortführungsprognose wird durch Umfang und Komplexität der Geschäftstätigkeit und die bestehenden Risiken im konkreten Fall bestimmt. Dabei sind in der aktuellen Situation insbesondere zu berücksichtigen:

  • Rahmenbedingungen der Bundesländer hinsichtlich der Einschränkungen beruflicher Betätigungen in Form von angeordneten Betriebsschließungen oder besonderen Hygienemaßnahmen;
  • Einschränkungen hinsichtlich ausländischer Beschaffungs- oder Absatzmärkte;
  • bereits zugesagte oder zumindest ausreichend sichere Hilfen des Staates;
  • Maßnahmen zur Reduktion von Kosten, wie Kurzarbeit, wegfallende Aufwendungen, Abreden mit Vermietern über die Herabsetzung oder Stundung von Mietzahlungen oder bspw. Abreden mit Banken über die Stundung von Kreditraten;
  • Maßnahmen zur Sicherung der Tätigkeit, wie vermehrter Onlinehandel, Home-Office der Mitarbeiter und Vorbereitung auf die Phase, in der unter hygienischen Auflagen Tätigkeiten wieder aufgenommen werden dürfen;
  • zu berücksichtigen sind die geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht v. 27.3.2020 (hierzu Hölzle/Schulenberg, ZIP 2020, 633; Thole, ZIP 2020, 650);
  • einer besonders sorgfältigen Erstellung der Fortführungsprognose bedarf es dann, wenn das Unternehmen bereits vor der Corona-Pandemie wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte.

Zu Ansatz und Bewertung bei Abkehr von der Going-Concern-Prämisse, siehe auch Schiffers in GmbH-Handbuch, Rz. II 4571, 4630, 4661.

  1. Berichtspflichten im Anhang

Bestehen wesentliche Unsicherheiten, die Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können, und werden diese nicht spätestens bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Aufstellung des Abschlusses ausgeräumt, so erfordert dies eine Angabe im Anhang (hierzu IDW PS 270 n.F. Rz. 9).

Des Weiteren ergibt sich regelmäßig eine Berichtspflicht im Rahmen der Nachtragsberichterstattung im Anhang. Hierzu Schiffers in GmbH-Handbuch, Rz. II 2328.

M.E. besteht in der aktuellen Wirtschaftslage eine Erläuterungspflicht im Anhang für nahezu alle Unternehmen, insbesondere wenn Produktionsausfälle bestehen oder die Tätigkeit aufgrund behördlicher Auflagen aktuell nicht ausgeübt werden kann. Dies gilt erstrecht dann, wenn vorstehende Aspekte zusammen treffen mit einer schwierigen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens bereits vor der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise. Aufgrund der Breitenwirkung der aktuellen wirtschaftlichen Krise ist m.E. auch im Falle der Nichtbetroffenheit des Unternehmens eine aussagekräftige Negativanzeige angezeigt. Art und Umfang der Angabepflicht sind dann unternehmensindividuell zu prüfen.

  1. Auch bei Einstufung der Corona-Pandemie als wertbegründendes Ereignis können sich bilanzielle Auswirkungen ergeben

Auch kann selbst dann, wenn sich durch die Corona-Pandemie auf Grund einer Einstufung als wertbegründendes Ereignis noch keine unmittelbaren bilanziellen Auswirkungen auf den Jahresabschluss zum 31.12.2019 ergeben, dies zum Anlass genommen werden, den Ermessensspielraum bei Ansatz und Bewertung hin zu einer vorsichtigen Bilanzierung zu nutzen, um Vorsorge für die in 2020 eintretenden Belastungen zu treffen. Insoweit erlangt die Bilanzpolitik im Jahresabschluss zum 31.12.2019 eine besondere Rolle.

  1. Lagebericht

Die aktuellen Entwicklungen müssen sich regelmäßig in der Risikoberichterstattung des Lageberichts niederschlagen. Im Einzelfall können die aktuellen Rahmenbedingungen natürlich auch Chancen bringen, die dargestellt werden müssen. So bspw. bei einem Medizintechnikunternehmen oder einem Onlineversand.

Auch ist die Prognoseberichterstattung (voraussichtliche Entwicklung der Kapitalgesellschaft mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken) an die aktuellen Entwicklungen anzupassen. Die aktuell bestehende große Unsicherheit ist ggf. über verschiedene Zukunftsszenarien abzubilden.

Siehe zu alledem in Kürze auch Schiffers in GmbHR 10/2020.

Mehr zum Autor: WP/StB Prof. Dr. Joachim Schiffers ist Partner der Warth & Klein Grant Thornton AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Zu aktuellen Hilfestellung rund um die Thematik „Corona-Krise“: https://www.wkgt.com/themen/

 

Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019

Der Bundesrat hat den Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019 am 11.10.2019 zugestimmt (BR-Drs. 387/19 (Beschluss)). Die ErbStR 2019 treten an die Stelle der bislang geltenden ErbStR 2011.

Die neuen ErbStR 2019 berücksichtigen insbesondere die Änderungen durch das „Gesetz zur Anpassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.11.2016“ (BGBl. I 2016,  2464). Die Finanzverwaltung hatte dazu mehrere Anwendungserlasse veröffentlicht (BStBl. I 2017, 902). Diese wurden nunmehr in die ErbStR 2019 übernommen. Die abweichende Auffassung der bayerischen Finanzverwaltung hatte dabei keinen Bestand. Die ErbStR 2019 gelten jetzt wieder bundesweit einheitlich.

Die jetzt beschlossene Fassung der ErbStR 2019 entspricht weitgehend dem bereits im Dezember 2018 veröffentlichten Entwurf. Die zahlreichen Änderungsvorschläge – zuletzt etwa des Finanzausschusses des Bundesrats (BR-Drs. 387/1/19 vom 30.9.2019) – wurden demnach nicht berücksichtigt.

Die Hinweise zu den ErbStR 2019 liegen bislang noch nicht vor. Dem Vernehmen ist mit einer Veröffentlichung erst Ende 2019/Anfang 2020 zu rechnen.

Die ErbStR 2019 dienen der „sachgerechte(n) und umfassende(n) Unterrichtung der Finanzämter sowie der Steuerpflichtigen und ihrer Berater“. Für die Finanzverwaltung sind die Richtlinien bindend, nicht aber für die Gerichte. Steuerpflichtige sollten sich daher auf die Richtlinienbestimmungen zu ihren Gunsten berufen. Bei Regelungen zu ihren Lasten sollten sie dagegen stets eine gerichtliche Prüfung in Betracht ziehen.

Neuerungen bei der Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG

Die Regelung des § 6b EStG soll die Übertragung von stillen Reserven vor allem in Grundstücken ermöglichen. Im Gegensatz zu anderen Fördernormen – wie etwa § 7g EStG – ist die Übertragung der Höhe nach nicht begrenzt. Sie steht zudem – erneut im Gegensatz zu § 7g EStG – auch allen Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflichtigen offen, soweit sie Gewinneinkünfte erzielen, unabhängig von ihrem Gewinn oder ihren bilanziellen Gegebenheiten. Auch die Unterscheidung nach der persönlichen Steuerpflicht – unbeschränkt oder beschränkt – spielt grundsätzlich keine Rolle. Insoweit ist das 6b-Regime also sehr liberal.

Allerdings ergeben sich faktische Einschränkungen in grenzüberschreitenden Konstellationen. Rechtlich verlangt § 6b Abs. 4 EStG in seiner Nr. 3 eine Zuordnung der angeschafften Wirtschaftsgüter „zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte“. Bei (Re-)Investitionen in ausländischen Betriebsstätten im „Outbound-Fall“ wird hingegen die Übertragung nach § 6b EStG verweigert. Auf unionsrechtlichen Druck hin hat der Gesetzgeber allerdings im „Steueränderungsgesetz 2015“ einen Ausweg in § 6b Abs. 2a EStG ins Gesetz implementiert, die der BFH mit seinem Urteil v. 22.6.2017 – VI R 84/14, BStBl. II 2018, S. 171, gutgeheißen hat. Die damit verbundene „Ratenzahlung“ über fünf Jahre ist allerdings nicht dasselbe wie die im Inland mögliche Übertragung auf ein neu angeschafftes Grundstück. Zudem ist im Jahressteuergesetz 2018 nun auch eine Verzinsungsregelung hinzugekommen. Wer die Regelung „ins Blaue hinein“ nutzt, läuft damit Gefahr, die Verzinsungsfolge zu erleiden. Insoweit ist Absatz 2a demnach der „normalen“ Rücklagenbildung nach § 6b EStG angeglichen. Dort ist die Verzinsungsfolge aus § 6b Abs. 7 EStG bereits seit langem gefürchtet.

In „Inbound-Fällen“ ergibt sich bei den internationalen Bezügen eine ähnliche Lage. Hier fordert § 6b Abs. 4 EStG in seiner Nr. 2, dass die „veräußerten Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört haben“ müssen. Die für § 6b EStG erforderliche inländische Betriebsstätte wird oft bewusst vermieden, um der Gewerbesteuer zu entkommen. Auf die ansonsten im Bereich der Vermietung von Grundstücken zur Verfügung stehende „erweiterte Kürzung“ (§ 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG) will man sich insoweit nicht immer verlassen. Ob der Ausschluss von Steuerpflichtigen ohne inländische Betriebsstätte von § 6b EStG unionsrechtskonform ist, wird unterschiedlich beurteilt. Die Meinung reichen von „nein“ – von Seiten der EU-Kommission – bis hin zu „ja“ – von Seiten des FG München in einem brandaktuellen Urteil vom 30.04.2019.

All diese Fragen beleuchte ich in einem neuen Beitrag in AG 2019, 601.

 

Gewerbesteuer auf ausländische Dividenden – § 9 Nr. 7 GewStG vor dem Umbruch

§ 9 Nr. 7 GewStG, die Vorschrift zur gewerbesteuerlichen Freistellung von Ausschüttungen, ist erneut in der steuerrechtlichen Diskussion. Durch das EuGH-Urteil vom 20.9.2018 – C-685/16, BStBl. II 2019, S. 111, war „unionsrechtlicher Druck“ auf die Regelung entstanden. Dieser ging aber – ähnlich wie bei der Genese des § 8b Abs. 4 KStG vor einigen Jahren – nur in Richtung „Gleichbehandlung“, nicht zwingend „Besserbehandlung“. Der Gesetzgeber will nun die gewerbesteuerliche Freistellung für ausländische Ausschüttungen der inländischen anpassen – „15% zu Beginn des Erhebungszeitraums“ soll die magische Formel in Zukunft sein.

Ob die Gleichschaltung des § 9 Nr. 2a GewStG und § 9 Nr. 7 GewStG in seinen Varianten für in- und ausländische leistende Körperschaften einen großen Einfluss auf die Steuerbelastung haben wird, ist unklar. Beachtlich sind in diesem Zusammenhang auch die zahlreichen deutschen ertragsteuerlichen Doppelbesteuerungsabkommen, die sachlich auch auf die Gewerbesteuer anwendbar sind. All diesen Fragen geht mein Beitrag in „GmbHR im Blickpunkt“ in Ausgabe 12/2019 nach.

Die GroKo und die Abgeltungsteuer – Gerechtigkeit versus Vereinfachung?

Der sog. GroKo-Vertrag, „amtlich“ der „Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD“ mit dem programmatisch-volltönenden Untertitel „Ein neuer Aufbruch für Europa Eine neue Dynamik für Deutschland Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“, „wiegt“ 177 Seiten und „zählt“ 8370 Zeilen. In den Zeilen 3116 und 3117 auf Seite 69 heißt es recht lapidar: „Die Abgeltungsteuer auf Zinserträge wird mit der Etablierung des automatischen Informationsaustauschs abgeschafft.“ Noch kurz zuvor –in den Zeilen 3098 und 3099– wird konstatiert: „Steuervereinfachung ist eine Daueraufgabe. Es ist ein wichtiges politisches Ziel, hier Schritt für Schritt voranzukommen …“.

Beide Aussagen und Ziele passen – so scheint es auf den ersten Blick – nicht so recht beieinander, sie widersprechen sich. Dieser Widerspruch wird bestätigt, denkt man näher nach. Und an solchem „Nachdenken“ in munterer Diskussion von Pro & Contra läßt Sie die jüngste Ausgabe der GmbH-Rundschau teilhaben. Die dort enthaltene Diskussion zwischen MinDirig Matthias Schenk, Leiter der Steuerabteilung im Hessischen Ministerium der Finanzen, Prof. Dr. Johannes Becker, Direktor des Instituts für Finanzwissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, und Prof. Dr. Heribert Anzinger, Universitätsprofessor für Wirtschafts- und Steuerrecht im Institut für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung der Universität Ulm, nimmt den steuerpolitischen Faden auf und „verprobt“ diesen anhand juristischer und ökonomischer Argumente und Vorgaben. Gegenüber stehen auf der einen Seite Fragen der „Leistungsgerechtigkeit“ zwischen Arbeit und Kapital, die sich in dem progressiv ausgestalteten „synthetischen“ Steuertarif festmachen lassen. Auf der anderen Seite sind das womöglich trotz besagten zwischenstaatlichen Informationsaustauschs fortbestehende strukturelle Vollzugsdefizite bei der Besteuerung der Kapitaleinkünfte – noch nicht vor langer Zeit wurde ein solches Defizit vom BVerfG gebrandmarkt. Es sind das zudem Überlegungen zur ökonomischen Grobverteilung von Kapitaleinkünften, zur personellen und sachlichen Ausstattung der Finanzverwaltung und manches mehr. Auch die eigentlich auf der Hand liegenden Vereinfachungseffekte sind nicht über jeden Zweifel erhaben. Prof. Dr. Monika Jachmann-Michel, Vorsitzende Richterin des für Kapitaleinkünfte zuständigen VIII. Senats des BFH, hat das erst soeben trefflich sichtbar gemacht: „Manches Detail der Abgeltungsteuer erscheint unnötig kompliziert oder birgt u.U. sogar die Gefahr der Verfassungswidrigkeit. Es besteht Reformbedarf. Die Abgeltungsteuer sollte zu dem gemacht werden, was sie ursprünglich sein sollte – eine einfache Steuer. Dies ist aber“, so fährt sie fort, „kein Grund, sie abzuschaffen, wie derzeit (…) für Zinseinkünfte geplant“ (BB 2018, 854, 864).

Die Diskussion ist jedenfalls angefacht. Sie wurde intensiv anläßlich der außerordentlichen Kuratoriumssitzung des Instituts Finanzen und Steuern geführt, die am 27. November 2017 in Berlin stattfand, und die dort durch eine Key Note des nordrhein-westfälischen Finanzministers Lutz Lienenkämper eingeleitet wurde. In dem jüngsten Tagungsband des Instituts (ifst-Schrift 523) findet sich all das in gedrängter Form eines Reports, in der jüngsten Ausgabe Nr. 9/2018 der GmbH-Rundschau wird das nun auch noch breiter argumentativ ausgefaltet. Die Lektüre der Texte sei dem geneigten Leser ans Herz gelegt.