Jetzt auch amtlich – Der Vorschlag eines Omnibus-Rechtsaktes der Europäischen Kommission

Bereits in der Budapester Erklärung zum Neuen Deal für die europäische Wettbewerbsfähigkeit vom 8.11.2024 und im Kompass für die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union hatte die Kommission „revolutionäre Vereinfachungen“ des mittlerweile umfänglichen supranationalen Pflichtenhefts im Nachhaltigkeitsbereich und einen entsprechenden Omnibus-Rechtsakt (in deutscher Diktion ein Artikelgesetz) angekündigt (s. im Einzelnen Jaspers, Blog-Beitrag v. 3.2.2025, WRBLOG0002027). Nachdem bereits seit Mitte Februar inoffizielle Auszüge aus den Vorschlägen kursierten, hat die Kommission diese termingerecht am 26.2.2025 offiziell vorgelegt (vgl. EU-Kommission, Vereinfacht Vorschriften für Nachhaltigkeitsberichterstattung und EU-Investitionen: mehr als 6 Mrd. EUR an Entlastung beim Verwaltungsaufwand angestrebt, PM v. 26.2.2025).

Bevor im Folgenden ausgewählte Inhalte skizziert werden, empfiehlt es sich, sich einen Überblick über die einzelnen Bestandteile der Vorschläge zu verschaffen. In einer ersten Grobgliederung sind „Omnibus I“ und „Omnibus II“ zu unterscheiden, die aber ihrerseits jeweils nur Sammelbegriffe für eine Reihe von Änderungsrichtlinien sind. Während der Omnibus I die aus Sicht des Gesellschafts- bzw. Unternehmensrechts zentralen Änderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD und des supranationalen Lieferkettenregimes der CS3D sowie eine Anpassung der Mechanik des CO2-Grenzausgleichs beinhaltet, sieht der Omnibus II eine Stärkung des europäischen Investitionsfonds InvestEU vor. Im Einzelnen können die folgenden Bestandteile unterschieden werden:

Omnibus I bestehend aus:

  • COM 2025 (80) – Änderungs-RL zur Änderung des (gestaffelten) Inkrafttretens von (i) CSRD EU 2022/2464 als Änderungs-RL zu Abschlussprüfer-VO EU 537/2014 und Bilanz-Richtlinie EU 2013/34 und (ii) Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD / CS3D) (EU) 2024/1760;
  • COM 2025 (81) – Änderungs-RL zur Änderung materieller Bestimmungen der CSRD EU 2022/2464 und der CSDDD;
  • Staff Working Document zu den beiden Änderungs-RL gemäß COM (2025) 80 und COM (2025) 81, in dem Kalkül und Inhalte der vorgeschlagenen Änderungen eingehender erläutert werden;
  • in COM 2025 (80) und COM 2025 (81) implizit enthaltenen materiellen Änderungen der Taxonomie-VO, die sich insbesondere auch daraus ergeben, dass das Taxonomie-Reporting gemäß Art. 8 Taxonomie-VO seine Adressaten mittels Verweises auf Art. 19a, 29a Bilanz-RL bestimmt;
  • Vorschlägen und Konsultationsdokumentation zur Verschlankung der auf Grundlage der Taxonomie-VO erlassenen Delegierten Verordnungen, die zur Kommentierung durch die Bereichsöffentlichkeit bis zum 26.3.2026 auf dem Have your say“-Portal zur Verfügung stehen;
  • COM (2025) 87 – Änderungen der CBAM-Verordnung, insbesondere hinsichtlich Anwendungsbereich und Berichtspflichten (VO (EU) 2023/956 v. 10.5.2023 zur Schaffung eines CO2-Grenzausgleichssystems); und
  • COM (2025) 87 – Anlagen zur vorgeschlagenen Änderung der CBAM-VO durch COM (2025) 87 (enthaltend die Berechnungsformel zur dynamisierten Bestimmung des Anwendungsbereichs der CBAM-VO)

Omnibus II – bestehend aus:

  • COM (2025) 84 – Änderungs-RL zur Erhöhung der Effizienz des EU-Investitionsvehikels InvestEU und zur Vereinfachung der zugehörigen Berichtspflichten durch Änderung von: 1. Verordnung (EU) 2021/523 (VO zur Einrichtung des Programms „InvestEU“); 2. Verordnung (EU) 2015/1017 (VO über den Europäischen Fonds für strategische Investitionen, die europäische Plattform für Investitionsberatung und das europäische Investitionsvorhabenportal); und 3. Verordnung (EU) 2021/695 (VO zur Einrichtung von „Horizont Europa“, dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, sowie über dessen Regeln für die Beteiligung und die Verbreitung der Ergebnisse).
  • Staff Working Document zu COM (2025) 87 mit Erläuterung der beabsichtigten Änderungen der supranationalen Förderlandschaft.

Zusätzlich hat die Kommission Q&As zu Omnibus I und Omnibus II veröffentlicht.

Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD

Einen ersten Schwerpunkt setzen die Omnibus-Vorschläge im Bereich der nichtfinanziellen bzw. Nachhaltigkeitsberichterstattung, u.a. auf nachfolgende Themenfelder:

  • Beschränkung des Anwendungsbereichs des obligatorischen Sustainability Reporting: Berichtspflichtig sollen künftig allein große Unternehmen sein, die im Jahresdurschnitt mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigen. Als große Unternehmen i.d.S. sind entsprechend der allgemeinen handelsbilanziellen Terminologie Unternehmen anzusehen, die entweder Umsatzerlöse von EUR 50 Mio. oder aber eine Bilanzsumme von 25 Mio. EUR ausweisen (vgl. § 267 Abs. 3 Nr. 2 u. 3 HGB).
    Die in der dritten Welle vorgesehene größenunabhängige Erfassung aller „börsennotierten“ Gesellschaften, also solcher Unternehmen, deren Wertpapiere zum Handel an einem regulierten Markt in der EU oder dem EWG zugelassen sind, soll zur Gänze entfallen.
    Nach den Schätzungen der Kommission würden mit dieser Neuvermessung des Anwendungsbereichs 80 % der bisher von der CSRD erfassten Unternehmen von der obligatorischen Nachhaltigkeitsberichterstattung befreit.
  • Schaffung eines freiwilligen Berichtsstandards: Quasi als Ausgleich für die erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereichs der obligatorischen Nachhaltigkeitsberichterstattung sieht der Omnibus die Schaffung eines am Proportionalitätsprinzip ausgerichteten und am Vorbild des VSME orientierten freiwilligen Standards vor, der eine Aufwertung durch offizielle Annahme mittels delegierter Verordnung erfahren soll (Art. 29ca Bilanz-RL-E).
    Zusätzlich soll der freiwillige Berichtsstandard bei der Eindämmung des trickle-down bzw. Kaskadeneffekts in Liefer- bzw. Wertschöpfungsketten helfen. CS3D-pflichtige Unternehmen sollen im Rahmen der Kartierung der Wertschöpfungskette (value chain mapping) von Nicht-CSRD-Unternehmen nur die nach dem geplanten freiwilligen Berichtsformat (Art. 29ca Bilanz-RL-E) vorgesehenen Informationen anfordern dürfen (Art. 19a Abs. 3, 29a Abs. 3 Bilanz-RL-E), womit ein Rahmen zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit entsprechender informationsbegehren geschaffen wird.
  • Verzicht auf sektorspezifische Berichtsstandards: Die für 2026 avisierte Ergänzung der sog. sektoragnostischen ESRS, d.h. der unabhängig von Branche und Sektor des berichtenden Unternehmens geltenden Berichtsvorgaben, um kumulativ zu beachtende sektorspezifische Unterberichtsstandards (Art. 29b Abs. 3 UAbs. 2 ii) Bilanz-RL) soll vollständig entfallen.
  • Beschränkung der Prüfungsintensität der Nachhaltigkeitsprüfung: Die in Art. 26a Abs. 3 Abschlussprüfer-RL vorgesehene schrittweise Schärfung der Intensität der Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung, mit der über das Zwischenstadium der limited assurance ein dem der Finanzberichterstattung vergleichbares Konfidenzniveau (reasonable assurance) erreicht werden soll, wird von festen Umsetzungsdaten befreit und im Übrigen weitgehend dem Ermessen der Kommission überantwortet.

Taxonomie-VO

  • Einschränkung des Anwendungsbereichs der Berichtspflichten zur Taxonomie-Vereinbarkeit: Die kumulativ zum CSRD-Reporting zu erfüllenden Berichtspflichten gemäß Art. 8 Taxonomie-VO, nach denen anhand bestimmter KPI der Anteil nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten am Gesamtgeschäft zu melden ist, gelten für sämtliche CSRD-pflichtigen Unternehmen, entsprechend würde ihr Anwendungsbereich parallel zu dem der Nachhaltigkeitsberichterstattung signifikant eingeschränkt.
  • Vorschläge für eine Änderung der Delegierten Verordnungen zur Taxonomie-VO (Offenlegung, Klima, Umwelt) werden bis zum 26.3.2026 der Bereichsöffentlichkeit zur Kommentierung auf dem „Have your say“-Portal zur Verfügung gestellt und auf dieser Grundlage finale Vorschläge erarbeitet.
  • Die CSRD soll um ein optionales Taxonomie-Reporting unter weiteren Voraussetzungen ergänzt werden (Art. 19b, 29aa Bilanz-RL-E), womit die Schwächen des binären Ansatzes der Taxonomie-VO ausgeglichen werden sollen.
  • Überarbeitung des „Do Not Significant Harm“-Kriteriums. Die Qualifizierung als nachhaltig i.S.v. Art. 3 Taxonomie-VO scheitert in der Praxis häufig am Tatbestandsmerkmal des Do Not Significant Harm (DNSH), wofür unter anderem auch Komplexität und Auslegungsunsicherheiten als Ursachen benannt werden. Die Vorschläge sehen diesbezüglich vor, dass die aufwändige Prüfung des DNSH-Kriteriums nur noch dann erforderlich sein soll, wenn die entsprechenden Wirtschaftsaktivitäten mindestens 10 % der taxonomierelevanten Key Performance Indicators (Umsatz, CapEx, OpEx) repräsentieren.
  • Anpassung des Green Asset Ratio (GAR): Die methodisch fundierte und seit Langem erhobene Kritik am zentralen Leistungsindikator für den Finanzsektor, die darauf fußt, dass Zähler und Nenner der GAR unterschiedliche Bezugsgrößen besitzen, wird aufgegriffen.

Supranationales Lieferkettenregime gemäß CS3D

Als bemerkenswert wird man es bezeichnen dürfen, dass der Omnibus I auch für das europäische Lieferkettenregime nach der Richtlinie (EU) 2024/1760 noch vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten zum 26.7.2026 eine Reihe nicht unerheblicher Änderungen vorschlägt. Hervorzuheben sind insoweit:

  • Keine unbefristete Aussetzung der CS3D: Festzuhalten ist vorab, dass die durchaus auch von prominenter Seite erhobene Forderung nach einer unbefristeten Aussetzung der CS3D abgelehnt wird, die Kommission bekräftigt damit ihr grundsätzliches Bekenntnis zu dem umstrittenen Rechtsakt.
  • Verlängerung der Umsetzungsfrist: Die den Mitgliedstaaten eingeräumte Frist zur Umsetzung der CS3D in nationales Recht wird um ein Jahr auf den 26.7.2027 verlängert, womit den betroffenen Unternehmen etwas mehr Zeit eingeräumt wird, allfällige Vorbereitungsmaßnahmen umzusetzen. Unterstützung erfahren sie dabei auch insoweit, als die Herausgabe allgemeiner Due-Diligence-Leitlinien für die Kernpflichten der CS3D auf den 26.7.2026 vorverlagert werden soll (Art. 19 Abs. 2 lit. a) i.V.m. Abs. 3 CSDDD-E).
  • Überarbeitung des CS3D-Pflichtenhefts: Im Zentrum der Omnibus-Vorschläge für die CS3D stehen entlastende Straffungen des Pflichtenhefts für die Wertschöpfungskette, u.a.:
  • Hinsichtlich der Due-Diligence-Pflichten in der Wertschöpfungskette wird eine partielle Vollharmonisierung angeordnet, auch ein gold plating seitens der Mitgliedstaaten wird für Teile der Richtlinie ausdrücklich für unzulässig erklärt (Art. 4 CSDDD-E);
  • Die Due-Diligence-Pflichten werden grundsätzlich auf- wie abwärts auf die nächste Vertriebs- bzw. Wertschöpfungsstufe, also unmittelbare Lieferanten bzw. Abnehmer begrenzt, mittelbare Lieferanten und Abnehmer sind nur (i) bei begründeten Verdachtsmomenten (plausible information that suggests that adverse impacts at the level of the operations have arisen or may arise) und dann, (ii) wenn die Mittelbarkeit einer Geschäftsbeziehung Ergebnis eines Gestaltungsmissbrauchs ist (an artificial arrangement that does not reflect economic reality), einer eingehenden Prüfung zu unterziehen (Art. 8 Abs. 2 lit. b) CSDDD-E);
  • Parallel zum value chain cap der CSRD wird das Recht, gegenüber KMU mit weniger als 500 Arbeitnehmern Informationen zu verlangen, auf die Gegenstände des freiwilligen Reportings begrenzt, allerdings gilt diese Grenze nicht absolut, sondern darf bzw. muss bei begründetem Verdacht überschritten werden (Art. 8 Abs. 5 CSDDD-E),
  • Die Verpflichtung, zwingend eine Geschäftsbeziehung vollständig zu beenden, wird aufgehoben, bestehen bleiben hingegen das temporäre Verbot einer Ausdehnung einer inkriminierten Lieferkettengeschäftsbeziehung bzw. deren zeitweise Aussetzung (Art. 10 Abs. 6 CSDDD-E),
  • Die anlassunabhängige Risikobewertung von Lieferanten und Abnehmern soll nur noch in einem Turnus von fünf Jahren und nicht mehr jährlich erforderlich sein, soweit nicht im Einzelfall anlassbezogen ein Ad-Hoc-Assessment erforderlich ist (Art. 15 CSDDD-E).

Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Due-Diligence-Pflichten

Auch die Rechtsfolgenseite von Verstößen gegen die Due-Diligence-Pflichten soll neu geordnet werden:

  • Die auch im Rahmen der parlamentarischen Diskussion des LkSG hoch umstrittene Anordnung einer zwingenden zivilrechtlichen Haftung (Art. 29 Abs. 1 CSDDD) soll ersatzlos gestrichen werden.
  • Demgegenüber entspricht Art. 29 Abs. 1 CSDDD-E weitgehend dem aktuellen Art. 29 Abs. 2 CSDDD und ordnet unter Berücksichtigung der in Aussicht genommenen Streichung der zwingenden zivilrechtlichen Haftung an, dass – soweit eine Haftung nach nationalem Recht besteht – diese grundsätzlich volle Entschädigung erlauben muss, ohne allerdings gleichzeitig den Geschädigten zu überkompensieren, womit letztlich ein Verbot pönaler Elemente bei der Schadensbemessung festgesetzt wird.
  • Das aktuell bestehende Verbandsklagerecht nach Art. 29 Abs. 3 lit. 3 CSDDD soll gleichfalls ersatzlos gestrichen werden.

Verzicht auf ein Sonderrechtsregime für Finanzunternehmen

  • Die Ermächtigung zugunsten der Kommission, den Besonderheiten des Geschäftsmodells von Finanzunternehmen und ihrer Sonderrolle in der Wertschöpfungskette (keine eigentliche Wertschöpfungsstufe, Vermögensverwaltung mit Portfoliounternehmen etc.) durch ein Sonderrechtsregime Rechnung zu tragen (Art. 36 CSDDD), soll gestrichen werden.

Einschränkung des obligatorischen Stakeholder-Dialogs

  • Schon im Grundsätzlichen einigermaßen fragwürdig verpflichtet die CS3D Unternehmen zu einem obligatorischen Dialog mit Stakeholdern/Interessenträgern (Art. 13 Abs. 1 CSDDD), wobei der Kreis der Stakeholder extrem weit gefasst ist (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. n CSDDD). Die Omnibus-Vorschläge halten am Instrument des Stakeholder-Dialogs fest, sehen aber zumindest richtige und wohl auch praktisch zwingend erforderliche Beschränkungen des Kreises der gesprächsberechtigten Institutionen und Akteure vor. Eine Konsultationspflicht soll nur noch gegenüber relevanten Stakeholdern bestehen, deren Interessen unmittelbar betroffen sein müssen.

Anpassungen des CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM/Carbon Border Adjustment Mechanism)

  • Der Anwendungsbereich des zum Schutz der europäischen Nachhaltigkeitsregulierung bzw. zur Verhinderung von Regulierungsarbitrage, insbesondere in Form der sog. Carbon Leakage, etablierten CO2-Grenzausgleichs wird durch Einführung einer dynamischen Formel zur Bestimmung der erfassten Importeure bzw. Einführer signifikant eingeschränkt.
  • Nach Art. 2 Abs. 3a CBAM-VO-E i.V.m. Anlage VII werden die betroffenen Einführer nur noch mittelbar und im Zeitablauf dynamisch bestimmt. Die optisch ansprechend formulierte Formel kann dahingehend zusammengefasst werden, dass so viele Einführer erfasst werden, dass mindestens 99 % der importierten CO2-Emissionen erfasst sind, also das Verhältnis aus erfassten importierten Emissionen und importierten Gesamtemissionen mindestens 99 % beträgt. Diese direkte Ansteuerung der Zielgröße ist einerseits theoretisch überzeugend, wird allerdings erst noch in der Praxis zu beweisen haben, ob sie nicht mit erheblichen Planungsunwägbarkeiten für Einführer verbunden ist.
  • Neben dieser grundsätzlichen Änderung der Grenzausgleichsmechanik sehen die Vorschläge zudem eine Reihe von Vereinfachungen des Verfahrens sowie hinsichtlich der bestehenden Berichtspflichten vor.
  • Verschärfte Missbrauchsbekämpfung: Während die Omnibus-Vorschläge rechtstreuen Einführern durch erhebliche Erleichterungen entgegenkommen, soll gleichzeitig die Effektivität des Grenzausgleiches durch verstärkte Bemühungen im Kampf gegen Missbrauch und Umgehungen abgesichert werden.

Schaffung zusätzlicher Investitionskapazitäten durch Stärkung des InvestEU (Omnibus II)

  • Neben den vorstehenden marktordnungsrechtlichen Maßnahmen enthalten die Omnibus-Vorschläge auch eher dem Bereich der Industriepolitik zuzurechnende Vorschläge in Gestalt einer Stärkung des Investitionsfonds InvestEU.
  • Vereinfacht sollen Erträge bzw. Rückflüsse aus älteren Investitionsinstrumenten der Europäischen Union dem aktuell zentralen Investitionsfonds InvestEU gemäß Verordnung (EU) 2021/523 zur Verfügung gestellt werden, um die Ausreichung weiterer direkter europäischer Investitionshilfen sowie von Garantien durch InvestEU zu ermöglichen. Die Kommission erhofft sich durch die Aufstockung der Finanzmittel von InvestEU ein zusätzliches Gesamtinvestitionsvolumen (unter Berücksichtigung der Beiträge von Privatrechtsakteuren) von 50 Mrd. EUR.

Ausblick

Entgegen dem in der Rezeption, aber auch der Begleitkommunikation der Kommission hervorgerufenen Eindruck wird man sich zunächst in Erinnerung zu rufen haben, dass es sich bei Omnibus I und II bisher um bloße Gesetzesinitiativen der Kommission handelt, die den regelmäßig steinigen Weg durch Trilog mit Rat und vor allem Parlament noch vor sich haben. Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die CSRD. So bleibt zunächst die Pflicht zur Umsetzung der CSRD für den deutschen Gesetzgeber bestehen. Auch Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der lex lata, nicht aber den der Bilanz-RL in der Fassung des Omnibus I fallen würden, können gegenwärtig (noch) nicht mit Sicherheit darauf vertrauen, durch schnelle Umsetzung keiner CSRD-Berichterstattung zu unterliegen.

Insgesamt gehen die Ideen der Kommission nach hier vertretener Ansicht in die richtige Richtung, auch wenn die euphemistische Kommunikation der Kommission nicht zu verdecken mag, dass Gegenstand des Omnibusses in weiten Teilen die Rücknahme von Rechtsakten ist, die erst unlängst, teilweise erst in 2024 beschlossen worden sind. Die doch recht hektisch eingeführte und umfassende angelegte Nachhaltigkeitsregulierung hat bereits jetzt eine kaum beherrschbare Komplexität erreicht; allein die Kenntnis des einschlägigen Normenbestandes dürfte nur noch von Experten leistbar sein. Als Manko wird man es allerdings bezeichnen dürfen, dass sich der Omnibus stark auf das Instrument der Einschränkung des Anwendungsbereichs zurückzieht. Man vermisst eine stringente Nachschärfung des Rechtsregimes für die betroffenen Unternehmen, die am Paradigma der decision usefulness orientiert wäre. Allerdings durfte man dies auch kaum erwarten, wird man im Omnibus doch vor allem auch eine kurzfristige Reaktion auf die (späte) Erkenntnis sehen müssen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Union erheblich zurückgegangen ist und man deshalb – auch aus psychologischen Motiven – kurzfristig ein deutliches Signal setzen wollte.

Wer den Hafen nicht kennt, für den ist kein Wind günstig – Der Kompass zur Wettbewerbsfähigkeit der EU

Mit dem Kompass für die Wettbewerbsfähigkeit der Union hat die EU-Kommission am 29.1.2025 eine Strategieanpassung in dem Format eines Fünfjahresplans vorgelegt, der insbesondere auf eine Änderung der CSRD, der CS3D und der Taxonomie-VO abzielt. Der Beitrag stellt die Kommissionsvorschläge dar und geht dabei auch auf die Eingabe Frankreichs an die Kommission betreffend die Vereinfachung des EU-Rechts ein.

Hintergrund: Letta- und Draghi-Report

Bestimmten bis in die jüngste Vergangenheit Green Deal und im Unternehmensrecht insbesondere die Sustainable Finance-Strategie der EU praktisch ausschließlich oder weitgehend die Brüsseler Agenda, hat spätestens in Reaktion auf die Ergebnisse des Letta-Berichts (Letta, Much more than a market) sowie des Draghi-Reports (Draghi, The future of European competitiveness), die jeweils den massiven und konstanten Verlust an Wettbewerbsfähigkeit insbesondere gegenüber den Vereinigten Staaten und China quasi offiziell bestätigen, ein Umdenken eingesetzt.

Bereits in der Budapester Erklärung vom 8.11.2024 haben die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten und die Kommission eine umfassende Rekalibrierung des wirtschaftspolitischen Kompasses der EU durch einen den Green Deal ergänzenden „New Deal“ zur Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit angekündigt. Unmittelbare Relevanz aus Sicht des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts hat dabei die als kurzfristig umzusetzende Maßnahme vorgestellte „Einleitung eines revolutionären Vereinfachungsprozesses, der für einen klaren, einfachen, und intelligenten Regelungsunternehmen für Unternehmen sorgt und den Verwaltungs-, Regulierungs- und Meldeaufwand, insbesondere für KMU, drastisch verringert.“ Den Umfang der Reduzierung der von Unternehmen zu beachtenden Berichtspflichten taxiert die Budapester Erklärung auf mindestens 25 Prozent, wobei auch und insbesondere die Berichtspflichten nach Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CS3D) und des Nukleus des europäischen Nachhaltigkeitsrechts, der Taxonomie-VO, Gegenstände der beabsichtigten Vereinfachungen bilden sollen.

Der Kompass für die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union

Mit dem Kompass für die Wettbewerbsfähigkeit der Union hat die Kommission nunmehr die in Budapest angekündigte Strategieanpassung in dem – etwas gewöhnungsbedürftigen – Format eines Fünf-Jahresplans vorgelegt (EU-Kommission, A Competitiveness Compass for the EU v. 29.1.2025, COM (2025) 30 final). Auf einer Meta-Ebene identifiziert der Kompass zunächst die notwendigen Bedingungen (transformational imperatives to strengthen competitiveness) für die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der EU (Innovationskraft, Versöhnung von Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit, „de-risking“) und die dazu erforderlichen Einzelschritte (flagship actions). Flankiert werden diese übergeordneten Ziele und das zu ihrer Verwirklichung vorgesehene Maßnahmenbündel durch sog. horizontale Ermöglicher von Wettbewerbsfähigkeit (horizontal enablers of competitiveness), u.a. die signifikante Reduktion der bestehenden Regulierungsdichte. Zu letzterem zählt auch der bereits in der Budapester Erklärung in Aussicht gestellte Omnibus-Rechtsakt zur Verschlankung der voluminösen und voraussetzungsvollen Pflichten der CSRD, der CS3D und der Taxonomie-VO. Hinzu tritt eine Modifikation des Anwendungsbereichs von CSRD und CS3D durch Schaffung einer neuen Größenklasse für Unternehmen, sog. „kleine mittelgroße Unternehmen“ (small mid-caps), die gleichfalls dem Ziel verpflichtet ist, die Bürokratiekosten für als small-mid caps zu qualifizierende Unternehmen zu senken. Der Vorschlag für den Omnibus-Rechtsakt soll bereits im Februar 2025 vorgelegt werden.

Konkretisierung der Zielvorgaben

Auch wenn der Kompass im Übrigen grundsätzlich noch keine Details offenbart, lassen sich aus den Verlautbarungen anlässlich und im Nachgang der Budapester Erklärung vorsichtige Rückschlüsse auf voraussichtliche oder doch zumindest mögliche Inhalte ziehen. Besondere Bedeutung besitzt insoweit u.a. die praktisch zeitgleich mit dem Kompass publik gewordene Eingabe Frankreichs an die Kommission betreffend die Vereinfachung des EU-Rechts (Note des autorités Francaises – Propositions des mesures pour l’agenda européen de simplification réglementaire et administrative, 20.1.2025 (NAF)). Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil man konstatieren dürfen wird, dass nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Frankreich die Rolle der Leitjurisdiktion für die EU-Gesetzgebung übernommen hat und zudem Eingabe und Kompass ersichtlich im Wissen umeinander entstanden sein dürften. Im Folgenden werden einige der unternehmensrechtlich zentralen Positionen von Kompass und NAF vorgestellt.

Small mid-cap / enterprise de taille intermédiare – Neue Größenklasse für Unternehmen i.S.d. § 267 HGB

Kompass und NAF stimmen zunächst in der Empfehlung einer zusätzlichen Größenkategorie im europäischen Unternehmensrecht überein, wobei die NAF über das Strategiepapier der Kommission hinausgehend auch die empfohlenen Qualifikationsmerkmale benennt. Grenzwerte für das Vorliegen eines small mid-cap bzw. enterprise de taille intermédiare (ETI) sollen danach sein: (1) Umsatzerlöse von nicht mehr als 1,5 Milliarden Euro, (2) Bilanzsumme von nicht mehr als 2 Milliarden Euro und (3) im Jahresdurchschnitt zwischen 250 und 500 Arbeitnehmer. ETI nach dem französischen Vorschlag wären entsprechend zwischen mittelgroßen (§ 267 Abs. 2 HGB) und großen Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 3 HGB) anzusiedeln. Gleiches dürfte auch für die small-mid caps des Kompasses gelten, auch wenn die Namensgebung (small mid-cap) selbst eine Verortung als kleine mittelgroße Kapitalgesellschaft, also zwischen § 267 Abs. 1 und Abs. 2 HGB zuließe.

CS3D – (Moratorium und) Revision

Besonders bemerkenswert ist, dass Frankreich, also der Mitgliedstaat, der mit der Verabschiedung des Loi de Vigilance (Loi n° 2017-399 du 27 mars 2017 relative au devoir de vigilance des sociétés mères et des entreprises donneuses d’ordre) einen wesentlichen Impuls für das europäische Lieferkettenregime gesetzt hat, sich bezüglich der CS3D in einem ersten Schritt für eine Verschiebung des Inkrafttretens auf unbestimmte Zeit ausspricht. Das damit gewonnene Zeitfenster soll insbesondere dazu genutzt werden, um die folgenden als notwendig erachteten Korrekturen umzusetzen: (1) Klarstellung, dass die durch die Kommission zu erlassenden Mustervertragsklauseln und Leitlinien dem Umstand Rechnung zu tragen haben, dass Sorgfaltspflichten in der Lieferkette reine Prozesspflichten sind, (2) Neuvermessung von Anwendungsbereich und gestaffeltem Inkrafttreten der CS3D – auch unter Berücksichtigung der neuen Größenklasse der „small mid-caps“, (3) Harmonisierung der Überwachung der CS3D, etwa durch Schaffung einer einheitlichen Aufsichtsbehörde, die primär eine beratende und vermittelnde Funktion haben soll, (4) Ergänzung eines ausdrücklichen Konzernprivilegs, wonach die Konzernspitze die CS3D-Pflichten gruppenweit mit entlastender Wirkung für ihre Töchter wahrnehmen kann, sowie (5) die Streichung von Art. 36 Abs. 1 CS3D, d.h. Verzicht auf ein Sonder-Lieferkettenregime für den Finanzsektor. Sowohl NAF als auch Kompass stellen zudem wirksame Vorkehrungen gegen den sog. „trickle-down“-Effekt in Aussicht; mit trickle-down wird dabei der Umstand beschrieben, dass Unternehmen, die nicht vom Anwendungsbereich der CS3D erfasst werden, faktisch die Sorgfaltspflichten der CS3D beachten müssen, weil sie ihnen von verhandlungsstarken Zulieferern oder Abnehmern vertraglich auferlegt werden. Ob sich die Kommission für den weitreichenden Vorschlag einer zeitlich unbegrenzten Aussetzung der CS3D offen zeigt, wird man mit einem Fragezeichen versehen müssen. Trotz aller Kritik haben die EU-Institutionen die CS3D durchgängig als Leuchtturmprojekt beworben, zudem wird die Haltung des EP, das hinsichtlich der Lieferkettenverantwortung von Unternehmen noch deutlich weitergehende Vorstellungen hat, zu berücksichtigen sein. Einigungsfähig erscheinen demgegenüber u.a. vorsichtige Korrekturen zur Verhinderung des Trickle-Down-Effekts, da es der Logik des gestuften Anwendungsbereichs der CS3D entspricht, dass kleinere Unternehmen nicht (der vollen Last) der CS3D-Sorgfaltspflichten ausgesetzt werden.

CSRD

Voraussichtlich mit wesentlichen Modifikationen wird für den Bereich der CSRD zu rechnen sein. Im Zentrum dürfte dabei weniger die Richtlinie selbst als vielmehr die überaus breit geratene Ausformung der Berichtspflichten durch EFRAG stehen. Die NAF, die insoweit nicht weit von den Überlegungen der Kommission entfernt sein sollte, spricht sich bei grundsätzlicher Unterstützung für die CSRD für die folgenden Modifikationen aus: (1) erhebliche Reduzierung der berichtspflichtigen Datenpunkte und Fokussierung auf klimarelevante Aspekte, (2) Übernahme der Kategorie der small mid-caps in die CSRD mit einem proportional gestalteten Reporting-Programm, (3) Einschränkung der Berichtspflichten in der Lieferkette auch und gerade für große Unternehmen, um den Trickle-down-Effekt (s.o.) zu verhindern sowie (4) die Neuformulierung des ESRS E1 Abs. 1, um klarzustellen, dass die Offenlegungspflichten für sich keine Verpflichtung begründen, einen mit dem Pariser Klimaabkommen zu vereinbarenden Emissionsreduktionsplan aufzustellen.

Taxonomie

Vereinfachungen werden zudem von Kompass wie auch NAF für die Taxonomie-VO erwogen, die als Referenzsystem der Sustainable Finance-Regulierung der EU verbindlich festlegt, wann eine wirtschaftliche Tätigkeit als ökologisch nachhaltig qualifiziert werden kann (vgl. Art. 1 Abs. 1 EU/2019/2088). Abzuwarten bleibt, an welchen Stellen diesbezüglich angesetzt wird, krankt die Taxonomie-VO doch an einer Reihe von nicht zuletzt technischen Schwächen (vgl. Ekkenga/Posch, WM 2021, 205). Große Erwartungen sind diesbezüglich allerdings kaum gerechtfertigt, findet doch der Umfang der Taxonomie seine Ursache letztlich in dem gesetzgeberischen Ziel, jede denkbare Erscheinungsform wirtschaftlichen Handels individuell unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu klassifizieren.

Fazit

Die Sentenz aus den Seneca zugeschriebenen Epistulae morales aufgreifend wird man im Strategiepapier einen ersten Schritt zur notwendigen Kalibrierung des wirtschaftspolitischen Kompasses der EU sehen dürfen. Aufgenommen wird damit die nicht unberechtigte verbreitete und wachsende Kritik in Wirtschaft und Wissenschaft an Frequenz, Procedere und Regulierungstiefe der Brüsseler Gesetzgebung (gegen einen Revisionsprozess bzw. eine Verwässerung von CSRD und CS3D haben sich allerdings u.a. Ferrero, Nestlé und Unilever positioniert). Auch der grünen Transformation verpflichtete Regeln und Maßnahmen binden Ressourcen, ziehen Allokationseffekte nach sich und sind deshalb einem Test auf Sinnhaftigkeit und Praxistauglichkeit zu unterziehen. Dass muss gerade im Politikfeld nachhaltiger Wirtschaft gelten. Die Vieldeutigkeit und Komplexität von Begriffen wie „grün“ oder „nachhaltig“ implizieren bereits für sich ausladende Regelwerke (Taxonomie-VO), so dass eine Konzentration auf Wesentliches von zentraler Bedeutung ist. Als echtes Manko wird man deshalb das Fehlen eines umfassenden Bekenntnisses zu einem reduzierten Regelungsumfang und -tempo bezeichnen müssen. Im Gegenteil stellt der Kompass eine Vielzahl weiterer Verordnungen und Richtlinien in Aussicht. Dass selbst das grundsätzlich regulierungsfreudige Frankreich (planification) einen harten Stopp, sollte auch in Brüssel aufhorchen lassen. Jenseits echter geopolitischer Notwendigkeiten sollte tunlichst ein Rückfall in die wenig erfolgreichen Phasen aktiver Industriepolitik mittels immer kleinteiligerer Regulierung vermieden werden.

Fokus-Risiken der BaFin für 2024

Mitte Januar veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ihre Übersicht zu den Risiken, die sie im Jahr 2024 bei der Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Versicherern besonders in den Fokus nehmen wird.

Sie benennt darin sieben Risiken, die am ehesten die Finanzstabilität oder die Integrität der Finanzmärkte in Deutschland gefährden könnten:

  • Risiken aus signifikanten Zinsanstiegen,
  • Risiken aus Korrekturen an den Immobilienmärkten,
  • Risiken aus signifikanten Korrekturen an den internationalen Finanzmärkten,
  • Risiken aus dem Ausfall von Krediten an deutsche Unternehmen,
  • Risiken aus Cyber-Attacken mit gravierenden Auswirkungen,
  • Risiken aus unzureichender Geldwäscheprävention,
  • Risiken aus Konzentrationen bei der Auslagerung von IT-Dienstleistungen.

Ergänzend zu den Risiken legt die BaFin auch ein Augenmerk bei Kreditinstituten und Versicherern auf die angemessene Berücksichtigung und den Umgang mit langfristigen Trends. Digitalisierung, Nachhaltigkeit und geopolitische Umbrüche werden genannt und sind für die Beaufsichtigung des Finanzwesens relevant.

Fokus: Nachhaltigkeit

Wie auch schon im „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeit“ (2019) sieht die BaFin Klima- und Umweltrisiken nicht als eigenständige (neue) Risikoart, sondern als Teil von Kredit-, Markt-, Liquiditäts-, Haftungs- und Reputationsrisiken sowie von operationellen, versicherungstechnischen und strategischen Risiken. Sie übernahm diesen Ansatz in die neue MaRisk (2023).

Die BaFin verweist in diesem Zusammenhang auf eine Auswertung der Deutschen Bundesbank, in der das Management von Nachhaltigkeitsrisiken bei weniger bedeutenden Instituten (Less Significant Institutions) untersucht wurde. Im Ergebnis lässt sich ein Verbesserungsbedarf hinsichtlich des Risikomanagements von Kreditinstituten und Versicherern ableiten. Dementsprechend erwartet die BaFin, dass die von ihr beaufsichtigten Unternehmen Erkenntnisse aus Stresstests und Szenarioanalysen, die auch Nachhaltigkeitsrisiken integrieren, zunehmend in die Strategie und ins Risikomanagement einfließen lassen.

Darüber hinaus nimmt auch die Prüfung der Offenlegungspflichten nach der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR – Offenlegungs-VO (EU) 2019/2088) sowie die Nachhaltigkeitsberichterstattung i.S.d. der Taxonomie-VO (EU) 2020/852 und zukünftig der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD – RL (EU) 2022/2464) Raum in der Beaufsichtigung ein.

Sustainable Finance – EU Green Bond Standard auf der Zielgraden!

Die Sustainable Finance Strategy des Green Deal der Europäischen Kommission setzt sich aus einer Vielzahl von Mosaiksteinen zusammen, die im Zusammenwirken den Marktteilnehmern am Eigen- wie Fremdkapitalmarkt mehr als nur einen leichten Stups (nudge) geben sollen, bei Finanzierungsentscheidungen Nachhaltigkeitsaspekte, insbesondere Umweltaspekte stärker zu gewichten. Im Vordergrund stand diesbezüglich bisher der Eigenkapitalmarkt, für den durch die zusammen mit CSRD und Taxonomie-VO zu lesende Offenlegungs-VO (Sustainable Finance Disclosure Regulation – SFDR) einerseits umfassende Offenlegungspflichten für verschiedene Vertriebsstufen und andererseits im Bereich der Produkt-Governance drei Klassen unterschiedlich nachhaltiger Fondsprodukte geschaffen worden sind (sog. Art. 8-Fonds, Art. 9-Fonds und sonstige Fonds; Überblick bei Harnos, ÖBA 2022, 882; Reich, Blog Gesellschaftsrecht v. 22.2.2022, GESRBLOG0001030).

Fremdkapitalfinanzierung als Mosaikstein der Sustainable Finance

Demgegenüber adressiert das europäische Sustainable Finance-Regime den – u.a. in der Bundesrepublik gesamtwirtschaftlich deutlich größeren – Fremdkapitalmarkt zumindest im Bereich der Product Governance bisher nur mittelbar über den Umweg des Aufsichtsrechts (zu diesem blind spot Gözlügöl/Ringe, Private Companies: The Missing Link on the Path to Net Zero, ECGI Law Working Paper No. 635/2022). Anforderungen, an denen sich nachhaltige Fremdkapitalinstrumente messen lassen müssen, ergeben sich im Übrigen allenfalls aus allgemeinen Regeln, wobei insbesondere an das Lauterkeitsrecht (UWG) zu denken ist (vgl. etwa Ekkenga/Roth, WM 2021, 1161, 1162), und sind ansonsten den Selbststeuerungskräften des Marktes überlassen. Zu nennen sind insoweit insbesondere die Green Bond Principles der International Capital Market Association (ICMA) und – mit sichtbarer Fokussierung auf den Themenausschnitt Klimawandel/CO2-Emissionen – der mit den Principles verknüpfte Climate Bond Standard der Climate Bond Initiative (CBI). Diese tatsächliche oder gefühlte Lücke will die Europäische Union durch den Europäischen Green Bond Standard schließen, den die Kommission bereits am 6.7.2021 im Entwurf vorgestellt hatte (dazu etwa Harnos, ÖBA 2022, 882, 894 f.; Reich, AG 2021, R296) und über den im Trilog-Verfahren unter Vermittlung der schwedischen Ratspräsidentschaft am 28.2.2023 nunmehr zwischen Europäischem Rat und Europäischem Parlament eine Einigung erzielt worden ist.

In Konkurrenz zu den bereits bestehenden privaten Standards soll mit dem European Green Bond Standard ein weiteres freiwilliges Qualitätssiegel für grüne Anleihen geschaffen werden, dem seine Schöpfer aufgrund seiner supranationalen Verbürgung sowie Verknüpfung mit der strengen und nicht im Verdacht des greenwashing stehenden Taxonomie-VO die Rolle als zukünftiger „Gold Standard“ mit globaler Strahlkraft zutrauen (vgl. auch Renner, ZBB 2023, 23). Der EUBGS ist nicht anders als seine privaten Konkurrenten optional ausgestaltet. Emittenten, die das Gütesiegel „European Green Bond“ oder „EuGB“ verwenden wollen, haben die in der EUGBS-VO aufgeführten Anforderungen zu erfüllen (Art. 3 EUGBS-VO-E); ein dahingehender Zwang besteht nicht.

Kriterien für das Premium-Siegel

Nach dem Ergebnis der Trilog-Verhandlungen verlangt das Führen des Premium-Siegels für Green Bonds im Wesentlichen die Erfüllung der folgenden vier Kriterien:

  1. Vereinbarkeit der Verwendung der Emissionserlöse mit der Taxonomie-VO (taxonomy aligned use of proceeds)

Nach Art. 4 ff. EUGBS-VO-E wird die Einhaltung des mittlerweile geläufigen Voraussetzungsquartetts ökologischer Nachhaltigkeit i.S.d. Art. 3 Taxonomie-VO verlangt: Die Emissionserlöse sind für eine Wirtschaftstätigkeit zu verwenden, die (1) einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines oder mehrerer der grundsätzlich sechs Umweltziele gem. Art. 9 Taxonomie-VO leistet, (2) gleichzeitig nicht mit einer erheblichen Beeinträchtigung eines oder mehrerer dieser Umweltziele einhergeht (no significant harm-Prinzip), (3) unter Einhaltung des in Art. 18 Taxonomie-VO umrissenen sozialen Mindestschutzes ausgeübt wird; und (4) den weitergehenden, durch die Kommission entwickelten technischen Bewertungskriterien entspricht. In Abweichung zum ursprünglichen Kommissionsentwurf wird die strenge Einhaltung dieser Kriterien nicht mehr für 100% der Emissionserlöse verlangt, sondern vorübergehend für bis zu 15% derselben gewisse Erleichterungen gewährt (sog. Flexibilitätsrahmen).

  1. Transparenz

Emittenten müssen zudem umfassende Transparenz über die nachhaltige Mittelverwendung über den Lebenszyklus des Green Bond herstellen. Verlangt werden Emissionspublizität mittels eines European Green Bond Factsheet, jährliche Verwendungsberichte (Allocation Reports), einmalig ein Auswirkungsbericht (Impact Report) und als Neuerung des Trilog-Kompromisses zusätzlich Auskunft darüber, wie sich der Green Bond in die allgemeine Transformationsstrategie des Emittenten einpasst.

  1. Prüfung

Dritte Säule, auf der der zukünftige Premium-Standard ruht, ist die Gewährleistung tatsächlicher Nachhaltigkeit und zweckkonformer Mittelwendung durch belastbare externe und unabhängige Prüfung von Bond und zweckgebundener Mittelverwendung.

  1. Registrierung und Überwachung

Die Prüfung soll durch eine Registrierungspflicht externer Green-Bond-Prüfer bei ESMA und sich anschließende laufende Überwachung durch dieselbe abgesichert werden. Damit setzt der Verordnungsgeber im Einzelnen umfassende, aus verwandten Regulierungsfeldern bekannte Instrumente ein.

Mittelbare Wirkungen auf weitere „grüne“ Fremdkapitalinstrumente

Als neue Option für Emittenten grüner Finanzinstrumente sieht die jüngste Einigung vor, dass die standardisierten Berichtsformate auch für sonstige nachhaltigkeitsorientierte Fremdkapitalinstrumente zur Verfügung stehen, die nicht für die Klassifizierung als EU Green Bond qualifizieren, aber gleichfalls den grünen Charakter der Kapitalaufnahme herausarbeiten wollen (z.B. sustainability-linked bonds). Ziel dürfte sein, ein intersubjektiv nachvollziehbares Reporting über Nachhaltigkeitsfaktoren in Anlehnung an den EUGBS für den gesamten grünen Fremdkapitalmarkt zu schaffen. Auch insoweit gilt (erst recht), dass Emittenten entsprechender grüner Finanzinstrumente die Reporting Templates verwenden können, aber nicht müssen.

Weiteres Verfahren und Inkrafttreten

Ungeachtet der grundsätzlichen Einigung im Trilog-Verfahren vom 28.2.2023 steht diese noch unter dem Vorbehalt der förmlichen Zustimmung von Rat und Europäischen Parlament. Nach dem Kommissionsentwurf sollte die EUGBS-VO in großen Teilen am 20. Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten (Art. 64 EUGBS-VO-E). Allerdings stellt die offizielle Kommunikation des Trilog-Ergebnisses nunmehr in Aussicht, dass die EUGBS-VO zwölf Monate nach ihrem Inkrafttreten Anwendung finden soll.

Die „grüne“ Taxonomie: Komplex, weitreichend und in stetiger Weiterentwicklung

Seit dem Inkrafttreten der Taxonomie-Verordnung (EU) 2020/852 im Juli 2020 (s. Reich, AG 2020, R236; Wollenhaupt/Zeibig, DB 2021, Beilage 02 zum Heft 20, S. 42) beginnt sich die Sprache im Umfang mit Nachhaltigkeit in Finanzprodukten und vor allem bei der Bewertung von Anlagezielen und Investmentstrategien zu wandeln. Wurden nachhaltige Finanzprodukte bis vor kurzem ausschließlich mit individuell festgelegten ökologischen und sozialen Merkmalen konzipiert, müssen sich zukünftig Unternehmen des Kapitalmarktes, Finanzproduktanbieter und Kapitalgeber/Investoren den neuen Begriffen wie „ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten“, „Do no significant harm“, „soziale Mindestkriterien“, „taxonomie-fähig“ und „taxonomie-konform“ auseinandersetzen.

Die Einstufung einer Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig ist u.a. die Grundlage für zukünftige Transparenzanforderungen, die sich zum einen aus der Taxonomie-Verordnung selbst, zum anderen aus Rechtsakten, die sich wiederum auf die Taxonomie-Verordnung beziehen, ergeben. Zu nennen sind hier als Beispiele die Offenlegungs-Verordnung (EU) 2019/2088 (hierzu etwa Reich, AG 2021, R100; Reich, AG 2022, R4; Wollenhaupt/Zeibig, DB 2021, Beilage 02 zum Heft 20, S. 42), der Entwurf der Corporate Sustainability Reporting Directive (s. Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, DB 2021, 2301; Hommelhoff, DB 2021, 2437; Scheffler, AG 2021, R167) oder die Änderungen zu MiFID II (vgl. Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253; dazu Hanke, ZIP 2022, 62; Reich, AG 2022, R24; s. ferner Delegierte Richtlinie (EU) 2021/1269).

Durch die Taxonomie-Verordnung werden die Kriterien zur Bestimmung, ob eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, festlegt. Über weitere delegierte Rechtsakte sollen die sog. technischen Bewertungskriterien definiert werden. Seit 9.12.2021 liegen diese für die Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ vor (vgl. Delegierte Verordnung (EU) 2021/2139; dazu Reich, AG 2021, R235; Reich, AG 2022, R41 und ein Beitrag im Gesellschaftsrechts-Blog).

Die Europäische Kommission hat bislang nicht für jede Wirtschaftstätigkeit technische Bewertungskriterien festgelegt. Sie fokussiert sich zunächst darauf, nur die Wirtschaftstätigkeiten zu berücksichtigen, welche eine besondere Relevanz für das Ziel haben, die europäischen CO2-Emissionen zu reduzieren. So kommt es, dass auf der einen Seite energieintensive Branchen wie die Stahl- und Aluminiumerzeugung und auf der anderen Seite Branchen wie die Land- und Forstwirtschaft im „Katalog“ zur Einstufung der ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten enthalten sind (Überblick bei Reich, AG 2022, R41, R42 f.). Die technischen Bewertungskriterien für die beiden oben genannten Umweltziele sind bereits zum 1.1.2022 anzuwenden.

Für das Jahr 2022 werden von der Europäischen Kommission die Entwürfe für die technischen Bewertungskriterien der anderen vier Umweltziele – a) nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, b) der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, c) Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und d) der Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme – erwartet. Diese sollen dann ab dem 1.1.2023 zur Anwendung kommen.

Neben dem hier beschriebenen und vielfach als „Green Taxonomy“ bezeichneten Klassifikationssystem befindet sich auch eine „Social Taxonomy“ in der Entwicklung. Die von der Europäischen Kommission eingesetzte Expertengruppe „Platform on Sustainable Finance“ erarbeitete 2021 einen ersten Entwurf, der zur Konsultation gestellt wurde (vgl. dazu Reich, AG 2021, R328). Die eingegangenen Rückmeldungen wurden bewertet, so dass ein Abschlussbericht zur Ausgestaltung der Social Taxonomy in absehbarer Zeit erwartet werden kann. Mit ihr sollen Kriterien festgelegt werden, mit denen Investoren in die Lage versetzt werden sollen, Kapital in sozial nachhaltige Investitionen zu lenken.

In der AG berichten wir regelmäßig über den aktuellen Stand zur Weiterentwicklung der Nachhaltigkeits-Taxonomie und über Sustainable Finance-Aktivitäten (s. etwa Reich, AG 2021, R179; Reich, AG 2021, R219; Reich, AG 2021, R265 und den Beitrag im Gesellschaftsrechts-Blog). Einen aufschlussreichen Überblick über ESG-Themen finden Sie auch in der Beilage 02 zum DB-Heft 20/2021.

Weitere Konkretisierung der Green Taxonomy

Die delegierte Verordnung (EU) vom 4.6.2021 dient der Ergänzung der Taxonomie-Verordnung ((EU) 2020/852), die im Juli 2020 in Kraft getreten ist. Mit der nun vorliegenden delegierten Verordnung einer Klimataxonomie sollen weitere Kriterien festgelegt werden, um den Begriff der „ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit“ für die ersten zwei der insgesamt sechs Umweltziele zu definieren (Anpassung an den Klimawandel und Klimaschutz).

Besondere Bedeutung erlangt die delegierte Verordnung unter anderem für Unternehmen, die zur Veröffentlichung der nichtfinanziellen Erklärung verpflichtet sind. Diese müssen nach Art. 8 Abs. 2 der Taxonomie-Verordnung angeben, wie hoch der Anteil der Umsatzerlöse ist, der mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten verbunden ist, sowie die Höhe des Anteils der Investitions- und gegebenenfalls der Betriebsausgaben, die mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind.

Bezogen auf die Berichtspraxis sollen für das Umweltziel „Anpassung an den Klimawandel“ beispielsweise nur Investitions- und Betriebsausgaben geltend gemacht werden, wenn die Tätigkeit klimaresilient ausgeführt wird. Für Umsatzerlöse würde dies aber nicht der Fall sein. Ähnliches wie bei den Betriebsausgaben soll für Wirtschaftstätigkeiten gelten, die den technischen Bewertungskriterien für einen „wesentlichen Beitrag“ im Sinne der Taxonomie-Verordnung noch nicht erfüllen, aber das Unternehmen bereits einen Investitionsplan festgelegt hat, um die Kriterien innerhalb einer bestimmten Frist zu erreichen. Dann können die Ausgaben als taxonomiekonform angerechnet werden. Für die Anrechnung der Umsatzerlöse muss eine Tätigkeit die Kriterien allerdings unmittelbar erfüllen.

Die technischen Bewertungskriterien für das Umweltziel „Klimaschutz“ werden in

Art. 1 i.V.m. Anhang I der EU-Klimataxonomie festgelegt. Art. 2 i.V.m. Anhang II der EU-Klimataxonomie umfasst die technischen Bewertungskriterien für das Umweltziel „Anpassung an den Klimawandel“. In einem ersten Schritt betreffen die von der Europäischen Kommission entwickelten Kriterien nur bestimmte, für den Klima- und Umweltbereich besonders relevante Sektoren bzw. Wirtschaftstätigkeiten. Dazu zählen:

  • Forstwirtschaft
  • Tätigkeiten in den Bereichen Umweltschutz und Wiederherstellung
  • Verarbeitendes Gewerbe / Herstellung von Waren
  • Energie
  • Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen
  • Verkehr
  • Baugewerbe und Immobilien
  • Information und Kommunikation
  • Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen.

Die delegierte Verordnung, die demnächst ausführlicher im AG-Report dargestellt wird, ist Ende Mai förmlich angenommen worden. Sie wird am zwanzigsten Tag nach der Veröffentlichung der EU-Klimataxonomie im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten und soll ab dem 1. Januar 2022 gelten. Für die weiteren vier Umweltziele ist vorgesehen, zeitnah auch eine delegierte Verordnung zu veröffentlichen. Die Anforderungen für diese Umweltziele sollen dann ab dem 1. Januar 2023 gelten.

Sustainable Finance: Die nachhaltige Transformation der Finanzwirtschaft und des Kapitalmarkes

Sustainable Finance, Nachhaltigkeit, Klimarisiken – Begriffe, die zunehmend in den Wortschatz der Akteure in der Finanzwirtschaft und am Kapitalmarkt übergehen. Dennoch bleiben vor dem Hintergrund der nicht immer in Einklang miteinander verlaufenden nationalen wie europäischen Regulierungsvorhaben und Nachhaltigkeitsbestrebungen viele Fragen für die Umsetzung neuer Anforderungen offen. Auch deshalb ist Sustainable Finance ein Themenkomplex, der in Bezug auf die Regulierung einer kontinuierlichen Weiterentwicklung und Konkretisierung ausgesetzt ist.

Bereits 2018 formulierte die Europäische Kommission mit ihrem „Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ die drei Ziele: (1) Kapitalströme hin zu nachhaltigeren Investitionen lenken zu wollen, (2) Nachhaltigkeitsaspekte stärker im Risikomanagement zu verankern und (3) Transparenz und Langfristigkeit zu fördern. Seitdem sind diverse Legislativvorschläge veröffentlicht, Konsultationen durchgeführt und Änderungen diskutiert und manche sogar schon verabschiedet worden.

Im April 2021 stellte die Europäische Kommission ein weiteres umfassendes Maßnahmenpaket vor. Unter dem Titel „EU Sustainable Finance April package“ wurden regulatorische Vorschläge gebündelt, die drei Bereiche umfassen:

  1. die delegierte Verordnung zur EU-Klimataxonomie (EU Taxonomy Climate Delegated Act),
  2. den Richtlinienvorschlag zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Proposal for a Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) – dazu Scheffler, AG 2021, R167) sowie
  3. sechs delegierte Änderungsakte zu den treuhänderischen Pflichten, zu Aufsichts- und Lenkungsanforderungen bei Finanzprodukten sowie zur Anlage- und Versicherungsberatung.

Nur knapp zwei Wochen später veröffentlichte die Bundesregierung ihre Deutsche Sustainable Finance-Strategie. Die als „wegweisende Strategie für nachhaltige Finanzierung“ beschriebene Strategie geht auf die Empfehlungen des Sustainable Finance-Beirates zurück, der Ende Februar 2021 konkrete Vorschläge und Ideen an die Bundesregierung adressierte. Der Report des Beirates „Shifting the Trillions – Ein nachhaltiges Finanzsystem für die Große Transformation“ umfasste 31 Empfehlungen, die nun in die Sustainable Finance-Strategie der Bundesregierung eingeflossen sind.

Mit der Deutschen Sustainable Finance-Strategie nimmt die Bundesregierung die europäischen Bestrebungen auf und lenkt so ihren Fokus darauf, mit der Umsetzung der Strategie die notwendigen Investitionen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit mobilisieren zu können und Klimarisiken für das Finanzsystem zu adressieren. Als Rahmen für die Strategie wurden fünf Ziele definiert:

  1. Sustainable Finance weltweit und europäisch voranbringen;
  2. Chancen ergreifen, Transformation finanzieren, Nachhaltigkeitswirkung verankern;
  3. Risikomanagement der Finanzindustrie gezielt verbessern und Finanzmarktstabilität gewährleisten;
  4. Finanzstandort Deutschland stärken und Expertise ausbauen;
  5. Bund als Vorbild für Sustainable Finance im Finanzsystem etablieren.

Die in der Sustainable Finance-Strategie formulierten 26 Maßnahmen erstrecken sich beispielsweise auf die Umschichtung der Kapitalanlagen des Bundes hin zu nachhaltigeren Anlageformen, auf eine Nachhaltigkeitsampel für Finanzprodukte oder auf umfassendere Berichtspflichten für Unternehmen. 25 der insgesamt 26 Maßnahmen sollen kurz- und mittelfristig umgesetzt werden. Der enge Zeitplan unterstreicht den Ehrgeiz der Bundesregierung, mit dieser Strategie ihren Beitrag für einen sozial-ökologischen Wirtschaftsumbau zu leisten. Denn die Europäische Kommission schätzt den notwendigen Investitionsbedarf allein in diesem Jahrzehnt in Europa auf rund 350 Mrd. € pro Jahr.

Die umfassende Auseinandersetzung der Autorin mit den Inhalten des „EU Sustainable Finance April package“ sowie der Deutschen Sustainable Finance-Strategie erfolgt in den kommenden AG-Heften.

Online-Dossier: Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG)

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze (UmRUG, BGBl. I 2023, Nr. 51 v. 28.2.2023) und dem Gesetz zur Umsetzung der Bestimmungen der Umwandlungsrichtlinie über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (MgFSG, BGBl. 2023 I Nr. 10 v. 13.1.2023) hat der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben der Umwandlungsrichtlinie im nationalen Recht verankert.

Nachfolgend finden Sie eine Zusammenstellung an Beiträgen zum reformierten Umwandlungsrecht aus dem Portfolio des Verlags Otto Schmidt, die wir fortlaufend erweitern werden:

Aus der ZIP:

  • Albers, Zur Gläubigerkonkurrenz um die begrenzte Mithaftung nach Spaltung, ZIP 2024, 2849
  • Lieder/Hilser, Die Ersetzungsbefugnis bei umwandlungsrechtlichen Nachbesserungsansprüchen nach dem UmRUG, ZIP 2023, 1
  • Lieder/Hilser, Die Neuordnung des Rechtsschutzsystems gegen ein unangemessenes Umtauschverhältnis bei Umwandlungsmaßnahmen nach dem UmRUG, ZIP 2022, 2521
  • Heckschen/Knaier, Reform des Umwandlungsrechts kurz vor dem Ziel, ZIP 2022, 2205
  • Wollin, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie, ZIP 2022, 989

Aus der GmbHR:

  • Heckschen/Knaier, Die größte Reform des Umwandlungsrechts: Endlich in Kraft!, GmbHR 2023, 317
  • Sauerbrey, Der Mitbestimmungsschutz bei grenzüberschreitenden Umwandlungen nach dem UmRUGMitbestG, GmbHR 2023, 5
  • Heckschen/Knaier, Das UmRUG auf der Zielgeraden, GmbHR 2022, R376.
  • Ulrich, EU, Grenzüberschreitende Umwandlungen – Bald Ende der Umsetzungsfrist für das UmRUG, GmbHR 2022, R359
  • Heckschen/Knaier, Update UmRUG, GmbHR 2022, R260
  • Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtlinienumsetzung! (Teil II), GmbHR 2022, 613
  • Heckschen/Knaier, Größte Reform des Umwandlungsrechts – nicht nur Richtlinienumsetzung! (Teil I), GmbHR 2022, 501

Aus der AG:

  • Bücker/Kopp, Erste Praxiserfahrungen mit einem grenzüberschreitenden Hereinformwechsel nach dem neuen UmwG in die Rechtsform der Aktiengesellschaft, AG 2023, 764
  • Simons, Die Neuerungen durch das UmRUG (sowie das MoPeG und das DiRUG/DiReG) im Recht des innerstaatlichen Formwechsels, AG 2023, 754
  • Spindler/Eitinger, Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach dem MgVG und dem MgFSG, AG 2023, 593
  • Drescher, Die Änderung des Spruchverfahrensgesetzes 2023, AG 2023, 337
  • Herzog/Gebhard, Grenzüberschreitende Verschmelzungen von Aktiengesellschaften nach dem UmRUG, AG 2023, 310
  • Brandi/Schmidt, Die grenzüberschreitende Spaltung nach dem UmRUG, AG 2023, 297
  • Habrich, Die Verbesserung des Umtauschverhältnisses mit Zusatzaktien – Eine kritische Würdigung des Regierungsentwurfs zur (überschießenden) Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie, AG 2022, 567
  • Wollin, Zur Reform des Vergleichs im Spruchverfahren, AG 2022, 474
  • Müller-Bonanni/Jenner, Unternehmensmitbestimmung bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Spaltungen und Verschmelzungen, AG 2022, 457

Aus DER BETRIEB:

  • Bungert/Strothotte, Grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen: Praxiserfahrungen mit dem neuen Recht, DB 2024, 2814
  • Bungert/Reidt, Erweiterte Möglichkeiten grenzüberschreitender Umwandlungen – nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum UmRUG, DB 2023, 54
  • Brandi/Schmidt, Der grenzüberschreitende Formwechsel nach dem RegE zum UmRUG, DB 2022, 1880
  • Bungert/Strothotte, Die Regierungsentwürfe zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechseln, DB 2022, 1818
  • Mückl/Blunck, Mitbestimmungsrecht bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, DB 2022, 1640

Aus dem Blog Gesellschaftsrecht:

  • Wertenbruch, UmRUG tritt am 1. März 2023 mit Übergangsregelung in Kraft, Blog-Beitrag v. 28.2.2023 (GESRBLOG0001373)
  • Wertenbruch, Bundestag verabschiedet Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG), Blog-Beitrag v. 20.1.2023 (GESRBLOG0001320)
  • Heckschen/Knaier, Folgenreiche „Blutgrätsche“ für das UmRUG auf der Zielgeraden, Blog-Beitrag v. 29.12.2022 (GESRBLOG0001282)
  • Wertenbruch, Bundesrat „vertagt“ UmRUG und stimmt Gesellschaftsregister-VO (GesRV) sowie der Änderung der Handelsregisterverordnung (HRV) zu, Blog-Beitrag v. 19.12.2022 (GESRBLOG0001267)
  • Müller-Bonanni/Jenner/Denninger, Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie: Nachgelagerte Verhandlungspflicht zur Durchsetzung nationaler Mitbestimmungsregeln? – Rechtliche Bewertung der Prüfbitte des Bundesrats, Blog-Beitrag v. 26.9.2022 (GESRBLOG0001140)
  • Müller-Bonanni/Jenner, Kabinett beschließt Gesetz zur Umsetzung der mitbestimmungsrechtlichen Regelungen der Umwandlungsrichtlinie, Blog-Beitrag v. 11.7.2022 (GESRBLOG0001114)
  • Heckschen/Knaier, New Kid in Town: Was bringt die größte Reform des Umwandlungsrechts?, Blog-Beitrag v. 3.5.2022 (GESRBLOG0001075)

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