Montagsblog: Neues vom BGH

Streitwert bei Antrag auf Herausgabe, Fristbestimmung und Schadensersatz nach Fristablauf
Beschluss vom 28. September 2017 – V ZB 63/16

Eine bislang umstrittene Frage beantwortet der V. Zivilsenat.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Herausgabe eines Wohnungsschlüssels. Ergänzend beantragte er, der Beklagten eine Frist zu setzen und sie für den Fall nicht rechtzeitiger Herausgabe zur Zahlung von rund 1.400 Euro zu verurteilen. Zur Begründung machte er geltend, ohne Rückgabe des Schlüssels müsse er die Schließanlage im gesamten Anwesen auswechseln lassen. Das AG wies die Klage ab. Das LG verwarf die Berufung mangels ausreichender Beschwer als unzulässig.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er tritt dem LG zwar darin bei, dass der Streitwert für den Herausgabeantrag nicht anhand der Kosten einer neuen Schließanlage zu bemessen ist, sondern allein anhand der (im Streitfall unter 600 Euro liegenden) Kosten eines Ersatzschlüssels, weil die Beschaffung einer neuen Schließanlage nicht zum Gegenstand dieses Antrags gehört, sondern nur eine mittelbare wirtschaftliche Folge darstellt. Entgegen einer verbreiteten Auffassung ist für die Bemessung des Streitwerts aber auch der Antrag auf Zahlung von Schadensersatz bei nicht rechtzeitiger Herausgabe zu berücksichtigen. Weil die beiden Ansprüche wirtschaftlich auf dasselbe Ziel gerichtet sind, ist entsprechend § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur einer von ihnen heranzuziehen, und zwar derjenige mit dem höheren Wert. Im Streitfall beträgt die Beschwer deshalb rund 1.400 Euro.

Praxistipp: Die Kombination eines Herausgabeantrags mit Anträgen auf Fristsetzung und Zahlung von Schadensersatz ist nach § 255 und § 260 ZPO möglich. Hinsichtlich des Zahlungsantrags müssen zusätzlich die Voraussetzungen des § 259 ZPO (Besorgnis der nicht rechtzeitigen Erfüllung) vorliegen.

Anwaltswechsel nach selbständigem Beweisverfahren
Beschluss vom 26. Oktober 2017 – V ZB 188/16

Eine weitere umstrittene Frage beantwortet der V. Zivilsenat in einem etwas später ergangenen, aber zeitgleich veröffentlichten Beschluss.

Der Kläger hatte gegen die Beklagte ein selbständiges Beweisverfahren wegen Rissen und Feuchtigkeitsschäden an einem Gebäude durchführen lassen. Seine später wegen derselben Schäden erhobene Klage wurde abgewiesen. Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragte die Beklagte die Festsetzung von zwei anwaltlichen Verfahrensgebühren, weil sie im selbständigen Beweisverfahren von einem anderen Anwalt vertreten wurde als im Hauptsacheverfahren. Das LG setzte nur eine der beiden Verfahrensgebühren fest. Die Beschwerde der Beklagten blieb erfolglos.

Der BGH bestätigt die Entscheidungen der Vorinstanz. In den beiden Verfahren ist zwar jeweils eine Verfahrensgebühr angefallen. Nach § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist aber nur eine davon erstattungsfähig, weil  die Gebühr für das selbständige Beweisverfahren ohne den Anwaltswechsel auf die Gebühr für das Hauptsacheverfahren anzurechnen wäre. Wegen der engen Verflechtung der beiden Verfahren gilt § 92 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch für einen Anwaltswechsel nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens und vor Beginn des Hauptsacheverfahrens.

Praxistipp: Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Anwaltswechsel notwendig war, liegt beim Kostengläubiger.

Rechtzeitige Zahlung des Kostenvorschusses
Urteil vom 29. September 2017 – V ZB 103/16

Eine weitere Entscheidung des V. Zivilsenats betrifft die Frage, wann eine Zustellung noch im Sinne von § 167 ZPO „demnächst“ erfolgt ist.

Der Kläger focht mehrere Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung an. Zwei Tage vor Ablauf der einmonatigen Klagefrist  (§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG) erhielt der Prozessbevollmächtigte die Gerichtskostenrechnung übersandt. Dreißig Tage später ging der Vorschuss bei der Justizkasse ein. Das AG wies die Klage als unzulässig ab. Die Berufung blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er knüpft an seine Rechtsprechung an, wonach eine Zustellung noch „demnächst“ erfolgt ist, wenn eine durch nachlässiges Verhalten des Klägers verursachte Verzögerung vierzehn Tage nicht übersteigt. Hierbei ist der Zeitraum bis zum Ablauf der Frist (im Streitfall: zwei Tage) nicht zu berücksichtigen. Darüber hinaus hat der Kläger grundsätzlich mindestens eine Woche Zeit, um die Zahlung zu erledigen. Dieser Zeitraum verlängerte sich im Streitfall auf neun Tage, weil innerhalb der Wochenfrist zwei Feiertage lagen. Ferner hat der Prozessbevollmächtigte für die Prüfung und Weiterleitung der an ihn übersandten Rechnung drei Werktage Zeit. Im Streitfall betrug der aus diesem Grund unschädliche Zeitraum fünf Tage, weil er ein Wochenende umfasste. Von den dreißig Tagen zwischen Erhalt der Rechnung und Zahlungseingang sind damit insgesamt sechzehn nicht zu berücksichtigen. Der verbleibende, auf Nachlässigkeit des Klägers zurückzuführende Zeitraum beträgt vierzehn Tage – eine wahre Punktlandung.

Praxistipp: Die Frage, ob eine Kostenrechnung an den Prozessbevollmächtigten oder unmittelbar an die Partei versandt wird, ist nicht bundeseinheitlich geregelt. Die Pflicht des Anwalts, eine erhaltene Rechnung innerhalb von drei Werktagen (gemeint sind wohl Arbeitstage) zu prüfen und an den Mandanten weiterzuleiten, besteht unabhängig davon, ob die Übersendung an ihn der einschlägigen Regelung entspricht..

Montagsblog: Neues vom BGH

Kosten des Vergleichs
Beschluss vom 14. Juni 2017 – I ZB 1/17

Mit der Auslegung einer Kostenregelung in einem gerichtlichen Vergleich befasst sich der I. Zivilsenat.

Der Kläger hatte den Beklagten im Wege der Teilstufenklage auf Zahlung von Maklerhonorar für die Vermittlung von Kaufverträgen in Anspruch genommen. Vor dem LG schlossen die Parteien einen umfassenden Vergleich, in den auch nicht rechtshängige Ansprüche einbezogen wurden. Darin wurde u.a. vereinbart, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits trägt und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden. Im Kostenfestsetzungsverfahren machte der Kläger eine Terminsgebühr aus dem vollen Vergleichswert geltend. Die Rechtspflegerin setzte nur eine Gebühr aus dem Wert der eingeklagten Forderungen an. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Klägers blieb erfolglos.

Der BGH weist die Rechtsbeschwerde zurück. Mit den Vorinstanzen sieht er als „Kosten des Rechtsstreits“ nur diejenigen Kosten an, die durch die Geltendmachung der bereits vor dem Vergleichsabschluss rechtshängigen Ansprüche entstanden sind. „Kosten des Vergleichs“ sind demgegenüber alle Mehrkosten, die durch den Vergleichsabschluss und durch die Einbeziehung weiterer Forderungen in den Vergleich entstanden sind. Hierzu gehört nicht nur die Vergleichsgebühr, sondern auch die Terminsgebühr, soweit sich diese aufgrund der Einbeziehung dieser Forderungen erhöht hat.

Praxistipp: Um Schwierigkeiten bei der Kostenfestsetzung zu vermeiden, sollten die Parteien darauf hinwirken, dass der Wert der eingeklagten und der Wert der zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Ansprüche im Streitwertfestsetzungsbeschluss separat ausgewiesen werden.

Haftung des anwaltlichen Mediators
Urteil vom 21. September 2017 – IX ZR 34/17

Eine grundlegende Entscheidung zur Haftung eines anwaltlichen Mediators trifft der IX. Zivilsenat.

Im Vorfeld eines Scheidungsverfahrens hatten sich die betroffenen Eheleute an eine von der beklagten Rechtsanwältin betriebene Schlichtungsstelle gewandt, um eine einvernehmliche und kostengünstige Scheidung zu ermöglichen. Die Eheleute erteilten ihr unter anderem eine Vollmacht zur Einholung von Auskünften bei den zuständigen Trägern der Rentenversicherung. Im Scheidungstermin trat für die Ehefrau der Kläger als Prozessbevollmächtigter auf. Er war kurz zuvor – ebenso wie die Anwältin des Ehemannes – auf Vermittlung der Beklagten eingeschaltet worden und mit Einzelheiten nicht vertraut. Kurz vor dem Termin teilte die Beklagte der Anwältin der Ehefrau per E-Mail mit, ein Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs solle nicht protokolliert werden, sofern mit der Mandantin nichts anderes besprochen werde. Dem Kläger teilte sie mit, die angestrebte Vereinbarung über die Scheidungsfolgen liege bislang lediglich als Entwurf vor. Im Termin erschien der Kläger erst zur Erörterung des Versorgungsausgleichs. Er ließ sich von der Ehefrau, mit der er zuvor noch nie zusammengetroffen war, mündlich mandatieren und stimmte in deren Namen dem Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu. Später eingeholte Auskünfte der Versorgungsträger ergaben, dass der Ehefrau ein Ausgleichsanspruch in Höhe von mehr als 90.000 Euro zugestanden hätte. In einem Haftungsprozess mit der Ehefrau verpflichtete sich der Kläger vergleichsweise zur Zahlung von rund 64.000 Euro. Zwei Drittel dieses Betrags verlangte er im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs von der Beklagten erstattet. Das LG wies die Klage ab. Das OLG sprach dem Kläger die Hälfte des an die Ehefrau gezahlten Betrags zu.

Der BGH weist die Revision der Beklagten zurück. Er qualifiziert das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und den Eheleuten als Mediationsvertrag in der Form des mehrseitigen Anwaltsdienstvertrags, weil es die Beklagte übernommen hat, rechtliche Lösungsvorschläge zu entwickeln und dies eine Rechtsdienstleistung darstellt. Aus diesem Dienstvertrag haftet die Beklagte nach anwaltsrechtlichen Grundsätzen. Eine Pflichtverletzung sieht der BGH darin, dass die Beklagte den Kläger nicht darüber informiert hat, dass noch keine Auskünfte zum Versorgungsausgleich vorliegen. Ob ein entsprechender Hinweis an die Anwältin des Ehemanns ausgereicht hätte, lässt er offen, weil die Beklagte im Streitfall auch insoweit keine hinreichend deutlichen Informationen erteilt hatte. Dass der Kläger ebenfalls seine anwaltlichen Pflichten verletzt hat, führt nicht zu einer Unterbrechung des Kausalverlaufs, sondern lediglich zu einer gleichmäßigen Verteilung der Haftung im Innenverhältnis.

Praxistipp: Um eine Haftung in solchen Konstellationen zu vermeiden, sollte der Mediator von der Durchführung des Scheidungstermins vor endgültiger Klärung aller für die angestrebte Vereinbarung relevanter Fragen dringend abraten. Wollen die Mandanten diesem Rat nicht folgen, sollten die Prozessbevollmächtigten detailliert und unmissverständlich über den Verfahrensstand informiert werden. Zusätzlich sollten die Mandanten persönlich eingehend über die drohenden Risiken belehrt werden.

Unzulässigkeit der Berufung nach § 45 GKG ?

Zu seiner Entscheidung vom 27.07.2017 – III ZB 37/16 – hat der BGH folgenden Leitsatz veröffentlicht: „Der Wert der Beschwer ist nach § 45 Abs. 1 GKG zu bemessen, wenn die von einer beklagten Partei gestellten Hilfsanträge, eine Verurteilung nur Zug-um-Zug gegen bestimmte Leistungen auszusprechen, unzutreffend als Hilfswiderklage angesehen werden und diese abgewiesen wird.“

Bei der Abfassung ist dem BGH wohl ein kleiner Fehler unterlaufen. In der Entscheidung ging es um die Unzulässigkeit der Berufung wegen Nichterreichens der Berufungssumme nach § 511 Abs. 2 ZPO. Zutreffend hat der BGH den Wert der Beschwer auch nur anhand der Wertvorschriften der ZPO (hier §§ 2, 3, 5) beurteilt. § 45 GKG wird in der Entscheidung gar nicht angesprochen.

Die GKG-Streitwertvorschriften betreffen nämlich nur den Streitwert für die Gebühren.

 

 

 

 

Montagsblog: Neues vom BGH

Ersatz von Anwaltskosten für Geltendmachung des Kaskoschadens
Urteil vom 11. Juli 2017 – VI ZR 90/17

Der VI. Zivilsenat zeigt die Grenzen der Ersatzpflicht nach einem Verkehrsunfall auf.

Nach einem Verkehrsunfall betraute der Kläger seinen Anwalt mit der Geltendmachung seiner Ansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners und gegenüber seiner eigenen Kaskoversicherung. In der Folgezeit ersetzten die Haftpflicht- und die Kaskoversicherung den entstandenen Schaden jeweils zur Hälfte. Der Anwalt berechnete seine Vergütung für die Tätigkeit gegenüber der Kaskoversicherung auf der Grundlage des von dieser gezahlten Betrags. Der Kläger begehrte von den Beklagten die Erstattung der gezahlten Vergütung. Die Klage blieb erfolglos.

Der BGH weist die Revision des Klägers zurück. Abweichend von der Vorinstanz verneint er einen Ersatzanspruch nicht schon deshalb, weil der Kläger seinen Anwalt zu früh beauftragt hat. Zwar wäre die Einschaltung eines Anwalts für den ersten Kontakt mit der Kaskoversicherung nicht erforderlich gewesen. Damit ist ein Ersatzanspruch wegen einer später erforderlich gewordenen Beauftragung aber nicht ausgeschlossen. Die Rahmengebühr für das Betreiben des Geschäfts entsteht mit jeder Handlung von neuem. Sie kann zwar nach § 15 RVG insgesamt nur einmal bis zur Höchstgrenze von 2,5 geltend gemacht werden. Bis zu dieser Grenze kann sie aber mit zunehmendem Tätigkeitsumfang anwachsen. Dennoch verbleibt es bei der Abweisung der Klage, weil der geltend gemachte Schaden schon dem Grunde nach nicht ersatzfähig ist. Der Kläger hat die Kaskoversicherung nur wegen desjenigen Teils des Schadens in Anspruch genommen, für den der Unfallgegner nicht einzustehen hat. Die dafür angefallene Vergütung gehört ebenfalls nicht zu dem vom Beklagten zu ersetzenden Schaden.

Praxistipp: Wenn keine Rechtsschutzversicherung besteht, sollte der Mandant darauf hingewiesen werden, dass die Vergütung für den ersten Kontakt mit dem Kaskoversicherer nicht erstattungsfähig ist.

Widerrechtliche Drohung
Beschluss vom 19. Juli 2017 – XII ZB 141/16

Mit einem Grundbegriff aus dem Allgemeinen Teil des BGB befasst sich der XII. Zivilsenat in einer Betreuungssache.

Die 1929 geborene Betroffene hatte im Jahr 2009 zugunsten ihrer drei Kinder eine General- und Vorsorgevollmacht errichtet. Die beiden Töchter erhielten umgehend eine Ausfertigung. Die Ausfertigung für den Sohn – der von der Vollmacht nichts wusste – behielt eine der Töchter in Verwahrung. In der Folgezeit teilten die Töchter nahezu den gesamten Immobilienbesitz ihrer Mutter unter sich auf. Nachdem der Sohn hiervon erfahren hatte, ließ er die Mutter anwaltlich auffordern, die Vollmacht für die Töchter zu widerrufen, weil diese ansonsten auch das restliche Vermögen an sich reißen würden. Die Mutter kam der Aufforderung nach. Der Sohn beantragte daraufhin, eine Betreuung für sie einzurichten. Der als Betreuungsrichter zuständige Notar und das LG lehnten den Antrag ab, unter anderem mit der Begründung, die Mutter habe den Widerruf der Vollmachten wirksam wegen widerrechtlicher Drohung angefochten.

Der BGH verweist die Sache an das LG zurück. Er verneint eine widerrechtliche Drohung im Sinne von § 123 BGB schon deshalb, weil der Eintritt des in Aussicht gestellten Übels – die Übertragung weiterer Vermögensgegenstände – nach der Ankündigung des Sohnes nicht von seinem Willen abhing, sondern vom Willen der Töchter. Darüber hinaus hält der BGH auch die Begründung, mit der das LG die Töchter trotz deren eigennützigen Verhaltens weiterhin als zur Vertretung ihrer Mutter geeignet angesehen hat, für nicht tragfähig.

Praxistipp: Wenn zweifelhaft ist, ob der Vollmachtswiderruf wirksam angefochten wurde, empfiehlt sich – sofern möglich – eine erneute Erteilung der Vollmacht. Für die Frage, ob der Bevollmächtigte als geeignet angesehen werden kann, ist damit allerdings wenig gewonnen.

Keine Kostenentscheidung nach Rücknahme des Antrags auf Zuständigkeitsbestimmung bei Anhängigkeit der Hauptsache

Der Beschluss über die gerichtliche Bestimmung nach § 37 ZPO enthält grundsätzliche keine Kostenentscheidung. Denn die Kosten des Bestimmungsverfahrens gehören zu den Kosten des Rechtsstreits (BayObLG NJW-RR 2000, 141). Bei einer Zurückweisung des Gesuchs des Antragstellers richtet sich die Kostenentscheidung hingegen nach § 91 ZPO entsprechend, im Falle der Rücknahme des Gesuchs nach § 269 Abs. 3 ZPO entsprechend, wenn jedenfalls eine Hauptsache nicht schon anhängig ist (jeweils BGH NJW-RR 1987, 757; str.).

Nun hat das OLG München in einer aktuellen Entscheidung nochmals bestätigt, dass bei Zurücknahme des Antrags nach § 37 ZPO  jedenfalls dann keine Kostenentscheidung veranlasst sei, wenn das Hauptsacheverfahren bereits rechtshängig sei und der Antragsgegner im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren durch dieselben Anwälte vertreten werde (OLG München vom 28.06.2017 – 34 AR 64/17 – unter Fortführung von OLG München vom 21.3.2014, 34 AR 256/13). Nach § 16 Abs. 1 Nr. 3a RVG würden auch ohne Bestimmungsentscheidung endende Verfahren zu derselben Angelegenheit gehören und keinen Gebührentatbestand auslösen. Zwar sei die Kostengrundentscheidung regelmäßig unabhängig davon zu treffen, ob im Einzelfall Kosten anfallen würden oder nicht. Stehe jedoch – wie hier – fest, dass (siehe § 16 Abs. 1 Nr. 3a RVG) keinerlei Kosten geltend gemacht werden könnten, so fehle das Rechtsschutzbedürfnis für eine ins Leere laufende Entscheidung.

Das OLG München hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, obwohl eine Befassung des BGH mit dieser Problematik wünschenswert gewesen wäre. Allerdings wird nach überwiegender Meinung eine Rechtsbeschwerde im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren für nicht statthaft gehalten.

 

 

Keine Erstattung der nach der Kostengrundentscheidung entstandenen Terminsgebühr

Die Kostengrundentscheidung in einem Beschluss über den Erlass einer einstweiligen Verfügung erfasst das einstweilige Verfügungsverfahren lediglich bis zum Erlass dieses Beschlusses. Entsteht die Terminsgebühr nach Erlass dieses Beschlusses durch außergerichtliche Besprechungen i.S.v. Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG, kann sie der vorangegangenen Kostengrundentscheidung nicht mehr zugeordnet werden. Die Termingsgebühr ist also nicht auf der Grundlage dieser Kostenentscheidung gegen den Gegner festsetzungsfähig. So hat es der BGH entschieden (Beschl. v. 07.02.2017 – VI ZB 43/16).

Der BGH wendet sich also nicht gegen die Entstehung der Terminsgebühr. Die Terminsgebühr hat der Mandant dem Anwalt zu vergüten. Der Mandant erhält die Terminsgebühr lediglich nicht vom Gegner erstattet. Hätte ein Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung vorgelegen, hätte die Terminsgebühr von einer nachfolgenden Kostengrundentscheidung über die „weiteren Kosten“ des einstweiligen Verfügungsverfahrens erfasst sein können.

0,5-Terminsgebühr auch ohne Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils

Nach Nr. 3105 VV RVG entsteht eine 0,5-Terminsgebühr, wenn der Rechtsanwalt nur einen solchen Termin wahrnimmt, in dem eine Partei oder ein Beteiligter nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist und lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil, Versäumnisentscheidung oder zur Prozess-, Verfahrens- oder Sachleitung gestellt wird. Nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 dieser Regelung entsteht die Gebühr auch, wenn eine Entscheidung nach § 331 Abs. 3 ZPO (Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren) ergeht.

Der BGH hatte nun den Fall zu entscheiden, dass ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils nicht gestellt worden ist, aber verfahrenswidrig gleichwohl ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren bei unterbliebener Verteidigungsanzeige ergangen ist. Dem anwaltlichen Klägervertreter steht hierfür gleichwohl die 0,5-Terminsgebühr zu (Beschluss v. 24.01.2017 – VI ZB 21/16). Maßgebliche Voraussetzung für den Anfall der Gebühr sei das Ergehen der Entscheidung. Mit der 0,5-Gebühr nach Nr. 3105 Anm. Abs. 1 Nr. 2 VV RVG solle gerade nicht der mit der Stellung des (Prozess-)Antrags auf Erlass eines Versäumnisurteils verbundene zusätzliche Aufwand des Prozessbevollmächtigten vergütet werden, sondern der dem Prozessbevollmächtigten ohne die Vorschrift drohende gebührenrechtliche Nachteil einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung vermieden werden.

Gesetzentwurf zur Erhöhung der Betreuervergütung veröffentlicht

In einer am 15.2.2017 veröffentlichten Formulierungshilfe der Bundesregierung für einen Änderungsantrag der Regierungsfraktionen zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates für ein Gesetz zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenheiten der Gesundheitssorge und in Fürsorgeangelegenheiten wird vorgeschlagen, die Vergütungssätze in §§ 3, 4 VBVG anzuheben (vgl. Art. 7):

„§ 3 Absatz 1 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 1 wird die Angabe „19,50“ durch die Angabe „22,50“ ersetzt.
b) Satz 2 wird wie folgt geändert:
aa) In Nummer 1 wird die Angabe „25“ durch die Angabe „29“ ersetzt.
bb) In Nummer 2 wird die Angabe „33,50“ durch die Angabe „38,50“ ersetzt.

§ 4 Absatz 1 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 1 wird die Angabe „27“ durch die Angabe „31“ ersetzt.
b) Satz 2 wird wie folgt geändert:
aa) In Nummer 1 wird die Angabe „33,50“ durch die Angabe „38,50“ ersetzt.
bb) In Nummer 2 wird die Angabe „44“ durch die Angabe „50,50“ ersetzt.“

Der Rechtsanwalt als Betreuer würde also künftig nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VBVG einen Stundensatz von EUR 50,50 brutto erhalten.

Die Formulierungshilfe ist erreichbar unter:

http://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/FH_Betreuerverguetung.pdf?__blob=publicationFile&v=1

 

Berufen des Gerichtskostenschuldners auf § 10 Kostenverfügung?

Das BSG hatte sich in einer Entscheidung vom 3.11.2016 (B 13 SF 18/16 S) mit der Frage zu befassen, ob sich ein Gerichtskostenschuldner auf § 10 Kostenverfügung (KostVfg) berufen kann. Die Vorschrift regelt, in welchen Fällen das Gericht von einem Gerichtskostenansatz (bzw. Erteilung einer Gerichtskostenrechnung) bei Unvermögen des Kostenschuldners absehen kann oder muss. Bei der Kostenverfügung handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift. Dementsprechend hat das BSG die Rechtmäßigkeit des Kostenansatzes nicht im Hinblick auf § 10 KostVfG in Frage gestellt. Der Kostenansatz sei nach § 1 Abs. 2 Nr 3, § 19 Abs. 1 S 1 Nr 2 GKG eine gebundene Entscheidung, die als Verwaltungsakt im Verhältnis zum Bürger als Kostenschuldner ergehe. § 10 KostVfg betreffe als Verwaltungsvorschrift nur das Innenverhältnis zwischen dem Kostengläubiger und dem Kostenbeamten, lasse jedoch im Außenverhältnis die Existenz des Kostenanspruchs unberührt. Ein Recht des Kostenschuldners aus § 10 KostVfG auf Beachtung dieser Vorschrift durch den Kostenbeamten bestehe nicht.

 

Unterschrift auf Gerichtskostenrechnung?

Bei schriftlichen Urteilen und Beschlüssen muss die Urschrift von den erlassenden Richtern unterzeichnet sein. Die Ausfertigungen oder beglaubigten Abschriften müssen erkennen lassen, dass die Urschrift unterzeichnet wurde.

Anders liegt es aber bei der Gerichtskostenrechnung, so der VGH München (Beschluss vom 28.12.2016 – 13 M 6.2464) zur Rechtslage im Bundesland Bayern. Bei der Kostenrechnung handele es sich um einen Kostenansatz nach § 19 GKG, der seiner Rechtsnatur nach ein Verwaltungsakt sei. Nach Art. 2 Abs. 3 Nr. 1 und 37 Abs. 5 BayVwVfg können Unterschrift und Namenswiedergabe des Kostenbeamten fehlen. Die erlassende Behörde muss aber erkennbar sein.