Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht um Fragen des Verbrauchsgüterkaufs.

Kostenvorschuss beim Verbrauchsgüterkauf
Urteil vom 7. April 2021 – VIII ZR 191/19

Mit den Voraussetzungen und Wirkungen eines Verbrauchsgüterkaufs befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger betrieb bis Juli 2012 eine Tischlerei und stand in ständiger Geschäftsbeziehung zur Beklagten, die mit Hölzern handelt. Anfang 2012 bestellte er bei einem Außendienstmitarbeiter der Beklagten Brettschichtholz zur Sanierung der Terrasse seines neben der Tischlerei gelegenen Privathauses. Lieferung und Rechnungsstellung erfolgten an die Geschäftsadresse. Im Jahr 2015 beanstandete der Kläger Risse an den Leimfugen, die nach seiner Auffassung auf einer nicht der erforderlichen Nutzungsklasse entsprechende Verleimung beruhen. Die Beklagte machte geltend, das bestellte und gelieferte Holz entspreche dem üblichen Standard. Die auf Zahlung eines Vorschusses für Ausbau und Entsorgung der verbauten Hölzer und für Lieferung und Einbau neuer Hölzer gerichtete Klage hatte in erster Instanz weitgehend Erfolg. Das OLG wies die Klage hingegen ab.

Die Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung des OLG handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf. Für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln ist grundsätzlich die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts entscheidend. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die für den Vertragspartner erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei auf eine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit hindeuten. Im Streitfall war der Kläger zwar Gewerbetreibender. Der in Rede stehende Vertrag war aber auf die Anschaffung von Hölzern für private Zwecke gerichtet. Dies war dem Außendienstmitarbeiter der Beklagten nach den Feststellungen des OLG bekannt oder zumindest erkennbar. Deshalb liegt ein Verbrauchergeschäft vor.

Die Ansprüche sind nicht verjährt. Maßgeblich ist die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB. Die Hölzer sind für den Bau der Terrasse und damit für ein Bauwerk verwendet worden. Dies ist eine übliche Verwendungsweise im Sinne der genannten Vorschrift, weil Holz zu den Materialien gehört, die für ein Bauwerk eingesetzt werden. Ob die bestellten und gelieferten Hölzer für diesen Zweck geeignet waren, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Im neu eröffneten Berufungsrechtszug wird das OLG Feststellungen zur Höhe des Anspruchs treffen müssen. Ein Anspruch auf Vorschuss für die Beschaffung neuer Hölzer ist allerdings schon dem Grunde nach ausgeschlossen. Anders als ein Mieter oder ein Besteller eines Werks ist ein Käufer grundsätzlich nicht berechtigt, einen Mangel auf Kosten des Verkäufers selbst zu beseitigen. Eine Ausnahme gilt nur für Einbau- und Ausbaukosten, für die § 439 Abs. 3 BGB in der seit 1.1.2018 geltenden Fassung einen Ersatzanspruch vorsieht. Nach der für den Streitfall noch maßgeblichen früheren Rechtslage besteht ein solcher Anspruch, wenn der Verkäufer den Aus- und Einbau wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten verweigern darf. Der Kläger wird im Ergebnis also nur einen Teil dieser Kosten ersetzt verlangen können.

Praxistipp: Ersatz der Kosten für die Beschaffung einer mangelfreien Sache kann der Käufer verlangen, wenn die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 280 ff. BGB erfüllt sind.

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Diese Woche geht um einen Fall der Staatshaftung, der möglicherweise nicht so ungewöhnlich ist, wie er auf den ersten Blick erscheinen mag.

Beratungspflicht der gesetzlichen Rentenversicherung
Urteil vom 11. März 2021 – III ZR 27/20

Mit der Pflicht zum Hinweis auf eher überraschende Gestaltungsmöglichkeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung befasst sich der III. Zivilsenat.

Die im Jahr 1950 geborene Klägerin, die schwerbehindert ist, erhielt im Januar 2014 eine Rentenauskunft, nach der die zu erwartende Rente auf der Basis der bisherigen Beiträge rund 922 Euro und bei Weiterzahlung der bisherigen Beiträge bis zur Regelaltersgrenze im April 2016 rund 985 Euro betrug. In einem persönlichen Beratungstermin bei dem beklagten Rentenversicherungsträger überreichte der Berater eine als unverbindlich bezeichnete Probeberechnung, nach der bei einem Rentenbeginn am 1. Juli 2014 eine monatliche Rente von rund 935 Euro zu erwarten war. Auf Antrag der Klägerin vom 15. Juli 2014 bewilligte die Beklagte eine monatliche Altersrente ab 1. Dezember 2014 in Höhe von rund 890 Euro. Grund hierfür war, dass die Kalendermonate mit vollwertigen Beiträgen aufgrund des Hinausschiebens des Rentenbeginns einen gesetzlich festgelegten Durchschnittswert überstiegen und damit die zuvor gegebenen Voraussetzungen für die Anrechnung zusätzlicher (fiktiver) Entgeltpunkte entfallen waren. Ein Widerspruch und eine Klage vor den Sozialgerichten blieben erfolglos. Die auf Zahlung der Differenz von monatlich 45 Euro gerichtete Amtshaftungsklage blieb in den ersten beiden Instanzen ohne Erfolg.

Die Revision der Klägerin führt zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen war die Beklagte jedenfalls ab 15. Juli 2014 verpflichtet, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass sie weniger Rente bekommt, wenn sie erst zum 1. Dezember 2014 in Ruhestand geht. Die gesetzliche Beratungspflicht soll sicherstellen, dass die nach dem Sozialgesetzbuch bestehenden sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Hierzu muss der Rentenversicherungsträger insbesondere auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten hinweisen. Entgegen der Auffassung des OLG widerspricht ein solcher Hinweis nicht dem Zweck der hier maßgeblichen Regelung, wonach zusätzliche Entgeltpunkte nur unterhalb eines bestimmten Durchschnittswerts angerechnet werden. Die Ausübung dadurch eröffneter Entscheidungsspielräume ist legitim. Der Rentenversicherungsträger darf sie deshalb nicht verschweigen.

Der Amtshaftungsanspruch scheitert auch nicht an dem Grundsatz, dass das Verhalten eines Beamten nicht als fahrlässig anzusehen ist, wenn ein Kollegialgericht eine Amtspflichtverletzung verneint hat. Die Beurteilung der Vorinstanzen beruht auf einer schon im Ansatz unzutreffenden Auffassung über den Zweck der maßgeblichen rentenrechtlichen Vorschriften.

Im wieder eröffneten Berufungsverfahrens wird das OLG Feststellungen zur Schadenshöhe zu treffen haben. Hierbei muss es das aufgrund des späteren Rentenbeginns bezogene Arbeitseinkommen als schadensmindernd berücksichtigen.

Praxistipp: Eine Hinweispflicht dürfte in solchen Konstellationen in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn die für die Rentenhöhe schädliche Planung des Versicherten für den Rentenversicherungsträger erkennbar ist.

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Diese Woche geht es um die Anforderungen an die Identitätsüberprüfung nach § 12 und § 13 des Geldwäschegesetzes

Identitätsüberprüfung nach dem Geldwäschegesetz
Beschluss vom 20. April 2021 – XI ZR 511/19

Mit den Anforderungen an eine sichere Identitätsüberprüfung befasst sich der XI. Zivilsenat.

Ein zum Nachlasspfleger für die unbekannten Erben bestellter Rechtsanwalt verlangt im Namen der Erben von der Beklagten die Auszahlung eines zum Nachlass gehörenden Girokontoguthabens in Höhe von rund 1.150 Euro. Die Beklagte verweigert die Auszahlung, weil der Nachlasspfleger sich nur durch eine notariell beglaubigte Kopie seines Personalausweises identifiziert hat, nicht aber durch Vorlage des Personalausweises in einer ihrer Filialen. Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Das LG wies sie ab.

Die Berufung der Kläger bleibt erfolglos. Der BGH tritt dem LG darin bei, dass eine notariell beglaubigte Kopie des Personalausweises zur Identifizierung nach dem Geldwäschegesetz (GwG) nicht ausreicht. Notariell beglaubigte Kopien gehören nicht zu den in § 12 Abs. 1 GwG aufgeführten Dokumenten, die für die Identitätsprüfung geeignet sind. Ein hiernach geeigneter Personalausweis muss nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GwG grundsätzlich durch angemessene Prüfung des vor Ort vorgelegten Dokuments überprüft werden. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 GwG genügt auch ein sonstiges Verfahren, das ein gleichwertiges Sicherheitsniveau aufweist. Eine notariell beglaubigte Kopie des Personalausweises genügt dieser Anforderung seit dem 25.06.2017 nicht mehr. Der Gesetzgeber hat eine früher geltende Vorschrift, nach der ein solches Dokument ausreichend war, ersatzlos gestrichen und stattdessen die Möglichkeit eines elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 des Personalausweisgesetzes geschaffen.

Praxistipp: Hinweise zum Online-Ausweis gibt das Bundesministerium des Inneren unter https://www.personalausweisportal.de/Webs/PA/DE/buergerinnen-und-buerger/online-ausweisen/online-ausweisen-node.html

OLG Frankfurt a.M.: Unwirksamkeit einer Streitverkündung

Gegenstand eines Prozesses vor dem OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 22.1.2021 – 29 U 166/19 waren Mängelansprüche aus einem Architektenvertrag. Nachdem der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hatte, trat die Frage in den Mittelpunkt, ob durch eine Streitverkündung die Verjährungsfrist wirksam unterbrochen wurde.

Die Streitverkündung ist ein bestimmender Schriftsatz, steht praktisch einer Klageschrift gleich und bedarf daher eines vollen Rubrums gemäß §§ 253 Abs. 2 Nr. 1, 130 Nr. 1, 70 Abs. 2, ZPO. Nachdem der Schriftsatz, womit die Streitverkündung erfolgte, vorliegend diese Voraussetzungen nicht erfüllte, war die Streitverkündung unwirksam. Sie löste damit keine Interventionswirkung aus und bewirkte auch keine Hemmung der Verjährung.

Weiterhin muss bei einer Streitverkündung gemäß § 73 S. 1 ZPO die Lage des Rechtsstreites und der Grund der Streitverkündung angegeben werden. Daher müssen der Gegenstand des Rechtsstreites, die Anträge der Parteien, Informationen über eine eventuell erfolgte Beweisaufnahme, bisherige Entscheidungen, relevante Verfügungen und eventuelle Termine mitgeteilt werden. Diese erforderlichen Angaben enthielt die Streitverkündungsschrift gleichfalls nicht. Allerdings war eine Kopie der Akte beigefügt. Dies ist jedoch nicht ausreichend. Der Streitverkündete muss in der Lage sein, aus der Streitverkündungsschrift selbst die erforderlichen Informationen entnehmen zu können.

Man sieht also: Bei einer Streitverkündung muss man stets vorsichtig sein. Die Streitverkündung darf nicht an den notwendigen Formalien scheitern. Es ist nicht ausreichend, einfach eine Kopie der Akte beizufügen. Weder das Gericht noch eine der Parteien oder der Streitverkündete sind dazu verpflichtet, sich aus einer Akte, auf die pauschal Bezug genommen wird, die erforderlichen Einzelheiten selbst herauszusuchen.

Praxistipp: Man sollte in wichtigen Fällen sogar die Gerichtsakte dahingehend kontrollieren, ob die Streitverkündung auch tatsächlich wirksam erfolgt ist. Wenn z. B. vergessen wird, die Streitverkündung zuzustellen oder die Zustellungsurkunde (§ 73 S. 2 ZPO) – aus welchen Gründen auch immer – nicht zu der Akte gelangt, kann die Streitverkündung unwirksam sein bzw. deren Wirksamkeit im späteren Regressprozess nicht nachgewiesen werden!

Montagsblog: Neues vom BGH

Diese Woche geht es um die Anforderungen an die Sorgfalt beim Versand von fristgebundenen Schriftsätzen per Telefax

Abgleich der Telefaxnumer
Beschluss vom 30. März 2021 – VIII ZB 37/19

Mit der ordnungsgemäßen Organisation des Kanzleibetriebs bei Telefax-Sendungen an das Gericht befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Die klagende Arzneimittelherstellerin streitet mit der Beklagten, einer Abnehmerin, darüber, wer von ihnen gesetzliche Preisreduzierungen im griechischen Gesundheitswesen zu tragen hat. Die Klage war in erster Instanz erfolgreich. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten legte am letzten Tag der Frist per Telefax Berufung ein. Das Schreiben war an das zuständige OLG adressiert, jedoch mit der Telefaxnummer des LG versehen. Dieses leitete den Schriftsatz an das OLG weiter, wo er erst einen Tag später einging. Das OLG versagte die beantragte Wiedereinsetzung und verwarf die Berufung als unzulässig.

Der BGH gewährt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verweist die Sache zur Entscheidung über die Berufung an das OLG zurück.

Nach der Rechtsprechung des BGH genügt ein Anwalt den an ihn zu stellenden Sorgfaltsanforderungen, wenn er seinem Personal schriftlich die allgemeine organisatorische Anweisung erteilt, die in einem Schriftsatz angegebene Faxnummer des Empfangsgerichts vor dem Versand mit einem zuverlässigen Verzeichnis und nach dem Versand mit der im Sendebericht angegebenen Nummer abzugleichen.

Als zuverlässiges Verzeichnis kann auch eine Kanzleisoftware herangezogen werden, in der die Faxnummern der Gerichte hinterlegt sind und regelmäßig aktualisiert werden. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt, weil die Dokumentvorlagen, die eine automatische Übernahme der Faxnummer aus der Datenbank der Kanzleisoftware vorsehen, wenige Tage vor dem Versand geändert worden waren.

Entgegen der Auffassung des OLG ist ein etwaiger Fehler bei der Änderung der Dokumentvorlagen im Streitfall aber nicht relevant. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat durch eidesstattliche Versicherung der mit dem Versand betrauten Mitarbeiterin glaubhaft gemacht, dass die allgemeine schriftliche Anweisung besteht, die von der Software eingefügte Nummer vor dem Versand mit der Nummer abzugleichen, die aus dem letzten vom Gericht stammenden Schriftstück in der jeweiligen Akte hervorgeht, hilfsweise mit der Nummer, die auf der Internet-Seite des betreffenden Gerichts angegeben ist. Diese Anordnung war ausreichend. Wäre sie befolgt worden, wäre es zu dem aufgetretenen Fehler nicht gekommen.

Praxistipp: Die organisatorischen Vorkehrungen, um einen rechtzeitigen Versand beim zuständigen Gericht zu gewährleisten, müssen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgetragen und glaubhaft gemacht werden.

Versagung des Zutritts zu einer Musikveranstaltung wegen zu hohen Alters

Der VII. Zivilsenat des BGH hat sich mit Urteil vom 5.5.2021 – VII ZR 78/20 mit dem Benachteiligungsverbot aus §§ 19, 21 AGG befasst. Der BGH wies die Revision des Klägers zurück, der gegen den Veranstalter eines Open-Air-Events in München Zahlungsansprüche geltend gemacht hatte, weil ihm wegen seines Alters der Zutritt verwehrt worden war.

Dieses Open-Air-Event, das am 26.08.2017 auf der Praterinsel in München unter dem Titel „Beim Isarrauschen“ stattfand, war nach dem Willen des privatrechtlich tätigen Veranstalters ausschließlich für Personen im Alter von 18 bis 28 Jahren vorgesehen. Die angebotene Musik war die, die mehrheitlich von jungen Leuten in der vom Veranstalter vorgegebenen Altersgruppe gehört wird. Eintrittskarten konnten nicht im Vorverkauf, sondern erst nach dem Passieren der Einlasskontrolle an der Tageskasse erworben werden. In den Veranstaltungsanzeigen war nur auf das Mindestalter von 18 Jahren hingewiesen worden. Wegen der Örtlichkeit war die Teilnehmerzahl auf höchstens 1.500 Personen beschränkt. Die Türsteher überprüften nur durch Augenschein, ob die Besucher zwischen 18 und 28 Jahren alt sein dürften. Dem damals 44-jährigen Kläger, der nach seinem Aussehen zu alt für diese Veranstaltung erschien, wurde der Zutritt verwehrt. Er fühlte sich deshalb wegen seines Alters i.S.d. § 19 Abs. 1 AGG diskriminiert und verlangte nach dem gescheiterten Schlichtungsverfahren von dem Veranstalter gem. § 21 Abs. 2 AGG die Erstattung der Kosten für dieses Verfahren in Höhe von 142,80 € sowie eine Entschädigung in Höhe von 1.000 €. Das AG München wies dem Urteil vom 10.10.2018 – 122 C 5020/10 die Klage ab. Das LG München I wies unter Zulassung der Revision die Berufung des Klägers mit Urteil vom 31.3.2020 – 13 S 17353/18 zurück. Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass sich das Benachteiligungsverbot aus § 19 Abs. 1 AGG auf Massengeschäfte beschränke. Das streitgegenständliche Open-Air-Event sei schon deshalb kein Massengeschäft i.S.d. § 19 Abs. 1 AGG gewesen, weil der Veranstalter die Zielgruppe altersmäßig definiert habe, um ein möglichst homogenes Publikum zu haben. Außerdem habe wegen der Höchstkapazität von 1.500 Personen der Zutritt auf eine bestimmte Personengruppe beschränkt werden müssen.

Die Revisionszurückweisung durch den BGH, der in der Altersbeschränkung ebenfalls keinen Verstoß gegen das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot des § 19 Abs. 1 AGG gesehen hat, ist zu begrüßen. Es muss einem privatrechtlich tätigen Veranstalter möglich sein, den Zugang zu seiner Musikveranstaltung altersmäßig auf eine Personengruppe zu beschränken, wenn er dadurch die von ihm gewünschte Partystimmung gewährleisten will. Auch die eingeschränkte Kapazität eines Veranstaltungsorts stellt einen nachvollziehbaren Grund dar, nur einer bestimmten Personengruppe, die zur Veranstaltung passt, den Zugang zu gewähren. Eine andere Entscheidung des BGH hätte zu einem Kontrahierungszwang in der Weise geführt, dass jeder zahlungswilligen und zahlungsfähigen Person der Zutritt zu einer solchen Veranstaltung zu gewähren wäre. Es wäre dann ganz egal, ob sie altersmäßig zu den anderen Besuchern passen würde oder ein störender Fremdkörper innerhalb der Veranstaltung wäre. Der Gesetzgeber hat das Benachteiligungsverbot im § 19 Abs. 1 AGG bewusst auf Massengeschäfte und auf Verträge beschränkt, bei denen die Person des Vertragspartners für den Anbieter einer Leistung eine untergeordnete Rolle spielt. Massengeschäfte liegen vor, wenn diese „typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen“ – z.B. im Supermarkt und im Personennahverkehr. Ähnliches gilt, wenn das „Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat“. In beiden Fällen geht es dem Anbieter einer Leistung primär darum, dass sein Vertragspartner, den von ihm verlangten Preis zahlt und sich im Übrigen gesittet aufführt.

Fazit: Wenn ein Veranstalter – wie hier geschehen – aus nachvollziehbaren Gründen nur Teilnehmer aus einer bestimmten Altersgruppe haben will, dann sollte er dies in der Veranstaltungsanzeige bereits angeben. Man darf gespannt sein, ob der Kläger noch vor das BVerfG zieht.

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Diese Woche geht es um die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung für den Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments

Keine Geschäftsgebühr für den Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments
Urteil vom 15. April 2021 – IX ZR 143/20

Eine bislang ausdrücklich offen gelassene Frage beantwortet der IX. Zivilsenat.

Die klagenden Eheleute ließen sich vom beklagten Rechtsanwalt wegen eines Testaments beraten. Der Beklagte entwarf ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Kläger gegenseitig zu Erben einsetzten. Nach Kündigung des Mandats rechnete der Beklagte eine 1,0 Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer ab. Die Kläger zahlten den Rechnungsbetrag von rund 3.700 Euro. Nunmehr machen sie geltend, anstelle der Geschäftsgebühr seien nur eine Beratungsgebühr von 250 Euro und eine 0,3 Mehrgebühr für die Beauftragung durch zwei Mandanten angefallen. Ihre Klage auf Rückzahlung von rund 3.400 Euro war in zweiter Instanz erfolgreich.

Die Revision des beklagten Rechtsanwalts bleibt ohne Erfolg.

Der BGH hat die in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob der Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments eine Geschäftsgebühr auslöst, bislang offen gelassen. Er verneint sie nunmehr und führt zur Begründung drei Argumente an: Mit der Anfertigung des Entwurfs wird der Rechtsanwalt nicht nach außen tätig, weil die Tätigkeit nur die Eheleute betrifft, die beide seine Mandanten sind. Er wirkt auch nicht bei der Gestaltung eines Vertrages mit, weil die Erklärungen in einem gemeinschaftlichen Testament nicht im Sinne der §§ 145 ff. BGB aufeinander bezogen sind. Eine erweiternde Auslegung des zuletzt genannten Gebührentatbestands verbietet sich, weil er Ausnahmecharakter hat.

Praxistipp: Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung fällt eine Geschäftsgebühr auch dann nicht an, wenn ein Rechtsanwalt im Auftrag von zwei Eheleuten zwei aufeinander abgestimmte Einzeltestamente entwirft.

Zustellung an einen Geschäftsführer „persönlich“

Im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens vor dem AG Hamburg-Altona (Beschl. v. 7.1.2021 – 321 M 414/20) stellte sich eine interessante Zustellungsfrage: Der Gläubiger beantragte, gegen den Geschäftsführer einer GmbH einen Haftbefehl zu erlassen. Die erforderliche Zustellung an den Geschäftsführer erfolgte durch Einlegung in den Briefkasten der GmbH. Grundsätzlich ist eine solche Zustellung an die GmbH nach den §§ 180 S. 1, 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ohne weiteres möglich. Hier bestand das Problem aber darin, dass der Zustellungsempfänger nicht die GmbH war, sondern der Geschäftsführer persönlich. Der Geschäftsraum war hier jedoch der Geschäftsraum der GmbH und nicht der des Geschäftsführers!

In einem solchen Fall ist eine Zustellung an den Geschäftsführer persönlich durch Einlegung in den Briefkasten unter der Anschrift der GmbH somit nicht möglich. Dasselbe gilt, wenn z.B. ein Geschäftsführer einer GmbH persönlich in Anspruch genommen werden soll. Es bleibt dann nichts anderes übrig, als entweder zu hoffen, dass der Geschäftsführer persönlich anwesend ist, dann kann ihm persönlich zugestellt werden, oder die Privatanschrift des Geschäftsführers zu ermitteln. Dies kann beispielsweise über das Handelsregister oder über das Einwohnermeldeamt festgestellt werden.

Diese Sicht der Dinge widerspricht allerdings einer jüngeren Entscheidung des VGH Mannheim, NJW 2018, 2507 und auch der überwiegenden Kommentarliteratur (z. B. Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl. (2020), § 178 m. w. N.). In der Sache selbst erscheint allerdings die Auffassung des AG Hamburg-Altona tatsächlich richtig. Bereits der Wortlaut des Gesetzes legt nahe, dass es sich bei dem Geschäftsraum um den Geschäftsraum des Zustellungsempfängers handeln muss. Und Zustellungsempfänger ist in dem genannten Fall eben nicht die GmbH, sondern der Geschäftsführer persönlich und die Geschäftsräume der GmbH sind nicht die Geschäftsräume des Geschäftsführers, sondern eben die der GmbH. Aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 14/4554 S. 20) ergibt sich nichts, was eine andere Auffassung stützen könnte. Präzise erkannt haben das Problem Neuhaus/Köther, MDR 2009, 537, 538 zu III. 3. Die Verfasser des Aufsatzes sprechen sich deswegen für eine analoge Anwendung des § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aus. Insoweit dürfte es jedoch an der dafür erforderlichen Regelungslücke fehlen, zumal im Zustellungsrecht eine eher formale Betrachtung angezeigt ist. Vielleicht wird die Diskussion durch diese Entscheidung einen neuen Impuls in die richtige Richtung erhalten!

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Diese Woche geht es um die Haftungshöchstbeträge für Ansprüche aus dem Straßenverkehrsgesetz und um die Verjährung des Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherung

Haftungshöchstbeträge nach § 12 StVG a.F.
Urteil vom 16. März 2021 – VI ZR 140/20

Mit der bis 17. Dezember 2007 geltenden Fassung von § 12 StVG befasst sich der VI. Zivilsenat.

Der im Jahr 1983 geborene Kläger erlitt bei einem Verkehrsunfall im Jahr 2000 eine Querschnittlähmung ab dem fünften Halswirbel. Ursache des Unfalls war ein Rad, das sich infolge eines Ermüdungsbruchs von einem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug löste und auf das Auto prallte, in dem der Kläger saß. Eine weitere Insassin dieses Autos wurde leicht verletzt, machte aber keine Ersatzansprüche geltend. Die Beklagte zahlte seit dem Unfall eine monatliche Rente von 1.917,34 Euro (ursprünglich 3.750 DM). Im Oktober 2018 stellte sie die Zahlungen ein. Bis dahin hatte sie insgesamt rund 388.000 Euro (rund 760.000 DM) gezahlt. Das LG verurteilte die Beklagte zur Weiterzahlung der Rente in der bisherigen Höhe. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück.

Der BGH tritt den Vorinstanzen darin bei, dass ein Anspruch auf Rentenzahlung nach den bis 17.12.2017 geltenden Fassungen von § 12 Abs. 1 StVG nur durch den Höchstbetrag für die Jahresrente begrenzt wird, nicht aber durch die separat festgelegte Höchstgrenze für Kapitalbeträge. Nach der im Streitfall maßgeblichen Fassung von § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG haftet die Beklagte, solange die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, danach bis zu einem Rentenbetrag von jährlich 30.000 DM – unabhängig davon, ob der Gesamtbetrag ihrer Zahlungen die für Kapitalbeträge geltende Höchstgrenze von 500.000 DM überschritten hat.

Der BGH tritt den Vorinstanzen ferner darin bei, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger nicht bis zu dem in § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG a.F. für den Fall der Verletzung mehrerer Personen vorgesehenen Höchstbetrag von 45.000 DM jährlich haftet. Diese Grenze ist nur für die Summe aller Rentenzahlungen maßgeblich, die die Beklagte gegenüber Personen erbringen muss, die bei dem Unfall verletzt worden sind. Der Anspruch eines einzelnen Verletzten ist dagegen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG a.F. auf 30.000 DM jährlich begrenzt.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen können die in der Vergangenheit erbrachten Zahlungen der Beklagten nicht ohne weiteres als Anerkenntnis einer Pflicht zur Zahlung einer Rente von jährlich 45.000 DM angesehen werden. Eine Tilgungsleistung kann nur dann als Angebot zum Abschluss eines bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrags ausgelegt werden, wenn im konkreten Fall ein nachvollziehbarer Anlass für ein solches Anerkenntnis bestand. Letzteres kann insbesondere dann anzunehmen sein, wenn Streit oder Ungewissheit über Bestand oder Höhe der Forderung herrschte. Diesbezügliche Feststellungen hat das OLG nicht getroffen.

In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird das OLG insbesondere dem Vortrag des Klägers nachzugehen haben, wonach sein Prozessbevollmächtigter nach dem Unfall in einer abschließenden Besprechung mit der Beklagten zum Ausdruck gebracht habe, er werde von einer gerichtlichen Geltendmachung von weitergehenden Ansprüchen aus § 823 Abs. 1 BGB absehen, wenn die Beklagte im Gegenzug den Haftungshöchstbetrag von 45.000 DM pro Jahr hinnehme.

Praxistipp: Da solche Konstellationen in der Regel erst lange Zeit nach dem Schadensereignis eintreten, ist besonders sorgfältig zu prüfen, welche Fassung von § 12 StVG maßgeblich ist. Seit 18.12.2007 gilt ein einheitlicher Höchstbetrag (derzeit fünf Millionen Euro), der auch für den Kapitalwert einer zu leistenden Rente maßgeblich ist.

Verjährung des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung
Urteil vom 25. März 2021 – VII ZR 94/20

Mit dem Beginn der Verjährung eines Anspruchs aus § 648a BGB a.F. (jetzt: § 650f BGB) befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Beklagte beauftragte den Kläger im Jahr 2013 mit Rohbauarbeiten für ein Mehrfamilienhaus. Nach Abschluss der Arbeiten legte die Klägerin im Juli 2014 eine Schlussrechnung über einen Gesamtbetrag von rund 220.000 Euro netto vor. Die Beklagte, die bis dahin Abschläge in Höhe von rund 110.000 Euro erbracht hatte, berief sich auf Mängel und verweigerte weitere Zahlungen. Über eine im Jahr 2015 erhobene Klage auf restliche Vergütung ist erstinstanzlich noch nicht entschieden.

Im September 2018 verlangte die Klägerin die Stellung einer Sicherheit in Höhe von 88.000 Euro. Ihre auf diese Leistung gerichtete Klage hatte in zweiter Instanz Erfolg.

Die Revision der Beklagten bleibt erfolglos.

Der BGH tritt dem OLG darin bei, dass der Anspruch auf Leistung einer Bauhandwerkersicherung als „verhaltener“ Anspruch zu qualifizieren ist, so dass die Verjährung frühestens dann beginnt, wenn der Unternehmer den Anspruch erstmals geltend macht. Der Besteller darf eine solche Sicherheit nicht von sich aus stellen. Die Entscheidung darüber liegt beim Unternehmer, weil dieser die hierfür anfallenden Kosten tragen muss. Der Unternehmer wird eine Sicherheit in der Regel nur dann verlangen, wenn ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis besteht. Ein solches kann sich je nach Einzelfall auch erst geraume Zeit nach Entstehung des Anspruchs ergeben.

An der Geltendmachung des Anspruchs ist die Klägerin im Streitfall weder unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs noch unter dem Aspekt der Verwirkung gehindert.

Praxistipp: Geltend gemachte Mängel haben gemäß § 650f Abs. 1 Satz 4 BGB auf die Höhe der zu leistenden Sicherheit grundsätzlich keinen Einfluss, soweit daraus resultierende Ansprüche nicht unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind.

KG: Kompetenzkonflikt zwischen Zivilkammern

Die Einführung der Zivilkammern mit Sonderzuständigkeit nach § 72a GVG hat zu zahlreichen Folgeproblemen geführt. Eines davon ist – wie zu erwarten war – der Zuständigkeitskonflikt.

In einem Verfahren vor dem KG (Beschl. v. 25.2.2021 – 2 AR 7/21) ging es um folgenden Sachverhalt: Aufgrund verschiedener Forderungen, die letztlich aus Bauverträgen stammten, hatte die Beklagte gegenüber der Klägerin ein abstraktes Schuldanerkenntnis abgegeben. Aus diesem Anerkenntnis nahm die Klägerin die Beklagte nunmehr im Urkundenprozess in Anspruch. Die allgemeine Zivilkammer sah die Sache als Bausache an, die „Baukammer“ als allgemeine Zivilsache.

Das KG sah sich als zuständig an, um den Konflikt zu entscheiden. Zwar spricht § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO von verschiedenen Gerichten. Die Vorschrift ist aber nach st. Rspr. auch dann anzuwenden, wenn sich verschiedene Spruchkörper eines Gerichts über eine gesetzliche Geschäftsverteilung streiten, d.h. eine Frage betroffen ist, die nicht durch das Präsidium des Gerichts entschieden werden darf. Notwendig ist allerdings, dass die jeweiligen, die Zuständigkeit ablehnenden Entscheidungen auch den Verfahrensbeteiligten bekannt gemacht wurden. Dabei reicht es aus, wenn die Entscheidung einer Kammer durch die andere bekannt gemacht wird.

Der Wortlaut des § 72a GVG „Streitigkeiten aus Bau-…verträgen …, soweit sie im Zusammenhang mit Bauleistungen stehen“ legt allerdings nahe, dass es auf das Rechtsverhältnis ankommt, aus dem der Anspruch hergeleitet wird. Dies war hier kein Bauvertrag, sondern ein abstraktes Schuldanerkenntnis. Allerdings wollte der Gesetzgeber alle Streitigkeiten unabhängig von der vertraglichen Qualifikation als Bauvertrag erfassen. Das KG hatte bereits früher entschieden, dass eine Zuständigkeit der Baukammer gegeben ist, wenn sich die Klägerseite auf ein sog. deklaratorisches Anerkenntnis beruft. Bei einem abstrakten Anerkenntnis muss dasselbe gelten, und zwar aus folgenden Gründen: Die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Anerkenntnissen ist oftmals schwierig und stark einzelfallabhängig. Von einem solchen Umstand eine gerichtliche Zuständigkeit abhängig zu machen, wäre sachwidrig. Entscheidend ist aber, dass es gerade bei abstrakten Anerkenntnissen im Laufe des Prozesses in den überwiegenden Fällen doch auf das zugrundeliegende Rechtsverhältnis ankommt. Regelmäßig wird die Unwirksamkeit des Anerkenntnisses nach den §§ 138, 142 BGB geltend gemacht oder es wird wenigstens versucht, das Anerkenntnis nach § 812 Abs. 1 1 Alt. 1 zu kondizieren. Damit sprechen die besseren Argumente dafür, auch derartige Streitigkeiten den Spezialkammern zuzuweisen. Es kommt mithin darauf an, welche Streitigkeit hinter dem jeweiligen Anerkenntnis steht.

Fazit: Die Entscheidung des KG ist sach- und praxisgerecht und sollte Schule machen.