Montagsblog: Neues vom BGH

Nach längerer Pause geht es diese Woche um eine Frage aus dem Werkvertragsrecht.

Keine Fälligkeit des Werklohnanspruchs wegen Verjährung des Herstellungsanspruchs
Urteil vom 28. Mai 2020 – VII ZR 108/19

Mit einer auf den ersten Blick kuriosen Argumentation hatte sich der VII. Zivilsenat zu befassen.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin im Jahr 2010 mit der Erweiterung eines Fachwerkhauses zu einem Pauschalpreis von rund 300.000 Euro. Nach Ausführung der Arbeiten lehnte die Beklagte im Januar 2012 die Abnahme unter Hinweis auf offene Restarbeiten und zahlreiche Mängel ab. Nach Beseitigung einiger Mängel übersandte die Klägerin eine Schlussrechnung über einen noch offenen Betrag von rund 117.000 Euro. Die Beklagte machte weiterhin Mängel geltend und errechnete einen Rückzahlungsanspruch zu ihren Gunsten von rund 170.000 Euro. Das LG wies die Klage auf Zahlung des Rechnungsbetrags als derzeit unbegründet ab. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Die Revision der Klägerin bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Nach den in der Revisionsinstanz nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Vergütungsanspruch der Klägerin nicht fällig geworden, weil die Beklagte das Werk nicht abgenommen hat und hierzu wegen wesentlicher Mängel des Werks auch nicht verpflichtet war. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Anspruch auch nicht deshalb fällig geworden, weil der Anspruch der Beklagten auf Herstellung des Werks mittlerweile verjährt ist. Nach der Rechtsprechung des BGH wird der Vergütungsanspruch zwar fällig, wenn der Besteller Minderung oder Schadensersatz verlangt oder weitere Arbeiten des Unternehmers ernsthaft und endgültig ablehnt. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall aber nicht erfüllt. Auf den Fall der Verjährung des Vergütungsanspruchs kann die in Rede stehende Rechtsprechung nicht übertragen werden. Anders als in den genannten Konstellationen steht es dem Unternehmer hier frei, seine Leistung noch zu erbringen.

Praxistipp: Trotz Abweisung der Klage bleibt dem Unternehmer die Möglichkeit, die vom Gericht festgestellten Mängel zu beheben und ggf. erneut auf Zahlung des Werklohns zu klagen. Ob dies wirtschaftlich sinnvoll ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Montagsblog: Neues vom BGH

Um die Bestimmung des Streitgegenstands und die Wirkungen einer unzulässigen Urteilsergänzung geht es in dieser Woche.

Schadensersatz wegen Planungsmängeln
Urteil vom 21. Februar 2019 – VII ZR 105/18

Mit einem gründlich misslungenen Versuch, ein Versehen durch ein „Ergänzungsurteil“ zu korrigieren, befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die Klägerin hatte den beklagten Ingenieur mit Planungsleistungen für eine Tiefgarage beauftragt. Nach Fertigstellung des Gebäudes erwies sich die Bodenplatte als undicht. Die Klägerin warf dem Beklagten einen Planungsfehler vor und verlangte von ihm Ersatz der voraussichtlich anfallenden Kosten für den Austausch der Bodenplatte in Höhe von 532.000 Euro. Das LG verurteilte den Beklagten antragsgemäß. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die Klägerin könne aufgrund des festgestellten Planungsmangels einen Vorschuss auf die erforderlichen Aufwendungen zur Beseitigung des Mangels verlangen. Dagegen wandten sich der Beklagte mit der Berufung und die Klägerin mit der Anschlussberufung. Auf Antrag der Klägerin erließ das LG später ein „Ergänzungsurteil“, in dem es ausführte, der zugesprochene Betrag stehe der Klägerin als Schadensersatz zu. Die Beklagte legte gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel ein. Das OLG wies die Berufung als unbegründet zurück und verwarf die Anschlussberufung als unzulässig. Zur Begründung führte es aus, aufgrund des nicht angefochtenen Ergänzungsurteils stehe bindend fest, dass die Klageforderung in vollem Umfang begründet sei.

Der BGH verweist die Sache an das OLG zurück. Entgegen der Auffassung des OLG entfaltet das Ergänzungsurteil des LG keine Bindungswirkung, weil es ohne verfahrensrechtliche Grundlage ergangen ist. Für eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO war kein Raum, weil das LG bereits in seinem ursprünglichen Urteil vollständig über den Streitgegenstand entschieden hat. Die Klage betrifft einen Anspruch auf Schadensersatz, weil sie auf einen Planungsmangel gestützt ist und der Kläger nicht die Beseitigung dieses Mangels, sondern den Ersatz eines aus diesem resultierenden Folgeschadens begehrt. Das ursprüngliche Urteil des LG betrifft diesen Lebenssachverhalt, auch wenn es das Begehren rechtlich unzutreffend als Vorschussanspruch qualifiziert hat. Mit dieser Einordnung hat das LG dem Klagebegehren zwar nicht vollständig entsprochen, weil die Klägerin über erhaltene Vorschüsse später abrechnen muss. Auch insoweit ist das ursprüngliche Urteil aber nicht unvollständig, sondern inhaltlich unzutreffend. Das OLG wird sich deshalb nach Zurückverweisung mit der Begründetheit des Klagebegehrens zu befassen haben.

Praxistipp: Nach der neuen Rechtsprechung des BGH ist der Übergang von einer „echten“ Vorschussklage zu einer auf denselben Mangel gestützten Klage auf Schadensersatz gemäß § 264 Nr. 3 ZPO ebenfalls nicht als Klageänderung anzusehen (BGH, Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17, Tz. 53 – BGHZ 218, 1 = MDR 2018, 465).

Montagsblog: Neues vom BGH

Die Kausalität eines Werkmangels für einen Wasserschaden und die Rechte an einer gemeinsamen Grenzanlage stehen im Mittelpunkt der in dieser Woche veröffentlichten Entscheidungen.

Kausalität eines Werkmangels für einen Wasserschaden
Urteil vom 25. Januar 2018 – VII ZR 74/15

Mit den Voraussetzungen eines Gewährleistungsanspruchs befasst sich der VII. Zivilsenat.

Die auf Mallorca wohnhafte Klägerin hatte die Beklagte mit Sanitärarbeiten in einem Haus in Deutschland beauftragt. Drei Monate nach Ausführung der Arbeiten stellte ein Zeuge fest, dass der Fußboden in einer Wohnung vollständig unter Wasser stand. Die Klage auf Ersatz der Kosten zur Behebung der Schäden blieb in den ersten beiden Instanzen erfolglos.

Der BGH verweist die Sache an einen anderen Senat des OLG zurück. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der Zurechnungszusammenhang zwischen der – mangels abweichender tatrichterlicher Feststellungen zu unterstellenden – mangelhaften Abdichtung einer Gastherme und den eingetretenen Schäden nicht wegen der langen Abwesenheit der Klägerin aufgehoben. Die Klägerin war auch nicht gehalten, den Zustand der Wohnung mehrmals wöchentlich kontrollieren zu lassen. Selbst wenn gelegentliche Kontrollen geboten gewesen wären, käme eine Anspruchsminderung nach § 254 BGB nur dann in Betracht, wenn der Schaden dadurch ganz oder teilweise hätte vermieden werden können. Zudem kann sich die Beklagte auf ein Mitverschulden ohnehin nicht berufen, wenn ihr die Klägerin, wie von dieser vorgetragen, aufgegeben hat, die Wasserzufuhr abzustellen.

Praxistipp: Die Entscheidung zeigt, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO durchaus Erfolg haben kann.

Maschendraht oder Holzgeflecht?
Urteil vom 20. Oktober 2017 – V ZR 42/17

Als Klassiker des Nachbarrechts könnte sich die Entscheidung des V. Zivilsenats erweisen.

Die benachbarten Grundstücke der beiden Parteien sind durch einen rund 1,0 Meter hohen Maschendrahtzaun voneinander getrennt. Die Mieter der Beklagten stellten unmittelbar dahinter einen rund 1,8 Meter hohen Holzflechtzaun auf. Das AG verurteilte die Beklagten antragsgemäß zur Beseitigung des neuen Zauns. Das LG wies die Klage ab.

Der BGH stellt das erstinstanzliche Urteil wieder her. Nach § 921 BGB spricht eine Vermutung dafür, dass der Maschendrahtzaun, der teils auf dem einen, teils auf dem anderen Grundstück verläuft, von beiden Nachbarn einvernehmlich errichtet wurde. Ob es sich um eine gesetzliche Vermutung im Sinne von § 292 ZPO oder um eine tatsächliche Vermutung handelt, lässt der BGH offen, weil im Streitfall auch die (potentiell weniger strengen) Voraussetzungen für die Erschütterung einer tatsächlichen Vermutung nicht erfüllt sind. Gemäß § 922 Satz 3 BGB ist ein Nachbar nicht berechtigt, eine gemeinsame Grenzanlage ohne Zustimmung des anderen zu beseitigen zu ändern. Dies gilt auch für Änderungen des Erscheinungsbilds. Der Holzflechtzaun muss deshalb entfernt werden.

Praxistipp: Wenn der Mieter die neue Grenzanlage eigenmächtig errichtet hat und der Vermieter an deren Beibehaltung nicht interessiert ist, genügt es, dem Mieter nach Klageerhebung den Streit zu verkünden.

Montagsblog: Neues vom BGH

Der BGH stellt seinen Richtern wöchentlich eine Sammlung aller Leitsatzentscheidungen zur Verfügung, die in der vorangegangenen Woche veröffentlicht worden sind. Dieser Beitrag bildet den Auftakt einer Serie, mit der in Anknüpfung an diese sog. Montagspost wöchentlich über – ausgewählte – aktuelle Entscheidungen des BGH berichtet wird.

Anforderungen an die Klageschrift: Bezugnahme auf behördliche Akten
Urteil vom 17. März 2016 – III ZR 200/15

Mit den aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO resultierenden Anforderungen an die bestimmte Angabe von Gegenstand und Grund der Klage befasst sich der III. Zivilsenat in einem nicht alltäglichen Fall.

Eine am letzten Tag der maßgeblichen Frist eingereichte Klageschrift, in der Ansprüche auf Entschädigung für strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen  geltend gemacht wurden, enthielt als Begründung im Wesentlichen einen Verweis auf die Akten des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens.

Der BGH sieht dies ebenso wie die Vorinstanzen als unzureichend an. Zwar darf auch zur Bestimmung von Gegenstand und Grund der Klage auf Unterlagen außerhalb der Klageschrift Bezug genommen werden. Diese Unterlagen müssen aber exakt bezeichnet werden. Soll mit der Einreichung der Klage eine Frist gewahrt werden, müssen sie dem Gericht (und nicht nur dem Beklagten) vor Ablauf der Frist vorliegen. Im Anwaltsprozess darf zudem nur auf Unterlagen Bezug genommen werden, die von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterschrieben sind.

Praxistipp: Auch bei akuter Zeitnot sollten alle nach § 253 Abs. 2 ZPO erforderlichen Angaben in die Klageschrift aufgenommen werden.

Werkmangel und Hinweispflicht
Urteil vom 25. Februar 2016 – VII ZR 210/13

Mit einer grundlegenden Frage des werkvertraglichen Mängelrechts befasst sich der VII. Zivilsenat.

Der Kläger machte Gewährleistungsansprüche wegen nach seiner Auffassung mangelhafter Fliesenarbeiten der Beklagten geltend. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kamen für den als mangelhaft gerügten Zustand der Fugen drei Ursachen in Betracht: die Verwendung nicht geeignete Fugenmaterials, eine unzureichende Bearbeitung durch die Beklagte oder eine unsachgemäße Reinigung durch Dritte nach Fertigstellung und Abnahme des Werks. Das Berufungsgericht ließ offen, welche dieser Umstände tatsächlich kausal geworden war. Es nahm an, der Beklagte habe jedenfalls darauf hinweisen müssen, dass ein geeignetes Reinigungsmittel zu verwenden sei, und bejahte deshalb auch für die dritte in Frage kommende Konstellation einen Werkmangel.

Der BGH hebt das Berufungsurteil auf und verweist die Sache an das OLG zurück. Die Frage, ob ein Werk mangelhaft ist, kann im Einzelfall zwar davon abhängen, ob der Unternehmer eine Prüf- oder Hinweispflicht verletzt hat. Dies gilt aber nur in Konstellationen, in denen das Werk nicht die vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktionalität aufweist. In solchen Konstellationen ist der Unternehmer von der an sich eintretenden Mängelhaftung frei, wenn die Ausführung auf Vorgaben des Bestellers entspricht und der Unternehmer ordnungsgemäß auf bestehende Bedenken hingewiesen hat. Weist das Werk im Zeitpunkt der Abnahme hingegen die geschuldete Funktionalität auf, kann die Verletzung einer Hinweispflicht eine (verschuldensunabhängige) Mängelhaftung nicht begründen. In der hier zu beurteilenden Konstellation könnte ein Mangel allenfalls dann vorliegen, wenn die Fugen nach dem Vertrag so ausgestaltet sein mussten, dass sie mit dem eingesetzten Reinigungsmittel behandelt werden können.

Praxistipp: Wenn nicht auszuschließen ist, dass kein Mangel, sondern nur die Verletzung einer Prüf- oder Aufklärungspflicht vorliegt, sollten die Klageansprüche vorsorglich auch auf § 280 Abs. 1 BGB gestützt werden. Hierzu sind Ausführungen zum Verschulden des Unternehmers unerlässlich.

Darlegungs- und Beweislast für die einschlägige Verjährungsfrist
Urteil vom 24. Februar 2016 – VIII ZR 38/15

Mit einer interessanten Frage zur Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Verjährung befasst sich der VIII. Zivilsenat.

Der Kläger nahm die Beklagte wegen behaupteter Mängel von Maschinenbauteilen in Anspruch. Der Kläger verwendete die von der Beklagten gelieferten Teile zur Herstellung von Walzen, die für den Bau einer Trocknungsanlage für Klärschlamm bestimmt waren. Zwischen den Parteien war unter anderem streitig, ob es sich bei der Trocknungsanlage um ein Bauwerk handelte, was gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB eine Verlängerung der Verjährungsfrist von zwei auf fünf Jahre zur Folge hätte. Das Berufungsgericht hatte die Darlegungs- und Beweislast insoweit bei der Klägerin gesehen, weil die zweijährige Frist den Regelfall darstelle.

Der BGH sieht dies anders und verweist die Sache an das OLG zurück. Grundsätzlich trägt für den Eintritt von rechtsvernichtenden oder rechtshindernden Einwendungen derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der daraus eine ihm günstige Rechtsfolge ableiten will, in der Regel also der Gläubiger. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn unterschiedlich lange Verjährungsfristen in Betracht kommen. Der Gläubiger, der sich auf eine kurze Verjährungsfrist beruft, trägt also die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen, unter denen diese Frist zur Anwendung kommt.

Praxistipp: Wer sich auf Verjährung beruft, sollte stets darauf achten, zu allen Tatbestandsvoraussetzungen der einschlägigen Verjährungsvorschrift vorzutragen und Beweis anzubieten.

Realofferte: Lieferung von Strom und Gas
Urteil vom 25. Februar 2016 – IX ZR 146/15

Mit der nicht immer leicht zu beantwortenden Frage, ob und mit wem durch den Bezug von Strom oder Gas ein Liefervertrag zustande kommt, befasst sich der IX. Zivilsenat im Zusammenhang mit einem Verbraucherinsolvenzverfahren.

Der klagende Energieversorger hatte auf der Grundlage eines mit dem Vermieter geschlossenen Sonderkundenvertrags ein Mietgrundstück mit Strom und Gas beliefert. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters teilte die Klägerin diesem mit, sie beliefere das Grundstück nunmehr im Rahmen der Grund- beziehungsweise Ersatzversorgung. Nach Auszug des letzten Mieters verlangte die Klägerin vom Vermieter die Zahlung des tariflichen Entgelts für die nach Insolvenzeröffnung erfolgten Lieferungen.

Der BGH weist die Klage – abweichend von der Vorinstanz – ab, weil durch die weitere Belieferung nach Insolvenzeröffnung zwar ein Vertrag zustande gekommen, der Vermieter aber nicht Partei dieses Vertrags geworden ist. Unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung sieht der Senat in dem Leistungsangebot des Versorgers eine Realofferte. Diese richtet sich nach Insolvenzeröffnung aber nicht (mehr) an den Insolvenzschuldner, sondern entweder an den Insolvenzverwalter oder an die Mieter. Der Mitteilung an den Vermieter über die Belieferung im Wege der Grund- oder Ersatzversorgung kommt keine Bedeutung zu, weil sie lediglich deklaratorischen Charakter hat.

Praxistipp: Die in der konkreten Entscheidung nicht relevante Frage, ob der Vertrag mit dem Insolvenzverwalter oder aber mit Mieter zustande kommt, kann ebenfalls große Schwierigkeiten bereiten. Alle Beteiligten sollten sich deshalb um eine möglichst frühzeitige Klärung bemühen – bevor hohe Rückstände auflaufen, für die niemand geradestehen will.