Rechtsform der GmbH & Co. KG ab 1.8.2022 für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer

Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) tritt zwar nach Art. 137 ganz überwiegend erst am 1.1.2024 in Kraft (BGBl. I 2021, 3436). Dies gilt auch für die an die Freien Berufe adressierte Öffnungsregelung des § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F., nach der durch konstitutive Handelsregistereintragung die Rechtsform der OHG und KG einschließlich GmbH & Co. KG erlangt werden kann, „soweit das anwendbare Berufsrecht die Eintragung zulässt“. Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften v. 7.7.2021 (BGBl. I 2021, 2363) wurden aber für die Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nicht nur die berufsrechtlichen Usancen für eine Handelsregistereintragung ab 1.1.2024 definiert. Die einschlägigen Normen des betreffenden Berufsrechts sind vielmehr darüber hinaus ab dem 1.8.2022 bis zum Inkrafttreten des MoPeG am 1.1.2024 als temporäre leges speciales anzusehen mit der Folge, dass die konstitutive Eintragung in das Handelsregister bereits ab dem 1.8.2022 erfolgen kann. Für den anwaltlichen Bereich folgt dies aus § 59b Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BRAO n.F., der die Zulassung aller deutschen Gesellschaftsformen statuiert, und der zu dieser Norm veröffentlichten amtlichen Begründung (Begr. Gesetzentwurf, BT-Drucks. 19/27670, S. 177; vgl. dazu Wertenbruch in Schäfer (Hrsg.), Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 10 Rz. 24; Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3981). Entsprechendes gilt auf Grundlage des § 49 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 StBerG n.F. für die Personengesellschaft der Steuerberater (Begr. Gesetzentwurf, BT-Drucks. 19/27670, S. 177 i.V.m. S. 275).

Ein Stück weit diffiziler und intransparenter ist insoweit die Rechtslage bei der Wirtschaftsprüfer-Personengesellschaft. Die Öffnungsoption des § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. übt hier gem. Art. 22 des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften die Vorschrift des § 27 WPO n.F. aus (vgl. dazu Gesetzentwurf, BT-Drucks. 19/27670, S. 323; Wertenbruch in Schäfer (Hrsg.), Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 10 Rz. 22; Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3990). Das in § 27 Abs. 2 WPO a.F. geregelte Eintragungserfordernis in Gestalt einer Treuhandtätigkeit entfällt. Die amtliche Begründung zur Änderung des § 27 WPO enthält zwar – anders als die Begründung zur Novelle von BRAO und StBerG – zur Frage der Einordnung als temporäre lex specialis vom 1.8.2022 bis zum Inkrafttreten des § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB am 1.1.2024 keine Ausführungen. Die Auslegung des § 27 WPO n.F. unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs mit den parallel verabschiedeten § 59b Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BRAO n.F und § 49 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 StBerG n.F. ergibt aber hinsichtlich der zeitlichen Dimension eine Übereinstimmung mit dem neuen Berufsrecht für Anwälte und Steuerberater (vgl. dazu Wertenbruch in Schäfer (Hrsg.), Das neue Personengesellschaftsrecht, 2022, § 10 Rz. 24; Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3991), sodass die konstitutive Handelsregistereintragung auch hier schon ab dem 1.8.2022 zulässig ist. Die Funktion als Scharnier zwischen Gesellschaftsrecht und Berufsrecht der Freien Berufen übernimmt § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. unisono für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer am 1.1.2024.

Mit der generellen Zulässigkeit der KG und der GmbH & Co. KG steht Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern auch die Variante der Einheits-GmbH & Co. KG offen, da die berufsrechtlichen Bedingungen auch hier grundsätzlich erfüllt werden (vgl. dazu Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3979 ff.). Die Einheits-KG sichert – im Vergleich zur beteiligungsidentischen klassischen GmbH & Co. KG – schon deshalb kraft Rechtsform die von den Kommanditisten als Gründern intendierte Beteiligungsidentität, weil nur die KG als solche Gesellschafterin der Komplementär-GmbH ist. Bei der beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG kann es demgegenüber im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters trotz Implementierung von darauf bezogenen gesellschaftsvertraglichen Synchronisierungsklauseln vor allem wegen der nur bei der Komplementär-GmbH nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG Platz greifenden Legitimationswirkung der Gesellschafterliste zu Disparitäten kommen (vgl. dazu Wertenbruch, GmbHR 2021, 1181 Rz. 20 ff.; Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3963 ff.). Die bisherige Problematik der Ausübung des Stimmrechts der KG in der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH entschärft § 170 Abs. 2 HGB n.F. mithilfe einer partiellen gesetzlichen Vertretungsmacht der Kommanditisten (vgl. dazu Wertenbruch, GmbHR 2021, 1181 Rz. 9 ff.; Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3934 ff.). Zudem besteht ein erheblicher Kostenvorteil der Einheits-GmbH & Co. KG darin, dass im Fall einer geplanten Übertragung von Beteiligungen an dieser KG nur die Kommanditanteile nach §§ 398, 413 BGB abgetreten werden müssen, wofür keine notarielle Form vorgeschrieben ist. Bei der klassischen GmbH & Co. KG ist dagegen die Übertragung der GmbH-Geschäftsanteile ebenso wie das Kausalgeschäft beurkundungspflichtig (§ 15 Abs. 3 und Abs. 4 GmbHG), und nach den Grundsätzen über das einheitliche Beurkundungsgeschäft erfasst dieser Formzwang dann regelmäßig auch eine synchrone Übertragung der Kommanditanteile (vgl. dazu Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3960 ff.). Im Fall der Neugründung einer Einheits-GmbH & Co. KG ist das Übertragungsmodell (Gründung der Komplementär-GmbH durch die späteren Kommanditisten und Übertragung der Geschäftsanteile auf die KG nach deren Gründung) gegenüber dem Beteiligungsmodell vorzugswürdig (vgl. Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, § 58 Rz. 3934 ff.). Wesentlicher und komplexer Regelungsgegenstand des Gesellschaftsvertrags der Einheits-GmbH & Co. KG ist die transparente Trennung der Stimmrechtsausübung und der Beschlussfassungen in den beiden Gesellschafterversammlungen (vgl. zum Aufbau und zum Inhalt des Gesellschaftsvertrags der Einheitsgesellschaft Heckschen in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesellschaften, 83. Lfg. 2022, Verträge und Formulare, M 60).

Die Rechtsform der PartG mbB steht den Freien Berufen zwar weiterhin als Rechtsformalternative zur Wahl. Der Ausschluss der persönlichen Gesellschafterhaftung kommt hier aber nur für Gesellschaftsverbindlichkeiten zum Zuge, die auf Fehlern bei der Berufsausübung beruhen. Insbesondere für Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen und Mietverträgen wird demgegenüber vollumfänglich persönlich gehaftet. Die PartG ist daher im Bereich des Gesellschaftsrechts der Freien Berufe trotz einiger legislatorischer Nachbesserungen nie so richtig Avantgarde gewesen.

MoPeG passiert Bundesrat

Das MoPeG ist am 25.6.2021 um 02:07 Uhr vom Bundestag einstimmig beschlossen worden (vgl. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw25-de-personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz-846942). Der Ständige Beirat des Bundesrats, dem die Bevollmächtigten der sechzehn Länder angehören, hat dem Ersuchen stattgegeben, die Zuleitungsfrist von sechs Wochen so zu verkürzen, dass eine Behandlung des MoPeG als Einspruchsgesetz (vgl. dazu https://www.bundesrat.de/SharedDocs/TO/1006/to-node.html) im Bundesrat noch am 25.6.2021 erfolgen konnte (TOP 123 der BR-Sitzung). Um 13:19 Uhr wurde in der Sitzung des Bundesrats förmlich festgestellt, dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss nicht anruft. Damit ist das MoPeG gem. Art. 78 Var. 2 GG zustande gekommen.

Die Nacht geht – MoPeG kommt

Bei der Tour de France markiert schon seit dem Jahr 1906 die flamme rouge den Beginn des letzten Etappenkilometers für das Peloton. Ein Fahrer, der nach der Überwindung von Bergen der hors catégorie diesen aufgeblasenen Bogen vor sich flimmern sieht, hat es geschafft, sofern er auch auf den letzten Metern unnötige Kollisionen vermeidet. Das MoPeG hat, nachdem die vom federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestags in seiner 161. Sitzung am 22.6.2021 unter der Leitung des CDU-Abgeordneten Prof. Dr. Heribert Hirte einstimmig angenommene Beschlussempfehlung vorliegt (BT-Drucks. 19/30942; vgl. dazu den Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 19/31105), gemeinsam mit einer größeren Phalanx anderer Gesetzesvorlagen die flamme rouge der letzten parlamentarischen Sitzungswoche durchfahren und Platz 29 auf der Tagesordnung der am 24.6.2021 um 9.00 Uhr beginnenden 236. Sitzung des Deutschen Bundestages erzielt. Mit der für Freitag (25.6.2021) um 05:00 Uhr vorgesehenen abschließenden Beratung in Form der 2. und 3. Lesung (Live-Übertragung via https://www.bundestag.de/mediathek), die mit einer Rede der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht eröffnet wird, ist das MoPeG zwar zeitlich nicht tête de la course, aber zumindest das gesellschaftsrechtliche Highlight, wenn nach kurzer Nacht über der Spree gerade die Sonne aufgeht.

Die vom Rechtsausschuss für die Verabschiedung im Bundestag empfohlene Fassung des MoPeG weicht nur marginal vom Inhalt des für die 1. Lesung in den Bundestag eingebrachten MoPeG-RegE ab, der im Wesentlichen auf dem Mauracher Entwurf (vgl. Mauracher Entwurf zum MoPeG, 4/2020) beruht. Die größte Abweichung ist darin zu sehen, dass nach Art. 137 MoPeG das Inkrafttreten ganz überwiegend nicht – wie ursprünglich vorgesehen – zum 1.1.2023, sondern erst zum 1.1.2024 erfolgen soll. Dadurch erhalten die Länder zusätzlich Zeit für die technisch-organisatorische Umsetzung des neuen Gesellschaftsregisters für die GbR (vgl. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 19/30942, S. 169; Bericht des Ausschusses, BT-Drucks. 19/31105, S. 11).

Hervorzuheben ist in Bezug auf Änderungen zudem die Einfügung eines Satzes 2 in § 728 Abs. 1 des BGB-RegE sowie jeweils § 176 Abs. 1 und Abs. 2 HGB-E. Die Regelung des § 728 Abs. 1 Satz 2 BGB-E stellt jetzt klar, dass sich die Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters nicht auf Schadensersatzansprüche erstreckt, die auf Pflichtverletzungen beruhen, welche erst nach dem Ausscheiden erfolgen. Der aus einer Anwaltssozietät ausgeschiedene Gesellschafter haftet also nicht, wenn der Beratungsvertrag zwar vor seinem Ausscheiden abgeschlossen, der Beratungsfehler aber erst danach von einem verbliebenen Sozius begangen wurde. Zu § 176 Abs. 1 HGB nimmt der Rechtsausschuss die im RegE enthaltene Verschärfung zurück, das heißt, die unbeschränkte Kommanditistenhaftung ist nach wie vor ausgeschlossen, wenn dem Gläubiger die Beteiligung als Kommanditist bekannt war. Die Neufassung des § 176 Abs. 2 HGB-E stellt mit der Formulierung „weiterer Gesellschafter“ klar, dass der klassische Gesellschafterwechsel kein haftungsbegründender Eintritt im Sinne dieser Vorschrift ist (vgl. Beschlussempfehlung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 19/30942, S. 113; Bericht des Ausschusses, BT-Drucks. 19/31105, S. 10).

Die neu errichteten tragenden Säulen des MoPeG wurden vom Rechtsausschuss nach Prüfung ohne Vorbehalt abgenommen: So erhält die GbR neben dem Gesellschaftsregister einschließlich Reglement, das auch den komplexen Statuswechsel umfasst, insbesondere Vorschriften über die Vertretung und persönliche Haftung sowie – in Anlehnung an §§ 145 ff. HGB – ein eigenes Kapitel über die Liquidation, das u.a. die gerichtliche Berufung und Abberufung von Liquidatoren einführt. Das neue Beschlussmängelrecht der OHG/KG implementiert – in Übereinstimmung mit dem Recht der AG/GmbH – die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage (§§ 110 ff. HGB-E), wobei allerdings die Nichtigkeitsgründe präziser und moderner formuliert sind. Bei der GbR gilt dieses Beschlussanfechtungsmodell zwar nicht ex lege, der Gesellschaftsvertrag kann hierfür aber im Rahmen der Vertragsfreiheit optieren. Die Neuregelung des § 107 Abs. 1 Satz 2 HGB-E öffnet die Rechtsform der OHG/KG und damit auch der GmbH & Co. KG für die gemeinsame Ausübung Freier Berufe, „soweit das anwendbare Berufsrecht die Eintragung zulässt“. Die nicht unerheblichen Schönheitsfehler der PartG mbB – persönliche Gesellschafterhaftung für Verbindlichkeiten aus Miet- und Arbeitsverhältnissen sowie die mit der einkommensteuerrechtlichen Abfärbung bei gewerblichen Einkünften durch Einsatz von Angestellten und Subunternehmern verbundenen Risiken (vgl. dazu Wertenbruch, ZIP 2021, 1094 ff.) – werden durch die Wahl der GmbH & Co. KG abgehängt. Durch die Neuregelung des § 170 Abs. 2 HGB-E, der die dispositive Stimmrechtsausübung durch die Kommanditisten der Einheits-Kapitalgesellschaft & Co. KG in der Komplementär-Kapitalgesellschaft regelt, deren einzige Gesellschafterin die KG selbst ist, gelangt die Einheits-GmbH & Co. KG auf sicheres Terrain und wird dort weiter Furore machen, weil im Falle eines Gesellschafterwechsels nur die Kommanditanteile abgetreten werden müssen, wofür eben keine notarielle Beurkundung erforderlich ist.

Prolog für das MoPeG-Verfahren war die auf Grundlage des Koalitionsvertrages der aktuellen Bundesregierung im Sommer 2018 vorgenommene Einsetzung der von Ministerialrat Dr. Eberhard Schollmeyer LL.M. geleiteten Expertenkommission zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts durch die damalige Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Katarina Barley. Die erste Sitzung der Kommission fand wenig später im Justizministerium unter Mitwirkung der Staatssekretärin a.D. Christiane Wirtz statt. Im April 2020 wurde Bundesministerin Christine Lambrecht der von dieser Kommission erarbeitete Mauracher Entwurf vorgelegt, benannt nach Schloss Maurach am Bodensee, wo im März 2020 die abschließende mehrtägige Revisions- und Redaktionskonferenz durchgeführt wurde (Pressemitteilung des BMJV v. 20.4.2020). Es folgte am 19.11.2020 der Referentenentwurf (RefE MoPeG v. 19.11.2020) und am 20.1.2021 der Gesetzentwurf der Bundesregierung. Am 17.3.2021 erreichte dieser Regierungsentwurf den Bundestag als Etappenziel (Gesetzentwurf Bundesregierung vom 17.3.2021, BT-Drucksache 19/27635).

Beim anschließenden letzten großen Anstieg hat das MoPeG zwar durch das nach der Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss am 21.4.2021 (vgl. dazu Wortprotokoll der 144. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz) notwendig gewordene Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur Frage des Fortbestands der verfassungsrechtlichen Legitimität der unterschiedlichen Behandlung von Kapital- und Personengesellschaft bei der Ertragssteuer (vgl. dazu Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages v. 11.5.2021) prima vista den in den letzten drei Jahren herausgefahrenen Vorsprung eingebüßt. À la longue könnte sich aber das Plazet des Wissenschaftlichen Dienstes als gewichtiger Ertrag auf dem Habenkonto des MoPeG erweisen, sofern behauptet wird, allein durch die Aufgabe des Gesamthandsbegriffs seien die sich auch im Steuerrecht auswirkenden Strukturunterschiede zwischen Kapitalgesellschaft und Personengesellschaft gesetzlich eingeebnet worden (vgl. zu dieser Thematik auch Fleischer, DStR 2021, 430 ff.; Bachmann, NZG 2020, 612 ff.; Wertenbruch, GmbHR 2021, 1 ff.). Gleichwohl mussten nach Eintreffen der Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes sämtliche Protagonisten und Domestiken des MoPeG permanent mit maximaler Übersetzung fahren, um den Anschluss an das Gesetzespeloton der letzten Session der 19. Legislaturperiode zu erreichen.

Letzte Ausfahrt MoPeG!

Das Filmdrama „Letzte Ausfahrt Brooklyn“ von Bernd Eichinger und Uli Edel, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Hubert Selby („Last Exit to Brooklyn“), war nichts für ausschließlich auf Happy-End frisierte Kinogänger. Für das geplante Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) (Gesetzentwurf Bundesregierung v. 17.3.2021, BT-Drucksache 19/27635) gibt es hingegen in Berlin auf der 19. Straße der Bundesgesetzgebung rechtzeitig vor dem Dead End noch eine Ausfahrt „Reichstagsgebäude/Schloss Bellevue“, und zwar in der letzten Sitzungswoche vom 21.6. bis 25.6.2021. Am Donnerstag, dem 24.6.2021, findet im Wallot-Bau ohnehin eine lange Nacht der Gesetze statt.

Die 1. Beratung des MoPeG im Bundestag erfolgte am 25.3.2021 mit der planmäßigen Verweisung an den federführenden Rechtsausschuss (BT-Plenarprotokoll 19/218, S. 27516D-27521D). Die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss fand am 21.4.2021 statt. Dort wurden allerdings von einem Sachverständigen auch verfassungsrechtliche Zweifel an der weiteren Zulässigkeit einer unterschiedlichen Besteuerung von Kapitalgesellschaften nach KStG und den Personengesellschaften nach EStG (Mitunternehmerbesteuerung der Gesellschafter nach § 15 EStG) vorgetragen. Das daraufhin vom Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Sachen MoPeG, Prof. Dr. Heribert Hirte, eingeholte Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages weist die Bedenken des Sachverständigen dagegen zu Recht zurück (https://www.heribert-hirte.de/hirte-befragt-wissenschaftlichen-dienst-zum-gesetzesentwurf-zur-modernisierungdes-personengesellschaftsrecht/ ).

Das MoPeG knüpft zwar einschließlich Begründung nicht mehr an den tradierten und über Jahrzehnte umstrittenen Gesamthandsbegriff an. Gleichwohl gibt es nach wie vor grundlegende Unterschiede zwischen Kapitalgesellschaft (juristische Person) und Personengesellschaft, die eine andere Struktur der Besteuerung rechtfertigen. Denn auch bei der Personengesellschaft des MoPeG gilt als Leitprinzip der Grundsatz der Selbstorganschaft, das An- und Abwachsungsprinzip bei Veränderungen im Gesellschafterbestand, das Zwei-Personen-Erfordernis (keine Ein-Personen-Personengesellschaft) und der Grundsatz der persönlichen akzessorischen Gesellschafterhaftung (vgl. dazu Wertenbruch, GmbHR 2021, 1, 2). Diese Besonderheiten tragen – wie vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages überzeugend bestätigt – den in Rede stehenden ertragssteuerrechtlichen Dualismus in Form der Besteuerung der Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG und der Gesellschafter der Personengesellschaft als Mitunternehmer nach § 15 EStG (vgl. dazu auch Wertenbruch, GmbHR 2021, 1, 3). Die Unterschiede bei der steuerlichen Belastung sind ohnehin grundsätzlich nicht gravierend (vgl. dazu Mueller-Thuns in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Hdb. GmbH & Co. KG, 22. Aufl. 2021, § 2 B II Rz. 2.38 ff).

Es bleibt zu hoffen, dass der ReGE MoPeG in der letzten Sitzungswoche der 19. Legislaturperiode noch unter Einhaltung der vorgeschriebenen parlamentarischen Usancen in die letzte Ausfahrt zum Plenarsaal des Reichstagsgebäudes einbiegt und die noch zu passierenden Ampeln dann bis zur Ausfertigung im Schloss Bellevue auf „grün“ geschaltet sind. Denn am 25.6.2021 ist im Bundestag auf jeden Fall erst einmal curtain down.

Der BMJV-Referentenentwurf eines MoPeG

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat jetzt den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) veröffentlicht. Der Entwurf bewegt sich im Großen und Ganzen auf den auch durch wissenschaftliche Fachtagungen und zahlreiche Publikationen in Fachzeitschriften eingefahrenen Gleisen des am 20.4.2020 veröffentlichten Mauracher Entwurfs (abrufbar mit Abschlussbericht und Thesenpapieren der einzelnen Arbeitsgruppen unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/PM/Modernisierung_PersonengesellschaftsR.html), der von einer auf Grundlage einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die gegenwärtige Legislaturperiode vom BMJV im Herbst 2018 (S. 131 des Koalitionsvertrags für die 19. Legislaturperiode (abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/656734/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download%20 =%201) eingesetzten Expertenkommission erstellt worden war. Tragende Säule auch des RefE sind (1) das bislang in den §§ 705 ff. BGB nicht geregelte Außenrecht der GbR mit Perpetuierung der Rechts- und Parteifähigkeit, organschaftlicher Vertretung und persönlicher akzessorischer Gesellschafterhaftung, (2) Einführung eines Gesellschaftsregisters mit nur mittelbarem Eintragungszwang (Voreintragungsprinzip), (3) Öffnung der OHG und KG und damit auch der GmbH & Co. KG für die Freien Berufe sowie (4) das Beschluss- und Beschlussmängelrecht.

I. Gesetzliche Perpetuierung der Rechts- und Parteifähigkeit der GbR – Abgrenzung zur juristischen Person

Die mit der Grundsatzentscheidung „ARGE Weißes Ross“ vom BGH am 29.1.2001 anerkannte Rechts- und Parteifähigkeit (BGHZ 146, 341) perpetuiert § 705 Abs. 2 BGB-RefE: „Die Gesellschaft kann entweder selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll (rechtsfähige Gesellschaft), oder sie kann den Gesellschaftern zur Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses untereinander dienen (nicht rechtsfähige Gesellschaft).“ Die zweite Alternative betrifft die auch schon bislang nicht rechts- und parteifähige Innengesellschaft. Nach § 719 Abs. 1 BGB-RefE entsteht die GbR im Verhältnis zu Dritten, „sobald sie mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnimmt, spätestens aber mit Eintragung in das Gesellschaftsregister“. Zur Vertretung der GbR sind gem. § 720 Abs. 1 BGB-RefE „alle Gesellschafter gemeinsam befugt, es sei denn der Gesellschaftsvertrag bestimmt etwas anderes“. Der RefE hält damit am Prinzip der Selbstorganschaft fest und markiert damit einen wesentlichen Unterschied zur juristischen Person.

Auch die Personengesellschaft des RefE stellt keine juristische Person dar. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Rechtsformen liegt nicht im Bereich der Rechts- und Parteifähigkeit im Außenverhältnis, sondern in der fehlenden Verselbständigung der Gesamtheit der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft im Innenverhältnis, die insbesondere durch das Prinzip der Selbstorganschaft und die „An- und Abwachsung“ der Wertanteile bei Veränderungen im Gesellschafterbestand sowie das Bestehen eines Schuldvertrags im Innenverhältnis zum Ausdruck kommt. In ertragssteuerrechtlicher Hinsicht erfolgt daher weiterhin eine Mitunternehmerbesteuerung nach §§ 15, 15a EStG und keine Besteuerung nach KStG (vgl. dazu auch Wertenbruch, GmbHR 2020, R 196).

II. GbR-Register mit mittelbarem Eintragungszwang – problematische Ausnahme für Patent-, Marken-, Gebrauchsmuster und Designregister

1. Eintragungsfreiheit und Voreintragungprinzip

Die §§ 707 ff. RefE regeln das neue Gesellschaftsregister ohne unmittelbaren Eintragungszwang. Die Eintragungsoption mutiert aber zu einem mittelbaren Zwang, wenn eine noch nicht eingetragene GbR eine rechtliche Maßnahme vornehmen will, die eine Eintragung dieser GbR in ein anderes Register (insbesondere Grundbuch oder Handelsregister) erfordert. Die GbR muss dann für eine Voreintragung sorgen. Entsprechendes gilt beispielsweise in dem Fall, in dem die GbR einen Anteil an einer GmbH erwerben will und deshalb im Rahmen des Vollzugs die Gesellschafterliste geändert werden muss. Das Voreintragungsprinzip mit der Konzentration der gesellschaftsrechtlichen Daten der GbR – insbesondere Sitz und Vertretungsmacht – im digital einsehbaren Gesellschaftsregister dient nicht nur der Rechtsklarheit und der Rechtsicherheit, sondern in besonderem Maße auch der Effizienz im Bereich der behördlichen Registerverwaltung.

2. Die Problematik der Nichtgeltung des Voreintragungsprinzips bei gewerblichen Schutzrechten

Die vom Mauracher Entwurf abweichende Nichtgeltung des Voreintragungsprinzips im Bereich der gewerblichen Schutzrechte Patent, Marke, Gebrauchsmuster und Design ist allerdings bestenfalls nutzlos. Die für die einzelnen Schutzrechte vorgesehenen Veränderungen der einschlägigen Verordnungen (vgl. dazu Begründung RefE S. 328 ff.) stellen richtigerweise die eingetragene GbR der juristischen Person und der OHG/KG gleich, das heißt, es müssen nur Name/Firma, Rechtsform und Sitz angegeben werden. Die aktuellen Regelungen, nach denen im Falle einer Schutzrechtsanmeldung durch eine GbR die Angabe und Anschrift mindestens eines vertretungsberechtigten Gesellschafters erforderlich ist, sollen aber für diejenigen Gesellschaften fortgelten, die von ihrem Eintragungswahlrecht (noch) nicht Gebrauch gemacht haben. Es ist in einem solchen Anmeldungsfall aber nicht klar, ob das Recht der (rechtsfähigen) Gesellschaft als solcher oder den Gesellschaftern als Bruchteilsberechtigten in irgendeiner schuldvertraglichen Verbundenheit zusteht. Die Problematik verschärft sich, wenn die Eintragung in das Gesellschaftsregister nach der Schutzrechtsanmeldung erfolgt. Das belegen auch die Ausführungen in der Begründung (S. 328) zu diesem Fall. Hier soll nämlich, so die Begründung, davon auszugehen sein, dass es sich um eine Namensänderung (also Identität) im Sinne des § 27 DPMAV handelt, die auf Antrag im Patentregister bzw. den anderen einschlägigen Registern vermerkt, wenn sie dem DMPA nachgewiesen wird.

Die registerrechtliche Fortgeltung des Prinzips der Schutzrechtsanmeldung durch eine GbR ohne vorherige Registrierung kommt prima facie in einem unbürokratischen und auf Schnelligkeit geschneiderten Gewande daher, provoziert aber in Wirklichkeit materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Probleme, die von den Gesellschaftern zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht überschaut werden können, sowie einen vermeidbaren zusätzlichen Verwaltungsaufwand auf Seiten der Registerbehörden. Die in Rede stehende Ausnahme vom Voreintragungsprinzip öffnet daher nicht nur in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht, sondern auch in Bezug auf sämtliche Rechtsgeschäfte, die das betreffende Schutzrecht zum Gegenstand haben, in einem nicht unbedeutenden Bereich des Rechtsverkehrs eine Büchse der Pandora, die der II. Zivilsenat mit der „ARGE Weißes Ross“ zugeschraubt und der Mauracher Entwurf versiegelt hat.

III. Öffnung der GmbH & Co. KG für die Freien Berufe

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater können auf Grundlage von Spezialvorschriften in der WPO bzw. im StBerG schon jetzt in der Rechtsform der KG und GmbH & Co. KG praktizieren. Für Rechtsanwälte und sonstige freie Berufe besteht diese Rechtsformfreiheit bislang nicht. § 107 Abs. 1 Satz 2 RefE eröffnet insoweit eine Eintragungsoption, „soweit das anwendbare Berufsrecht dies zulässt“. Dieser Berufsrechtsvorbehalt kommt insbesondere dann zum Tragen, sofern es um die Zulässigkeit von reinen Kapitalbeteiligungen geht. Die Öffnung der OHG/KG für Rechtsanwälte wäre zwar auch durch Spezialregelungen in der BRAO, die dann leges speciales im Verhältnis zu § 105 HGB wären, gesetzestechnisch möglich. Dadurch würden aber diejenigen freien Berufe in Bezug auf die Eintragungsoption „ausgebremst“, deren Berufsrecht in die Zuständigkeit der Landesgesetzgeber fällt, also insbesondere Ärzte, Bauingenieure und Architekten (vgl. dazu Wertenbruch, NZG 2019, 407 ff.). Die gesellschaftsrechtliche Landungsbrücke des § 107 Abs. 1 Satz 2 RefE für die freien Berufe ist daher breiter und insgesamt überzeugender als partielle Stege.

IV. Neues System der Beschlussanfechtung

Die §§ 110 ff. RefE regeln das neue Beschlussmängelrecht der OHG/KG – in systematischer Anlehnung an die Beschlussanfechtung bei der AG und GmbH – in Gestalt einer Anfechtungsklage und Nichtigkeitsklage, wobei die Befristung des § 112 RefE nur für die Anfechtungsklage gilt. Die Nichtigkeitsgründe sind so transparent und passend gesetzlich konfiguriert, dass die Modernisierung gerade auch im Verhältnis zur AG und GmbH, wo der Reformprozess bei der Beschlussanfechtung noch nicht in Gang gekommen ist, deutlich sichtbar ist. Die Gesellschafter der GbR können durch den Gesellschaftsvertrag optieren (vgl. Begründung RefE S. 123). Abweichend vom Mauracher Entwurf ist die Nichtigkeits- und Anfechtungsklage aber bei der GbR nicht das gesetzliche Regelmodell. Das ist offenbar dem Umstand geschuldet, dass bei einer kleinen GbR ohne anwaltlichen Beistand – also beispielsweise einer vierköpfigen Musikband, die auf den ersten Hit warten – im Falle eines Beschlussstreits die GbR als solche vom Kläger mit der Nichtigkeits- und Anfechtungsklage angegriffen werden und die anderen Gesellschafter auf Seiten der GbR als Nebenintervenienten beitreten und sich als Streitgenossen auf die Seite des Klägers schlagen können, wohl nicht der Verkehrsauffassung in derartigen Geschäftsbereichen entspricht (vgl. dazu Wertenbruch, GmbHR 2020, 875, 882).

V. Resumee

Dass der RefE im Wesentlichen mit dem inzwischen breit diskutierten Mauracher Entwurf übereinstimmt und insbesondere die Grundprinzipien und Leitbilder keine Änderungen erfahren haben, sind m.E. Pluspunkte, die hoffentlich auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren positiv zu Buche schlagen. Die Ausnahme vom Voreintragungsprinzip bei der Anmeldung eines gewerblichen Schutzrechts durch eine GbR sollte allerdings für eine Disqualifikation vorgesehen werden, die schon mit dem Regierungsentwurf wirksam wird.